Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 125 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Ein Wallfahrtslied. Eine neue Höhe wird erklommen, eine weitere Station der Wallfahrt erreicht. Im Inhalt ist jedenfalls eine Steigerung deutlich wahrnehmbar, denn volle Gewissheit im Blick auf die Zukunft ist eine höhere Stufe des Glaubens, als wenn man rückwärts schauend das bisherige Entrinnen dem HERRN zuschreibt. Der Glaube hat Jehovah gepriesen für erfahrene Errettungen, und nun erhebt er sich zu zuversichtlicher Freude über die gegenwärtige und zukünftige Sicherheit derer, die auf den HERRN trauen. Hatten die Festpilger den vorigen Psalm bei dem Eintritt in die Tore Jerusalems gesungen, so können wir uns denken, dass sie diesen etwa angestimmt haben mögen, wenn sie die Stadtmauern umschritten.

Einteilung. Wir finden in dem Psalm zunächst ein Lied heiligen Vertrauens (V. 1.2), dann eine Verheißung (V. 3), der ein Gebet (V. 4) und eine Warnung (V. 5) folgen.


Auslegung

1. Die auf den HERRN hoffen,
die werden nicht fallen, sondern ewig bleiben
wie der Berg Zion.
2. Um Jerusalem her sind Berge,
und der HERR ist um sein Volk her
von nun an bis in Ewigkeit.
3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben
über dem Häuflein der Gerechten,
auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken
zur Ungerechtigkeit.
4. HERR, tue wohl den guten
und frommen Herzen!
5. Die aber abweichen auf ihre krummen Wege,
wird der HERR wegtreiben mit den Übeltätern.
Friede sei über Israel!


1. Die auf den HERRN vertrauen, sind wie der Berg Zion. (Wörtl.) Der Nachdruck liegt nicht so sehr auf dem Glauben an sich, sondern auf dem Gegenstand des Vertrauens, welcher ist Jehovah, der HERR. Welch ein Vorrecht, sich auf den Ewigen gründen zu dürfen! Und welche Herablassung von dem Allerhabenen, dass er die Zuversicht seines Volkes wird! Auf irgendetwas anderes trauen ist nichtiger Wahn, und je unbedingter solch übel angebrachtes Vertrauen ist, desto schwerer muss die darauffolgende Enttäuschung sein; aber auf den lebendigen Gott hoffen ist wahrhaft gesunder Menschenverstand, für den es keinerlei Entschuldigung bedarf, da der Erfolg seine beste Rechtfertigung ist. Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum wir auf Jehovah nicht trauen sollten, vielmehr sprechen alle nur denkbaren Gründe für dieses Vertrauen; aber auch abgesehen von allen Gründen des Denkens wird der Ausgang es erweisen, wie klug solche Zuversicht war. Der Glaube hat nicht nur gelegentlich und zufällig Erfolge zu verzeichnen, und seine gesegneten Erfahrungen werden nicht einigen, sondern allen, die wirklich auf den HERRN vertrauen, zuteil. Solche werden sich so fest, so unwandelbar und unerschütterlich erweisen wie der Berg Zion, auf dem David wohnte und die Bundeslade ihre Stätte hatte. Wer vermöchte den Berg Zion zu bewegen? Der bloße Gedanke wäre unsinnig. Der Zion war das Bild ewiger Beständigkeit, dieser Berg, der nicht wankt, der ewig steht (wörtl.), sich weder neigt, noch hin- und herbewegt, sondern unerschütterlich bleibt, weil Jehovah ihn gegründet und zur Stätte seiner Offenbarung auserkoren hat. Gerade so genießt der Mann, der auf den HERRN vertraut, eine Ruhe und Unerschütterlichkeit, wie sie fester nicht gedacht werden kann; und dies aus gutem Grunde, denn seine Hoffnung ist gewiss, und ob seiner Zuversicht kann er nie und nimmer zu Schanden werden. Wie Jehovah als König thront in Ewigkeit (Ps. 29,10), so vermag auch seine Kinder nichts von ihrem festen Sitz des Friedens zu vertreiben, wenn ihr Vertrauen auf den HERRN fest ist. Das ist unser Teil und soll es sein; wir sind, sind gewesen und werden sein so unerschütterlich wie der Berg Gottes. Der Zion kann nicht bewegt werden und bewegt sich nicht; so kann auch Gottes Volk weder durch von außen anstürmende Gewalt noch durch eigne Schwäche zum Wanken und Stürzen gebracht werden, solange es auf den HERRN vertraut. Der Glaube an Gott ist eine festigende, stetig machende Kraft. Er, der die Berge festsetzt in seiner Kraft (Ps. 65,7), macht durch eben dieselbe Macht auch die Herzen derer beständig, die auf ihn hoffen. Diese Unerschütterlichkeit wird ewig währen; wir dürfen demnach versichert sein, dass kein Glaubender jemals umkommen wird, weder im Leben noch im Sterben, weder in der Zeit noch in der Ewigkeit. Wir trauen auf einen ewigen Gott, darum ist auch unsere Sicherheit ewig.

