Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 26 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

(Ein Psalm) Davids. Das vorliegende Lied zeigt uns David unter der Last der Schmach. Darin war er ein Vorbild des großen Davidssohnes und in der Art, wie er diese Bürde der Verleumdung, die so schwer auf ihn drückte, zu dem Thron der Gnade trug, ist er uns ein leuchtendes Vorbild. Es ist eine sinnreiche Vermutung, David habe diesen Psalm, in welchem er sich auf den himmlischen Richter beruft, zu der Zeit verfasst, als Isboseth, der Sohn Sauls, von Rechab und Baana ermordet worden war, und er habe dabei eben den Zweck im Auge gehabt, seine Unschuld gegen den schmählichen Argwohn, als habe er an jenem Meuchelmord irgendwelchen Anteil, zu verteidigen. Der Ton des Psalms stimmt jedenfalls trefflich zu jenem Anlass; da es aber an irgendwelchen genaueren Andeutungen fehlt, ist diese Annahme ebenso wie die andere, dass der Psalm aus der Zeit stamme, wo David von Saul verfolgt wurde, nur eine Mutmaßung.

Einteilung. David Dickson († 1662) gibt folgende Übersicht über unseren Psalm: David beruft sich auf Gott, den höchsten Richter, im Bewusstsein seiner Unschuld, da sein Gewissen ihm Zeugnis gibt, erstens: dass er sich bestrebt habe, in Unsträflichkeit und Glaubenstreue zu wandeln, V. 1-3; zweitens: dass er sich vor der Ansteckung durch den bösen Rat und das sündige Wesen und Beispiel der Gottlosen gehütet habe, V. 4-5; drittens: dass es sein fester Vorsatz sei, sich auch fernerhin der Heiligkeit und Redlichkeit zu befleißen und in herzlicher Lust an den Vorrechten des Volkes Gottes im Hause des Herrn teilzunehmen, V. 6- 8. Darauf bittet er um Verschonung vor dem Gericht, welches über die Gottlosen hereinbrechen muss, V. 9-10, und er begründet diese Bitte mit seinem Vorsatz, ihre Sünden zu meiden, V. 11. Endlich schließt er sein Gebet mit Worten, die der tröstlichen Gewissheit Ausdruck geben, dass er erhört sei,


Auslegung

1. Herr, schaffe mir Recht, denn ich bin unschuldig!
Ich hoffe auf den Herrn, darum werde ich nicht fallen.
2. Prüfe mich, Herr, und versuche mich;
läutere meine Nieren und mein Herz.
3. Denn deine Güte ist vor meinen Augen,
und ich wandle in deiner Wahrheit.


