Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 2 (Auslegung & Kommentar)


Inhalt

Wir werden nicht fehlgehen, wenn wir diesen erhabenen Psalm den Königspsalm des Messias nennen, stellt er doch wie in einem wunderbaren Gesicht den Aufruhr der Leute gegen den Gesalbten des Herrn, sowie den bestimmten Ratschluss Gottes, seinen Sohn zu erhöhen, und die endgültige Herrschaft des Sohnes über alle seine Feinde dar. Robert Lowth († 1787) sagt: "Die Einsetzung Davids und seine Befestigung auf dem Thron trotz dem Widerstande, den seine Feinde dagegen erheben, ist der Gegenstand des Psalms. David erscheint in demselben in zwiefacher Eigenschaft, in persönlicher und vorbildlicher. Im Blick auf den geschichtlichen David liegt der Sinn des Psalms auf der Hand und wird durch die heilige Geschichte über allen Zweifel erhoben. Doch haben die Ausdrücke eine ungewöhnliche Glut, die Bilder sind von seltener Erhabenheit und die Sprache geht hie und da fast ins Übertriebene, als sollten wir dadurch absichtlich zur Betrachtung höherer und wichtigerer darin verborgener Dinge angeleitet werden. Beziehen wir, dieser Mahnung folgend, den Psalm auf die Person und die Angelegenheiten des geistlichen David, so tritt alsbald eine Reihe hochbedeutsamer Ereignisse vor unseren Blick, und der Sinn des Psalmes wird noch klarer und zugleich noch erhabener. Die Färbung, die vielleicht zu kühn und grell scheinen mag für den König Israels, erscheint ganz angemessen, wenn auf Christum, dessen großes Gegenbild, bezogen. Fassen wir dann die beiden Gesichtspunkte zusammen, so tritt uns die ganze Schönheit und Großartigkeit dieses überaus anziehenden Gedichtes vor die Seele. Wir erkennen, wie die beiden Bedeutungen sich sehr bestimmt voneinander unterscheiden und dabei doch in vollem Einklang zusammentönen und eine wunderbare Ähnlichkeit in jedem einzelnen Zuge besitzen, während die Wechselbeziehung zwischen ihnen so genau festgehalten ist, dass jede von beiden als das Original betrachtet werden kann, dem die andere nachgebildet worden. Immerfort ergießt sich neues Licht über die Ausdrücke, die Gedanken nehmen stets zu an Bedeutung und Erhabenheit, bis sie, stufenweise von den Dingen hier unten zu denen droben, vom Menschlichen zum Göttlichen aufsteigend, das große, wichtige Thema mit sich aufwärts tragen und es zuletzt in die volle Klarheit himmlischen Lichtes stellen."

Einteilung. Am besten werden wir den Psalm verstehen, wenn wir ihn als ein vierfaches Gemälde betrachten. V. 1-3: Das Toben der Völker. V. 4-6: Der Herr vom Himmel lachet ihrer. V. 7-9: Der Sohn verkündigt den göttlichen Ratschluss. V. 10-12: Den Königen wird der Rat gegeben, sich dem Gesalbten des Herrn in Gehorsam zu unterwerfen. Diese durch den Inhalt dargebotene Einteilung wird auch durch die dichterische Form bestätigt; der Psalm zerfällt ganz natürlich in vier Strophen von je drei Verse.


Auslegung

1. Warum toben die Heiden,
und die Völker reden so vergeblich?
2. Die Könige der Erde lehnen sich auf,
und die Herren ratschlagen miteinander
wider den Herrn und seinen Gesalbten:
3. "Lasset uns zerreißen ihre Bande
und von uns werfen ihre Seile!"

Diese ersten drei Vers enthalten eine Beschreibung des Hasses der menschlichen Natur gegen den Christus Gottes. Die beste Erläuterung dazu finden wir in den Gebetsworten der ersten Christengemeinde Apg. 4,27 f.: "Wahrlich ja, sie haben sich versammelt über deinen heiligen Knecht Jesus, welchen du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und dem Volk Israel, zu tun, was deine Hand und dein Rat zuvor bedacht hat, dass es geschehen sollte." Der Psalm beginnt ohne Einleitung mit einer zürnenden Frage. Und wahrlich, es ist nicht zu verwundern, dass der Anblick von Geschöpfen, die gegen ihren Gott in Waffen stehen, den Psalmisten in Staunen setzt. Wir sehen die Heiden toben, tosen wie das Meer, das von den ruhelosen Wogen hin und her geworfen wird, toben wie der Ozean im Sturm. Und dann nehmen wir wahr, wie die Völker in ihrem Herzen Eitles sinnen (Grundtext) gegen ihren Gott. Wo viel Wut ist, da ist gemeiniglich Torheit, und in dem vorliegenden Falle ist ein Übermaß davon vorhanden. Beachten wir, dass die Bewegung nicht nur von den Völkern kommt, sondern dass die Führer den Aufruhr unterstützen. Die Könige der Erde lehnen sich auf. In entschlossener Bosheit haben sie sich in Schlachtordnung gegen ihren Oberherrn aufgestellt. Es ist nicht eine vorübergehende Aufwallung, sondern tief gewurzelter Hass gegen den Fürsten des Friedens. Und die Herren ratschlagen miteinander. Sie führen den Krieg mit List, nicht in toller Hast, sondern mit Überlegung. Sie wenden alle Geschicklichkeit an, welche die Kriegskunst ihnen an die Hand gibt. Gleich Pharao beraten sie: "Wir wollen sie mit List dämpfen." (2. Mose 1,10) - Aber was sagen sie? Was bezweckt diese Bewegung? "Lasst uns zerreißen ihre Bande." Freiheit wollen wir haben, Freiheit zur Ausübung aller Gräuel. Wir wollen unsere eigenen Götter sein. Lasst uns jeder Schranke uns entledigen! Und mit wachsender Unverschämtheit fügen die verräterischen Empörer hinzu: "Lasst uns von uns werfen ihre Seile " - als wäre das eine Kleinigkeit. Wie, ihr Könige, wähnet ihr denn, ihr seiet Simsons? Und sind die Seile des Allmächtigen in euren Augen wie frischer Bast? (Richter 16,7) Träumet ihr, dass ihr die Ratschlüsse des Allerhöchsten wie Werg zerreißen und zerstören könnet? Ja, es hat Monarchen gegeben, die also gesprochen: "Lasset uns zerreißen usw.," und noch sitzen solche Rebellen auf Thronen. So wahnsinnig der Entschluss der Empörung wider Gott ist, so hat doch der Mensch seit seiner Erschaffung an demselben festgehalten und fährt darin fort bis auf den heutigen Tag. Ehe die herrliche Herrschaft Jesu in der Endzeit zur vollen Ausgestaltung kommt, wird noch ein schrecklicher Kampf die Völker erschüttern. Der Herr wird bei seinem Kommen sein wie das Feuer eines Goldschmieds und wie die Lauge der Wäscher, und sein Tag wird brennen wie ein Ofen (Mal. 3,2.19). Die Erde mag ihren rechtmäßigen Herrscher nicht, sondern hängt dem Thronräuber an, der sich als ihren Herrn aufspielt. Die schrecklichen Kämpfe der letzten Tage werden sowohl die Liebe der Welt zur Sünde als auch Jahwes Macht, das Reich seinem Eingeborenen zu geben, voll aus Licht bringen. Für den Nacken der Unbekehrten ist Christi Joch unerträglich, aber dem geretteten Sünder ist es sanft und leicht. Wir können uns danach selbst prüfen: Ist uns dies Joch lieb, oder möchten wir es von uns werfen?