2. Um Jerusalem her sind Berge, und der HERR ist um sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit. Wie der Zionsberg dem Psalmdichter das Bild der Beständigkeit der Gläubigen ist, so dienen die Jerusalem umringenden Berge ihm als Sinnbild der alles umgebenden Gegenwart des HERRN. Die Berge bilden zwar um die Heilige Stadt nicht eine geschlossene Ringmauer, sind aber doch gleich Wachposten aufgestellt, die ihre Tore beschirmen. Gott schließt sein Volk nicht in Wälle und Bollwerke ein, so dass die Gottesstadt ein Gefängnis würde; wohl aber ordnet er die Veranstaltungen seiner Vorsehung so, dass seine Heiligen so sicher sind, als wenn sie hinter den stärksten Festungsmauern wohnten. Welch herrliche zwiefache Sicherheit wird uns in den beiden Versen vorgeführt. Erstens werden wir innerlich fest gegründet und sodann auch gegen die Gefahren von außen geschirmt, wir werden zu unerschütterlicher Ruhe gebracht und zugleich mit Wachen umgeben, einem Berge an Festigkeit gleich gemacht und dann beschützt wie von Bergen. Und dies ist nicht schöne Dichtung, sondern Wirklichkeit; auch handelt es ich hier nicht um Vorrechte, die nur eine Zeit lang gewährt werden, sondern es wird ewig so sein. Schreibe welches Datum du willst - der HERR umgibt sein Volk von nun an; und schaue soweit du magst in die Zukunft, der Schutz erstreckt sich bis in Ewigkeit. Beachten wir: es wird nicht gesagt, dass Jehovahs Macht oder Weisheit die Gläubigen schirme, sondern er selbst ist um sie her; sie haben seine eigene Person zu ihrem Schutze, seine Gottheit als ihren Wächter. Wir werden hier gelehrt, dass des HERRN Volk diejenigen sind, die auf ihn vertrauen, denn so werden die, welche im zweiten Vers Gottes Volk genannt werden, im ersten Vers beschrieben. Die Linie des Glaubens ist auch die Linie der Gnade; diejenigen, die dem HERRN glauben, sind vom HERRN erwählt. Die beiden Verse miteinander beweisen die ewige Bewahrung der Heiligen; sie bleiben, wo Gott sie hingestellt hat, und Gott bewahrt sie immerdar vor allem Übel. Es würde schwierig sein, sich eine größere Sicherheit vorzustellen, als hier gewährleistet ist.