1. Richte mich, Herr (wortl.), d. h., wie Luther treffend den Sinn verdeutlicht: schaffe mir Recht! Eine feierliche Berufung auf das gerechte Gericht des Herzenskündigers, die durch die Lage, worin sich der Verfasser des Psalms befindet, gerechtfertigt wird, insofern als diese Berufung auf Gott sich auf die besonderen Anklagen bezieht, deren er fälschlich beschuldigt war. Die Ungerechtigkeit der Menschen quält Davids Geist aufs Äußerste und seine Kraft droht unter der unerträglichen Last zusammenzubrechen; darum flieht er im Bewusstsein seiner Unschuld von seinen falschen Anklägern zu dem Thron der ewigen Gerechtigkeit. Wer seinen Rechtshandel vor das königliche Gericht des Himmels zu bringen wagt, dessen Sache muss ganz lauter sein. Eine Berufung solcher Art darf in keinem Fall eine Tat unüberlegter Hast sein. Auch wollen wir wohl beachten, dass sich die Bitte Davids: "Richte mich, Herr!" nach dem klaren Zusammenhang auf sein Verhältnis zu den Menschen bezieht. Und solche Aufforderung wird sich stets nur auf einzelne Stücke, nie auf unseren Wandel im Ganzen beziehen dürfen, es wäre denn, dass wir dabei unseren Stand als in Christus Jesus Gerechtfertigte im Auge hätten. Sonst ist für den sündigen Sterblichen das andere Gebet des Psalmisten viel passender: Gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht (Ps. 143,2). Denn ich habe in meiner Unschuld gewandelt. (Wörtlich.) Sich in allen Dingen unsträflich zu halten, war der Grundsatz Davids und er führte ihn im täglichen Leben aus. Er hatte keinerlei verräterische oder unredliche Mittel angewandt, um die Krone zu gewinnen oder sich in ihrem Besitz zu erhalten; er war sich bewusst, dass er sich in all seinem Verhalten gegen Saul und dessen Nachkommen von den edelsten Grundsätzen hatte leiten lassen. Wie tröstlich ist es, die Zustimmung des eigenen Gewissens zu haben! Genießen wir Frieden im Herzen, so brauchen uns die Stürme der Verleumdung, die um uns her heulen und toben, wenig anzufechten. Wenn das Vöglein in meinem Busen ein fröhliches Lied singt, dann kümmert es mich wenig, ob auch tausend Eulen der Nacht mich von außen her ankreischen. Und auf den Herrn habe ich vertraut und vertraue ich. (Wörtl.) Der Glaube ist die Wurzel und das Mark der Unsträflichkeit im Wandel. Wer sich auf den Herrn stützt, wandelt aufrecht. David wusste, dass Gottes heiliger Wille ihm die Krone verliehen hatte; darum wandte er keine ungeraden oder ungesetzlichen Mittel an, sie zu sichern. Er ließ sich nicht bereden, seinen Feind in der Höhle zu töten, oder zu dulden, dass seine Krieger ihn erschlugen, als er unbewacht im Lager schlief. Der Glaube scheut keine Anstrengung, wo er für den Herrn und nach Gottes Weise wirken kann; aber er weigert sich, auch nur den kleinen Finger aufzuheben, um unredliche Pläne auszuführen. Rebekka bediente sich einer täuschenden List, um dem Ratschluss des Herrn zu Gunsten Jakobs zur Erfüllung zu helfen, - und das war Unglaube; Abraham dagegen überließ es Gott, seine Verheißungen zu verwirklichen, und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete, - das war Glaube. Der Glaube überlässt es Gott, seine Ratschlüsse auszuführen. Warum sollte ich stehlen, wenn Gott verheißen hat, mich zu versorgen, warum mich rächen, wenn ich weiß, dass der Herr sich meiner Sache annimmt? Die Zuversicht zu Gott ist ein höchst wirksamer Schutz gegen die Sünde. Darum werde ich nicht fallen.1 So schlüpfrig der Weg auch ist, so dass ich wie auf Glatteis gehe, der Glaube hält dennoch meinen Fuß vom Gleiten und wird das auch ferner tun. Wer auf den zweifelhaften Wegen weltlicher Klugheit wandelt, tut früher oder später ganz sicher einen Fall; der Pfad der Redlichkeit dagegen ist zwar oft beschwerlich, aber stets sicher. Wir können unsere Zuversicht nicht auf Gott setzen, wenn wir krumme Wege gehen; aber gerade Wege und ein einfältiger Glaube, die bringen den Pilger glücklich ans Ziel.

2. In dreierlei Form erbittet der Psalmsänger nun Prüfung seines Innern. Er wusste sich so frei von den Anklagen, deren man ihn beschuldigte, dass er sich bedingungslos jeder Art Prüfung unterwarf, die der Herr anzuwenden für gut finden würde. Prüfe mich, Herr. Durchforsche mich durch und durch, stelle eine genaue Untersuchung an, nimm mich ins Kreuzverhör, gehe der Sache auf den Grund. Und versuche mich. Stelle mich abermals auf die Probe und siehe, ob ich mich wirklich mit solch gottlosen Plänen trage, wie meine Feinde sie mir andichten. Läutere meine Nieren und mein Herz. Erprobe mich wie das Metall im Schmelzofen. Durchläutere mein geheimstes Innere, meine Nieren, den Sitz der Triebe und Gemütsbewegungen, und mein Herz, den Mittelpunkt des geistig-seelischen Lebens, und siehe zu, ob du da Lust zu Mord, Verrat und Trug findest. Dies alles ist sehr kühne Sprache und im Mund eines David, dessen Herz so voller Gottesfurcht war, ist es ein höchst feierlicher, glaubhafter Erweis, dass er sich völliger Unschuld bewusst war. Die hier gebrauchten Ausdrücke mögen uns zeigen, wie durchdringend das Gericht des Herzenskündigers ist und wie unumgänglich notwendig es für uns ist, in allen Dingen durch und durch aufrichtig zu sein, wenn wir nicht schließlich auf der göttlichen Wage zu leicht erfunden werden sollen. Dass unsere Feinde uns mit der Schärfe des Hasses beobachten und behandeln, das erträgt ein Biedermann ohne Furcht; Gott aber verfährt mit uns nach der Strenge des unverbrüchlichen Rechts: Wer mag vor solcher Untersuchung bestehen?

