Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 109 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Vorzusingen, oder dem Vorspieler (Musikmeister) zur Einübung überwiesen. Wenn diese übliche, freilich noch keineswegs sichere Erklärung der bei 55 Psalmen sich findenden Bemerkung richtig ist, so war dieser Psalm bestimmt, gesungen, und zwar bei dem Tempelgottesdienst gesungen zu werden! Es ist allerdings keineswegs leicht, sich die ganze Sängerschar oder gar das Volk solch schreckliche Verwünschungen singend vorzustellen. Wir wenigstens, die wir in der Zeit des Neuen Bundes leben, finden es sehr schwierig, dem Psalm einen dem Evangelium angemessenen oder auch nur irgendwie mit dem Geiste Christi vereinbaren Sinn beizulegen. Und es muss, dünkt uns, auch den Israeliten sehr schwer gefallen sein, solch herbe, ja leidenschaftliche Worte zu singen, ohne dass dabei der Geist der Rachsucht in ihnen erweckt wurde. Die Erregung solcher Leidenschaft kann aber nie zu irgendwelcher Zeit, unter dem Gesetz so wenig wie unter dem Evangelium, Zweck einer gottesdienstlichen Feier gewesen sein. Gleich am Anfang zeigt uns jedoch diese Überschrift, dass der Psalm in einem Sinn verstanden sein will, mit welchem es Männern Gottes vor dem Thron des Allerhöchsten geziemt Gemeinschaft zu haben; aber welches ist dieser Sinn? Das ist eine Frage von nicht geringer Schwierigkeit, eine Frage, auf die nur ein sehr kindlich einfältiges Gemüt die Antwort finden wird.
  Ein Psalm Davids. Demnach ist er nicht der Ausschaum eines heimtückischen Menschenfeindes, auch nicht wütige Verwünschungen eines hitzigen, racheerfüllten Gemütes. David wies das Ansinnen, den Mann zu schlagen, der ihm so hartnäckig nach dem Leben trachtete, wiederholt mit Entrüstung von sich, er vergab oftmals solchen, die schändlich an ihm gehandelt hatten; darum können diese Worte nicht in einem gehässigen, rachsüchtigen Sinn verstanden werden, denn solcher Sinn war der Denkungsart des Sohnes Jesse fremd. Die Fluchworte, welche wir vor uns haben, sind von einem Manne geschrieben, der bei aller kriegerischen Tapferkeit, die ihn beseelte, ein Freund von Musik und Gesang, ein Mensch von zartem Gemüte war, und sie waren dazu bestimmt, an Gott gerichtet zu werden in der Form eines Psalms, eines heiligen Gesanges; darum können sie schlechterdings nicht nur als zorniges Fluchen gemeint sein.
  Es sei denn man könne beweisen, dass die Religion des Alten Testaments ganz und gar hart, finster und drakonisch und David ein Mann von Hass und Rache schnaubendem Geiste gewesen ist, darf man nicht annehmen, dieser Psalm atme, wie ein Ausleger sich auszudrücken gewagt hat, erbarmungslosen Hass, raffinierte und unersättliche Feindseligkeit. Solchen Gedanken dürfen und können wir nicht Raum geben, auch nicht für eine Stunde. Gewiss ist dies eines der schwersten Stücke der Heiligen Schrift, eine Stelle, welche die Seele nur mit Zittern lesen kann. Doch da es ein dem HERRN gedichteter und unter Eingebung geschriebener Psalm ist, so ist es nicht unsere Sache, über seinen Inhalt zu Gericht zu sitzen, sondern unser Ohr dem zuzuneigen, was Gott uns darin zu sagen hat.
  Der Psalm hat auf Judas Bezug; denn in diesem Sinne führt ihn Petrus Apg. 1,20 an. Aber die erbitterten Androhungen desselben unserem Herrn und Heiland in den Stunden seines Leidens beizulegen, das geht über die Grenze dessen, was wir zu tun wagen. Solche Verwünschungen sind unverträglich mit dem stillen Gotteslamm, das seinen Mund nicht auftat, da es zur Schlachtbank geführt ward. Es mag sehr fromm scheinen, ihm solche Worte in den Mund zu legen; wir hoffen, dass gerade Frömmigkeit es ist, was uns davon abhält. Vergl. die Bemerkungen von Perowne und anderen in den Erläuterungen und Kernworten.

Einteilung. In V. 1-5 fleht David demütig zu Gott um Errettung von seinen unbarmherzigen und tückischen Feinden. V. 6-20 kündigt er, von einem prophetischen Furor erfasst, der ihn ganz über sich selbst hinausträgt, Gericht über seine Feinde an. V. 21-31 kehrt er zum Gespräch mit Gott in Bitte und Dank zurück. Die mittleren Vers des Psalms, in denen die Schwierigkeit liegt, sind nicht als kalten Blutes gefasste persönliche Wünsche des Psalmdichters, sondern als prophetische Ankündigung gegen gewisse Menschen, die er näher beschreibt, und besonders gegen den einen "Sohn des Verderbens" (Joh. 17,12), den er mit fern voraussehendem Auge schaut, aufzufassen. Wir alle möchten um die Bekehrung auch unseres schlimmsten Feindes beten, und David würde dasselbe getan haben; sehen wir aber auf die Widersacher des HERRN und die Übeltäter als solche, und zwar als unverbesserliche, so können wir ihnen nicht wohl wollen; im Gegenteil, wir begehren, dass sie gestürzt und vernichtet werden. Auch die Sanftmütigsten entbrennen vor Entrüstung, wenn sie von Grausamkeiten gegen Frauen und Kinder hören, von listigen Ränken, um Unschuldige ins Verderben zu stürzen, von frecher Vergewaltigung hilfloser Waisen und schändlicher Undankbarkeit gegen edle, liebreiche Menschen. Ein rechtschaffener Fluch über die Anstifter und Täter der Abscheulichkeiten in der Türkei oder an andern Orten ist unter Umständen nicht weniger tugendsam als ein Segen, über die Gerechten ausgesprochen. Wir wünschen das Wohl der Menschheit, und eben aus dem Grunde lodern wir manchmal von Entrüstung über die elenden Wichte, durch welche jedes Gesetz, das unsere Mitgeschöpfe schützt, mit Füßen getreten und jedes Gebot der Menschlichkeit in den Wind geschlagen wird.


Auslegung

1. Gott, mein Ruhm, schweige nicht!
2. Denn sie haben ihr gottloses und falsches Maul wider mich aufgetan
und reden wider mich mit falscher Zunge;
3. und sie reden giftig wider mich allenthalben
und streiten wider mich ohne Ursache.
4. Dafür, dass ich sie liebe, sind sie wider mich;
ich aber bete.
5. Sie beweisen mir Böses um Gutes
und Hass um Liebe.


1. Gott, mein Ruhm, schweige nicht! Meine Feinde reden, so geruhe auch du zu sprechen. Brich dein beklemmendes Schweigen, und durch dein Reden bringe auch jene zum Schweigen, die mich verlästern. Es ist der Hilferuf eines Mannes, dessen Gottvertrauen tief und stark ist und der es gewohnt ist, mit dem HERRN vertraut und freimütig zu reden. Beachten wir, dass er den HERRN nur zu sprechen bittet; ein Wort von Gott ist alles, was ein Mann des Glaubens bedarf. Du bist ja der Gott meines Ruhmes, den ich von ganzer Seele als meinen Beistand rühme und zu rühmen Ursache habe; so lass dir’s gefallen, meine Ehre zu schützen und mein Rühmen von dir gegen die Lästerer deines Namens zu verwahren. "Gott, es ist mein rechter Ernst", hatte er in dem vorhergehenden Psalme gesagt, "ich will singen und spielen"; und nun wendet er sich Hilfe suchend an den Gott, den er gepriesen hatte. Wenn wir auf des HERRN Ehre bedacht sind, wird er auch für unsere Ehre sorgen. Wir dürfen auf ihn zählen als Beschützer unseres guten Namens, wenn wir in Wahrheit seine Verherrlichung suchen. Leben wir zu Gottes Preise, so wird er darauf sehen, dass wir am Ende auch bei den Menschen gepriesen werden.

2. Denn sie haben ihr gottloses und falsches Maul wider mich aufgetan. Gottlose Menschen müssen ihrer Natur nach gottlose Dinge reden, die zu fürchten wir alle Ursache haben; aber überdies führen sie auch falsche, heimtückische Reden, und das ist das Gefährlichste von allem. Es ist nicht auszudenken, was alles aus einem Maul kommen mag, das ruchlos und lügenhaft zugleich ist. Wieviel Unheil und Kummer einem edlen Manne durch verleumderische Ausstreuungen zugefügt wird, kann nur der ermessen, dessen Herz selber an solchen Wunden geblutet hat; in dem ganzen Zeughaus des Satans gibt es keine verderblicheren Waffen als trügerische Zungen. Unsern guten Ruf, den zu wahren wir täglich mit sorgfältiger Wachsamkeit bestrebt waren, plötzlich mit den unflätigsten Schmähungen besudelt zu sehen, ist unbeschreiblich qualvoll; wenn aber Frevler und Lügner ihr Maul in ganzer Größe öffnen, können wir schwerlich erwarten, eher als andere vor ihnen verschont zu bleiben. Und reden wider mich (Grundtext: mit mir) mit falscher Zunge. Lügenzungen können nicht ruhen. Böse Mäuler sind nicht damit zufrieden, böse Menschen zu beschimpfen, sondern wählen sich die trefflichsten und am höchsten begnadeten Heiligen zum Ziel ihrer Angriffe. Da ist wahrlich Grund genug zum Beten. Das Herz entfällt dem von Verleumdung Bestürmten; denn wir wissen nicht, was das Nächste sein wird, das man über uns sagt, welcher Freund noch uns entfremdet, was für Böses uns gedroht oder was für Elend und Herzeleid uns oder anderen angetan werden wird. Die Luft schwirrt von den mannigfaltigsten Gerüchten, ungreifbare Schatten huschen umher; das Gemüt wird verwirrt von Furcht vor Feinden, die man nicht kennt, und deren unsichtbaren Pfeilen. Was kann in der Tat schlimmer sein, als von der Verleumdung angegriffen zu werden, deren Zunge schärfer ist als ein Schwert, und deren Zähne ein ärgeres Gift ausspritzen als alle Nattern auf dem ganzen Erdball.

3. Und sie reden giftig wider mich allenthalben. Wohin er sich auch wenden mochte, überall hatten sie ihn mit Worten des Hasses wie mit einer Dornhecke umgeben, mit Lügen, Entstellungen, Anklagen und Hohn eingeschlossen. Geflüster, höhnische Mienen, Anspielungen, Spottreden und offene Beschuldigungen summten ihm Tag und Nacht im Ohr, und das alles widerfuhr ihm ohne Grund, aus reinem Hass. Jedes Wort war so voll von Gift wie ein Ei voller Speise; sie konnten nicht den Mund auftun, ohne ihre Zähne zu zeigen. Und streiten wider mich ohne Ursache. Er hatte den Streit nicht heraufbeschworen, auch in keiner Weise dazu beigetragen; dennoch mühten sie sich auf tausend Weisen, den Frieden zu untergraben und seine Ruhe zu zerstören. Dies ließ ihn die ihm angetanen Unbilden umso schmerzhafter empfinden.

4. Dafür, dass ich sie liebe, sind sie wider mich. Sie hassen mich, weil ich sie liebe. Ein englischer Dichter sagt von dem Herrn Jesu: Schuldig erfunden unmenschlich großer Liebe. Wahrlich, es war sein einziger Fehler. Unser Heiland hätte die ganze Klage dieser ersten Verse mit vollstem Nachdruck zu der seinen machen können: sie hassten ihn ohne Ursache und vergalten ihm Hass für Liebe. Was für ein Seelenschmerz muss das sein, gehasst zu werden nach dem Maße, in welchem man Dankbarkeit verdiente, gehasst zu werden von denen, welche man liebte, und gehasst eben wegen der Liebe. Das war bittere Pein, und das empfindsame Gemüt des Psalmdichters wand sich darunter. Ich aber bete, oder nach dem starken Ausdruck des Grundtexts: Ich aber bin (ganz) Gebet. Nichts mehr tat er als beten. Er ward ganz Gebet, wie sie ganz Bosheit. Das war seine Antwort auf das Tun seiner Feinde: von den Menschen und ihrer Ungerechtigkeit berief er sich auf den Richter aller Welt, der Recht schaffen muss. Nur echte Tapferkeit kann einen lehren, all das Geschrei der Verleumder ohne Antwort zu lassen und die Sache Gott zu übergeben. Vor solchem Heldenmut, der mitten unter Schmähungen auf seinem Posten bleibt und still seine Pflicht tut wie ein Feldherr in dem Kugelregen, können die Menschen nicht anders als Ehrerbietung haben.

5. Sie beweise mir Böses um Gutes und Hass um Liebe. Gutes mit Bösem vergelten ist teuflisch. Das ist Satans Richtschnur bei all seinem Tun, und seine Kinder auf Erden ahmen eifrig seiner Handlungsweise nach; sie ist grausam und schneidet bis ins Herz. Die Rache, welche einem Manne mit seiner eigenen Münze heimzahlt, hat noch eine gewisse natürliche Gerechtigkeit in sich; was sollen wir aber sagen von der Niederträchtigkeit, welche Edelsinn und Güte mit dem geraden Gegenteil dessen lohnt, was von Rechts wegen zu erwarten wäre? Unser Herr und Heiland erduldete solch gemeine Behandlung sein Leben lang und erleidet sie in seinen Gliedern noch heute.
  So sehen wir den Mann, der niemandem ein Leid getan und in allen Stücken unschuldig ist, auf den Knien seine schmerzliche Klage vor Gott ausschütten; jetzt aber sollen wir zugegen sein, wie er sich von seinem Platze vor dem Gnadenthron, erfüllt mit prophetischer Kraft, erhebt und seine Feinde mit Vorausverkündigungen ihres schrecklichen Schicksals überschüttet. Wir werden ihn sprechen hören gleich einem Richter, mit unerbittlicher Strenge bekleidet, oder gleich dem Gerichtsengel selbst, angetan mit dem Gewand der Rache; scharf wie das bloße Schwert der Gerechtigkeit, wenn diese ihren Arm zur Hinrichtung erhebt. Nicht so sehr für sich, in eigner Sache, spricht er, als vielmehr für alle Verleumdeten und zu Boden Getretenen, als deren Vertreter und Sprecher er sich fühlt. Er verlangt, dass das Recht vollstreckt werde, und da er von schwerem Unrecht bis ins Herz verwundet ist, stellt er das Verlangen mit dringlichem Ernst und dämmt seine Forderungen nicht in enge Schranken ein, sondern lässt ihnen freien Lauf. Mit der Bosheit Mitleid haben, hieße an der Menschheit selber Bosheit üben; solche schirmen, die andern heimtückisch nach dem Leben trachten, wäre Grausamkeit gegen die Unterdrückten. Im Gegenteil, Liebe und Rechtschaffenheit und Mitleid erheben ihre Wunden gen Himmel und flehen Rache auf die Feinde der Unschuldigen und Unterdrückten herab. Solche, die die Tugend zum Laster stempeln und die Unschuld zu einem Grund des Hasses machen, verdienen es, bei dem erhabenen Menschenhüter kein Erbarmen zu finden. Die Rache ist ein Kronrecht Gottes, und da es ein unermessliches Unglück wäre, wenn das Böse für immer unbestraft bliebe, ist es eine unschätzbar große Wohltat, dass der HERR den Gottlosen und Unbarmherzigen nach ihren Werken vergelten will; und es gibt Zeiten, da ein gut gesinnter Mensch um diesen Segen beten sollte. Wenn der Richter aller Welt droht, tyrannische Grausamkeit und treulose Verräterei zu bestrafen, stimmt die Tugend aus vollem Herzen bei.