3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben über dem Häuflein (Grundtext: dem Lose) der Gerechten. Gottes Volk darf nicht wähnen, dass es deshalb, weil der HERR es umgibt, von Anfechtung verschont bleiben werde; nein, es kann die Gewalt und Verfolgungswut der widergöttlichen Welt schwer genug zu fühlen bekommen. Isaak hatte selbst in Abrahams Hause unter Ismaels Spott zu leiden. Assyrien streckte sein Zepter sogar über Zion aus. Verworfene Menschen sind oft im Besitz der Macht und schwingen den Herrscherstab, und dann ist es fast sicher, dass sie diesen mit ganzer Wucht auf das Volk der Gläubigen niederfallen lassen werden, so dass die Gottseligen aufschreien wegen ihrer Unterdrücker. Ägyptens Zepter lastete schwer auf Israel, aber es kam dennoch die Zeit, da es zerbrochen ward. Gott hat für die Leiden seiner Kinder eine Grenze bestimmt; der Stab der Zwingherrschaft mag über sie kommen, aber er wird nicht über ihnen bleiben. Die Gerechten haben ein Los, ein ihnen vom HERRN bestimmtes gutes Teil, das nicht von ihnen genommen werden soll; denn Gott hat ihnen aus königlicher Gnade darauf ein unantastbares Recht gegeben. Die Heiligen haben ewige Dauer, nicht aber ihre Trübsale. Unser Vers gibt allen Gerechten, die sich in der Gewalt der Gottlosen befinden, treffliche Gründe, auf die sie sich in ihren Gebeten stützen können.
  Auf dass die Gerechten ihre Hand nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Schwere Bedrückung ist ganz dazu angetan, auch die Besten in übereilte Taten hineinzutreiben, um sich dadurch zu befreien oder Rache zu üben. Wenn die Folter zu lange dauert, so kann auch der geduldig Leidende schließlich wankend werden; darum setzt der HERR der Tyrannei der Bösen eine Schranke. Er verordnete, dass ein Israelit, welcher gerichtliche Züchtigung verdient hatte, nicht ins Maßlose geschlagen werde; vierzig Streiche waren die bestimmte Grenze. Umso mehr dürfen wir erwarten, dass er den Leiden der Unschuldigen ein Maß setzen und nicht gestatten wird, dass sie zum Äußersten getrieben werden. Besonders wird er auch in Bezug auf die Zeit die Herrschaft der Verfolger beschränken, denn die lange Dauer verleiht der Bedrückung vermehrte Kraft und macht sie unerträglich; daher hat unser Heiland selbst von der Trübsal der letzten Zeit gesagt: Wo diese Tage nicht würden verkürzt, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt (Mt. 24,22).
  Wir entnehmen dem Psalmvers, dass auch gerechte Menschen in Gefahr sind, in schlimmen Zeiten zu sündigen, und dass es nicht der Wille des HERRN ist, dass sie dem Druck der Zeitumstände nachgeben, um dem Leiden zu entgehen. Wenn die Gottlosen obenauf sind, geht ihre Gewalt und ihr böser Einfluss darauf aus, die Gerechten zu Abwegen zu verführen; aber die Frommen dürfen sich daraus nicht eine Entschuldigung machen, um sich dem Zwange zu fügen, sondern müssen mit ganzer Kraft dem Bösen widerstehen, bis es dem HERRN gefällt, der Gewalttätigkeit des Widersachers Halt zu gebieten und seinen Kindern Ruhe zu verschaffen. Das verheißt der HERR hier zur rechten Stunde zu tun.

4. HERR, tue Gutes den Guten und denen, die in ihrem Herzen redlich gesinnt sind. (Wörtl.) Um überhaupt gut zu sein, muss man im Herzen gut sein. Wer auf den HERRN traut, der ist gut; denn der Glaube ist die Wurzel der wahren Gerechtigkeit und ein Kennzeichen der redlichen Gesinnung. Der echte Glaube an Gott ist eine gute, aufrichtige Sache, und sein Einfluss macht den ganzen Menschen gut und aufrichtig. Solchen wird der HERR Gutes tun; die Bitte des Verses ist nicht der Form, aber der Kraft nach eine Verheißung; denn was der HERR uns durch seinen Geist ins Herz gibt zu bitten, das verheißt er uns eben damit auch. Der Ewige wird seinem Volke das Übel wegnehmen und es dafür an allem Guten reich machen. Wenn der eiserne Stecken der Gottlosen zerbrochen ist, wird sein Stab und Stecken uns trösten. Mittlerweile gebührt es uns, zu beten, dass es wohl gehe allen Redlichen unter den Menschen. Gott segne sie und tue ihnen Gutes auf allerlei Weise. Wir wünschen Gutes allen, die das Gute tun. Die Unlauteren sind uns eine solche Plage, dass wir Ströme des Segens auf alle redlichen Herzen herabflehen möchten.