3. Denn deine Güte (oder Gnade) ist vor meinen Augen. Gottes herablassende Liebe war Davids Augenlust. Das Beschauen der erfahrenen Gnade erquickte ihn und zugleich baute er auf dieselbe Gnade seine Zukunftshoffnung. Das Bewusstsein, Gnade empfangen zu haben, eröffnet vor dem gläubigen Gemüt in den trübsten Verhältnissen einen heiteren Ausblick; denn es zeigt ihm, wie in einem Gesicht, eine Fülle von Gnaden, die seiner noch warten, - und was es da schaut, ist nicht ein schöner Traum, sondern Wirklichkeit. Verweile ein wenig, lieber Leser, bei dem himmlischen Wort Gnade. Wer erkennt, was Gnade ist, für den gibt s keinen süßeren Klang. Ja, es ist seinesgleichen nicht. Und eine Frage drängt sich immer wieder dem begnadigten Herzen auf: Wie kommt der große Gott dazu, dem sündigen Menschengeschlecht seine Liebe zuzuwenden? Darum sollte uns auch die Güte des Herrn stets vor Augen sein, als eine mächtige Triebkraft, die unseren Wandel beeinflusst. Wir sind nicht unter dem knechtischen Joch des Gesetzes, aber unter dem süßen Zwang und den sanften Einflüssen der Gnade, die weit mächtiger, obwohl viel milder sind. Der Mensch mag, das Gesetz vor Augen, der Sünde frönen; wer aber die göttliche Liebe klar erschaut, kann sich ihrem heiligenden Einfluss nicht entziehen. Wenn wir die Wunderwege der Gnade mehr vor Augen hätten, in denen Gott sich uns bezeugt, so würden wir achtsamer sein, die Wege des Gehorsams zu wandeln. Und ich wandle in deiner Wahrheit. Die Überzeugung von der Wahrhaftigkeit der göttlichen Verheißungen bewahrte den Psalmsänger vor der Sünde; denn er suchte diese Wahrhaftigkeit Gottes nicht nur zu glauben, sondern auch nachzuahmen, und hütete sich darum vor allem Schein und aller Heuchelei. Wir mögen uns aus diesem Vers auch merken, dass sich, wenn wir die göttliche Liebe an uns erfahren haben, dies im Wandel, in der Befolgung der göttlichen Wahrheit zeigen wird. Wer, sei es die lehrhafte, sei es die praktische Seite der Wahrheit vernachlässigt, darf sich nicht wundern, wenn er den erfahrungsmäßigen Genuss derselben verliert. Der Leute, die von der Wahrheit reden, sind genug; besser ist’s, in der Wahrheit wandeln. Viele geloben, sich in Zukunft wohl zu verhalten; aber all ihre Vorsätze werden zunichte. Nur wer Gottes Gnade an seinem Herzen erfahren hat, kann sagen: Ich wandle in deiner Wahrheit.


4. Ich sitze nicht bei den eiteln Leuten,
und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen.
5. Ich hasse die Versammlung der Boshaften,
und sitze nicht bei den Gottlosen.

Der Psalmist war so weit davon entfernt, ein gemeiner Übertreter der göttlichen Rechtsordnungen zu sein, dass er mit denen, die das Böse lieben, nicht einmal äußerlich irgendwelchen Verkehr gepflogen hatte. Er war allen verkehrten Leuten sorgfältig fern geblieben. Das Sprichwort lautet: "Sage mir, mit wem du umgehst, so sage ich dir, wer du bist"; und wenn wir uns von den Gottlosen fern gehalten haben, wird das stets ein Zeugnis zu unseren Gunsten sein, wenn unsere sittliche Würde angegriffen werden sollte. Wer nie in dem Kirchspiel gewesen ist, hat schwerlich das Korn gestohlen.