6. Setze Gottlose über ihn;
und der Satan müsse stehen zu seiner Rechten.
7. Wenn er gerichtet wird, müsse er verdammt ausgehen,
und sein Gebet müsse Sünde sein.
8. Seiner Tage müssen wenige werden,
und sein Amt müsse ein andrer empfangen.
9. Seine Kinder müssen Waisen werden
und sein Weib eine Witwe.
10. Seine Kinder müssen in der Irre gehen und betteln
und suchen, als die verdorben sind.
11. Es müsse der Wucherer aussaugen alles, was er hat,
und Fremde müssen seine Güter rauben.
12. Und niemand müsse ihm Gutes tun,
und niemand erbarme sich seiner Waisen.
13. Seine Nachkommen müssen ausgerottet werden;
ihr Name werde im andern Glied vertilgt.
14. Seiner Väter Missetat müsse gedacht werden vor dem Herrn,
und seiner Mutter Sünde müsse nicht ausgetilgt werden.
15. Der HERR müsse sie nimmer aus den Augen lassen,
und ihr Gedächtnis müsse ausgerottet werden auf Erden.
16. Darum dass er so gar keine Barmherzigkeit hatte,
sondern verfolgte den Elenden und Armen
und den Betrübten, dass er ihn tötete.
17. Und er wollte den Fluch haben, der wird ihm auch kommen;
er wollte des Segens nicht, so wird er auch ferne von ihm bleiben.
18. Und zog an den Fluch wie sein Hemd;
der ist in sein Inwendiges gegangen wie Wasser
und wie Öl in seine Gebeine;
19. so werde er ihm wie ein Kleid, das er anhabe,
und wie ein Gürtel, da er sich allewege mit gürte.
20. So geschehe denen vom HERRN, die mir zuwider sind,
und reden Böses wider meine Seele.


6. Setze einen Gottlosen (Grundtext) über ihn. Welche ärgere Strafe könnte einem Menschen widerfahren? Der Stolze kann den Stolzen nicht leiden, und dem Unterdrücker ist die Herrschaft eines andern seinesgleichen unerträglich. Die Gerechten empfinden bei all ihrem Duldersinn die Herrschaft der Gottlosen als schwere Dienstbarkeit; Leute aber, die selber von rachsüchtigen Leidenschaften und hochmütigem Streben brennen, sind in der Tat jämmerliche Sklaven, wenn Menschen ihres Schlags die Geißel über sie schwingen. Wenn ein Herodes sich von einem andern Herodes beherrschen lassen müsste, das wäre wahrlich Elends genug; und doch, welche Art der Vergeltung könnte gerechter sein? Welcher Ungerechte hat Grund sich zu beklagen, wenn er sich von einem Gleichgesinnten unterjocht findet? Was können die Gottlosen anders erwarten, als dass ihre Herrscher ihnen ähnlich sein werden? Wer bewundert nicht die Gerechtigkeit Gottes, wenn er die grimmigen Römer von einem Tiberius oder Nero und blutrünstige Revolutionäre von einem Marat und Robespierre beherrscht sieht? Und der Satan müsse stehen zu seiner Rechten. Soll sich nicht gleich zu gleich gesellen? Gehört der Vater der Lügen nicht in die Nähe seiner Kinder? Wen könnte ein Widersacher der Rechtschaffenen sich wohl besser als Freund1 zur Rechten wünschen als den Erzwidersacher selbst? Diese Verwünschung ist entsetzlicher Art; dennoch ist es ganz naturgemäß, dass sie in Erfüllung geht. Alle, die dem Satan dienen, mögen mit Bestimmtheit auf seine Gesellschaft, seinen Beistand, seine Versuchungen und am Ende auch auf Teilnahme an seiner Verdammnis rechnen.

7. Wenn er gerichtet wird, müsse er verdammt ausgehen. Er richtete und verurteilte andere in der ungerechtesten, niederträchtigsten Weise, er ließ die Unschuldigen nicht los; so würde es eine Schmach und Schande sein, wenn er, der wirklich schuldig ist, zu der Zeit, da über ihn Gericht gehalten wird, frei ausgehen sollte. Wer könnte wohl wünschen, einen Mann wie Lord Jeffreys (den Richter der Blutigen Assisen von 1685), wenn er der Rechtstverdrehung angeklagt vor Gericht stünde, freigesprochen zu hören? Wer begehrte, einen Caligula oder Nero reingewaschen zu sehen, wenn sie wegen Grausamkeit auf der Anklagebank säßen? Wenn Shylock (in Shakespeares Kaufmann von Venedig) vor Gericht geht, wer wünscht, dass er seinen Rechtsstreit gewinne? Und sein Gebet müsse Sünde sein, wörtl.: zur Sünde werden. Es ist schon Sünde, möge es denn auch also behandelt werden. Den Unrecht Leidenden muss es unerträglich sein, dass der niederträchtige Schurke, von dessen teuflischen Ränken sie umgarnt sind, auch noch zu beten vorgibt, und ganz natürlich bitten sie, dass er nicht erhört werde, sondern seine Gebete als Mehrung seiner Schuld beurteilt werden mögen. Der Witwen Häuser hat er gefressen, trotzdem betet er. Naboth hat er mittelst falscher Anklagen zu Tode gebracht und seinen Weinberg eingenommen, und nun opfert er Weihrauch des Gebets vor dem Allmächtigen. Dörfer und Städte hat er dem Gemetzel preisgegeben, und seine Hände triefen vom Blut der Kinder und Mägdlein, und dann bezahlt er Allah seine Gelübde! Das müsste wahrlich selber ein verfluchter Mensch sein, der nicht wünschte, dass solche Gräuelgebete vom Himmel verabscheut und als neue Sünden niedergeschrieben würden. Wer andern das Beten zur Sünde macht, wird erfahren, dass sein eigenes Beten zur Sünde wird. Wenn er zuletzt einsieht, dass er Gnade bedarf, wird die Gnade seine Berufung als Beleidigung von sich weisen. Darum dass er nicht daran dachte, Barmherzigkeit zu üben, wird er selber von dem Gott der Gnade vergessen und seine dringenden Rufe um Befreiung als Verhöhnung des Himmels betrachtet werden.

8. Seiner Tage müssen wenige werden. Wer begehrte auch wohl, dass ein verfolgungssüchtiger Wüterich es zu vielen Jahren bringe? Ebenso gut könnte man einem tollen Hunde langes Leben wünschen! Stiftet er nur Unheil, so wird die Verkürzung seines Lebens die Ruhe der Welt verlängern. Die Blutgierigen und Falschen werden ihr Leben nicht zur Hälfte bringen (Ps. 55,24) - damit widerfährt ihnen einfach ihr Recht und den Armen und Elenden eine große Wohltat. Und sein Amt müsse ein anderer empfangen. Vielleicht kommt ein Besserer an die Stelle; auf alle Fälle ist es an der Zeit, es mit einem Wechsel zu versuchen. Die Israeliten waren es so gewohnt, in diesen Versen den Urteilsspruch über Verräter und Menschen von blutdürstiger und falscher Gesinnung zu sehen, dass Petrus in dem schnellen Tode des Judas sofort eine Erfüllung dieses Spruches erkannte sowie einen Grund, einen Nachfolger für jenen zu erwählen, der seinen Platz einnehme. Ein schlechter Mann macht das Amt nicht schlecht; ein anderer mag die Würde zum Segen anwenden, die jener zu schlechten Zwecken missbraucht hat.

9. Seine Kinder müssen Waisen werden und sein Weib eine Witwe. Das wird ja unvermeidlich der Fall sein, wenn der Mann nach V. 8 stirbt; aber der Psalmist braucht die Worte in nachdrücklichem Sinn: er wünscht, dass seine Witwe eine "rechte" (1. Tim. 5,3), d. h. ganz vereinsamte Witwe werde und seine Kinder so verlassen, ohne Freunde, in der weiten Welt dastehen, dass sie im traurigsten Sinn des Wortes verwaist seien. Er sieht voraus, was die Folgen von dem Hinsterben des niederträchtigen Menschen sein werden, und schließt sie in die Strafe ein. Das Schwert des Tyrannen macht so manche Kinder vaterlos; wer kann mittrauern, wenn seine Grausamkeit auf seine eigenen Angehörigen zurückfällt und sie nun selber weinen und wehklagen? Mitleid gebührt allen Waisen und Witwen als solchen; aber des Vaters abscheuliche Handlungen können es zuwege bringen, dass die Quellen des Mitgefühls versiegen. Wer betrauert es, dass Pharaos Kinder ihren Vater verloren, oder dass Sanheribs Frau eine Witwe wurde? Weil Agags Schwert Frauen ihrer Kinder beraubt hatte, vergoss niemand Tränen, als Samuels Waffe seine Mutter der Kinder beraubte unter den Frauen. (1. Samuel 15,33) Wenn Herodes erschlagen worden wäre, als er eben die unschuldigen Kindlein von Bethlehem hatte töten lassen, so würde kein Mensch darüber eine Wehklage angestimmt haben, wiewohl Herodes Frau zur Witwe geworden wäre. Diese entsetzlichen Verwünschungen sind nicht von gewöhnlichen Menschenkindern in den Mund zu nehmen, sondern von Richtern, wie David einer war, über die Feinde von Gott und Menschen auszusprechen. Ein Richter mag einen Menschen zum Tode verurteilen, was immer die Folgen davon für die Familie des Verbrechers seien, und es wird darin nicht das mindeste von persönlicher Rachsucht liegen, sondern einfach ein Ausüben der Gerechtigkeit, weil das Böse bestraft werden muss. Wir wissen ganz wohl, dass dies zur vollen Rechtfertigung der ganzen Stärke der von dem Psalmisten gebrauchten Ausdrücke nicht genügen mag; aber man vergesse nicht, dass der ihnen zu Grunde liegende Fall ein außerordentlich fluchwürdiger und die Gesinnungs- und Handlungsweise des hier angeklagten Verbrechers über alle Maßen Abscheu erregend ist und von irgendwelcher gewöhnlichen Entrüstung gar nicht getroffen wird. Leute, die eine Art verweichlichter, weibischer Gutmütigkeit, welche alle, auch die niederträchtigsten Kreaturen gleich sanft behandelt, als den Gipfel der Tugend ansehen, stehen bei unserem entarteten Zeitalter in großer Gunst; solche Menschen hoffen auf die Wiederbringung der Verdammten und beten selbst um die Beseligung des Teufels. Es ist leicht möglich, dass, wenn sie weniger mit dem Schlechten heimlich sympathisierten und mehr mit Gottes Gedanken zusammenstimmten, sie von viel herberer, aber auch edlerer Gemütsart wären. Uns dünkt es besser, mit Gottes Flüchen als mit des Teufels Segenswünschen übereinzustimmen; und wenn je etwa unser Herz gegen den Stachel der schrecklichen Drohungen des HERRN ausschlagen will, so erblicken wir darin ein Zeichen, dass wir größerer Beugung bedürfen, und bekennen es als Sünde vor unserem Gott.

10. Seine Kinder müssen in der Irre gehen und betteln. Mögen sie weder Haus noch Hof, weder Obdach noch Nahrung haben; und während sie so überall unstet umherschweifen und betteln und sich etwas suchen auf abgeernteten Feldern und Kehrichthaufen, möge der Gedanke sie stets quälen, dass ihres Vaters Haus in Trümmern liegt: fern von ihren Trümmerstätten. (Grundtext, vergl. Luther 1524: weil ihre Hausung verstöret ist.) Wie oft ist es so gekommen: ein Geschlecht von Despoten ist eine Bettlersippe geworden! Missbrauchte Gewalt und übel angewandter Reichtum haben dem Familiennamen allgemeine Verabscheuung und dem Familiencharakter verächtliche Niedrigkeit als Erbbesitz eingetragen. Die strengste Gerechtigkeit würde kein solches Urteil ergehen lassen, es sei denn unter der Voraussetzung, dass die Sünde sich mit dem Blut auf die Nachkommen vererbe; aber die erhabene Vorsehung, die sich am Ende als lauterste Gerechtigkeit erweist, hat im Buch der Geschichte manche Seite geschrieben, auf welcher der Fluch dieses Verses buchstäblich bestätigt ist.
  Wir gestehen, dass wir bei dem Lesen einiger dieser Vers allen unseren Glauben und die ganze Ehrfurcht, die wir der Schrift schuldig sind, zusammennehmen müssen, um sie als die Stimme heiliger Inspiration anzuerkennen; aber die schwere Übung ist der Seele heilsam, denn sie schult uns, unsere Unwissenheit tiefer zu empfinden, und erprobt unsere Gelehrigkeit. Ja, o Heiliger Geist, wir wollen und können glauben, dass selbst diese schrecklichen Worte, vor denen wir zurückschaudern, einen Sinn haben, der mit den vollkommenen Eigenschaften des Richters aller Welt vereinbar ist, wiewohl sein Wesen Liebe ist. Wie das zu vereinigen sein mag, das werden wir später einst erkennen.