5. Die aber abweichen auf ihre krümmen Wege, wird der HERR wegtreiben mit den Übeltätern. Zweierlei Menschenkinder finden sich stets, Aufrichtige, die im Grund ihres Herzens gerade sind, und solche, die krumme Pfade wandeln. Ach, es gibt aber auch solche, die von der einen zur andern Klasse übergehen, jedoch nicht durch eine heilsame Bekehrung, so dass sie sich von den gewundenen Pfaden der Lüge auf die gerade Bahn der Wahrheit wendeten, sondern durch unheilvolles Abweichen von der Straße der Redlichkeit und Heiligkeit auf die Abwege der Gottlosigkeit. Solche Abtrünnige hat es zu allen Zeiten gegeben, und David bekam von ihnen genug; einen Saul, einen Ahitophel und andere konnte er nie vergessen. Wie traurig ist es doch, wenn man sehen muss, wie Menschen, die einst auf dem rechten Wege wandelten, davon abweichen. Beachten wir die Entwicklung, welche die Unlauteren nehmen: erst schauen sie nach krummen Wegen aus, dann erwählen sie sie und machen sie zu ihren eigenen krummen Wegen und weichen auf sie ab. Sie haben nicht die Absicht, ganz zurück ins Verderben zu gehen, sie wollen nur einen Umweg machen und wieder auf die rechte Straße einbiegen. Der gerade Weg wird ihnen nach und nach etwas zu steil, darum gehen sie ein wenig darum herum auf Wegen, die doch, wie sie meinen, so ungefähr, wenn auch nicht ganz genau, am rechten Ende auskommen werden. Leute, die so handeln, sind weder redlich im Herzen noch gut, noch hoffen sie auf den HERRN; darum wird der HERR auch ganz anders mit ihnen verfahren als mit denen, die er als die Seinen kennt. Wenn der Tag der Urteilsvollstreckung kommt, dann werden diese Heuchler und Zeitdiener, die den Mantel nach dem Winde hängen, zu demselben Richtplatz hinausgeschleppt werden wie die offenbaren Übeltäter. Alle Sünde wird eines Tages aus dem Weltall ausgestoßen werden, gerade wie die Verbrecher, die zum Tode verurteilt sind, aus der Stadt hinausgeführt werden; dann werden die heimlichen Verräter sich mit den offenen Empörern ausgestoßen finden. Gottes Wahrheit wird ihre verborgenen Pläne aufdecken und ans Tageslicht bringen, und zur Überraschung vieler werden sie mit denen in gleiche Linie gestellt werden, die öffentlich ohne Scheu Frevel verübt haben.
  Friede sei über Israel! Gerade die Vollstreckung des Gerichtes an den Betrügern wird mit dazu dienen, dem wahren Israel Ruhe zu geben. Wenn Gott die Untreuen schlagen wird, wird nicht ein Streich die Treuen treffen. Die Erwählten des HERRN werden nicht nur gleich Salem sein (vergl. V. 1), sondern sie sollen auch salom, Frieden, haben. Einem Helden gleich hat Jakob-Israel mit Gott gerungen und war überlegen, darum braucht er keinen Menschen zu scheuen; sein Ringen ist vorbei, der Friedenssegen ist über ihn gesprochen. Wer mit Gott Frieden hat, der kann in allen Beziehungen Frieden genießen. Verbinden wir den ersten und den letzten Vers: Israel traut auf den HERRN (V. 1), und Israel hat Frieden (V. 5).


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Wir behaupten zwar nicht bestimmt, dass David diesen Psalm geschrieben habe, aber es dünkt uns wahrscheinlich, und wir meinen, für diese Vermutung ebenso viel Grund zu haben, wie andere für ihre Ansicht, dass der Psalm in der Zeit nach der Gefangenschaft geschrieben sei. Es spricht manches dafür, dass all die Wallfahrtslieder von einem Manne verfasst oder wenigstens zusammengetragen seien; etliche derselben stammen jedenfalls nach der Überschrift, an der wir festhalten, von David, und es liegt kein zwingender Grund vor, die übrigen ihm abzusprechen. C. H. Spurgeon 1890.
  Dieser kleine Psalm kann in die Worte des Propheten zusammengefasst werden: Prediget von den Gerechten, dass sie es gut haben; denn sie werden die Frucht ihrer Werke essen. Weh aber den Gottlosen; denn sie haben es übel, und es wird ihnen vergolten werden, wie sie es verdienen (Jes. 3,10.11). So werden uns in den Psalmen oft Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, wie in dem Gesetz und den Propheten. Matthew Henry † 1714.