4. Aber der im Himmel wohnet, lachet ihrer,
und der Herr spottet ihrer.

Wenden wir nun unseren Blick von den gottlosen Ratskammern und dem tobenden Aufruhr der Menschen zu der geheimen Stätte, da die Majestät des Allerhöchsten thront. Was sagt Gott? Was wird der König den Menschen tun, die seinen eingeborenen Sohn, den Erben über alles, verwerfen? Der im Himmel thronet lacht, der Herr (der Allherr, Adonai) spottet ihrer (Grundtext).
  Man beachte die ruhige Würde des Allmächtigen und die Verachtung, welche er über die Fürsten und ihre tobenden Völker ausschüttet. Er nimmt sich nicht die Mühe, von seinem Sitze aufzustehen und einen Kampf mit ihnen zu beginnen, - er verachtet sie; er weiß, wie widersinnig, wie unvernünftig, wie nichtig ihre Anschläge wider ihn sind, - darum lacht er, darum spottet er ihrer.


5. Er wird einst mit ihnen reden in seinem Zorn,
und mit seinem Grimm wird er sie schrecken:
6. "Aber ich habe meinen König eingesetzt
auf meinen heiligen Berg Zion".

Dann (Grundtext) wird er mit ihnen reden usw. Nach dem Lachen wird er reden; er braucht nicht die Hand zum Schlage zu erheben, der Hauch seiner Lippen ist genug. In dem Augenblick, da ihre Macht aufs Höchste gestiegen und ihre Wut am heftigsten geworden ist, dann wird sein Wort wider sie ergehen. Und zwar ein für sie sehr bitteres Wort. "Und doch," sagt er, "trotz all eurer aufrührerischen Verschwörung, trotz der Klugheit eurer Beratungen, trotz der List eurer Gesetzgeber, dennoch habe Ich meinen König eingesetzt auf meinen heiligen Berg Zion." Fürwahr eine großartige Proklamation! Er hat bereits getan, was die Feinde zu verhindern suchen. Während sie noch beraten, hat er schon alles entschieden. Jahwes Wille ist geschehen, und der Menschen Wille reibt sich vergeblich auf mit seinem Wüten. Der Gesalbte des Herrn ist eingesetzt und niemand kann ihn absetzen. Schaue rückwärts durch alle die Zeiten des Unglaubens, lausche auf all die stolzen und lästerlichen Reden, welche Menschenkinder gegen den Allerhöchsten ausgesprochen, horche auf den rollenden Donner der Batterien, welche die Erde gegen die himmlische Majestät aufgeführt hat, - und denke dann, dass Gott bei alledem spricht: "Aber Ich habe meinen König eingesetzt auf meinen heiligen Berg Zion." Dennoch herrscht Jesus, dennoch wird er die Frucht seiner Arbeit mit Lust schauen (Jes. 53,11). Dennoch wird sein unzerstörbares Reich (Dan. 2,44) kommen, wenn er sich gürten wird mit seiner großen Macht und herrschen bis an der Welt Ende. Schon herrscht er zu Zion und unser Mund lässt froh den Ruhm unseres Friedensfürsten erschallen. Mögen uns auch noch große Kämpfe vorhergesagt sein, so dürfen wir doch die gewisse Zuversicht hegen, dass unserem Herrn und König der Sieg gegeben werden wird. Herrliche Triumphe stehen noch bevor. Führe sie eilends herbei, o Herr! Zions Ruhm und Freude ist, dass ihr König bei ihr ist. Er schützt sie vor ihren Feinden und sättigt sie mit Gutem. Jesus sitzt auf dem Thron der Gnade und auf dem Thron der Macht inmitten seiner Gemeinde. Er ist Zions beste Schutzwehr. Mögen die Bürger der Gottesstadt sich in ihm freuen!


7. Ich will von der Weise predigen,
dass der Herr zu mir gesagt hat: "Du bist mein Sohn,
heute habe ich dich gezeugt;
8. heische von mir, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben
und der Welt Enden zum Eigentum.
9. Du sollst sie mit einem eisernen Zepter zerschlagen,
wie Töpfe sollst du sie zerschmeißen."