4. Ich sitze nicht bei den eiteln Leuten, d. h. bei den innerlich Hohlen, deren einziger Gehalt die Schlechtigkeit ist und die ihre innere Unwahrheit mit dem Schein der Verstellung übertünchen. Echte Bürger haben keine Gemeinschaft mit Verrätern. David hatte keinen Sitz im Parlament der Nichtigkeitskrämer. Die Bösen waren weder seine guten Gesellschafter bei Festen noch Ratgeber bei seinen Plänen noch seine Bundesgenossen im Handeln. Wir können ja nicht daran vorbeikommen, mit Weltmenschen zusammenzutreffen, mit ihnen zu reden, Geschäfte zu schließen und dergleichen; aber wir dürfen keinesfalls in ihrer eiteln Gesellschaft unsere Ruhe und Erholung suchen. Nicht nur die offenbar ruchlosen, sondern auch die eiteln Leute sollen wir meiden. Alle, deren Lebensziele nur im Diesseits liegen, sind eitle, nichtige Leute, Hülsen ohne Kern, aufgeblasene Windbeutel; wie könnte der Christ sie seiner Freundschaft würdigen? Da überdies diese Eitelkeit oft mit Falschheit gepaart ist - wie bei den Leuten, von denen unser Text redet --, so tun wir wohl daran, wenn wir uns von diesem verkehrten Geschlecht (Apg. 2,40) gründlich scheiden. Die Gemeinschaft mit ihnen könnte uns teuer zu stehen kommen und das Dulden des Unnützen, Eiteln uns dazu führen, schließlich auch dem offenbar Gottlosen Beifall zu zollen. Und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen. Da ich weiß, dass heuchlerische Frömmigkeit zwiefache Schlechtigkeit ist, scheue ich wie die Pest alle, die die Religion zum Deckmantel ihrer Bosheit machen. Der Grundtext nennt sie Verhüllte oder Versteckte, eben weil sie ihre heimtückischen Pläne so gut unter der Maske der Unschuld zu verbergen wissen. Sie tragen den Rosenkranz um den Hals und den Teufel im Herzen. Muss ich mit ihnen dieselbe Straße wandeln, so hüte ich mich doch wohl, mit ihnen unter ein Dach einzukehren und meine Zeit in ihrer Gesellschaft zu verbringen. Mit der Versammlung der Heuchler (Hiob 15,34) sollen wir keine Gemeinschaft pflegen; ihr letzter Sammelort wird der tiefste Abgrund der Hölle sein. Darum lasst uns jede Verbindung mit ihnen jetzt abbrechen; die Zeit wird bald da sein, wo wir nicht wünschen werden, zu ihrer Bekanntschaft zu gehören. Die im Grundtext in diesem Versteil gebrauchte Zeitform (das Imperf.) zeigt an, dass David dieses Verhalten gegen die Gottlosen fort und fort beobachtete. Es gilt, dass wir den eingeschlagenen einsamen Pfad mit immer größerer Umsicht innehalten, je mehr wir sehen, dass sich der Tag der Erlösung naht. Wer in Jesu Klarheit umgestaltet werden möchte, darf sich nicht verunstalten durch Gleichförmigkeit mit der Welt. Die Worte Davids zeigen uns, dass wir auch unter denen, die sich zum Volke Gottes halten, einen Unterschied machen müssen; denn wie es unter denen, die draußen sind, eitle Leute gibt, ohne Kern und Halt, so gibt es in der Kirche Heuchler, und beide sind mit unverbrüchlicher Entschlossenheit zu meiden.