V. 1. Die auf den HERRN hoffen usw. Auf diesen Lehrer (den Psalmdichter) sollst du fleißig Achtung geben, der kein Werk gebietet, wie im Papsttum die Möncherei, Wallfahrt, Fasten und andere närrische Gottesdienste in Gefahr den Leuten sind vorgebildet worden, sondern der die Leute stracks zu Gott und zu dem ersten Gebot führt und leitet und klar heraus saget, dass Gott vertrauen und auf ihn hoffen die höchste Seligkeit sei, dass er den größten Gefallen an diesem Dienste habe. Denn dies ist Gottes Eigenschaft, dass er alles aus nichts schaffe. Darum schaffet er aus dem Tode das Leben und in der Finsternis das Licht. Eben dasselbige glaubt der Glaube aus seiner Natur und eigentlichen Eigenschaft. Wenn nun Gott einen solchen Menschen findet, der nach seiner Natur geartet ist, das ist, der in Gefährlichkeit Hilfe, in dem Tode das Leben glaubt, desgleichen in Armut Reichtum, in Sünden Gerechtigkeit, und das alleine von wegen Gottes Barmherzigkeit oder des Herrn Christus, einem solchen Menschen kann Gott nicht feind sein, ihn auch nicht verlassen; denn er ist ein wahrhaftiger Knecht und Diener Gottes, sintemal er allein auf Gottes Barmherzigkeit vertrauet. Dieser Dienst gefället Gott sehr wohl; denn er hat Lust, aus nichts etwas zu schaffen. Martin Luther 1533.
  Sind wie der Berg Zion. (Wörtl.) Etliche Leute sind gleich dem allezeit beweglichen, trüglichen Quicksand, vergl. Mt. 7,26. Manche gleichen dem ungestümen Meere, das nicht stille sein kann, Jes. 57,20; Jak. 1,6. Manche wieder gleichen dem unbeständigen, ewig wechselnden Winde, Eph. 4,14. Die Gläubigen aber sind wie ein Berg, stark, fest und unbeweglich und sicher. Zu jeder Seele, die auf ihn traut, spricht der Herr: Du bist Petrus. W. Page 1883.
  Wie der Berg Zion, der nicht wankt. Leutnant Conder sagt von Maudslays wichtigen Erforschungen: "Sie sind besonders wertvoll, da sie zeigen, dass wir, so stark das Mauerwerk auch zerstört und vernichtet sein mag, doch die Hoffnung nicht aufgeben dürfen, Spuren des alten Festungsgürtels in den Felsen, die unzerstörbar sind, aufzufinden". Das ist sehr richtig; denn der Mensch kann wohl zerstören, was der Mensch gemacht hat, die ewigen Hügel aber spotten seiner Wut. Wie kraftvoll und erhaben ist demnach das im Psalm gebrauchte Bild der Sicherheit der Gläubigen! James Neil 1882.
  Ist es nicht seltsam, dass die gottlosen und götzendienerischen Mächte sich noch nicht zusammengetan, den Berg Zion abgetragen und ins Meer geworfen haben, um auf diese Weise eine Verheißung zu vernichten, über die Gottes Volk frohlockt? Bis ihr den Berg Zion ins Mittelmeer werfen könnt, wird die Kirche Christi bestehen und gedeihen; hört das, ihr Anhänger Mohammeds, die ihr nach dem Blut der Christen dürstet! Adam Clarke † 1832.


V. 2. Um Jerusalem her sind Berge. Die Lage Jerusalems entspricht nicht ganz dem Bilde, das sich mit europäischen Landschaftsbildern vertraute Reisende etwa nach diesen Worten vorstellen. Jerusalem ist nicht eng von Bergen eingeschlossen, außer auf der Ostseite, wo man allerdings sagen kann, es sei von dem Ölberg und dessen nach Nordosten und Südwesten sich erstreckenden Ausläufern umgeben. Wer jedoch Jerusalem gegen Westen, Norden oder Süden betrachtet, der sieht die Stadt stets auf einer die umliegenden Hügel überragenden Höhe liegen, und ihre Türme und Mauern ragen frei in den Horizont hinaus, nicht gegen einen hohen Hintergrund, wie so manche Städte und Dörfer in unseren Bergtälern und Kesseln. Auch ist die Hochfläche, auf der die Stadt liegt, nicht von einem fortlaufenden, wenn auch entfernteren Ring von Bergen umgeben, wie z. B. Athen oder Innsbruck. Die Hügel in der Umgebung von Jerusalem sind von ungleicher Größe und erheben sich nur an wenigen Punkten, wie bei Nebi-Samwil, zu irgendwelcher beträchtlichen Höhe. Selbst der Ölberg ragt nur 180 Fuß über den Zion empor. Dennoch wirken sie als Schutz; sie müssen überstiegen werden, ehe der Pilger Jerusalem schauen, der Feind die Heilige Stadt angreifen kann; und die ferne Bergreihe Moabs erscheint stets als eine Mauer gegen alle, die vom fernen Osten her gegen die Stadt vordringen möchten. A. P. Stanley † 1832.
  Jerusalem liegt in dem Mittelpunkt eines Berglandes, dessen Täler rund umher in allen Richtungen ein ganzes Netz gezogen haben von tiefen Schluchten, deren senkrechte Wände miteinander eine sehr wirksame Schutzwehr bilden. W. M. Thomson 1881.
  Es ist nicht genug, dass wir durch die feurige Mauern, d. i. der Engel Schutz und Scharwache beschützet werden; denn der HERR selbst will unsere Mauer sein, dass wir von dem HERRN umringet und verteidiget werden. Über uns ist der Himmel, von allen Seiten ist der HERR unsere Mauer, unter uns haben wir einen starken Boden, darauf wir stehen, sind also rings umher umzäunet. Wenn nun gleich der Teufel durch die Festungen einen Pfeil in uns schießen will, so muss er erstlich den HERRN selbst verwunden. Ach wie groß ist aber unser schändlicher Unglaube, dass wir solches vergeblich hören. Doch muss man solches lehren und lernen, dass wir, wenn wir es einmal bedürfen würden, nicht ganz und gar ratlos seien. Denn das ist gewiss, dass eine Stunde kommen wird, darinnen wir solches erfahren oder aber verderben müssen. Martin Luther 1533.
  Von nun an bis in Ewigkeit. Diese Ausdehnung der Verheißung sollte sorgfältig beachtet werden; denn sie beweist, dass die dem Volke Israel gemachten Zusagen allgemein der Kirche aller Zeiten gehören und nicht mit dem jüdischen Staat zu erlöschen bestimmt sind. Also bezeugt der Vers, dass die Gemeinde des HERRN beständig dauern soll. Das ist ein gar süßer Trost für fromme Herzen, sonderlich bei großen Gefahren und öffentlichen Unglücksfällen, wenn alles mit Verderben und Zerstörung droht. H. Moller 1639.