Der Psalm hat dramatische Form, darum wird jetzt eine andere Person redend eingeführt. Erst haben wir in die Ratsversammlung der Gottlosen einen Blick getan, sodann auf den Thron Gottes, und nun hören wir, wie der Gesalbte des Herrn seine Hoheitsrechte verkündigt und die Verschwörer vor dem Verderben warnt, dem sie entgegengehen.
  Gott hat des wahnwitzigen Ratschlusses der Gottlosen gelacht und jetzt tritt Christus, der Gesalbte, selbst hervor, als der auferstandene Erlöser, der in Kraft erklärt und erwiesen worden ist als Sohn Gottes nach dem Geist der Heiligung durch die Auferstehung von den Toten (Röm. 1,4). Es ist, als sagte der Gesalbte zu den aufrührerischen Königen, indem er ihnen in die zornentflammten Angesichter schaut: "Wenn das nicht genügt, um euch zum Schweigen zu bringen, wohlan, so will ich von einem Ratschluss Jahwes verkündigen." (Grundtext) Dieser Beschluss des Höchsten nun steht in unmittelbarem Gegensatz zu dem Anschlag der Menschen, denn sein Inhalt ist gerade die Aufrichtung der Herrschaft, gegen welche die Völker wüten. Der Herr hat zu mir gesagt: "Du bist mein Sohn." Das ist ein herrlicher Erweis der Göttlichkeit unseres Immanuel. Denn zu welchem Engel hat er jemals gesagt: "Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt?" Wie köstlich ist es, einen göttlichen Erlöser zu haben, auf den sich unser Vertrauen stützen darf! "Heute hab’ ich dich gezeugt." Bezieht sich das auf die Gottheit unseres Heilandes, so lasst uns nicht versuchen, sie zu ergründen, denn diese Wahrheit ist mit Ehrfurcht anzunehmen, nicht unehrerbietig zu ergrübeln. Und wir mögen hinzufügen, dass es uns, wenn sich die Worte auf den Eingeborenen in seiner menschlichen Natur beziehen sollten, auch nur gebührt, uns über das Geheimnis zu freuen, dass wir aber nicht wagen dürfen, die Heiligkeit desselben durch zudringliches Hineinspähen in die Heimlichkeiten des ewigen Gottes zu entweihen. Die Geheimnisse sind des Herrn, unseres Gottes; was aber offenbart ist, das ist unser und unserer Kinder ewiglich (5. Mose 29,28), und dessen ist genug, ohne dass wir uns in müßige Spekulationen versteigen. Viele haben sich in Irrwegen verloren bei dem Versuch, die Dreieinigkeit zu erklären oder das Wesen der Gottheit zu entschleiern. Große Schiffe haben da Schiffbruch gelitten. Was haben wir mit unserem gebrechlichen Kahn auf diesem Ozean zu tun?
  "Fordere von mir." Bei mächtigen Königen war es Brauch, dass sie ihren Günstlingen gaben, was diese begehrten. (Siehe z. B. Esther 5,6; Mt. 14,7) So ist bei Jesu Bitten so viel als Haben. Hier erklärt er, dass eben diese seine Feinde sein Erbe seien. Ins Angesicht bezeugt er ihnen diesen Beschluss des Höchsten, und "Hört! Es gilt euch!", ruft der Gesalbte, indem er mit seiner durchbohrten Hand das Zepter seiner Macht emporhält: "Er hat mir nicht nur das Recht gegeben, König zu sein, sondern auch die Vollmacht, meine Feinde zu besiegen." Ja, Jahwe hat seinem Gesalbten ein eisernes Zepter gegeben, womit er die empörerischen Völker zerschlagen wird, und trotz ihrer Herrschergewalt werden auch die Könige nur wie Töpfe sein, wie solche werden sie mit Leichtigkeit in Scherben zerschmissen und zerschmettert werden, wenn das eiserne Zepter in der Rechten des allmächtigen Gottessohnes über sie kommt. Was sich nicht beugen will, muss brechen. Irdenes Geschirr, das in Stücke zerbrochen ist, kann nicht wiederhergestellt werden; so wird auch das Verderben der Sünder hoffnungslos sein, wenn der Herr sie zerschmeißen wird.


10. So lasst euch nun weisen, ihr Könige,
und lasst euch züchtigen, ihr Richter auf Erden!
11. Dienet dem Herrn mit Furcht,
und freuet euch mit Zittern!
12. Küsset den Sohn, dass er nicht zürne, und ihr
umkommet auf dem Wege;
denn sein Zorn wird bald entbrennen.
Aber wohl allen, die auf ihn trauen!