11. Es müsse der Wucherer aussaugen (wörtl.: in Schlingen fangen) alles, was er hat. Ein trauriges Los in der Tat. Leute, die einmal in die Hände von Wucherern gefallen sind, mögen dir sagen, was es bedeutet; es wäre wahrlich noch besser, eine Fliege in dem Netz einer Spinne zu sein. Auf die verschlagenste, quälendste und gründlichst ausfegende Weise nimmt der Wucherer seinem Opfer Stück um Stück sein Besitztum weg, bis auch nicht der kleinste Bruchteil als Almosen für die alten Tage bleibt. Er stellt seine Falle wohl, spart am Köder nicht, bewacht sie sorgfältig und treibt sein Opfer geschickt hinein; so vollbringt der Wucherer mit gesetzlichen Mitteln gesetzwidrige Taten, fängt den Vogel, rupft ihm alle Federn und kümmert sich nicht darum, ob er elend verhungert. Er raubt und weiß sich dabei mit den Gesetzen zu schützen, er stiehlt mit der Obrigkeit hinter sich; ihm in die Klauen zu geraten ist ungleich schlimmer, als von offenbaren Dieben und Wegelagerern überfallen zu werden. Und Fremde müssen seine Güter rauben, wörtl.: was er mühsam erworben hat, erbeuten - so dass den Seinen nichts davon bleibt. Bei hartherzigen Gläubigern und mausenden Fremden muss das Vermögen allerdings schnell schwinden! Wenn Wucher auf der einen, Plünderung auf der andern Seite zieht, ein bekannter Geldverleiher und ein unbekannter Räuber miteinander an der Arbeit sind, dann wird alles, was der Mann hat, bald genug dahin sein; und das mit Recht, war es doch durch schändliche Mittel zusammengerafft. Auch dies ist schon häufig zu sehen gewesen. Reichtum, der durch Bedrückung aufgehäuft worden, kommt selten auf das dritte Geschlecht; durch Unrecht ward er gesammelt und durch Unrecht wird er zerstreut, und wer wollte verordnen, dass es anders sein solle? Sicherlich werden diejenigen, welche unter gewalttätigem Betruge leiden, die gerechte Vergeltung des Allmächtigen nicht aufhalten wollen, und ebenso wenig werden die rechtlich Gesinnten, wenn sie die Armen beraubt und zu Boden getreten sehen, wünschen, dass die göttlichen Anordnungen geändert würden, durch welche solche Übel, sogar in diesem Leben schon, ausgeglichen werden.

12. Er habe niemand, der ihm Liebe erweise, oder: gegen ihn Nachsicht übe. (Grundtext) Er kannte keine Güte, sondern würgte und stieß zu Boden alle, die sich Hilfe suchend oder Nachsicht erbittend an ihn wandten. Und ob sie noch so ungern ihn mit seiner eigenen Waffe schlägt, die strenge Gerechtigkeit kann doch nicht anders handeln; sie hebt die Waage ans Licht und sieht, dass auch dies in dem Urteilsspruch enthalten sein müsse. Und niemand, der sich seiner Waisen erbarme. Wir sind darüber betreten, die Kinder in das Urteil über den Vater mit eingeschlossen zu sehen; und doch ist es Tatsache, dass Kinder um der Sünden ihrer Väter willen leiden, und solange die Dinge dieses Lebens so geordnet sind, wie es der Fall ist, muss es also sein. Die Angelegenheiten des menschlichen Geschlechts sind so miteinander verquickt, dass es ganz unmöglich ist, in allen Beziehungen Vater und Kind gesondert zu betrachten. Niemand unter uns kann den Wunsch hegen, die armen Waisen für das, was ihr verstorbener Vater gefehlt hat, leiden zu sehen; doch ereignet es sich, und es liegt in der Tatsache keine Ungerechtigkeit. Die Kinder haben Mitgenuss an dem übel erworbenen Gewinn oder Rang des Vaters, und ihr Emporkommen ist ein Teil dessen, was er bei der Verübung seiner Verbrechen bezweckte. Würde es ihnen zugelassen werden, wohlzugedeihen, so wäre das eine Ermutigung und Belohnung seiner Bosheit; darum geht, aus diesen und andern Gründen, ein Mensch an seiner Missetat nicht allein zu Grunde. Der Bann ruht auf seinem Geschlecht. Wäre der Betreffende unschuldig, so wäre dies ein himmelschreiendes Unrecht; hätte er nur ein allgemein menschliches Maß von Schuld, so wäre es übermäßig strenge Vergeltung. Wenn die Missetat jedoch mit unerträglichem Gestank gen Himmel aufsteigt, ist es nicht verwunderlich, wenn auch die Menschen des Mannes ganze Familie immerwährender Schande preisgeben, wie es in der Tat geschieht.

13. Seine Nachkommen müssen ausgerottet werden; ihr Name werde im andern Glied vertilgt. Aus dem Dasein und aus dem Gedächtnis lass sie verschwinden, bis niemand mehr weiß, dass solch ein schändliches Gezücht je gelebt hat. Wer wünschte wohl, dass die Familie eines Domitian oder Julian noch auf Erden lebte? Wer würde trauern, wenn die Menschenklasse von der Art des Gottesleugners Tom Paine oder des Spötters Voltaire gänzlich ausstürbe? Es wäre wahrlich nicht begehrenswert, wenn die Söhne im vollkommensten Grad schurkischer und blutgieriger Menschen zu Ehren emporstiegen; und geschähe es, so würden sie nur das Gedächtnis der Sünden ihrer Väter neu beleben.

14. Dieser Vers ist vielleicht der entsetzlichste von allen; aber die Tatsache ist nicht zu leugnen, dass Kinder Strafe auf ihrer Väter Sünden herbeiziehen und oft selber das Mittel und Werkzeug solcher Strafe sind. Ein schlechter Sohn ruft die schlechten Charakterzüge seines Vaters in Erinnerung; die Leute sagen: "Er gleicht dem Alten", "Er strebt seinem Vater nach". Auch einer Mutter Sünden werden unfehlbar wieder im Gedächtnis aufgefrischt, wenn die Tochter in grobe Laster verfällt. "Nun ja", sagt man da wohl, "man braucht sich nicht zu wundern, wenn man daran denkt, wie die Mutter war." Das sind Dinge, die tagtäglich vorkommen. Wir können uns indessen nicht erkühnen, die Gerechtigkeit der Verwünschungen dieses Verses erklären zu wollen, wiewohl wir völlig daran glauben. Wir lassen das, bis es unserem himmlischen Vater gefällt, uns weiteren Aufschluss zu geben. Doch da eines Menschen Fehler oft von den Eltern erlernt sind, ist es nicht unrecht, wenn die daraus folgenden Verbrechen auf diejenigen zurückfallen, die deren Ursprung sind.

15. Abermals wünscht er, dass des Vaters Sünden den Missetäter verfolgen und dazu beitragen mögen, das Maß seiner eigenen Missetaten voll zu machen, so dass um der ganzen aufgehäuften Sündenlast willen die Familie mit völliger Ausrottung gestraft werde. Ein König mag gerechterweise einer unverbesserlichen Brut von Empörern ein solches Ende wünschen; und was Verfolger der Gemeinde Gottes betrifft, die in solchem Sinne beharren, so mögen die Heiligen Gottes wohl um deren Vertilgung beten. Aber die Stelle ist dunkel, und wir müssen sie in ihrem Dunkel lassen. Was hier gesagt ist, muss recht sein, sonst stünde es nicht da; aber wie es mit der Gerechtigkeit zu vereinbaren ist, das können wir nicht erkennen. Warum sollten wir auch erwarten, alles zu verstehen? Vielleicht dient es mehr zu unserem Besten, wenn wir Demut üben und Gott ehrfurchtsvoll anbeten über einem harten, dunkeln Schriftwort, als wenn wir alle Geheimnisse verstünden.

16. Darum dass er nicht daran dachte, Liebe zu üben. (Grundtext) Weil er kein Gedächtnis hatte für die Pflicht, Barmherzigkeit zu erweisen, wird der Richter aller ein scharfes Gedächtnis für seine Sünden haben. Er hatte in seinem Leben so wenig Liebe erwiesen, dass er ganz vergessen hatte, wie man das macht. Die gewöhnlichste Menschlichkeit war ihm fremd, Mitleid kannte er nicht; so war denn auch die einzig seiner würdige Behandlung die nach der strengen Regel des Rechts. Sondern verfolgte den Elenden und Armen. Er betrachtete die armen Leute als ein lästiges Übel auf Erden, er fletschte die Zähne gegen sie, drückte ihren Lohn herunter und behandelte sie wie Kot auf den Gassen. Ist’s nicht billig, dass er gezüchtigt wird und die Reihe nun an ihn kommt, erniedrigt zu werden? Alle, die ihn kennen, sind über seine Unmenschlichkeiten entrüstet und werden sich freuen, ihn von seiner Höhe gestürzt zu sehen. Und den Betrübten, dass er ihn tötete. Er hegte böse Pläne im Herzen gegen einen, der schon Trübsal genug hatte und von Schrecken und Verzagtheit ohnehin nur noch halb lebendig war, den anzugreifen mithin ein Überfluss an Bosheit war. Aber kein Kummer erweckte in seinem Herzen Mitleid, Armut und Elend hatten noch nie bei ihm mildere Saiten in Schwingung versetzt. Nein, töten wollte er ihn, dessen Herz schon gebrochen war, und seine Waisen ihres väterlichen Erbes berauben. Ihm waren Seufzen und Stöhnen Musik, Tränen perlender Wein, und Blutstropfen kostbare Rubine! Sollte irgendjemand solch ein Ungeheuer schonen wollen? Dient es nicht der Menschheit zum Besten, wenn wir wünschen, dass er dahinfahre, dass er abgerufen werde vor den Richterstuhl Gottes, um zu empfangen, was seine Taten wert sind? Will er sich bekehren und Buße tun, wohlan; wo aber nicht, so sollte solch ein Giftbaum umgehauen und ins Feuer geworfen werden. Wie die Menschen tolle Hunde töten, wenn sie es können, und das mit Recht, so dürfen wir - zwar nicht selber Rache üben, wohl aber mit Fug und Recht wünschen, dass alle grausamen Bedrücker der Armen aus Amt und Ort weggeräumt würden und, andern zum warnenden Beispiel, für ihre Unmenschlichkeiten leiden müssten.

17. Und er wollte den Fluch haben, der wird ihm auch kommen. Tief im Herzen eines jeden Menschen ist die Gerechtigkeit der lex talionis (des Vergeltungsgesetzes) eingeprägt. Nicht aus persönlicher Rachsucht, sondern als Maßnahme der öffentlichen Gerechtigkeit begehrt der Psalmist Vergeltung, wie denn auch das Verbrechen sie fordert. Sicherlich kann sich der ruchlose Mensch nicht beklagen, wenn er nach seiner eigenen Lebensregel gerichtet, ihm mit seinem eigenen Scheffel gemessen wird. Lasst ihn doch haben, was er begehrt! Die Flüche sind Küken seiner eigenen Brut; es ist in der Ordnung, dass sie zu ihm heimkehren, um zu nisten. Er hat das Bett gemacht, so mag er selber darauf liegen. Gut bekomm’ ihm der Trank, den er selbst gebraut. Wie man’s treibt, so geht’s. So urteilt jedermann vom Standpunkt des Rechts, und wiewohl das höhere Gesetz der Liebe über allen persönlichen Hass und rachsüchtigen Zorn hinweghebt, so wird gegen solch gemeine Charaktere, wie die in dem Psalm geschilderten, selbst die christliche Liebe das Urteil nicht gemildert zu sehen wünschen. Er wollte des Segens nicht, so wird er auch ferne von ihm bleiben. Er hatte keine Freude, wenn es andern wohl erging, und rührte keine Hand, um irgendjemand einen Dienst zu erweisen, vielmehr blickte er finster drein und ärgerte sich, wenn jemand Glück hatte oder muntere Freude sich unter seinem Fenster hören ließ; was sollen wir denn ihm wünschen? Alle Wohltaten sind an ihm verloren; er hasst alle, die ihn freundlich auf einen besseren Weg zu führen suchen. Selbst die Segnungen der göttlichen Vorsehung hat er mit Murren und Verdruss hingenommen; er wünschte eine Teuerung herbei, damit sein Getreide im Preise steige, und wollte Krieg, damit er im Handel gute Geschäfte mache. Das Böse dünkte ihn gut, und das Gute achtete er für böse. Hätte er in alle Kornfelder der Welt den Rost schicken können, er hätte es getan, wenn er dabei einen guten Groschen verdienen oder den edlen Mann, den er aus tiefster Seele hasste, dadurch hätte schädigen können. Was sollen, was können wir ihm wünschen? Er jagt nach Unheil, er hasst das Gute. Er legt sich darauf, die Gottseligen, welche Gott gesegnet hat, zu verderben. Er ist des Teufels Freund und so teuflisch wie sein Schutzpatron. Sollte es mit einem solchen Wesen ein gutes Ende nehmen? Sollen wir ihm etwa Heil wünschen im Namen des HERRN? Auf einen solchen Mann Segen herabzuflehen hieße sich seiner Ruchlosigkeit teilhaftig machen; darum sei Segen ferne von ihm, solange er fortfährt zu sein, was er ist.

18 u. 19. Er zog an den Fluch wie sein Hemd - wie das unentbehrlichste Kleidungsstück, so werde er ihm denn (V. 19) zum fest gegürteten Gewand, ja (V. 18) er dringe wie Wasser in seine Eingeweide und wie glattes, geschmeidiges Öl bis ins Mark seiner Gebeine. Es ist nichts als gemeines Recht, dass er für seine Bosheit Lohn empfange, und zwar mit der Münze, die er selber ausgegeben:

20. Das sei der Lohn meiner Widersacher vom HERRN und derer, die Böses reden wider meine Seele. Dieser Vers fasst die ganze Verwünschung kurz zusammen und hängt sie den bestimmten Personen an, die den arglosen Knecht Gottes so boshaft angefeindet hatten. David war ein Mann von sanfter Art und in auffallendem Grad frei von Rachsucht; darum mögen wir annehmen, dass er hier als Richter oder als ein Mann von einflussreicher und verantwortlicher Stellung redet, in dessen Person wichtige Grundsätze zu beschützen und große Ungerechtigkeiten zu rächen waren.
  Tausende Kinder Gottes sind in großer Verlegenheit, was mit diesem Psalm anfangen, und wir fürchten, dass wir nur wenig zu ihrer Aufklärung haben beitragen können; und die Bemerkungen, die wir von anderen gesammelt haben (siehe die Erläuterungen und Kernworte), erhöhen vielleicht, weil sie eine solche Mannigfaltigkeit der Anschauungen darbieten, nur die Schwierigkeit. Was dann tun? Ist es uns manchmal nicht gut, wenn wir es zu fühlen bekommen, dass wir noch nicht fähig sind, das ganze Wort und den ganzen Sinn Gottes zu verstehen? Völlige Ratlosigkeit mag, solange sie unseren Glauben nicht wankend macht, uns zuzeiten nützlich sein, indem sie unseren Hochmut zu Schanden macht, unsere Kräfte und Fähigkeiten anspornt und uns zu der Bitte bewegt: Was ich nicht weiß, HERR, lehre Du mich!