V. 3. Denn der Gottlosen Zepter wird nicht bleiben usw. Keine Tyrannei, so gewaltig sie sich ansehe, ist von langer Dauer, sintemalen Gott das Zepter nicht abtritt. Das erhellt an dem Beispiel eines Pharao, Saul, Sanherib, Herodes und anderer. Recht sagt darum Athanasius von Julian dem Abtrünnigen: Ein Wölkchen ist’s, das vorübergeht. Und wie über alles menschliche Erwarten schnell die Gründungen der Gottlosen umgestürzt werden, darüber siehe den 37. Psalm. Sal. Geßner † 1605.
  Wird nicht bleiben, d. i. schwer aufliegen, so dass es bedrückt, wie in Jes. 25,10, mit dem Nebensinn der Dauer der Bedrückung; es wird nicht schwer und bleibend ruhen auf usw. J. J. St. Perowne 1868.
  Der Grimm der Menschen wird, wie Wasser, das auf eine Mühle geleitet wird, nicht mit mehr Gewalt über sie kommen, als nötig ist, um Gottes gnädige Absichten an ihren Seelen zu erreichen; das Übrige wird, so drohend seine Macht sein mag, abgeleitet werden durch eine geöffnete Schleuse. Doch wird die Trübsal groß genug sein, um jedermann zu prüfen und die Aufrichtigkeit und das Maß seiner Unsträflichkeit und Gerechtigkeit zu erproben. Charles Simeon † 1836.
  Das Zepter der Bosheit ist heidnisches Zepter, und die Gerechten sind die an der Religion der Väter festhaltenden Israeliten. Los heißt das Heilige Land, dessen alleinberechtigte Erben diese Gerechten sind. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Auf dass die Gerechten nicht, von Ungeduld überwältigt, oder aber, sei es durch die Lockungen, sei es durch die Drohungen der Welt verführt, den Forderungen der Gottlosen nachgeben und beifallen oder sich durch verkehrte Handlungen selbst aus der Not zu helfen suchen. Gott macht es, sagt Chrysostomus, wie ein Lautenspieler, der die Saiten seiner Laute nicht zu schlaff werden lässt, weil dann die Musik verdorben würde, aber auch darauf Acht hat, dass sie nicht zu straff gespannt, nicht zu stark in die Höhe geschraubt werden, da sie sonst brechen würden. John Trapp † 1669.


V. 4. Tue Gutes, HERR, den Guten. (Wörtl.) Ein Lieblingsgedanke von Nehemia, siehe Neh. 2,8.18; 5,19; 13,14.31. Christopher Wordsworth 1872.
  Meine Brüder, das Gute in uns ist Gott in uns. Das Innere bildet das Äußere, Gottseligkeit gibt wahre Schönheit. Es ist unbestreitbar, dass Christus in uns unser ganzes Christentum ausmacht. Christen, die nicht Christus in sich haben, sind armselige, wohlfeile Nachahmungen, leere Schalen ohne Kern, die Christus wegwerfen wird. Ch. Stanford 1876.
  Die in ihrem Herzen redlich sind. Alle wahre Vortrefflichkeit hat ihren Sitz im Herzen. Nicht die gute Tat macht den guten Mann, sondern der gute Mann tut die gute Tat. Das Verdienst einer Tat hängt lediglich von den Beweggründen ab, die dazu getrieben haben, sie auszuführen. Und wie viele Taten, die der Welt Bewunderung und Ehrenzeichen abgerungen haben, mag man, wenn man sie an diesem einfachen Prüfstein misst, mit dem Namen "glänzende Laster" belegen. Ist das Herz schlecht, so ist alles schlecht, ist das Herz recht, alles recht. N. Mac-Michael 1860.