Wiederum ändert sich die Szene. Der Prophet selber tritt auf und erteilt denen heilsamen Rat, die sich zu dem unseligen Ratschluss der Empörung zusammengetan haben. Sie werden ermahnt, sich zu unterwerfen und dem, den sie gehasst haben, den Kuss der Huldigung und Liebe zu geben.
  So lasst euch nun weisen. Willigkeit, sich unterweisen zu lassen, ist stets weise, besonders wenn solche Unterweisung auf das Heil unserer Seelen abzielt. "Zögert nicht länger, werdet doch vernünftig! Euer Feldzug kann euch ja nicht gelingen; darum steht davon ab und unterwerft euch freiwillig dem, der euch zur Beugung vor ihm zwingen wird, wenn ihr sein sanftes Joch verschmäht." O wie weise, wie unendlich weise ist es, Jesus gehorsam zu werden, und wie schrecklich ist die Torheit derer, die in der Feindschaft gegen ihn beharren! Dienet dem Herrn mit Furcht. Ehrfurcht und Demut beseele euren Dienst. Er ist der große Gott, ihr seid nur schwache Geschöpfe; beugt euch daher in heiliger Anbetung, und lasst kindliche Ehrfurcht sich mit pünktlichem Gehorsam gegen den Ewigen verbinden. Und freuet euch mit Zittern. Heilige Furcht muss mit der Freude des Christen stets vereint sein. Das ist eine heilige Mischung, die auf dem Altar des Herrn einen süßen Geruch ausströmt; lasst uns ja keinen anderen Weihrauch auf Gottes Altar bringen. Furcht ohne Freude ist Pein; Freude ohne heilige Furcht wäre Vermessenheit. Man beachte, wie feierlich die Aufforderung zur Versöhnung und Unterwerfung begründet wird. Es ist schrecklich, mitten im Sündenlauf umzukommen auf dem Wege der Empörung. Es ist hohe Zeit, dem göttlichen Strafgericht durch Buße zuvorzukommen, denn das Maß ist bald voll, das den Ausbruch des göttlichen Zornes bewirkt. Es braucht nicht mehr viel, so entbrennt sein Zorn. Sünder, nimm dich in Acht vor den Schrecken des Herrn, denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer (Hebr. 12,29). - Lasst uns die Seligpreisung beherzigen, womit der Psalm schließt: Wohl allen, die auf ihn trauen! Haben wir an diesem Glück teil? Bergen wir uns glaubensvoll in dem Ewigen? Unser Glaube mag schwach sein wie ein Spinnenfaden; ist er aber echt, so sind wir nach dem Maße unseres Glaubens glücklich und gesegnet. Je völliger unser Vertrauen auf den Herrn wird, desto reichlicher werden wir auch die Glückseligkeit des Glaubens erfahren. Wir wollen daher die Betrachtung dieses Psalms mit der Bitte der Jünger schließen: "Herr, stärke uns den Glauben" (Lk. 17,5).
  Der erste Psalm hat den Gegensatz zwischen dem Gerechten und dem Sünder dargestellt; der zweite veranschaulicht den Gegensatz zwischen dem stürmischen Aufruhr der ungöttlichen Welt und der gewissen Erhöhung des gerechten Sohnes Gottes. In dem ersten Psalm sahen wir die Gottlosen verweht wie Spreu; in dem zweiten schauen wir sie in Stücke zerbrochen wie Töpfergeschirr. Im ersten Psalm richtete sich unser Blick auf das fröhliche Gedeihen des Gerechten, da er grünt wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen; und hier erblicken wir Christus, das Bundeshaupt der Gerechten, in noch höherer Lebensfülle, denn er ist zum König eingesetzt über alle Lande und alle Heiden neigen sich vor ihm in den Staub, während er selbst segnend seine Hände ausbreitet über alle, die auf ihn ihre Zuversicht setzen. Die beiden Psalmen sind der eingehendsten Aufmerksamkeit wert; sie können in der Tat als Vorwort zum ganzen Psalter (Psalm 1 nach der sittlichen, Psalm 2 nach der prophetischen Seite) gelten und sind auch von manchen der Alten in einen zusammengefasst worden. Doch sind es zwei verschiedene Psalmen. Der erste zeigt uns das Wesen und das Los der Gerechten, und der andere weist uns auf den messianischen Charakter der Psalmen hin. Dass beide Psalmen einen weit reichenden prophetischen Ausblick haben, ist uns gewiss; aber wir müssen es geschickteren Händen überlassen, dies Gebiet zu erschließen.


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Schon rein ästhetisch betrachtet gehört der Psalm zu den ausgezeichnetsten. Der Kühnheit seiner Gedanken entspricht die markige Sprache; an dramatischer Haltung kommt ihm kein anderer Psalm gleich. In lebendigem Wechsel reden zuerst die Empörer (V. 3), dann Jahve (V. 6), dann der zionitische König (V. 7-9), endlich der Dichter (V. 10-12). Größer aber noch ist die theologische bzw. religionsgeschichtliche Bedeutung des Psalms, insofern derselbe zu den locis classics (den vornehmsten Bezeugungen) der messianischen Idee innerhalb des Psalters und zu den wichtigsten messianischen Stücken des Alten Testamentes überhaupt gehört. Lic. Hans Keßler 1899.
  Mit dem 2. Psalm haben sich schon die ersten Christen in Jerusalem getröstet (Apg. 4,25). Nicht minder die Reformatoren. Von der Koburg schrieb Luther seinen Freunden nach Worms: "Der Ausgang der Sache macht euch Kreuz, weil Ihr ihn nicht begreifen könnt? Aber wenn ich ihn begreifen könnte, möchte ich keinen Teil an der Sache haben. Gott hat meine Sache in eine Lage gebracht, die Ihr in eurer Rhetorik und Philosophie nicht habt. Dieselbe heißt Glauben, und ist darein alles gesetzt, was man nicht sieht. Will einer das sichtbar und begreiflich machen, wie Ihr tut, so bekommt er Sorge und Tränen zum Lohn wie Ihr!" Ein günstiges Vorzeichen nun sieht Luther darin, dass der Gegner allerlei Ränke spinne: "Wenn", sagt er, "die Könige im Lande sich auflehnen und die Herren miteinander ratschlagen wider den Herrn und seinen Gesalbten, dann folgt auch, wie es im Psalm ist, das Wort: Aber der im Himmel wohnet, lacht ihrer." - Nach Wilhelm Martin Leberecht de Wette † 1849.


V. 1. Toben ist gleich Aufruhr erregen, lärmen, tosen. Das hebräische Wort drückt nicht ein inneres Gefühl, sondern die dasselbe verratende äußere Erregung aus. Es spielt vielleicht auf das Rollen und Tosen des Meeres an, das in der heiligen Schrift und bei Klassikern oft als Sinnbild der Völkererregung dient. Das Wort frua/ssein, welches Lukas Apg. 4,25 (nach der LXX) dafür setzt, bedeutet Unbändigkeit, Stolz, wie z. B. von feurigen Rossen, die sich schnaubend und bäumend in die Schlacht stürzen. I. A. Alexander 1850.
  Sinnen Eitles. Diokletian prägte eine noch vorhandene Denkmünze, welche die Inschrift trug: "Weil der Name der Christen ausgelöscht ist." Und in Spanien wurden zwei Gedenksäulen errichtet, auf denen geschrieben war: A. "Den Kaisern Diokletian mit dem Beinamen "des Jupiter" und Maximian mit dem Beinamen "Herkules", den Mehrern des Reichs, errichtet, weil sie das römische Reich im Osten und Westen erweitert und den Namen der Christen, welche den Staat zu Grunde richteten, ausgetilgt haben." B. "Den Kaisern ... (wie oben), weil sie den Galerius (den letzten Verfolger der Christen) im Osten als Mitregenten angenommen, überall den Aberglauben der Christen ausgerottet und die Verehrung der Götter ausgebreitet haben." Ein neuerer Schriftsteller macht dazu die sinnige Bemerkung: "Hier haben wir ein Denkmal, errichtet vom Heidentum über dem Grabe seines besiegten Feindes. Aber darin haben die Leute "Eitles ersonnen". Weit davon entfernt, gestorben zu sein, stand das Christentum vielmehr am Vorabend seines dauernden Sieges und der Stein deckte ein leeres Grab, gleich der Urne, welche Elektra mit ihren Tränen wusch. Weder in Spanien, noch sonst wo kann die Begräbnisstätte des Christentums gezeigt werden; sie existiert nicht, denn die Lebenden haben kein Grab." C. H. Spurgeon 1869.