21. Aber du, HERR, Herr, sei du mit mir um deines Namens willen;
denn deine Gnade ist mein Trost: errette mich!
22. Denn ich bin arm und elend,
mein Herz ist zerschlagen in mir.
23. Ich fahre dahin wie ein Schatten, der vertrieben wird,
und werde verjagt wie die Heuschrecken.
24. Meine Knie sind schwach von Fasten,
und mein Fleisch ist mager und hat kein Fett.
25. Und ich muss ihr Spott sein;
wenn sie mich sehen, schütteln sie ihren Kopf.
26. Stehe mir bei HERR, mein Gott!
Hilf mir nach deiner Gnade,
27. dass sie innewerden, dass dies sei deine Hand,
dass Du, HERR, solches tust.
28. Fluchen sie, so segne Du.
Setzen sie sich wider mich, so sollen sie zu Schanden werden;
aber dein Knecht müsse sich freuen.
29. Meine Widersacher müssen mit Schmach angezogen werden
und mit ihrer Schande bekleidet werden wie mit einem Rock.
30. Ich will dem HERRN sehr danken mit meinem Munde
und ihn rühmen unter vielen.
31. Denn er steht dem Armen zur Rechten,
dass er ihm helfe von denen, die sein Leben verurteilen.


21. Aber Du, HERR, Herr, tue mit mir um deines Namens willen. (Luther 1524.) Wie lebhaft wendet er sich von den Feinden zu seinem Gott! Er setzt das eine große Du all der Menge seiner Widersacher gegenüber, und sofort kommt damit, wie wir sehen, sein Herz zur Ruhe. Die Bitte ist absichtlich so allgemein, fast dunkel unbestimmt gehalten. Tue du mit mir - was denn? Was immer du für gut hältst. Er lässt sich ganz in Gottes Händen, schreibt dem HERRN nichts vor, sondern ist ganz zufrieden, wenn sein Gott mit ihm verfährt um seines Namens willen. Nicht sein Verdienst, sondern Jehovahs Namen macht er zum Grunde seiner Bitte. Die Heiligen haben allezeit erkannt, dass sie keinen mächtigeren Beweggrund ins Feld führen konnten. Gott hat selber seine größten Gnadentaten um der Verherrlichung seines Namens willen vollbracht, und seine Vertrauten wissen, dass dieser Grund am meisten bei ihm vermag. Des HERRN Ehre, über der er selber mit heiliger Eifersucht wacht, sollten auch wir von ganzem Herzen ehrfürchtig behandeln und auf sie uns ohne eine Spur des Misstrauens verlassen. Denn deine Gnade ist mein Trost; errette mich! Nicht weil ich gut bin, sondern weil deine Gnade so gut (wörtl.), so köstlich ist: siehe, wie die Gottseligen aus dem Wesen Gottes selbst ihre Bitten und Bittgründe schöpfen. Gottes Gnade ist der Stern, auf den die Gläubigen ihren Blick richten, wenn sie vom Sturm umhergeschleudert werden und sonst keinen Trost wissen; denn die wunderbare Freigebigkeit und Güte dieser Gnade ist mühseligen Herzen köstlich. Wenn wir bei Menschen Erbarmen, Güte und Liebe auch vergeblich gesucht haben, so werden wir sie doch bei dem HERRN sicher finden. Wollen Menschen uns verschlingen, so dürfen wir zu Gott um Rettung aufschauen. Sein Name und seine Gnade sind zwei feste Anker der Hoffnung, und wohl denen, die sie auszuwerfen wissen.

22. Denn ich bin arm und elend. Wenn er nun doch noch einen in ihm liegenden Grund, erhört zu werden, geltend macht, so führt er nicht seine Reichtümer vor oder seine Verdienste, sondern seine Armut und Hilfsbedürftigkeit. Das ist echt evangelisches Beten, wie es nur der Geist Gottes dem Herzen eingeben kann. Diese Demut verträgt sich nicht mit dem vermeintlichen rachsüchtigen Geist der vorhergehenden Verse; es muss daher eine Deutung derselben zu finden sein, welche sie den Lippen eines demütig gesinnten Knechtes Gottes angemessen erscheinen lässt. Mein Herz ist zerschlagen (wörtl.: durchbohrt) in mir. Der HERR achtet stets mit zarter Aufmerksamkeit auf alle, die zerbrochenen Herzens sind, und ein solcher war der Psalmdichter geworden; die grausame, gemeine und schmähende Behandlung, die er so unverdient von seinen kein Mitleid kennenden Feinden erfahren, hatte ihn bis ins Innerste durchbohrt, und diesen traurigen Zustand schildert er als Grund, dass ihm schnelle Hilfe zuteil werde. Es wird Zeit, für den Freund einzugreifen, wenn der Widersacher so schwere Wunden schlägt. Die Lage ist, wenn nicht göttliche Hilfe ins Mittel tritt, verzweifelt; eben darum ist es des HERRN Zeit.

23. Ich fahre dahin wie ein Schatten, wenn er sich dehnt. (Grundtext) Ich bin nur noch ein Schatten. Ja ich gleiche einem Schatten, der am Verschwinden ist, wenn er sich lang streckt, weil die Sonne tief unten steht; nur noch ein weniges, so wird er sich in der alles bedeckenden Dämmerung verlieren. HERR, fast nichts ist mehr von mir übrig; willst du nicht eingreifen, ehe ich gar dahin bin? Und werde verjagt wie die Heuschrecken, die ein Spielball des Windes sind. Der Psalmist fühlte sich in seinem Unglück so wehrlos wie ein armes Insektchen, mit dem ein Kind tut, was es will. Er fleht um Gottes Mitleid, weil er durch die lange Verfolgung, welche sein zartes Gemüt hatte erdulden müssen, in solch hilflosen und elenden Zustand gekommen war. Verleumdung und Bosheit sind ganz dazu angetan, die Nerven ihrer Opfer zu zerrütten und auszehrende Krankheiten hervorzurufen. Die Leute, welche diese vergifteten Pfeile gebrauchen, sind sich nicht immer der traurigen Folgen ihrer Handlungsweise bewusst; sie werfen mit Feuerbränden und haarscharfen Dolchen um sich und sagen, es sei Scherz.

24. Meine Knie sind schwach von Fasten, sei es, dass er freiwilliges Fasten vor Gott meint, wozu er in der maßlosen Not seines Kummers seine Zuflucht genommen, sei es, dass er durch das schwere Leiden seines Gemütes alle Esslust verloren hatte. Wer kann auch essen, wenn einem jeder Bissen durch Missgunst verbittert wird? Den Vorteil hat der Verleumder, dass er nichts fühlt, während sein feinfühliges Opfer kaum einen Bissen Brots essen kann vor Stärke der Gemütsbewegungen. Doch welch ein Trost ist es, dass Gott das alles weiß und seinen betrübten Kindern beistehen wird. Der HERR, der uns befiehlt, die müden, wankenden Knie zu stärken, wird das sicher vor allem selber tun. Und mein Fleisch ist mager und hat kein Fett. Er war zum Gerippe abgezehrt, und wie sein Körper bis aufs Mark entkräftet war, so war seine Seele alles Trostes beraubt; er härmte sich zu Tode, und seine Feinde sahen ihre Lust daran und lachten über sein Elend. Wie herzbewegend legt er seine Not dar! Das ist eine der echtesten Formen des Gebets, dies Ausbreiten des Kummers vor dem HERRN. Schwache Knie können vor Gott stark sein und ein abgezehrter Leib im Flehen viel vermögen.

25. Und ich muss ihr Spott sein. Sie machten ihn zum Gegenstand des Gelächters, zur Zielscheibe ihrer schlechten Witze. Dass er vom Fasten so abgezehrt war, ließ ihn als sehr verführerischen Vorwurf erscheinen, ihre Geschicklichkeit in Zerrbildern und Spottversen an ihm zu versuchen. Wenn sie mich sehen, schütteln sie ihren Kopf. Worte genügten ihnen nicht, ihre Verachtung zum Ausdruck zu bringen; sie nahmen Gebärden zu Hilfe, womit sie sowohl ihren Hohn zeigen als auch sein Gemüt noch mehr in Aufregung bringen konnten. Mit höhnenden Gebärden bricht man freilich niemand die Knochen, aber man vollbringt damit Schlimmeres als das, man bricht und zermartert viel zartere, empfindlichere Teile. Schon mancher, der auf boshafte Worte hätte antworten und dadurch sein Herz erleichtern können, hat ein Nasenrümpfen, ein Herausstrecken der Zunge gegen ihn oder andere Zeichen der Geringschätzung bitter und tief einschneidend empfunden. Dazu sind Menschenkinder, die durch Kummer und Fasten so erschöpft und ausgezehrt sind, wie es der letzte Vers geschildert hat, meist in einem Zustand krankhafter Empfindlichkeit und fühlen daher die Unfreundlichkeit und Lieblosigkeit ihrer Mitmenschen umso schärfer. Worüber sie zu andern Zeiten lächeln würden, das wird für sie rein unerträglich, nun sie in so hoch reizbarem Zustande sind.

26. Stehe mir bei, HERR, mein Gott! Indem er durch das aneignende Wörtlein mein im Glauben Jehovah erfasst, erfleht er seinen Beistand, dass er ihm sowohl helfe, die schwere Last zu tragen, als auch ihn befähige, sich darüber zu erheben. Er hat seine Schwäche und die Stärke und Wut seiner Feinde geschildert, und mit diesen beiden Stützgründen gibt er seinem Flehen doppelte Kraft und Dringlichkeit. Die Worte sind ein bei aller Kürze inhaltreiches und passendes Gebet für Gläubige in jeder Lage, wo sie von Gefahren, Schwierigkeiten oder Kummer bedrängt sind. Hilf mir nach deiner Gnade. Nach dem Maße deiner Gnade lass meine Rettung sein. Das ist ein großes Maß, denn des HERRN Gnade ist ohne Grenzen. Wenn Menschen kein Erbarmen haben, ist es tröstlich, zu Gottes Erbarmen seine Zuflucht zu nehmen. Ausübung der Gerechtigkeit an den Gottlosen bedeutet oft Erweisung der Gnade an den Gerechten, und weil Gott barmherzig ist, wird er die Seinen retten, indem er ihre Widersacher stürzt.

27. Dass sie innewerden, dass dies sei deine Hand. Weil sie so tölpelhaft dumm sind in geistlichen Dingen, lass die Erweisung deiner Gnade gegen mich so augenscheinlich sein, dass sie gezwungen sind, des HERRN Wirken darin zu erkennen. Ungöttliche Menschen erblicken Gottes Hand in nichts, solange ihnen das möglich ist, und wenn sie gute Menschen ihrer Gewalt preisgegeben sehen, werden sie in ihrer gottesleugnerischen Gesinnung mehr denn je bestärkt; aber zur rechten Stunde wird der HERR sich aufmachen und ihre Bosheit so überwältigend strafen und das Opfer ihres Hasses und ihrer Tücken so mächtig aus ihrer Gewalt erretten, dass sie genötigt sein werden, gleich den ägyptischen Zauberern zu sagen: Das ist Gottes Finger! Dass Du, HERR, solches tust. Jede Missdeutung wird ausgeschlossen sein über den Urheber einer so völligen Ehrenrettung, so gänzlichen Wendung des Schicksals.

28. Fluchen sie, so segne Du. Dann wird ihr Fluchen von so wenig Bedeutung sein, dass es gar nichts mehr gilt. Ein Segenswort vom HERRN nimmt zehntausend Flüchen der Menschen ihr Gift. Setzen sie sich wider mich, so sollen sie zu Schanden werden. Sie erheben sich, um einen neuen Schlag zu führen, wieder eine Lüge auszusprechen und die unheilvolle Wirkung auf ihr Opfer zu beobachten; aber sie müssen gewahr werden, dass alle ihre Anschläge nichtig sind, und mit Schanden abziehen. Aber dein Knecht müsse sich freuen; also nicht bloß als ein Mensch, der beschützt und errettet worden, sondern als Gottes Diener, an welchem seines Herrn Güte und Macht offenbar werden, wenn er von seinen Feinden errettet wird. Es sollte unsere größte Freude sein, dass der HERR durch unsere Erlebnisse geehrt wird; noch mehr als über die uns widerfahrene Gnadenwohltat an sich sollten wir uns über den Ruhm freuen, welchen sie dem einträgt, der sie so gnädig gewährt hat.

29. Meine Widersacher müssen mit Schmach angezogen werden. Diese Worte sind sowohl Wunsch als Weissagung. Wo man die Sünde als Unterkleid trägt, wird bald Schande das Obergewand sein. Wer edle Menschen mit Verachtung bedecken will, wird selber mit Schmach bedeckt werden. Und mit ihrer Schande bekleidet werden wie mit einem Rock, oder besser: Mantel. Lass ihre Beschämung so groß sein, dass sie sie ganz umhüllt vom Kopf bis zu den Füßen; lass sie sich ganz darin einwickeln und verbergen als solche, die sich scheuen, von jemand gesehen zu werden. Jetzt schreiten sie stolz einher und kennen kein Erröten, sie zeigen offen ihre Gottlosigkeit und tun, als ob sie entweder nichts zu verheimlichen brauchten oder nichts darum gäben, ob man es sehe oder nicht; aber sie werden anderer Meinung werden, wenn der erhabene Richter sie vornimmt. Dann werden sie die Berge anrufen, sie zu verbergen, und die Hügel, über sie zu fallen, dass sie nicht gesehen werden; aber umsonst, sie werden zum Gericht geschleppt werden mit keiner anderen Bedeckung als ihrer eigenen Scham und Schande.