V. 5. Die aber abweichen auf ihre krummen Wege. Das ist eine der größten Sorgen des rechten Hirten, er möchte seine Schafe vor dem Abirren bewahren. Es bereitet dem Dichter dieses Psalms schwere innere Not, dass nicht alle, die von Israel sind, echte Israeliten sind (Röm. 9,6). Ach, es gibt leider immer solche in der sichtbaren Kirche, die, statt alles daranzuwenden, um am bösen Tage Widerstand zu tun und das Feld zu behalten, ihre Hand ausstrecken zur Ungerechtigkeit. Lieber, als dass sie das Zepter der Gottlosen auf sich drücken lassen, huldigen sie diesem Zepter. Eher weichen sie ab auf krumme Wege, als dass sie ihre irdischen Vorteile gefährden. Edw. J. Robinson 1878.
  Die Pfade der Sünder sind krumme Wege. Die Gottlosen schlagen bald diese, bald jene Richtung ein, wechseln ihre Pläne und winden sich hin und her, um zu täuschen und zu betrügen, um ihre gemeinen Absichten zu verbergen, ihre boshaften Anschläge zu vollführen oder der Strafe ihrer Freveltaten zu entgehen. Doch sind Enttäuschung, Entdeckung, Beschämung und Elend ihr unausbleibliches Los. Thomas Scott † 1821.
  Wird der HERR wegtreiben (oder dahinfahren lassen) mit den Übeltätern. Sie haben gewandelt nach dem Fürsten der Finsternis, so sollen sie auch mit ihm hinfahren in die ewige Finsternis. Gott wird die Menschen aus ihren heimlichen Wegen und Verstecken auftreiben. Ob sie jetzt auch den Schein von Kindern Gottes annehmen, so wird Gott sie doch, wenn sie auf den Seitenpfaden der Sünde wandeln, am Jüngsten Tage, ja und oft schon in dieser Welt, mit den Übeltätern zusammenrechnen. Sie wandeln hier in Gottes Urteil nach dem Vorbild der Übeltäter, und Gott wird, ehe er mit ihnen abschließt, es offenkundig machen, dass sie zu ihnen gehören. Ob sie gleich in dem äußeren Verhalten sich von den Übeltätern unterscheiden, so stimmen sie doch mit ihnen überein in den Grundsätzen, in der Liebe zur Sünde. Sie wandeln nach ihren Lüsten, wie es im Grunde jeder nicht wiedergeborene Mensch tut. Mag er noch so verfeinert sein, im Herzen verfolgt er doch krumme Wege. Th. Goodwin † 1679.
  Manchmal tut Gott einen Menschen, der sich mit dem Schein zu den Frommen hält, aber unfruchtbar ist, weg, indem er zulässt, dass er in offenbare Sünde und Ruchlosigkeit verfällt. Da ist jemand, der sich zu Christo bekennt, aber dieses Bekenntnis ist ihm nur ein Deckmantel; im Geheimen tut er das Böse, er ist ein Fresser oder ein Trinker oder geizig oder unkeusch. Nun wohl, sagt Gott, ich will ihm die Zügel schießen lassen, ich will ihn seinen schändlichen Neigungen hingeben. Ich will der Sünde Macht über ihn lassen, er soll verstrickt werden von seinen schmutzigen Lüsten, er soll überwunden werden von der bösen Gesellschaft, mit der er liebäugelt. John Bunyan † 1688.
  Israel. Die Israeliten konnten durch die beiden Namen, die sie trugen, an die vornehmsten Stücke ihrer Religion erinnert werden; durch den Namen Israel an das Gebet, in dessen Kraft der Stammvater gesiegt hatte (Hosea 12,5), und durch den Namen Juden an Juda, dessen Name Lobpreis bedeutet. G. S. Bowes 1869.