V. 1-4. Herodes, der Fuchs, schmiedete Ränke gegen Christus (Lk. 13,31 f.), um den Lauf seines Amtes zu hindern, aber er konnte seinen Anschlag nicht ausführen. Eitel, das heißt, innerlich leer sind alle solche Pläne, nicht nur, weil kein vernünftiger Grund für sie vorhanden ist, sondern auch, weil alle sich umsonst darum mühen. Der im Himmel thront, sieht, was für Toren die Leute sind, und die Menschen - ja auch sie werden es einst sehen. Der Prophet gibt uns davon eine seine Schilderung Jes. 59,5 f.; "Sie wirken Spinnewebe. Ihr Spinnewebe taugt nicht zu Kleidern, und ihr Gewirke taugt nicht zur Decke." Joseph Caryl 1647.
  Ach, dass wir halb soviel Sorgfalt gebrauchten, Gott weislich zu dienen, als seine Feinde sich mühen, sein Reich mit List anzugreifen. Die Gottlosen wenden allen Scharfsinn an, viele Gläubige aber sind schläfrig! C. H. Spurgeon 1869.


V. 2. Die Masse hat ihr Teil getan, jetzt zeigen sich die Mächtigen. John Trapp † 1669.
  Aber warum verschworen sie sich wider den Gesalbten Jahwes? Was wollten sie von ihm? Seine Güter? Nein; hatte Jesus doch nichts für sich selbst, sie waren reicher als er. Wollten sie seine Freiheit? Die würde ihnen nicht genügt haben, hatten sie ihn doch vorher gebunden. Wollten sie das Volk ihm abspenstig machen? Das hatten sie schon getan, so sehr, dass selbst seine Jünger von ihm geflohen waren. Was wollten sie denn haben? Sein Blut? Ja, sein Blut. "Sie hielten Rat", sagt Matthäus (Mt. 26,4), "wie sie Jesus töteten." Ihre Gesinnung war die des Teufels, der mit nichts zufrieden ist als mit dem Tod. Und wie ersannen sie es? Matthäus sagt, "sie hielten Rat darüber". Henry Smith 1578.
  Wider den Herrn und seinen Gesalbten. Welche Ehre war das für David, dass er so öffentlich Jahwe beigesellt wurde! Und dass er eben, weil er sein Gesalbter war, Gegenstand des Hasses und des Hohnes der ungöttlichen Welt war. Wenn gerade dieser Umstand einerseits die Schuld dieser verblendeten Heiden entsetzlich vergrößerte und ihr Schicksal besiegelte, war es anderseits sicherlich eben das, was mehr als alles andere Davids Gemüt ruhig und heiter, ja friedevoll und freudevoll bleiben ließ trotz dem prahlerischen Übermut seiner Feinde. Im Glauben konnte er, wiewohl er nichts als die wütenden Wogen um sich sah, ruhig sprechen: "Die Völker sinnen Eitles." Des Himmels Beschlüsse können sie nicht zunichtemachen, dem Gesalbten Jahwes keinen Schaden zufügen. David Pitcairn 1851.


V. 3. Sie schmähen die lieblichen Gesetze des Reiches Christi als schwere Bande und Fesseln, die Zeichen der Sklaverei. (Vergl. Jer. 27,2.6.7) Aber dem Wiedergeborenen ist Christi Gesetz nicht mehr eine Bürde als dem Vogel seine Flügel. Dem Christen ist es nicht mehr Strick und Fessel, sondern ein Lendengurt, der ihm beim Laufe förderlich ist. John Trapp † 1669.


V. 4. Der im Himmel thront. (Grundtext) Damit ist klar angedeutet, 1) dass der Herr hoch über alle ihre Bosheit und Macht erhaben ist; 2) dass er von oben herab all ihre Ränke erschaut; 3) dass er als der Allmächtige mit seinen Feinden machen kann, was ihn gelüstet (Ps. 115,3). Arthur Jackson 1643.
  Die törichten Anschläge der sündigen Menschenkinder sind für Gott Anlass, seine unendliche Weisheit und Macht zu entfalten, und gerade die Angriffe von Satans Reich, die in unseren Augen furchtbar sind, sind in Gottes Augen verächtlich. Matthew Henry † 1714.
  Sie spotten unser, Gott lacht ihrer. Er lacht? Das scheint auf den ersten Blick ein hartes Wort. Sind die Ungerechtigkeiten, die seinen Heiligen zugefügt werden, die Grausamkeiten ihrer Feinde, die Verhöhnung und Verfolgung seitens aller, die um uns her sind, für ihn nicht mehr als ein Gegenstand des Gelächters? Der gestrenge Cato meinte, Lachen sei unverträglich mit der Würde eines römischen Konsuls; es sei eine Herabwürdigung des Standes, sagte ein anderer zu Fürsten. Und hier wird es der himmlischen Majestät beigelegt? Aber welch heiliges Lachen ist es! Er lacht, aber es ist das Lachen der Verachtung; er lacht, aber Rache sprüht darin. Pharao bildete sich ein, er habe mit dem Ertränken der israelitischen Knäblein einen Weg gefunden, Israels Namen vom Erdboden zu vertilgen. Als aber zur selben Zeit seine eigene Tochter dem Mose, dem Befreier Israels, das Leben rettete und ihm an seinem eigenen Hofe eine fürstliche Erziehung gab, lachte da Gott nicht? - Die Freude der Gottlosen ist kurz. Wird Dagon wieder an seinen Ort gestellt? Gottes Lächeln wird ihm das Haupt und beide Hände wegnehmen (1. Samuel 5,3 f.), ihm weder Verstand zum Führen noch Macht zum Helfen lassen. Wir dürfen über die Werke Gottes nicht urteilen, bis der letzte Akt des Dramas gekommen. Jahwe ließ zu, dass sein Tempel geplündert und zerstört, die heiligen Gefäße entweiht und beim Zechgelage missbraucht wurden; aber ließ nicht Gottes Lachen Belsazar erzittern über der Handschrift an der Wand? (Dan. 5) O was muss sein Stirnrunzeln sein, wenn sein Lächeln schon so furchtbar ist! Thomas Adams 1614.
  Er sieht auf die kleinlichen, armseligen Anstrengungen der Menschen, die von Erde sind (V. 9), nicht nur ohne Unbehagen und Furcht herab, sondern er begegnet ihrer ohnmächtigen Torheit mit Hohnlachen. Weiß er doch, dass er sie zerdrücken kann wie eine Motte, wenn es ihm gefällt, oder sie in einem Augenblick verzehren mit dem Hauch seines Mundes. Wie nützlich ist es uns, an solche Wahrheiten erinnert zu werden. David Pitcairn 1851.