5. Ich hasse die Versammlung der Boshaften. Ein strenges Urteil und doch nicht zu streng. Wer das Böse nicht mit vollem Abscheu hasst, liebt auch das Gute nicht von Herzen. Die Menschen als solche müssen wir allezeit lieben, denn sie sind unsre Nächsten, die wir lieben sollen als uns selbst; aber als Boshafte sind sie Verräter an der himmlischen Majestät und kein getreuer Untertan kann einen Hochverräter lieben. Was Gott hasst, sollen auch wir hassen. Der Ausdruck "die Versammlung der Boshaften " zeigt uns die Bösewichter als miteinander im Bunde und in geheimer Ratsversammlung vereint, um die Unschuldigen ins Verderben zu stürzen. Solche Satans Synagogen sollen uns ein Gräuel sein. Welch’ trauriger Gedanke ist es doch, dass es ebenso wohl eine Versammlung der Bösewichter gibt, als eine Versammlung der Heiligen, eine Kirche Satans sowohl als eine Kirche Gottes, einen Schlangensamen sowohl als einen Weibessamen, ein altes Babel sowohl als ein neues Jerusalem, eine große Hure, die auf den vielen Wassern sitzt (Off. 17,1) und für das göttliche Zorngericht reif wird, sowohl als eine keusche Braut des Lammes, deren beim Kommen des Herrn die Krone wartet. Und sitze nicht bei den Gottlosen. Geheiligte Seelen haben einen Sitz an einer anderen Tafel und vertauschen nimmermehr die königliche Speise gegen die Treber aus dem Schweinetrog. Besser ist’s, mit den Krüppeln und Lahmen und Blinden am Tisch der Gnade zu sitzen, als mit den Gottlosen an ihren wüsten Gelagen teilzunehmen. Ja besser ist’s, mit Hiob im Staub und in der Asche zu sitzen als auf Pharaos Thron. Möge jeder, der diese Worte Davids liest, wohl zusehen, mit wem er Umgang pflegt; denn die Gesellschaft, zu der er sich in dieser Welt hält, wird ihn wahrscheinlich auch in jener Welt umgeben.


6. Ich wasche meine Hände in Unschuld,
und halte mich, Herr, zu deinem Altar,
7. da man hört die Stimme des Dankens,
und da man predigt alle deine Wunder.
8. Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses
und den Ort, da deine Ehre wohnt.


6. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Das Waschen der Hände war eine sinnbildliche Handlung, mit der man bezeugte, dass man von einem geschehenen Frevel frei sei. (5. Mose 21,6 ff.) Nicht allgemeine Sündlosigkeit ist es, was David mit diesen Worten für sich in Anspruch nimmt, sondern er bezeugt nur, dass er von den Verbrechen rein sei, deren man ihn verleumderisch beschuldigte. Die zweite Vershälfte: und halte mich zu deinem Altar, wörtl.: und umgebe oder möchte umgeben (umschreiten) deinen Altar2, legt uns nahe, anzunehmen, dass David auch an die heilige Waschung dachte, der sich die Priester jedes Mal unterziehen mussten, ehe sie dem Altar nahten. Priester Gottes müssen sorgfältig darauf bedacht sein, in der Heiligung zu stehen. Das eherne Waschbecken war ein so unentbehrliches Gerät der Stiftshütte wie der Brandopferaltar. Zu Gottes Dienst braucht es heilige Leute. Gott sei Dank, dass es einen Born des Heils gibt, der unsre Herzen rein macht von aller Sünde. Diese Reinigung des Innern muss sich aber auch im Handel und Wandel offenbaren. Wer gegen seine Mitmenschen ungerecht ist, kann nicht in Gott wohlgefälliger Weise zum Altar nahen, um seine Gebete und Opfer dem Heiligen zu weihen. Wer mit sündenbefleckten Händen Dankopfer darbringt, ist dem Herrn ein Gräuel. Gerechtigkeit und Reinheit lieben ist Gott viel wohlgefälliger als das Fett von tausend Widdern. Wir ersehen aus diesem Vers, dass geheiligten Seelen der Dienst des Herrn eine Lust ist und sie an seinem Altar die höchste Erquickung finden, und ferner, dass es ihr heiliger Ernst ist, sich nie in irgendetwas einzulassen, was sie untüchtig machen würde, mit dem heiligen Gott traute Gemeinschaft zu pflegen. Unser Blick soll auf den Altar gerichtet sein, der beides, den Geber und die Gabe, heiligt; aber nie dürfen wir uns aus dem Sühnopfer eine Entschuldigung der Sünde machen, sondern sollen durch jenes uns vielmehr den göttlichen Beruf vorhalten lassen, heilig zu sein, wie Jahwe heilig ist.