30. Ich will dem HERRN sehr danken mit meinem Munde. Mächtig, das ist mit heller Begeisterung, mit beredten Worten und lauter Stimme, will er den gerechten Gott preisen, der ihn aus allem Übel erlöst hat; und das nicht nur im Kämmerlein oder im stillen Kreis der Seinen, sondern so öffentlich, wie es nur sein kann. Und ihn rühmen unter vielen. Auffallende und in der Öffentlichkeit geschehende Gnadentaten der Vorsehung erheischen auch öffentliche Gott lobende Anerkennung; sonst werden die Weltmenschen uns für undankbar halten. Wir preisen Gott nicht, um dabei von Menschen gehört zu werden; aber weil ein natürliches Rechtsgefühl jedermann dazu führt, zu erwarten, dass der Freund von seinem Freund und Wohltäter wohl rede, achten wir auf solch natürliche und gerechte Erwartungen und sind bestrebt, unseren Dank in eben dem Maße öffentlich sein zu lassen, wie die Wohltat es ist, die wir empfangen haben. In dem vorliegenden Fall ist der Sänger jener Mann, dessen Herz so verwundet und zerschlagen gewesen, weil er das Gespött erbarmungsloser Feinde war; nun aber lobt er, strömt über von mächtigem, lautem, fröhlichem Lobpreis Gottes, und das im Angesicht seiner Feinde. Lasst uns niemals verzweifeln; ja noch besser: lasst uns nie aufhören zu loben.

31. Denn er steht dem Armen zur Rechten. Gott wird nicht fehlen, wenn die Seinen in der Verantwortung sind (vergl. 2. Tim. 4,16 ff.); er wird die Gegenrede für sie halten und ihnen beistehen im Gericht als ihr Sachwalter, bereit, ihr Recht zu verteidigen. Welcher Unterschied gegenüber dem Los des Gottlosen, der (V. 6) den Satan zu seiner Rechten hat! Dass er ihm helfe von denen, die sein Leben verurteilen. Der Gerichtshof war nur zum Scheine zusammengetreten; die Boshaften hatten schon vorher sich auf das Urteil geeinigt. Sie sprachen ihn schuldig, weil ihr Hass ihn verdammte, sie verurteilten ihn zum Tode und hätten am liebsten auch seine Seele der Verdammnis überliefert. Aber was tat’s? Der König selber war im Gericht gegenwärtig, und ihr Urteil ward gegen sie selbst gewendet. Nichts kann das Herz eines verleumdeten Gläubigen tröstlicher stärken als die feste Überzeugung, dass Gott nahe ist allen, die Unrecht leiden, und ihre Rettung sicher vollführen wird.
  Ach HERR, bewahre uns vor der schweren Prüfung, ein Opfer der Verleumdung zu werden. Handle nach deiner Gerechtigkeit an allen, welche den guten Namen gottseliger Menschen boshaft angreifen, und hilf allen, die unter Verleumdung und Verlästerung leiden, dass sie unbefleckt aus der Trübsal hervorgehen wie dein eingeborener Sohn selbst. Amen.