V. 4-6. Es ist das Lachen der göttlichen Ironie, die das unsinnige Gebaren der Menschlein trifft, welche tun, als wollten sie den Himmel stürmen. Dieses Lachen geht aber dem göttlichen Zorn voraus und ist darum ein furchtbares. "Da wird er zu ihnen sprechen in seinem Zorn." Dieses z)f (da), oft unserm "jetzt", oft unserm "einst" entsprechend, fixiert einen bestimmten Moment, hier die vom Geistesblick als nahe geschaute Stunde, wo er als Richter und Rächer mit ihnen abrechnen wird, wobei sie alle Fassung verlieren. Sein Ratschluss tönt ohne Einleitung in ihr Gerede hinein; er setzt ihrer Widerspenstigkeit einfach Seinen souveränen Willen entgegen; "Und Ich habe eingesetzt meinen König auf Zion, meinem heiligen Berge." Dabei bleibt es! - Die alttestamentliche Weissagung, von Prof. Conrad von Orelli 1882.


V. 5. Schrecken wird er sie, sei es durch die Qualen des Gewissens, sei es durch leibliche Plagen. Auf die eine oder andere Weise wird er sie leichten Kaufs in seine Hand bekommen, wie er es allezeit mit den Verfolgern der Seinen getan hat. John Trapp † 1669.


V. 5.9. Es ist Gott ein Leichtes, seine Feinde zu vernichten. Siehe, wie Pharao, seine Weisen und Gewaltigen, seine Heere und Rosse ins Wasser plumpsen und platschen und wie Blei untersinken im Schilfmeer. Das ist das Ende eines der größten Anschläge, der je gegen die Auserwählten des Herrn ausgebrütet worden ist. Von dreißig römischen Kaisern, Statthaltern und andern hohen Würdenträgern, die sich durch ihren Eifer und ihre Härte in der Verfolgung der ersten Christen ausgezeichnet haben, wurde einer plötzlich irrsinnig nach einer frechen Gräueltat, einer wurde von seinem eigenen Sohne erschlagen, einer wurde blind, einem andern traten die Augen aus dem Kopf, einer wurde ertränkt, ein anderer erdrosselt, einer starb in elender Gefangenschaft, einer verendete in einer Weise, die man schlechterdings nicht erzählen kann, einer starb an einer so ekelhaften Krankheit, dass mehrere seiner Ärzte hingerichtet wurden, weil sie den Gestank nicht ertragen konnten, der sein Gemach erfüllte, zwei begingen Selbstmord, ein dritter versuchte es, musste aber Hilfe herbeirufen, um das schauerliche Werk zu vollenden, fünf wurden von ihren eigenen Angehörigen oder Dienern ermordet, fünf andere starben den denkbar elendesten und qualvollsten Tod, indem mehrere von ihnen eine unerhörte Verwicklung von Krankheiten hatten, und acht wurden in der Schlacht oder in der Gefangenschaft getötet. Unter diesen war Julian der Abtrünnige. Man sagt von ihm, er habe in den Tagen seines Glücks seinen Dolch gen Himmel gezückt, dem Sohne Gottes hohnsprechend, den er gemeiniglich den Galiläer nannte. Aber als er in der Schlacht verwundet war und sah, dass alles aus war, soll er sein geronnenes Blut vom Erdboden aufgenommen und in die Luft geworfen haben mit dem Ausruf: "Galiläer, du hast gesiegt." - Voltaire hat uns von den Todeskämpfen Karls IX. von Frankreich berichtet, die das Blut durch die Hautporen dieses elenden Herrschers trieben, nach seinem grausamen, verräterischen Vorgehen gegen die Hugenotten. William Swan Plumer 1867.


V. 6. Beachten wir 1) das königliche Amt und die königliche Würde unseres erhöhten Erlösers. "Und hat einen Namen geschrieben auf seinem Kleid und auf seiner Hüfte also: Ein König aller Könige und ein Herr aller Herren" (Off. 19,16). Beachten wir 2) die Vollmacht, kraft welcher er regiert. Er ist mein König, sagt Gott, und ich habe ihn eingesetzt von Ewigkeit her. Der Vater richtet niemand, sondern alles Gericht hat er dem Sohne gegeben (Joh. 5,22). "Mag die Welt seine Machtvollkommenheit nicht anerkennen, ich erkenne sie an, ich habe ihn eingesetzt und gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles" (Eph. 1,22). Beachten wir 3), welches sein Reich ist: "mein heiliger Berg Zion" - ein sonderliches Vorbild der Kirche des Evangeliums, denn auf Zion war die Bundeslade und später der Tempel. Christi Thron ist in seiner Gemeinde, sie ist sein Hauptquartier und besonderer Residenzort. Stephen Charnock † 1680.
  Meinen König: So nennt der Vater Christus, weil dieser an des Vaters Statt regiert. Und zwar ist es ein zwiefaches Königtum, das Christus vom Vater übergeben ist. Erstens die Herrschaft über die Welt, auch über die Feinde. Christus ist ein König aller Könige. Was sind die Mächtigen, die Großen und Würdenträger der Erde im Vergleich mit Christo? Gleichsam ein Wasserbläslein. Denn wenn alle Völker vor Gott wie ein Tropfen sind, der im Eimer bleibt, und wie ein Stäublein, das in der Wage bleibet, wie der Prophet sagt (Jes. 40,15), wie klein müssen dann vor ihm die Könige der Erde sein! Ja, Christus ist nicht nur höher als die Könige, er ist höher als die Engel, denn er ist ihr Haupt, und alle Engel Gottes müssen ihn anbeten (Kol. 2,12; Hebr. 1,6). Er ist König über alle Königreiche, über alle Völker, über alle Herrschaften, über alle Mächte (vergl. Dan. 7,14). Zweitens ist Christus aber auch der König seiner Heiligen. Über die Gottlosen herrscht er mit seinem gewaltigen Arme, die Gläubigen leitet er freundlich mit seinem Geiste. Das ist Christi geistliches Königreich, das in den Herzen der Seinen aufgerichtet ist. Er beherrscht ihr Gewissen, ihren Willen, ihre Neigungen, ihre Urteile, ihre Vernunft und niemand außer Christus hat den Seinen etwas zu befehlen. Er herrscht über die Nationen, aber in den Gläubigen. Wayne Dyer 1665.