Homiletische Winke

V. 1-5. 1) Das Bundeszeichen: Die auf den HERRN trauen. 2) Die Sicherheit, die der Bund verbürgt, V. 1.2. 3) Das Bundeszepter, V. 3. 4) Der Bundesinhalt, V. 4. 5) Das Wesen des Bundes: Friede.
V. 1.2. Die Unbeweglichkeit der Gläubigen. 1) Was das für Leute sind, denen die Verheißung gilt. 2) Ihre Sicherheit. 3) Der klare Grund ihrer Sicherheit.
V. 2. Die sie von allen Seiten umgebende Gegenwart des Herrn: der Ruhm, die Sicherheit und das ewige Glück der Seinen. Den Gottlosen hingegen würde sie eine Hölle sein.
  Die Dauer der Gnade: von nun an bis in Ewigkeit.
  Die Auserwählten, umgeben von unendlicher Liebe. I. Die Stadt und ihr Schutzgürtel. (Wir betrachten diese Sinnbilder zuerst jedes für sich.) 1) Jerusalem, das Abbild von Gottes Volk. Von alters her erkoren, einzigartig geehrt, viel geliebt, die Stätte der Wohnung des Höchsten. 2) Der Berggürtel als Abbild der Kraft Jehovahs, seiner von allen Seiten umgebenden Gegenwart, seiner Hut bei Tag und Nacht. II. Die Stadt in dem Kranze von Bergen. (Die Sinnbilder in ihrer Beziehung zueinander betrachtet.) 1) Wonnige Umstrickung. Die Aussicht aus den Fenstern. (Jehovah rings umher.) Um verloren zu gehen, muss man durch Gott durchbrechen. Sanfter Schlaf und ungefährdete Arbeit. 2) Allmächtige Umschirmung. Gottes Ratschluss - Satans Schrecken. Dieser Bergkranz unwandelbar. William Bickle Haynes 1883.
V. 3. I. Gott kann allerdings zulassen, dass das Zepter der Bosheit über das Los der Gerechten kommt. 1) Damit die Bosheit sich frei enthüllen könne. 2) Damit die Gerechten die Sünde hassen lernen. 3) Damit die Gerechtigkeit der göttlichen Vergeltung sichtbar werde. 4) Damit die Gerechten desto reiflicheren Trost erfahren (2. Kor. 1,5). II. Aber das Andauern solcher Herrschaft wird verneint. Man beleuchte dies aus der Geschichte von Hiob, Joseph, David, Daniel, Christus selbst, den Blutzeugen usw. III. Die Gerechten werden dadurch erprobt und dabei bewahrt. 1) Gott stellt ihre Gerechtigkeit auf die Probe, um deren Wert, Schönheit usw. zu erweisen. 2) Aber nicht mehr, als dazu genügt, auf dass sie nicht ihre Hand ausstrecken zur Ungerechtigkeit, indem sie sich auflehnen oder sündige Vergleiche eingehen usw. John Field 1883.
V. 3.4. I. Die Guten beschrieben: Die in ihrem Herzen redlich gesinnt sind, die nicht abweichen auf krumme Wege, nicht Übeltäter sind. II. Die Guten in Not durch das Zepter der Gottlosen. III. Die Guten befreit. Tue ihnen Gutes, HERR, und erfülle die Verheißung von V. 3. W. Page 1883.
V. 4. 1) Was heißt gut sein? 2) Was heißt das, wenn von Gott erbeten wird, er möge uns Gutes tun?
V. 5. Leute, die nur eine Zeit lang zu den Frommen zählen. 1) In den entscheidenden Proben weichen sie ab vom rechten Wege. 2) Sie gehen heimliche, krumme Pfade. 3) Ihr endliches Los ist schrecklich: sie werden weggetrieben mit den Übeltätern.
  Heuchler. 1) Ihre Wege: krumm. a) Gleich dem Lauf eines sich windenden Flusses, der die ruhige Ebene oder den bequemen Talweg sucht. b) Gleich dem Laufe eines im Zickzack segelnden Schiffes, das geschickt jeden Wind benutzt, um vorwärts zu kommen. c) Es sind Wege (Handlungsweisen), die auf keinem anderen Untergrunde als dem der reinen Selbstsucht beruhen. 2) Ihr Verhalten in der Probe: Sie weichen ab, a) von ihrem religiösen Bekenntniss, b) von ihren ehemaligen Gefährten, c) um die schlimmsten Spötter über geistliche Dinge und die heftigsten Schmäher und Verleumder geistlich gesinnter Menschen zu werden. 3) Ihr endliches Schicksal: a) Im Gericht werden sie mit den berüchtigtsten Übeltätern in eine Klasse gerechnet werden. b) Durch unwiderstehliche Gewalt werden sie an den Pranger gestellt werden. c) Sie werden mit den Gottlosen der schrecklichen Höllenstrafe verfallen. John Field 1883.
V. 5c. I. Wer gehört zu dem wahren Israel? Des Bundes Kinder, die am Herzen Beschnittenen, die wahrhaftigen Anbeter. II. Was ist das für ein Friede, den diese genießen? Der Friede des Gewissens, der Gemeinschaft mit Gott, eines gestillten und befestigten Herzens, Friede in Anwartschaft der ewigen Herrlichkeit. III. Was gewährleistet diesen Frieden? 1) Christus hat ihnen zugute Frieden gemacht. 2) Der Heilige Geist bringt ihnen den Frieden. 3) Sie wandeln auf den Wegen des Friedens. John Field 1883.