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. "Rätselhaft", dies Wort fand sich als einzige Randbemerkung zu diesem Psalme in der Taschenbibel eines kürzlich verstorbenen frommen und beliebten Schriftstellers. Es stellt treffend die hochgradige Verlegenheit dar, in der man sich fast allgemein dem Psalm gegenüber befindet. Joseph Hammond 1875.
  Wir können Judas, auf welchen Petrus Apg. 1 den Psalm bezieht, zugleich als das geistige Haupt des jüdischen Volkes bei dessen frechem Anschlag, den Sohn Gottes seiner Königsmacht zu berauben, ansehen. Das verkündigte Urteil und die Gründe desselben gehen auf die Juden als Volk so gut wie auf den Anführer der Schar, welche Jesum gefangen nahm. Andrew A. Bonar 1859.
  Zu den Verwünschungen, V. 6-20. Von I. Michaelis, auch Muntinghe, Mendelssohn usw. ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass V. 6-19 unvermittelt eingeführte Worte des verwünschenden Widersachers seien, der auch hier stets in der Einzahl auftrete. Allein 1) V. 15 steht die Mehrzahl. 2) V. 17 kann nur auf den Widersacher gehen. 3) Jedenfalls hat auch dann David dieselben Verwünschungen auf der Feinde Haupt zurückgegeben durch V. 20. Prof. A. Tholuck 1843.
  Er beginnt nun zu weissagen, was sie für ihre große Gottlosigkeit empfangen würden, und schildert ihr Los dabei so eingehend, als ob er die Verwirklichung aus Rachsucht herbeiwünschte, während er doch nur erklärt, was mit vollkommenster Sicherheit eintreten und nach Gottes Gerechtigkeit verdientermaßen über sie kommen werde. Einige, die diese Weise, die Zukunft vorauszusagen unter dem Schein, das Böse anzuwünschen, nicht verstehen, meinen, Hass werde hier mit Hass, Übelwollen mit Übelwollen vergolten. In der Tat ist es nur die Sache weniger, unterscheiden zu können, in welcher Weise die Bestrafung der Bösen dem Verkläger Freude macht, der sich sehnt, seiner Feindschaft Genüge zu tun, und in wie völlig verschiedener Weise sie den Richter befriedigt, der aus Gerechtigkeitssinn die Sünden straft. Denn der Erstere vergilt Böses mit Bösem; der Richter jedoch zahlt, indem er straft, dem Ungerechten Gerechtigkeit heim, und was gerecht ist, ist auch sicherlich gut. Er straft demnach nicht aus Ergötzen an dem Elend des Nächsten, was Böses mit Bösem vergelten wäre, sondern aus Liebe zur Gerechtigkeit, vergilt mithin Böses mit Gutem. Ach, dass die Blinden doch nicht das Licht der Schrift verkehreten, indem sie sich einbilden, Gott strafe die Sünden nicht; ebenso wenig mögen die Gottlosen sich schmeicheln, als vergälte Gott selber Böses mit Bösem. Aurelius Augustinus † 430.
  Man hat die Sprache des Psalms rechtfertigen wollen als die Sprache nicht Davids, sondern Christi, der darin sein Richteramt ausübe oder doch, sofern er dies Amt während seines irdischen Lebens abgelegt hatte, den Vater darin anrufe, den Fluch zu vollstrecken. Man hat angeführt, es sei dies die prophetische Vorandeutung der furchtbaren Worte: "Wehe dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird. Es wäre ihm besser, dass derselbige Mensch nie geboren wäre." (Mt. 26,24.) Die Verwünschung ist nach den Worten des Chrysostomus eine Weissagung in Gestalt eines Fluchs, profhtei/a e)n ei}dei a)ra=j.
- Der Zwang, den wir jedoch bei solcher Deutung auf Christum vielen Worten des Psalms antun müssen, sollte längst dazu geführt haben, diese Meinung aufzugeben. Nicht einmal die Weherufe, welche unser Herr über die Pharisäer ausgesprochen hat, können wirklich mit den hier aneinandergereihten Flüchen verglichen werden. Noch weniger ist man berechtigt zu sagen, dass jene Worte voll tiefen, heiligen Kummers, die der Herr im Evangelium an den Verräter richtet, nur eine andere Art des Ausdrucks seien für die entsetzlichen Verwünschungen des Psalms. Aber so schrecklich diese ohne Zweifel sind, und so sehr sie nur aus dem Geist des Alten Bundes zu begreifen, nicht aber mit dem Geist des Neuen Bundes zu verteidigen sind, so lasst uns dennoch lernen, sie richtig zu würdigen. (Vergl. auch zu Psalm 35,4 ff) J. J. St. Perowne 1868.
  Statt sich über die Rachepsalmen zu entsetzen, hat man sie einfach zu verstehen. Dass in ihnen nicht die Privatleidenschaft im Fluchen sich Luft macht, dass sie ein Erzeugnis des Eifers um die Ehre des in seinen Knechten angetasteten Gottes sind, ist leicht zu erkennen; vergl. besonders Ps. 69,10. Solche Psalmen sind eben der Ausdruck jenes Wortes Ps. 139,21 f.: Sollt ich nicht hassen, die dich, Jehovah, hassen? nicht deine Widersacher verabscheuen? Mit vollem Hasse hass ich sie, und Feinde sind sie mir. Dass nun aber in der Art und Weise, wie die Forderung der strafenden göttlichen Vergeltung über die Frevler geltend gemacht wird, eine Strenge waltet, hinter welcher die das Verlorene suchende, rettende Liebe zurücktritt, das ist allerdings im Allgemeinen aus dem Unterschiede des gesetzlichen Standpunktes vom evangelischen zu erklären, auf welchen Unterschied der Herr seine Jünger Lk. 9,55 hinweist, indem er ihren Eliaseifer rügt. Aber es kommt hier noch wesentlich ein anderer, oft übersehener Punkt in Betracht. Auch das Neue Testament kennt ja keine andere endgültige Lösung des durch das Böse in die Welt eingetretenen Widerspruchs, als die durch Gericht sich vollziehende; aber der Unterschied beider Testamente liegt nun darin, dass das Alte Testament, weil es hinsichtlich der Vergeltung auf das Diesseits ausschließlich angewiesen ist, der göttlichen Langmut nicht denselben Spielraum anweist wie das Neue, die endgültige tatsächliche Entscheidung, das Gericht über die Gottlosen durchaus innerhalb des irdischen menschlichen Daseins in Anspruch nehmen muss. - Theol. des Alten Testaments von Prof. G. Öhler 1882.
  Nächstverwandt ist Ps. 109 mit Ps. 69. Der Zorn über die Gottlosen, welche Liebe mit Undank lohnen, die Unschuld verfolgen und den Fluch wollen statt des Segens, ist hier (Ps. 109) bis an die äußerste Grenze gelangt. Die Verwünschungen richten sich aber nicht wie in Ps. 69 gegen eine Menge, sondern ihr ganzer Strom wendet sich gegen einen. Ist das Doeg der Edomiter oder Kusch der Benjaminit? Wir wissen es nicht. Für David, wenigstens für seine Lebenslage, sprechen die hier so lang und breit wie nirgends sich ergießenden Anatheme (Verwünschungen). Sie erklären sich aus der Tiefe des Bewusstseins Davids, dass er der Gesalbte Jahves sei, und aus seiner Selbstanschauung sub specie Christi (unter der Gestalt des Messias). Verfolgung Davids war Versündigung nicht nur an David selbst, sondern auch an dem Christus in ihm, und weil Christus in David ist, nehmen die Ausbrüche des alttestamentlichen Zorngeistes weissagende Gestalt an, so dass auch dieser Psalm, wie Ps. 22 und Ps. 69, ein typisch prophetischer ist, indem die Selbstaussage des Typus (Vorbildes) durch den Geist der Prophetie über sich selbst hinausgehoben und so der Fluch zur Weissagung in Gestalt des Fluchs (Crysostomus) erhoben wird. In den Mund des leidenden Heilands aber passen diese Verwünschungen nicht. Es ist nicht der Geist des Wortes aus Zion (Jes. 2,3), sondern des Gesetzes vom Sinai, der hier aus David redet, der Geist Eliä, welcher laut Lk. 9,55 nicht der Geist des Neuen Bundes ist. Dieser Zorngeist ist im Neuen Bunde vom Liebesgeist überwaltet. Aber die Anatheme sind darum doch nicht ohne sittlichen Wert und geistliche Kraft. Es ist eine göttliche Energie darin, wie in Fluch und Segen jedes gottverbundenen, zumal eines in solcher Stimmung wie der Psalmist befindlichen Menschen. Sie sind von gleicher Kraft wie die prophetischen Drohweissagungen, und in diesem Sinne sieht das Neue Testament sie als an dem Kinde des Verderbens (Joh. 17,12) erfüllt an. Sie waren für das Geschlecht der Zeit Jesu eine abschreckende Warnung, sich nicht an dem Heiligen Gottes zu vergreifen, und ein solcher Warnungsspiegel für die Feinde und Verfolger Christi und seiner Kirche ist dieser Psalmus Ischarioticis (Ischariot-Psalm, Apg. 1,20) noch immer. - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  An der Sittlichkeit der Psalmsänger hat man von jeher wegen ihrer sittlichen Stellung ihren Feinden gegenüber Anstoß genommen. Statt der milden Stimme der Versöhnlichkeit und der Erbarmung mit dem Sünder wird hier großenteils Rachegeschrei vor Gott und Gebet um ihre Verurteilung laut. Zur richtigen Beurteilung des Bedenkens ist erforderlich, über den Zweck der Strafe zu sprechen. Nach der gewöhnlichen Ansicht geht die Strafe bei Gott und bei gottesfürchtigen Menschen immer nur von der Liebe aus und kennt keinen andern Zweck als die Besserung des Menschen. Aber wie nun, wenn der Sünder unverbesserlich wäre? Dass der Sünder in dem Maße, als seine Unbußfertigkeit sich befestigt, desto mehr von Strafe zu befreien sei, wird doch niemand behaupten wollen; ja würde er auch von positiver Strafe befreit, die sogenannte natürliche Strafe trifft nach dem Maß seiner Hartnäckigkeit ihn nur desto stärker, nämlich der innere Zwiespalt oder der geistige Tod. So kann mit dem Zwecke der Besserung die Bedeutung der Strafe nicht erschöpft sein. Mit dem Christentum stimmt aber auch die Philosophie darin überein, dass die eigentliche Bedeutung der Strafe in der Vergeltung liegt, darin nämlich, dass in dem Maße das dem Einzelnen zukommende Wohl gestört wird, wie er sich unterfangen hat, eine Störung, einen Einbruch in das Gesetz Gottes oder des Staates, auszuüben. Hieraus ergibt sich nun, dass die Bestrafung des verstockten Sünders zu wünschen - nicht aus persönlicher Gereiztheit, sondern aus Achtung der Heiligkeit des Gesetzes - ebenso wenig als eine sittliche Unvollkommenheit angesehen werden kann wie der Wunsch, den für Besserung Empfänglichen, wenn es nicht anders sein kann, durch eine Züchtigung zur Besinnung gebracht zu sehen. Sollte sich nun zeigen lassen, dass die Verwünschungen und Bitten um göttliche Strafe nicht aus Rachsucht, das ist aus persönlicher Gereiztheit und Leidenschaft der Psalmsänger, hervorgehen, sondern aus den eben erwähnten Beweggründen, so wäre der Anstoß gehoben; dann hätte es mit jenen Bitten keine andere Bewandtnis als mit dem eifrigen Wunsche eines gerechten Richters oder Regenten, die Schuldigen zu entdecken und zur Verantwortung ziehen zu können. Dann hätte man auch den Äußerungen, die David als Privatmann tut, keine anderen Motive unterzulegen als jene edlen, aus denen der Grundsatz hervorgeht, den er als König Ps. 101,8 ausspricht. Dass es sich wenigstens in davidischen Psalmen so verhalten werde, wird man vorauszusetzen genötigt, wenn man von jenen stärker als alle Worte die Versöhnlichkeit aussprechenden Taten Davids, von denen die Geschichtsbücher berichten, zur Lesung seiner Psalmen übergeht. Der in seinem Tun von Rachlust unbefleckte Charakter, sollte er sie nur in seinen Worten ausgeatmet haben? Zunächst begegnet man auch hier Äußerungen, welche mit jenen Handlungen zusammenstimmen. Siehe Ps. 7,5.6; 141,5; 35,12.13; 38,21; 109,4.5; 37,1. Wenn nun derselbe Mann in Ps. 7 und Ps. 35 Gott als Richter aufruft und Ps. 109 Verwünschungen ausstößt, so ist es billig, seinen Durst nach Bestrafung der Sünde reineren Motiven als der persönlichen Rachsucht zuzuschreiben. In den meisten Fällen sind wir nun auch wirklich in den Stand gesetzt, über den Quell, aus welchem jene Bitten um Strafe kommen, zu urteilen. Es sind überall Motive, ähnlich wie das Ps. 64,10.11 so erhaben ausgesprochene. Dass Gottes Heiligkeit und gerechte Weltregierung Anerkennung finden werde, dass die Frommen, in ihrem Glauben gestärkt, Gott Loblieder bringen würden, dass den Gottlosen bei ihrem Übermut notwendig ein Ziel gesteckt werden müsse, dass sie zu dem Bewusstsein gebracht werden müssen, es sei ein gerechter Gott, der die Welt regiert, dass die herrlichen Verheißungen Gottes nicht zu Schanden werden dürfen - das und Ähnliches sind die Gründe, die am gewöhnlichsten von den Psalmsängern beigebracht werden, wenn sie um Bestrafung ihrer Feinde bitten. Siehe Ps. 5,11.12; 9,20.21; 12,9; 28,4.5; 22,23-32; 35,24; 40,17; 59,14; 109,27; 142,8. Ja sie rühmen sich ihres Hasses gegen ihre Widersacher darum, weil diese Hasser Gottes seien, Ps. 139,21. Freilich ließe sich noch entgegnen, dass schon dies unrecht sei, dass ihre persönlichen Feinde ohne weiteres von ihnen als Feinde Gottes betrachtet werden. Allein wer sagt uns denn, dass dies ohne weiteres geschehe? Bleiben wir bei David stehen, so wird niemand die Gottvergessenheit der beiden vornehmsten Parteien seiner Verfolger in Abrede stellen - ein bis zum Wahnsinn leidenschaftlicher, gegen seinen Schwiegersohn, dem er in mehrfacher Weise zum innigsten Dank verpflichtet, mordschnaubender König, solche Hofleute wie der blutdürstige Doeg, der ohne andern Grund als den, sich die Gunst des Herrschers zu erwerben, achtzig wehrlose Priester niederhaut, ein Ahitophel, welcher den Sohn gegen den Vater zur Empörung und zu schändlicher Befleckung der königlichen Ehre verleitet (2. Samuel 16,21): das sind Gottlose, welchen gegenüber ein David wohl das Bewusstsein haben durfte, Gottes Sache zu vertreten. Überhaupt, bleibt man, wenn man in den Psalmen von Feinden liest, nur im Allgemeinen bei diesem Begriff stehen, so mag die Schilderung manchmal zu dunkel gefärbt erscheinen. Man hat sich aber zu vergegenwärtigen, dass wenigstens in sehr vielen Fällen hier die Rede ist von schnöden Verrätern, von Blutdürstigen, Empörern und Meuchelmördern, und dass an einigen Stellen auch der König spricht, der als Regent das von Gott in seine Hand gegebene Schwert gebrauchen muss; so in dem an abstoßenden Verwünschungen reichen Psalm 58, desgleichen in allen absalonischen, wie Psalm 63. Auch im Neuen Testament tritt uns weder bei Gott selbst noch bei seinen Dienern ausschließlich vergebende Liebe entgegen. Auch im Neuen Testament heißt es, dass über dem, welcher an den Sohn nicht glaubt, der Zorn Gottes bleibe (Joh. 3,36), dass Gott ein verzehrendes Feuer, und dass es schrecklich sei, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen (Hebr. 10,27.31). In nicht minder abstoßenden Worten, als die der sogenannten Rachepsalmen, verkündigt Christus den Verfluchten das Gericht (Mt. 25,41), weissagt er denen, die den Sohn verworfen haben, das Gericht Gottes (Mt. 21,41.44; Lk. 23,29.30).: Hat nicht Petrus im Namen Gottes dem Ananias und der Saphira den Tod verkündigt, und der Erfolg bewährt, dass er nicht eitle Worte der Leidenschaft gesprochen? Hat er nicht in heiliger Entrüstung zu Simon dem Zauberer gesagt: "Dass du verdammt werdest mit deinem Gelde" - obwohl nicht, ohne hinzuzusetzen: "Darum tue Buße für deine Bosheit?" (Apg. 8,22) Hat Paulus nicht den Zauberer Elymas mit Blindheit geschlagen und ein Kind des Teufels genannt? Hat er nicht jenen Frevler, der in Korinth seine Stiefmutter zum Weibe genommen, feierlich "dem Satan übergeben" zum Verderben des Fleisches? (1. Kor. 5,5) - und von Alexander dem Schmied gesagt: "Er hat mir viel Böses erwiesen, der Herr bezahle ihm nach seinen Werken!" (2. Tim. 4,14) Zum Beweise aber, dass wir in diesen letzten Worten nicht Aussprüche der persönlichen Leidenschaft des Apostels zu sehen haben - mit welcher zärtlichen Liebe legt Paulus für den korinthischen Frevler Fürbitte ein, nachdem er von seiner Besserung gehört hat (2. Kor. 2), und gerade von denjenigen, die ihn in seiner persönlichen Angelegenheit, nämlich in seiner Verteidigung vor Gericht, verlassen haben, spricht er unmittelbar nach jenem drohenden Wort über den Alexander: "Es sei ihnen nicht zugerechnet." (2. Tim. 4,16.) Zu jenen zwei Jüngern freilich, welche - wie es scheint, durchaus nicht aus persönlicher Leidenschaft, sondern aus reiner Liebe zu ihrem Herrn - über die Samariter Feuer vom Himmel fallen lassen wollen "wie Elias tat", spricht der Herr, dem zuliebe sie das gesagt: "Wisset ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid?" (Lk. 9,55.) Allein, kann man nicht auch für andere Rachlust empfinden? Dass der Zorn der Jünger nicht in ihrer eigenen Sache aufwallte, gibt an sich noch nicht die Gewähr, dass er rein gewesen sei. Indes ist das "ihr" im Grundtext so gestellt, dass es den Nachdruck hat und den Gegensatz zu Elias bildet. Es ergibt sich demnach, dass der Herr den gesetzlichen Standpunkt des Alten Testaments allerdings für geringer erklärt, aber nicht, weil innerhalb der Religion der Versöhnung überhaupt keine Vergeltung verlangt werden sollte, sondern weil das Verlangen danach nicht das Vorherrschende sein sollte. - Schließlich ist nun aber noch die Frage aufzuwerfen, ob wir denn zu der Annahme genötigt sind, dass sich mit dem an sich heiligen Feuer der Psalmisten niemals und in keinem Falle unheiliges Feuer persönlicher Gereiztheit vermischt habe? Dergleichen dürfen wir nicht einmal von Aposteln behaupten. (Apg. 15,39; 23,3; Phil. 3,2; Gal. 5,12.) Ob in einer bewegten Rede der Zorn ein solcher sei, der vor Gott nicht Recht tut (Jak. 1,20), oder ein solcher, mit dem auch Christus gezürnt hat (Mk. 3,5), lässt sich in der Regel aus der Beschaffenheit derselben erkennen, nämlich wenn die Wollust an dem Gedanken, selbst Werkzeug der göttlichen Vergeltung sein zu dürfen, sichtbar wird, oder wenn spezielle Arten der Vergeltung mit sichtbarem Wohlgefallen erbeten werden, wenn sich wahrnehmen lässt, dass die Vorstellung von derselben für den Sprechenden mit Ergötzen verbunden ist, usw. Namentlich nun in Ps. 109 und Ps. 59 tragen manche Ausdrücke ein leidenschaftliches Gepräge; ebenso Ps. 149,7.8; 137,8.9; auch Ps. 58,11 könnte aus einer solchen Gesinnung hervorgegangen sein. Über andere wird das individuelle Gefühl verschieden urteilen. - Auslegung der Psalmen von Prof. A. Tholuck 1843.
  Dass auch ein David Anwandlungen der Rachsucht zugänglich war, zeigt sein Vorgehen gegen Nabal; aber 1. Samuel 25,32 f. zeigt auch, dass es nur einer leisen Anregung eines Gewissens bedurfte, um ihn davon abzubringen. Wieviel mehr, geben wir mit Kurtz (Zur Theologie der Psalmen) zu bedenken, wird das Überwiegen des ihm eignen Edelmutes sich in den Momenten höchster religiöser Weihe, in denen er seine Psalmen dichtete, geltend gemacht haben! Es ist undenkbar, dass sich da mit dem heiligen Feuer seiner Gottesliebe das unheilige Feuer persönlicher Leidenschaft mische. Gerade die Psalmen sind ja der reinste, treueste Spiegel alttestamentlicher Frömmigkeit - die Pflicht der Feindesliebe aber ist dem Alten Testament sowenig fremd (2. Mose 23,4 f.; 3. Mose 19,18; Spr. 20,22; 24,17; 25,21 f.; Hiob 31,29 f.), dass das Neue Testament sich in Einschärfung derselben alttestamentlicher Worte bedient. Und dass David sich der Erfüllung dieser Pflicht bewusst war, beweist uns schon Ps. 7 in Übereinstimmung mit der Geschichte seines Verhaltens gegen Saul. - Kommentar von Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Wenn Zorn gegen die Sünde und das Verlangen, dass die Übeltäter bestraft werden, an sich sündlich wäre, wie hätte Paulus wünschen können, dass die Feinde Christi und die Verdreher des Evangeliums verflucht würden? (Anathema, 1. Kor. 16,22; Gal. 1,8.) Und vor allem, wie könnte der Geist der Heiligen im Himmel, die den Märtyrertod erduldet haben, zu Gott um Rache schreien (Off. 6,10) und an dem Hallelujah, mit dem die Vollendung dieser Rache gefeiert wird, teilnehmen (Off. 19,1-6)? Ja, Entrüstung gegen die Gottlosen ist so fern davon, notwendig sündlich zu sein, dass wir sie an dem Heiligen und Gerechten selbst sich zeigen sehen, als er in den Tagen seines Fleische über die sammelnden Laurer, die ihn umgaben, seinen Zornblick schweifen ließ, betrübt über ihrem verstockten Herzen (Mk. 3,5), und vollends an dem großen Tag des Zornes des Lammes, wo er über alle, deren Lebenswerk die Ungerechtigkeit gewesen (Lk. 13,27), den Fluch aussprechen wird (Mt. 25,41). Benj. Davies † 1875.
  Anwünschungen des Gerichts über die Gottlosen unter der Voraussetzung ihrer fortgesetzten Unbußfertigkeit sind nicht unvereinbar mit gleichzeitigen Anstrengungen, sie zur Buße zu leiten; und selbst die christliche Liebe kann nicht mehr tun, als sich um die Bekehrung der Sünder mühen. Das Gesetz der Heiligkeit erheischt, dass wir das Feuer der göttlichen Vergeltung herabbitten; das Gesetz der Liebe, dass wir währenddessen suchen, den Brand aus dem Feuer zu reißen. Das letzte Gebet des Blutzeugen Stephanus ward erhört, nicht etwa durch allgemeine Abwendung des Gerichts von dem schuldbeladenen Volke, sondern durch die Bekehrung eines Verfolgers der Christen zum Dienste Gottes. Joseph Francis Thrupp 1860.
  Die Deutung, welche die Flüche nicht auf Personen sondern auf die feindlichen geistlichen Mächte, d. h. die Sünde in allen Gestalten, bezieht, enthält, wenn auch nicht die ganze, so doch ein großes Maß von Wahrheit. Sie ist vor allem auch für den Gebrauch des Psalters bei der Privatandacht von hohem Wert. William Alexander 1877.
  Ich kann nicht unterlassen, den folgenden kleinen Vorfall, der sich kürzlich bei unserer Hausandacht ereignete, anzuführen. Ich las gerade einen der Rachepsalmen, und als ich innehielt, um einige Bemerkungen daranzuknüpfen, richtete mein kleiner Junge von zehn Jahren fast heftig die Frage an mich: "Vater, meinst du, dass es für einen guten Mann recht ist, so um die Vernichtung seiner Feinde zu beten?" und wies mich zugleich darauf hin, wie Christus für seine Feinde gebetet habe. Ich überlegte einen Augenblick, wie ich die Antwort formen sollte, damit sie ganz seiner Frage gerecht werde und ihn befriedige, und sagte dann: "Sieh, mein Junge, wenn ein Räuber nachts in das Haus einbräche und deine Mutter ermordete und dann entflöhe, und wenn nun die Polizei und die Mitbürger alle hinter ihm her wären, um ihn zu kriegen, würdest du dann nicht Gott bitten, dass es ihnen gelingen möchte, ihn zu erwischen, damit er vor Gericht gestellt werden könne?" "O ja, freilich", erwiderte er, "so habe ich das aber noch nie angesehen. Ich wusste nicht, dass diese Psalmen so zu verstehen wären." "Doch, Kind", sagte ich, "die Leute, gegen welche David betet, waren blutdürstige Menschen, hinterlistige und verbrecherische Störer der öffentlichen Ruhe und Ordnung, die ihm selber auch nach dem Leben trachteten; und wenn sie nicht ergriffen und ihre ruchlosen Anschläge vereitelt wurden, so mussten viele Unschuldige leiden." Diese Erklärung befriedigte sein Gemüt vollkommen. F. G. Hibbard 1856.
  Welch verabscheuungswürdige Entweihung des Heiligen ist die Sitte bei den Mönchen und vornehmlich den Franziskanerpatern, diesen Psalm zu verdrehen, indem man ihn zu den schändlichsten Zwecken missbraucht. Hegt jemand Groll gegen einen Nachbar, so ist es etwas ganz Gewöhnliches, dass er sich einen dieser Schufte dingt, um ihn zu verfluchen, was jener dadurch tut, dass er täglich diesen Psalm wiederholt. Ich kenne eine Dame in Frankreich, die eine ganze Bande dieser Pater dazu anwarb, dass sie ihren eigenen und einzigen Sohn mit diesen Worten verfluchten. Wie ganz anders David, der frei von aller unordentlichen Leidenschaft seine Gebete unter dem Einfluss des Heiligen Geistes aussprach. Jean Calvin † 1564.