V. 7. Der Streit über die ewige Zeugung des Herrn legt mehr vermessene Neugier als ehrfurchtsvollen Glauben an den Tag. Es ist das ein Versuch, da zu erklären, wo man viel besser täte, anzubeten. Wir könnten ja eine ganze Reihe miteinander um die Herrschaft streitender Auslegungen dieses Verses anführen; aber wir verzichten darauf. Diese Streitfrage ist eine der unfruchtbarsten, welche je die Federn der Theologen beschäftigt hat. C. H. Spurgeon 1869.


V. 8. Fordere von mir; darin ist das Priestertum Christi angedeutet. Der Psalm spricht V. 7 von der Einsetzung Christi ins königliche Amt; der Schreiber des Hebräerbriefes aber bezieht das hier Gesagte auf Christi Priestertum. Seine Bevollmächtigung zu diesen beiden Ämtern ist zur gleichen Zeit erfolgt und beide sind ihm von derselben Gewalt verliehen und bestätigt worden. Sein Amt des Bittens beruht auf derselben Vollmacht wie seine Königswürde. Nach seiner Auferstehung hat der Vater ihm Macht und Befehl zu bitten gegeben. Stephen Charnock † 1680.
  Fordere von mir, so will ich usw. Uns gegenüber handelt Christus als König, aber dem Vater gegenüber als Priester. Alles, was er zu Gott spricht, ist Gebet und Fürbitte. So machen Gottes Verheißungen auch die Gläubigen zu königlichen Beherrschern ihrer Lüste und zu Siegern über ihre Feinde, Gott gegenüber aber zu Priestern, die durch demütiges Gebet jene großen ihnen zugesagten Dinge erlangen. William Gurnall † 1679.


V. 9. Sogar ein eiserner Stab würde wenig ausrichten, wenn er nur leicht gehandhabt würde oder gegen einen harten, festen Gegenstand. Aber in dem vorliegenden Fall wird er mit großer Macht gebraucht: Du sollst sie zerschlagen, und gegen Geschöpfe, die so spröde und zerbrechlich sind wie Töpfe. Es handelt sich also um völlige Zerschmetterung. Auch hier tritt uns wieder entgegen, dass die Weissagungen und Verheißungen dieses Psalms nur in sehr beschränktem Maße in der Geschichte Davids in Erfüllung gegangen sind. Ihre volle, schreckliche Erfüllung harrt des Tages, wenn der große Davidssohn in der Herrlichkeit seiner Majestät als Zions König kommen wird, um mit eisernem Zepter die große antichristliche Verschwörung der Könige und der Völker zu zerschmettern und von seinem ihm längst zugesagten und teuer erkauften Erbe Besitz zu ergreifen. Und die Zeichen der Zeit scheinen darauf hinzudeuten, dass das Kommen des Herrn nahe ist. David Pitcairn 1851.


V. 10. Wie Jesus der König aller Könige und der Richter aller Richter ist, so ist das Evangelium der Lehrer der Weisesten und Größten unter den Menschen. Wer sich so groß dünkt, dass er seine Ermahnungen mit Füßen tritt, der wird vor Gott wenig gelten; und wer so weise ist, dass er seine Lehren verachtet, den wird seine eingebildete Weisheit zum Narren machen. Das Evangelium führt den Machthabern der Erde gegenüber eine freie Sprache; und die das Evangelium predigen, sollen gleich einem Knox, Melville und anderen ihr Amt ehren, indem sie sogar in Gegenwart von Königen eine männliche Sprache führen und freimütig tadeln, wo zu tadeln ist. Ein Fuchsschwänzer im Talar ist höchstens als Küchenjunge in des Teufels Küche zu gebrauchen.1 C. H. Spurgeon 1869.