V. 1. Gott meines Ruhmes, schweige nicht! Alle Empfehlung oder Offenbarmachung unserer Unschuld müssen wir von Gott erwarten und erbitten, wenn wir durch Verleumdungen von allen Seiten angegriffen werden. Schweigt Gott, so lasst uns desto stärker rufen; auch dürfen wir, wenn die Hilfe säumet, nicht an ihr verzagen oder ungeduldig vom Flehen ablassen. Martin Geier † 1681.
  Schweige nicht. Wie passend ist dieser Ausdruck in seiner Anwendung auf Gott, bei dem sprechen dasselbe ist wie tun; denn durchs Wort hat er alle Dinge geschaffen. Mit Recht wird daher von ihm gesagt, er schweige, wenn er das Tun der Gottlosen nicht zu beachten scheint und ihre Bosheit langmütig trägt. Der Psalmist dringt in ihn, sich zu erheben und mit den Gottlosen zu reden in seinem Zorn und damit an ihnen die verdiente Rache zu nehmen, was für ihn so leicht ist, wie für einen erzürnten Menschen in Straf- und Scheltworte auszubrechen. Dies sollte uns ein großer Trost sein bei der Gottlosigkeit dieser unserer letzten Zeit: Gott, unser Ruhm, kann sie mit einem Wörtlein dämpfen. Wolfgang Musculus † 1563.


V. 2. Rede nach deinem Gewissen, o du Mann Gottes, der du Christo nachfolgst; und wenn das Maul der gottlosen und falschen Menschen sich wider dich auftut, so freue dich und sei getrost, denn während ihr Mund auf Erden geöffnet ist, um dich zu schmähen und zu verleumden, ist der Mund des HERRN im Himmel zu deinem Lobe aufgetan. Arnobius der Jüngere, um 450.


V. 2.3. Beachte zunächst, dass der Verleumder das Maul öffnet, um sein Gift auszuspritzen und sein Opfer zu verschlingen. Sodann, dass er geschwätzig ist, V. 3. Sein Mund ist wie ein gesprungener Krug, der überall leckt. Beachte drittens, dass die Verleumdung aus dem Hass entspringt: Mit Worten des Hasses umgeben sie mich, ohne Ursache. Die Verleumdung ist, wie St. Climachus († 605) sagt, eine Ausgeburt des Hasses, ein schleichendes Übel, ein dicker, aber verborgener Blutegel, der den Wohltäter aussaugt und dann zu Grunde richtet. Joh. Lorinus † 1634.


V. 3. Sie haben mich umgeben usw. (Grundtext) Wiewohl David abwesend und in die Verbannung getrieben war, war er dennoch von den Schmähungen und Verleumdungen Doegs und der andern Schmeichler Sauls umgeben und bestürmt, bis er zuletzt auch dem Leibe nach von den Feinden umschlossen war, in welchem Kampfe er unzweifelhaft umgekommen wäre, wenn der HERR nicht eingegriffen hätte, siehe 1. Samuel 23. Und diese unsichtbare Weise der Belagerung und Bestürmung ist umso gefährlicher, als es vor ihr keine Flucht gibt. Denn wer vermag, und wenn er noch so unschuldig ist, den Fallstricken einer hinter dem Rücken verleumdenden und schmähenden Zunge zu entgegen? Welcher Ort ist so entlegen und verborgen, dass dieses Übel sich nicht einschleichen könnte, da David in den Bergen und Felsklüften vor ihr nicht sicher war? Wolfgang Musculus † 1563.


V. 4. Für meine Liebe befeinden sie mich. Niemand erweist sich als schlimmerer Feind, als solche, welche die größten Freundlichkeiten erfahren haben, wenn sie einmal die Freundschaft kündigen. Wie der schärfste Essig aus dem reinsten Wein gemacht wird und wie nichts so gründlich den Magen verdirbt als Süßigkeiten, so wird die reinste, zärtlichste Liebe, Freunden erwiesen, wenn sie schlecht verdaut wird oder man sie verderben lässt, zum allerschärfsten, bittersten Hass. Abraham Wright 1661.
  Der Hass, den man auf erloschne Freundschaft pfropfet, muss unter allen die tödlichsten Früchte bringen. Gotthold Ephraim Lessing † 1781.
  Ohne Ursach streiten sie wider mich, denn ich beweise ihnen viel Liebe damit, dass ich die Wahrheit ihnen sage. Aber für die Liebe muss ich Hass und hässige Worte und Nachrede empfahen. Was soll ich aber tun in solchem Falle? Ich bete. Sie können Wohltat nicht leiden; wohlan, so muss man es Gott befehlen und sich zum Gebet halten. Ach, wie ein fromm Kindlein ist die Welt! Übels will sie nicht haben, Gutes kann sie nicht leiden. Rat, was will sie denn haben? Höllisch Feuer, und den Teufel dazu: da ringet sie nach, das wird ihr auch begegnen. Martin Luther 1526.
  Der Messias sagt in diesem prophetischen Psalm: Ich aber bin Gebet. (Wörtl.) Während seiner irdischen Wallfahrt war sein ganzes Leben Gemeinschaft mit Gott; und jetzt in der Herrlichkeit bittet er für uns. Aber dies erschöpft nicht den Gedanken: Ich bin Gebet. Er betete nicht nur und betet jetzt, er lehrt uns nicht nur beten und bewirkt in uns das Beten, sondern er ist Gebet, ist die Quelle und der Ursprung alles Gebets so gut wie die Grundlage aller Erhörung unserer Bitten. Er ist das Wort auch in diesem Sinne. Von aller Ewigkeit erhörte ihn der Vater, erhörte ihn in seinem Flehen für die Welt, die durch ihn geschaffen, deren Vertreter er war und an welcher durch ihn göttliche Herrlichkeit enthüllt werden sollte. In dem gleichen Sinne darum, wie er das Licht ist und Licht gibt, das Leben und die Auferstehung ist und darum auferweckt und belebt, ist Jesus Gebet. Adolf Saphir 1870.
  Angefochtene Heilige sind Männer des Gebets, ja sie sind gleichsam ganz Gebet. David betete zuvor; aber als er von Feinden verfolgt ward, da war er noch viel eifriger, inbrünstiger und anhaltender im Gebet. Man erzählt von Numa, dem friedlich gesinnten König von Rom, er habe, als man ihm berichtete, dass seine Feinde in Waffen seien gegen ihn, nur darüber gelacht und gesagt: "Und ich opfere". Wenn Menschen gegen Gottes Kinder zu Felde ziehen, so wappnen diese sich aus allen Kräften mit Gebet; und wehe denen, wider welche Scharen von Gebeten in den Krieg rücken. Thomas Brooks † 1680.


V. 6.7. Schrecklichern, gräulichern Fluch und Unglück habe ich in aller Schrift nicht gelesen, denn diese zwei Vers geben, welche allein billig sollten erschrecken und alle Welt zu enge machen allen, die Gottes Wort verfolgen und anfechten. Martin Luther 1526.
  Man bedenke, was die Wirkung gewesen wäre, wenn alle diese Verwünschungen gegen die Sünden der Menschen und nicht, wie es der Fall ist, gegen die Sünder ausgesprochen wären. Die Menschen würden sagen: "Meine Sünde ist bedroht, nicht ich", und würden keine Anstrengungen machen, von der Sünde loszukommen. Warum auch, wenn nur die Sünde verdammt wird und nicht der Sünder? Aber der Mensch, der die Sünde hegt, wird mit seiner Sünde als eins betrachtet; er fällt mit seiner Sünde unter das gleiche Urteil, und das bringt ihn zum Zittern. Gottes Zorn ruht auf ihm wegen seiner Sünde. Die Verdammnis wartet auf ihn um seiner Sünde willen. Das rüttelt ihn auf, dem Verderben zu entfliehen. Fred. Whitfield 1874.


V. 6. Setze Gottlose über ihn. Da Judas Christum nicht mochte hören, musste er die gottlosen Hohenpriester hören, und ob er wohl Reue hatte hernach, stellte sich, als wollte er recht fahren, kam er doch nicht wieder, sondern verzweifelte. Denn Satan stund steif zu seiner Rechten und behielt ihn. Allen, die seiner Art sind, widerfähret desgleichen. 2. Thess. 2,11. Martin Luther 1526.
  Der Satan ist zur Linken derer, die er in zeitlichen Dingen verfolgt, zur Rechten derer, die er in geistlichen Sachen regiert; vor dem Angesicht derer, welche gegen seine Tücken auf der Hut sind, hinter denen, die nicht vorsichtig und klug sind; über denen, welche er niedertritt, unter denen, ja unter den Füßen derer, die ihn überwinden. Kardinal Hugo a. St. Caro † 1263.


V. 7. Sein Gebet müsse Sünde sein. Offenbar ist die Bitte vor Gericht gemeint, dass er freigesprochen und losgelassen werde. Möge es an der Wirkung ersichtlich werden, dass solche Bitte unrecht war, dass sie tatsächlich die Bitte um Freilassung eines Bösewichts war, der bestraft werden soll und muss. Albert Barnes † 1870.
  Sünde mischt sich nicht nur in sein Gebet (wie das auch bei den Heiligsten der Fall ist), sondern sein Gebet ist Sünde, ist nichts anderes als ein Gemenge oder Mischmasch (wie wir sagen) von mancherlei Sünden. Joseph Caryl † 1673.
  Wie wachsam müssen wir beim Beten sein, dass nicht das Allerheiligste zum Gräuel werde. Vergleiche Jes. 1,15; 66,3; Jak. 4,3; Hos. 7,14; Amos 5,23. Wenn das Heilmittel vergiftet ist, wie soll der Kranke genesen? Martin Geier † 1681.


V. 9-13. Die Nachkommen von Bösewichtern und Lasterhaften mögen, wie es in der Tat manchmal geschieht, die besonderen Laster ihrer Väter meiden; aber selten, wenn überhaupt je, entgehen sie den Folgen dieser Laster. Und diese Rückwirkung kann nicht verhindert werden, bis es Gott gefällt, die ganze vernunftbegabte Schöpfung aufzulösen und wieder neu zu bilden. John Trapp † 1669.
  Unter dem Alten Bunde war vom Vater auf den Sohn übergehendes Unglück Lohn der Übertretung, ebenso sich übertragendes Glück hingegen Lohn des Gehorsams. Speakers Commentary 1873.
  Um des Gemeinwohls willen betet der Psalmist, dass die Familien der Gottlosen in deren Untergang hineingezogen werden. Die Bitten sind schrecklich; aber Gott, nicht Menschen haben solches Unglück als gemeine Folge des Beharrens im Bösen verordnet. Gott, nicht Menschen suchen die Missetat der Väter heim an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Weil dies das gewöhnliche Los der Übertreter ist, und damit so in der Weise, wie Gott es allgemein zu tun pflegt, sein Abscheu gegen die Missetaten seiner Widersacher sich zeige, betet der Psalmist das Unglück über die Gottlosen herbei. Er bittet Gott zu tun, was tun zu wollen er selber erklärt hat. R. A. Bertram 1867.
  Manche von der Habsucht ergriffene Familienväter sind so darauf aus, für ihre Kinder Geld zusammenzuscharren, dass sie die armen Kinder Gottes berauben; aber die Hand des HERRN wird wider ihre jungen Löwen sein. (Nah. 2,12-14.) Sie reihen Haus an Haus und bringen einen Acker zum andern (Jes. 5,8); aber ihre Kinder werden als Bettler durchs Land streichen müssen und sich überall etwas suchen, fern vom Vaterhause, das in Trümmern liegt. Wie mancher geizige Maulwurf wühlt sich jetzt ein Haus in die Erde für seine Nachkommenschaft und lässt sich nicht träumen, was hernach kommen wird, dass Gott jene Kinder, um derentwillen der Vater so manche zu Bettlern gemacht hat, selber zu Bettlern machen wird! Das ist eine Abrechnung, an die der Herr Vater nicht glauben will; aber so wahr Gott gerecht ist, wird der Sohn es erleben. Wenn der Vater nun nur eine Stunde Urlaub bekäme aus dem Ort der Qual, um dies zu sehen, wie würde er seine Torheit verfluchen! Wahrlich, es würde seine Pein verdoppeln, wenn eine Mehrung derselben überhaupt möglich ist. So mäßiget euch denn, ihr, die ihr so unersättlich verschlinget, als könntet ihr ins Unendliche aufnehmen; ihr überladet euch ja den Magen, dass er sich schließlich durch schändliches Speien erleichtern muss! - Wie schnell wird ein irdisch gesinnter Mensch zum Betrüger, aus dem Betrüger zum Wucherer, aus dem Wucherer zum Bedrücker, aus dem Bedrücker zum Erpresser und Blutsauger. Sobald das Auge seinem Herzen eine Beute meldet, beauftragt das Herz die Hand: er muss die Beute haben. Sehen - begehren - nehmen ist bei ihm eins. Beachte nun die gebührende Belohnung. Durch Wucher hat er alles erlangt, so muss der Wucherer auch alles umgarnen und nehmen, was er hat. Er richtete seine Nachbarn zu Grunde; Fremde richten nun ihn zu Grunde. Wie oft hat die arme Witwe, haben die armen Waisen vor ihm um Erbarmen gefleht, geweint, geseufzt, aber keines gefunden! Er hat Gott gelehrt, wie er mit ihm handeln soll: niemand sei, der ihm Nachsicht erweise, V. 12. All sein Streben war darauf gerichtet, sich auf Erden einen Namen zu machen; dazu scharrte er Reichtum zusammen, baute er Häuser und vergrößerte seine Güter. Selbst darin werden seine Pläne durchkreuzt, denn schon im andern Glied wird sein Name vertilgt sein, V. 13. Thomas Adams 1614.


V. 12. Er habe niemand, der ihm Liebe erweise. Möge Gott in seiner Gerechtigkeit alle Herzen ihm entfremden, der so unsinnig unbarmherzig war. So tat niemand den Mund auf, um für Haman zu bitten (Esther 7). Und den Judas schüttelten die Priester ab: Was geht uns das an! Da siehe du zu! (Mt. 27,5.) John Trapp † 1669.


V. 15. Der HERR müsse sie nimmer aus den Augen lassen. Lafayette, der Freund und Verbündete Washingtons, war einst in einem französischen Gefängnis eingeschlossen. In die Tür seiner Zelle war ein kleines Loch eingeschnitten, gerade groß genug für ein Auge. An dieser Lücke war eine Wache aufgestellt, deren Aufgabe es war, den Gefangenen unverwandt im Auge zu behalten, bis bei der Ablösung ein anderer Posten die Stelle einnahm. Alles, was Lafayette sah, war das blinzelnde Auge, aber dieses war stets da; wann immer er aufschaute, begegnete er seinem Blick. Selbst in seinen Träumen war er sich dessen bewusst, dass es auf ihn starrte. "Es war entsetzlich", schreibt er, "vor diesem Auge gab es kein Entrinnen. Wenn ich mich niederlegte und wenn ich aufstand, während ich Speise zu mir nahm und während ich las, immer durchforschte mich dieses Auge." - Nach den Memoiren des Generals M. de Lafayette 1824.


V. 15-19.29. Strenge Gerechtigkeit erbitten alle diese Vers allerdings, aber auch nicht mehr. Musst du die Vergeltung nicht als gerecht anerkennen? Doch du sagst: "Gewiss sind diese Drohungen gerecht; aber warum bittet der Psalmist nicht, statt um Gerechtigkeit, um Gnade?" Die Antwort ist, dass er in seiner Eigenschaft als Fürst und Richter verpflichtet war, zu allererst auf Gerechtigkeit bedacht zu sein. Keine Regierung könnte auf der Grundlage der Vergebung allein bestehen; Gerechtigkeit muss allezeit vor Gnade gehen. Denke dir, unsere Regierung und die Volksvertretung würden nächstens ein Gesetz beschließen, die Diebe sollten hinfort, statt nach dem Recht ins Gefängnis gesteckt zu werden, mit lauter Güte behandelt und nur zur Erstattung der Hälfte dessen, was sie gestohlen, genötigt werden: was würden ehrliche Leute von einer solchen Gesetzgebung sagen? Die Diebe würden sich ohne Zweifel sehr höflich bedanken; aber die redlichen Leute würden sagen, Regierung und Parlament hätten ihre Aufgabe völlig verfehlt, und würden alles aufbieten, dass Minister und Abgeordnete so schnell als möglich gestürzt werden. Unsere Obrigkeit tut recht daran, dass sie vor allem danach trachtet, Gerechtigkeit und Wahrheit zu behaupten und zu befestigen; ebenso der Psalmdichter. R. A. Bertram 1867.


V. 16. Wenn schon der Mensch unter Gottes Verdammungsurteil fällt, der nicht gibt von dem, was sein ist, was soll aus dem werden, der nimmt, was des andern ist? Wenn ein unbarmherziges Gericht über den gehen wird, der nicht Barmherzigkeit getan hat (Jak. 2,13), wo will der erscheinen, der von Erpressung und Raub gelebt hat? - Siehe, wie dem Bedrücker der Armen alles und jedes genommen wird: seine Habe, V. 11; sein Name und Andenken, V. 13; alle Barmherzigkeit gegen ihn und die Seinen bei den Menschen, V. 12; alle Erhörung seiner Bitten im Himmel, V. 7; sein Amt, ja sein Leben, V. 8; und endlich (Ps. 69,29) die Seligkeit. Das ist eine schreckliche Rechnung der Addition und Subtraktion: Wenn die Gottlosen Sünde zu Sünde fügen, wird Gott Plagen hinzufügen; entziehen sie andern ihre Rechte, so wird Gott ihnen seine Gnade entziehen. Thomas Adams 1614.


V. 18. Die drei Bilder sind steigernd: Er hat sich in den Fluch gekleidet; er hat ihn eingetrunken wie Wasser (vergl. Hiob 15,16); er ist ihm bis auf Mark und Bein gedrungen, wie bis auf die Knochen eindringende Fettigkeit, die man einreibt. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Wir wollen die Anspielung auf das Fluchwasser 4. Mose 5,21-24 nicht übersehen. Dem ungetreuen Eheweib sollte das fluchbringende Wasser in die Eingeweide eindringen zu bitterem Weh. Ein ähnlicher Fluch kommt über den treulosen Judas, der das innige Verhältnis zu seinem Herrn schändlich gebrochen hat, und über Israel im Ganzen, das seinem Bundesgott untreu geworden ist, wie ein Weib, das ihrem Manne die Treue bricht. Andrew A. Bonar 1859.


V. 18.19. Als die Israeliten riefen: "Sein Blut komme über uns und über unsre Kinder" (Mt. 7,25), da zogen sie das Fluchgewand an, das sie seither beständig umtreibt. Es ist um ihre Lenden gegürtet, sie können es nicht abwerfen; der Fluch ist in sie eingegangen wie Wasser, und wie Öl in ihre Gebeine. Wie entsetzlich wird erst der Zustand derer sein, die den Sohn Gottes wiederum kreuzigen und für Spott halten! (Hebr. 6,6) Sam. Horsley † 1806.


V. 21. Hier kehret er sich wieder zu Gott und bittet für seine Sache, dass sie gefördert werde und obliege. Er spricht aber, seine Sache sei nicht sein, sondern Gottes selber. Denn das macht ein rüstig und freudig Herz vor Gott, zu bitten für sich wider die Gottlosen, wenn man gewiss ist, dass wir um Gottes Wort und Werk willen handeln und leiden, nicht uns selbst suchen. Darum spricht er: Tue an mir um deines Namens willen; das ist, du siehest ja, dass die Sache dich angehet: deinen Namen, dein Wort, deine Ehre preise ich, so lästern sie das alles. Lässest du mich, so verlässest du auch deinen Namen; aber das ist unmöglich. Martin Luther 1526.
  Um deines Namens willen. Meine Feinde würden bald meine Freunde und Beschützer werden, wenn ich nur die Treue gegen dich fahren ließe; meine Weigerung, dir ungehorsam zu werden, ist mein ganzes Verbrechen in ihren Augen. Darum wird meine Sache deine Sache; es wird zu deiner Verherrlichung gereichen, wenn du es klar machst, dass du auf meiner Seite stehst. Sonst möchten die Gottlosen aus meinen Leiden Anlass nehmen, deinen heiligen Namen zu lästern, als hättest du nicht die Macht zu retten, oder als kümmertest du dich nicht um die, die unter Verzicht auf alle menschliche Hilfe ihre Zuversicht auf dich setzen. Jean Baptiste Massillon † 1742.
  Deine Gnade ist köstlich. Einem wahrhaft gedemütigten, zerbrochenen Herzen ist die Gnade Gottes, aus der die Vergebung oder Errettung, oder welche Gabe es auch sei, kommt, viel köstlicher noch als diese Gaben an sich. Es ist köstlich, wenn einem dem Tode Anheimgegebenen das Leben geschenkt wird, denn das Leben ist süß, wie wir sagen; aber David, der geschmeckt hat, wie freundlich der HERR ist, sagt: Deine Gnade ist besser denn Leben (Ps. 63,4). Thomas Goodwin † 1679.


V. 21-25. Auf die Donner und Blitze folgt nun wie ein Tränenerguss tiefe wehmütige Klage. Prof. Franz Delitzsch † 1890.


V. 21.22. Beachte, wie wunderschön er die beiderlei Gründe vereinigt, auf welche er seine Bitte stützt: Gottes kostbare Gnade und sein eigenes Elend. Schon menschliche Güte bewegt nichts schneller zum Helfen als das Elend derer, von welchen sie angefleht wird; wieviel mehr das beste und barmherzigste Wesen, unseren Gott. Wolfgang Musculus † 1563.


V. 22. Die Herzen der heiligen Männer Gottes sind nicht von Stein und Erz, dass die Gefühllosigkeit der Stoiker darin wohnt, sondern sie sind empfänglich für Schmerz, sind sogar in hohem Maße leidensfähig. Wolfgang Musculus † 1563.


V. 23. Wie die Heuschrecken. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, zu beobachten, wie die Schwärme der Flugheuschrecken auf und nieder geschleudert und im Kreise umhergewirbelt werden von den so veränderlichen Strömungen der Gebirgswinde. W. M. Thomson 1859.


V. 28. Fluchen sie, so segne Du. Bist du ein Gotteskind, so fürchte du ihre Flüche nicht. Die sind nur wie Platzpatronen in einem ungeladenen Gewehr, die wohl Lärm machen, aber keinen Schaden anrichten. Gottes Segen wird dich vor den Flüchen der Gottlosen bedecken wie ein Panzer. William Gurnall † 1679.
  Des Menschen Flüche sind ohnmächtig, Gottes Segen allmächtig. Matthew Henry † 1714.


V. 31. Er steht dem Armen zur Rechten: erstens als Freund. Wie trostreich ist es, einen Freund zur Seite zu haben, wenn man in Not ist. Solch ein Freund ist Jesus. Aber er steht uns auch zur Seite als Bürge unserer Schuld, als unser Anwalt gegenüber dem Ankläger und als unser Erretter, dass er uns helfe von denen, die uns zum Tode helfen wollen. Joseph C. Philpot † 1869.
  In einer der ältesten rabbinischen Auslegungen findet sich eine schöne Randbemerkung zu dieser Stelle. "Sooft ein Armer an deiner Tür steht, steht der Heilige, gelobt sei sein Name, zu seiner Rechten. Wenn du ihm ein Almosen gibst, so wisse, dass du von ihm Lohn empfangen wirst, der zu seiner Rechten steht." Alfred Edersheim 1876.


Homiletische Winke

V. 1. Gottes Schweigen. Was es bedeuten mag, was es in sich schließt und wie wir versuchen dürfen, es zu brechen.
  Gott, mein Ruhm. 1) Den allein ich rühme; 2) in dem allein ich mich rühme.
V. 2. Die Verleumdung. Ihre Ursache: Gottlosigkeit und Bosheit. Ihre Mittel: Falschheit und Lügen. Ihre Häufigkeit: selbst Jesus und die treuesten Gottesmänner sind verlästert worden. Ihre Strafe. Unsere Zuflucht, wenn wir von ihr angegriffen werden: Gebet zu Gott.
V. 1-3. 1) Gott ist für die Gläubigen, wenn die Gottlosen wider sie sind, a) um der Gläubigen willen, b) um seiner selbst willen. 2) Die Gottlosen sind wider die Gläubigen, wenn Gott für sie ist, a) auf Hass gegen Gott, b) auf Hass gegen die Gläubigen.
V. 4. Das Gebet die vortrefflichste Schutz- und Trutzwaffe.
  Die Widersacher unseres Heilandes, und wozu er wider sie seine Zuflucht nahm. (Vergl. dazu auch Lk. 6,11.12.)
V. 4.5. 1) Davids Gesinnung und Verhalten gegen seine Feinde. a) Seine Gesinnung ist Liebe - Liebe für Hass; somit richten sich auch seine Verwünschungen mehr gegen ihre Sünde als gegen sie selbst. b) Sein Verhalten: Er vergalt Böses mit Gutem; er legte Fürbitte für sie ein. 2) Ihre Gesinnung und ihr Verhalten gegen ihn. a) Hass um Liebe. b) Böses um Gutes. George Rogers 1878.
V. 5. Böses um Gutes. Das ist teuflisch. Machen sich aber nicht manche solcher Sünde schuldig gegen Eltern, gegen treue Warner, gegen die wahren Christen überhaupt und gegen Verkündiger des Evangeliums insbesondere, und vor allem gegen den HERRN selbst?
  Wie ist dem Erlöser vergolten worden? Man zeige, was er verdient und was ihm zuteil wird von den verschiedenerlei Menschenkindern. Auch er fühlt die Lieblosigkeit der Undankbaren.
V. 6. Es ist das Gesetz der Gleichvergeltung, Gottlose mit Gottlosen zu strafen. Christoph Starcke † 1744.
V. 7. Wann kann Gebet zur Sünde werden? Die Antwort ergibt sich aus den Fragen, was man begehrt, wie man es begehrt, wer es begehrt und warum man es begehrt.
V. 8. Die Sünde ist es vornehmlich, was das menschliche Leben verkürzt. Nach der Sintflut wurde die Lebensdauer des Menschengeschlechts beträchtlich geringer, alle Leidenschaften und die so häufig hauptsächlich durch die Habgier verursachten Sorgen verkürzen das Leben, und einige Sünden, wie Fleischeslust, Trunksucht usw., bewirken dies mit besonderer Stärke.
V. 20.21. . 1) David überlässt seine Feinde Gottes Hand, V. 20. 2) Sich selber übergibt er den gleichen Händen, V. 21. George Rogers 1878.
V. 21. Der Gläubige muss die Begründung seiner Bitten aus Gott selber schöpfen, aus seinem Namen und seiner Gnade. Die entgegengesetzte Gewohnheit, bei uns selber nach Stützgründen unserer Bitten zu suchen, ist zwar sehr verbreitet, führt aber nur zu Enttäuschungen.
V. 21b. Die Tröstlichkeit der Gnade.
V. 22. Die innerlichen Leiden des Gläubigen. Ihre Ursachen, ihre Wirkungen, der beste Trost in solchen Leiden und ihre volle Heilung.
V. 26.27. 1) Die Bitte. 2) Die gläubige Anrufung: HERR, mein Gott. 3) Die göttliche Eigenschaft, auf welche die Bitte sich stützt. 4) Der Beweggrund der Bitte, V. 27.
V. 28. Das göttliche Gegenmittel gegen menschliches Übelwollen und die heitere Ruhe des angefochtenen Gläubigen, der sich auf jenes, Gottes Segen, verlässt (dein Knecht müsse sich freuen).
V. 29. Ein Gebet Davids um Beschämung seiner Feinde: 1) Fürbitte um Beschämung durch Reue; 2) Weissagung von Beschämung durch Schande, wenn sie unbußfertig bleiben. George Rogers 1878.
  Des Sünders letzter Rock.
V. 30. Lob Gottes mit dem Munde. Es sollte persönlich (Ich), entschlossen (will), einsichtig (danken), reichlich (sehr) und herzlich sein. Es sollte andre anziehen, sich mit dem Lobe anderer vereinigen, andre anreizen, auch den HERRN zu loben, aber nie seine persönliche Art verlieren (Ich will ihn rühmen unter vielen).
V. 30.31. 1) David verspricht Gott, dass er ihn preisen wolle, V. 30. 2) Er verspricht sich selbst, dass er Ursache haben werde, Gott zu preisen,
V. 31. 1) Wem die Verheißung gilt: dem Armen. 2) Die Gefahr, welcher dieser ausgesetzt ist: Bedrohung seines Lebens. 3) Die Hilfe, die ihm zugesagt wird: göttliche, rechtzeitige, wirksame, vollkommene, ewige Hilfe.

Fußnoten

1. Nach Sach. 3,1 wird jedoch der Satan (oder: ein Widersacher, Luther 1524) vielmehr als Verkläger zur Rechten stehend zu denken sein - James Millard