V. 11. "Freuet euch mit Beben !"- wird den Huldigenden zugerufen. Darin wie in dem folgenden Huldigungskusse liegt, dass nicht die Furcht allein, sondern zugleich die Lust sie treiben soll, diesem erhabenen Gott und seinem herrlichen Regenten sich zu unterwerfen. Es ist jenes aus Scheu und Wonne gemischte Doppelgefühl gemeint, welches des heiligen und gnädigen Gottes herrlichste Offenbarungen in den Sterblichen erwecken, vergl. Hos. 3,5; 11,10 f. Prof. Conrad von Orelli 1882.
  Die Furcht Gottes ist dem Morgenstern vergleichbar, der das Aufgehen des trostreichen Sonnenlichtes ankündigt; wie es von der Christengemeinde (Apg. 9,31) heißt: Sie wandelte in der Furcht des Herrn und wurde erfüllet mit Trost des heiligen Geistes. Thomas Watson 1660.
  Gottes Zorn hat nichts gemein mit der Leidenschaft, die den Menschen in innere Unordnung versetzt und außer Fassung bringt. Wohl aber kennt die heilige Schrift einen Zorn Gottes als wirksame Unterscheidung der Feinde von den Freunden und der Dinge, die zu Gottes Verherrlichung dienen, von denen, die das nicht tun. Der Kirchenvater Hilarius († 366) hat gut gesagt: Poena patientis ira decernentis, d.h.: Des Menschen Leiden ist Gottes Zorn. Wenn Gott, einem gerecht entrüsteten König gleich, solche Strafen verhängt, dann ist das sein Zorn. Unsere Stelle lässt die Sache aber noch ernster erscheinen. Nicht Gott, dieses erhabene, allgewaltige und majestätische Wesen ist es, dem hier Zorn zugeschrieben wird, - dass Gott zürnt, ist wohl zu erwarten; aber sogar der Sohn, den wir küssen sollen, kann zürnen, dies Wesen, das wir nicht nur als Gott, sondern auch als Menschen, als unsereinen kennen, ja er, der erniedrigt wurde, dass er ein Wurm war und kein Mensch (Ps. 22,7), er kann zürnen, und sein Zorn kann so entbrennen, dass wir verzehrt werden. Darum küsset den Sohn, dass er nicht zürne; und zürnt er, dann küsset die Rute, so wird sein Zorn aufhören. Liebt ihn, auf dass er nicht zürne; neigt euch vor ihm in Ehrfurcht, wenn er zürnt. Das Mittel, wodurch wir uns vor seinem Zorn schützen oder diesen abwenden können, ist leicht; ein Kuss aufrichtiger Huldigung und Liebe. Wer so im Glaubensgehorsam ihn umfängt, findet Gnade in der Züchtigung; aus dem Verderben wird er wieder aufgerichtet, er darf Feste feiern in der Zeit des Darbens und Freude im Herzen fühlen, auch wo er erfährt, wie Gottes Heiligkeit wider seine Sünde eifert. John Donne † 1631.
  Unaussprechlich muss der Zorn Gottes sein, wenn er mit ganzer Glut entbrennt, da schon Verderben von ihm ausgeht, wenn er nur ein wenig aufflammt. John Newton † 1807.


Homiletische Winke

Der ganze Psalm zeigt uns die Natur der Sünde, sowie die schrecklichen Folgen derselben, wenn sie zur unbeschränkten Herrschaft gelangen würde.

V. 1. Nichts ist unvernünftiger als Gottlosigkeit. Eilt gewichtiges Thema.
  Die Gründe, weshalb Sünder sich wider Gott empören, dargetan, widerlegt, beklagt und bereut.
  Die höchste Entfaltung der menschlichen Sünde: der Hass des Menschen gegen den Mittler.
V. 1.2. Der Widerstand gegen das Evangelium ist unvernünftig und erfolglos. Diese Verse zeigen uns, dass im Dienste Gottes alles Vertrauen auf Menschen eitel ist. Denn da die Menschheit im Ganzen christusfeindlich ist, so ist es nicht gut, sein Vertrauen zu setzen, sei es auf die Menge wegen ihrer Zahl, sei es auf die kühn Entschlossenen wegen ihres Eifers, sei es auf die Mächtigen wegen ihrer Gunst, sei es auf die Weisen wegen ihres Rates, da diese alle weit öfter wider Christus sind als für ihn.
V. 3. Die wahre Ursache des Widerstrebens der Sünder gegen die in Christus geoffenbarte Wahrheit: ihr Abscheu vor den heilsamen Schranken der Gottseligkeit.
V. 4. Wie Gott der Empörer lacht, sowohl jetzt als später.
V. 5. Die Stimme des Zornes - als Thema einer Predigt in einer Reihe von Betrachtungen über die Stimmen Gottes (die Stimme der Allmacht, der Liebe usw.).
V. 6. Christi königliche Herrschaft. 1) Der Widerstand gegen dieselbe: und doch; 2) ihr gewisser Bestand: Ich habe eingesetzt; 3) die Macht, die sie erhält: Ich habe eingesetzt; 4) die Stätte ihrer Offenbarung: mein heiliger Berg Zion; zum Schluss: die Segnungen, die von ihr ausströmen.
V. 7. Der göttliche Ratschluss hinsichtlich Christus, in Verbindung mit den Ratschlüssen der Erwählung und Vorsehung. Die Sohnschaft Jesu.
  Dieser Vers lehrt uns, die von Gott uns verliehene Gabe und Berufung getreulich zu verkündigen und demütig in Anspruch zu nehmen.
V. 8. Das Erbe Christi.
  Die Unerlässlichkeit des Gebets - selbst Christus muss bitten.
V. 9. Der Untergang der Gottlosen. Er ist gewiss, unaufhaltsam, schrecklich, vollständig, unwiederbringlich. Man führe den Vergleich mit den irdenen Gefäßen durch.
  Der zu erwartende Untergang der Mächte des Irrtums und der Unterdrückung. Das Evangelium ein Zepter, wohl im Stande, die irdenen menschlichen Machwerke zu zerbrechen.
V. 10. Im Gehorsam gegen Christus besteht die wahre Weisheit, wohl geziemend auch für Fürsten und Richter.
  Das Evangelium- eine gute Schule für diejenigen, welche lernen möchten, das Regenten- und Richteramt recht auszuüben. Solche mögen seine Grundsätze, sein Ideal, seinen Geist usw. wohl beachten.
V. 11. Gemischte Empfindungen. Man vergleiche die Erfahrungen der von dem Grabe zurückkehrenden Frauen (Mt. 28,8). Das könnte ein trostreiches Predigtthema sein, wenn der Heilige Geist das Gemüt des Predigers erleuchtet.
V. 12. Eine dringende Einladung. 1) Der Befehl, 2) der Grund, 3) der dem Gehorsam verheißene Segen. Siehe Predigten von C. H. Spurgeon, 1. Band (Min.-Ausg., Seite 296). Bapt. Verlag, Kassel.
V.12c. Die Art, der Gegenstand und die Glückseligkeit des seligmachenden Glaubens.

 

 


Fußnoten

1. Zum Verständnis des drastischen Bildes ist zu beachten, dass die Geistlichen der englischen Staatskirche bei der Predigt usw. einen weißen Überwurf tragen. Wiewohl aber Spurgeon dem Talar allerdings nicht geneigt war, sofern er darin ein Symbol priesterlicher Ansprüche, ein Zeichen einer unbiblischen Unterscheidung zwischen "Geistlichen" und "Laien" sah, gilt der Hieb Spurgeons doch nicht dem Talar oder dessen Träger überhaupt, sondern nach dem Zusammenhang eben kriechenden Hofpredigern und dergl.