7. Um hören zu lassen die Stimme des Dankes. (Grundtext)3 David war so erleuchtet, dass er bei den äußeren, vorbildlichen Opfern nicht stehen blieb, die er hier nicht einmal erwähnt, sondern zu den geistlichen Opfern durchdrang, worauf jene zielten. Nicht das Brüllen und Stöhnen von jungen Stieren, sondern das Lobgesänge der begnadigten Seele ist die Gabe, die von denen, welche Gott im Geist anbeten, dem Herrn dargebracht wird. Den Lobpreis des Gnädigen und Barmherzigen hören zu lassen, das sollte der tägliche Gottesdienst aller derer sein, die in der Versöhnung stehen. Mögen die Menschen uns schmähen, wie sie wollen, so wollen wir dem Herrn nicht die Ehre vorenthalten, die ihm gebührt. Lasst die Hunde bellen - wir wollen, gleich dem Mond, trotz ihres Bellens unser Licht leuchten lassen. Und zu erzählen alle deine Wunder. Gottes Kinder sollten kein Schloss vor dem Mund haben, wo es gilt, den Herrn zu preisen. Die Wunder der göttlichen Gnade mögen wohl die Stummen zum Jubilieren bringen. Gottes Liebestaten werden uns in der Tat zu lauter Wundern, wenn wir erwägen, wie unwürdig die sind, an denen sie geschehen, wie viel ferner Gott sie sich hat kosten lassen und welch erstaunliche Wirkungen sie zu Stande bringen. Und wie die Menschen großes Vergnügen daran finden, von merkwürdigen und erstaunlichen Dingen zu erzählen, so ist es den Gläubigen eine Lust, von den Wundern zu reden, die der Herr für sie und an ihnen getan hat.

8. Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses. Stätten der Sünde mied David, aber das Haus Gottes liebte er. Wir wären traurige Kinder, wenn wir unseres Vaters Haus nicht liebten. Obwohl wir auf dem Standpunkt des neuen Bundes keine besonderen geweihten Orte mehr anerkennen, so ist doch die Gemeinde des lebendigen Gottes das Haus Gottes, und wahre Christen haben ihre Herzenslust an den heiligen Ordnungen, den Gottesdiensten und Versammlungen dieser Gemeinde des Herrn. O dass alle unsere Tage Sabbat-Tage wären! Und den Ort, wo deine Ehre oder Herrlichkeit wohnt. In der Stiftshütte offenbarte sich die Herrlichkeit des Herrn - freilich noch verhüllt durch die Wolke. Später weissagte Haggai (Hag. 2,7.9), dass eine noch weit größere Herrlichkeit das Haus des Herrn füllen sollte. Die Zeit ist gekommen; nicht mehr ein steinernes Haus, aber die Gemeinde des Herrn ist der Ort, da Gottes Herrlichkeit in ungeahnter Fülle und Klarheit wohnt. Da offenbart er sich in der Herrlichkeit seiner Gnade und da wird er von den Seinen geehrt und als der Herr über alles verkündigt und gepriesen. Wir kommen nicht zusammen, um den Prediger zu ehren, sondern um Gott die Ehre zu geben, die ihm gebührt. Und das ist eine selige Pflicht für die Heiligen des Höchsten. Was sind Zusammenkünfte, in denen Gott nicht geehrt wird? Sind sie nicht seinen reinen, heiligen Augen ein Ärgernis und Gottes Kindern ein Stein des Anstoßens? Es bringt uns die Schamröte ins Angesicht, wenn wir Predigten hören müssen, in denen Gottes Verherrlichung so wenig das Ziel ist, dass man fast denken könnte, der Prediger sei ein Priester des Gottes, Mensch genannt, und sei mehr erfüllt von dem Gedanken an die Würde des Menschen als an die Majestät des Höchsten.


9. Raffe meine Seele nicht hin mit den Sündern,
noch mein Leben mit den Blutdürstigen
10. welche mit böser Tücke umgehen,
und nehmen gerne Geschenke.


9. Raffe meine Seele nicht hin mit den Sündern. Wenn ich, Herr, gleich der Frucht im Herbst, eingesammelt 4 werden muss, so wirf mich nicht in einen Korb zusammen mit den besten der Sünder, geschweige denn mit den schlechtesten unter ihnen. Die Gemeinschaft mit den Sündern ist uns schon hier unten so verhasst, dass wir den Gedanken nicht ertragen können, mit ihnen in ein Bündel zusammengebunden zu sein für alle Ewigkeit. Unser Trost ist, dass der Herr der Ernte das Unkraut von dem Weizen unterscheiden kann und für so grundverschiedene Leute, wie es die Sünder und die Heiligen sind, einen verschiedenen Ort finden wird. In den früheren Versen sahen wir, wie der Psalmist sich von den Ruchlosen fernhielt, und das gab ihm ein Anrecht, zu erwarten, dass Gott ihn auch zuletzt nicht mit ihnen zusammenwerfen werde. Lasst uns bedenken, welches Geschick der Gottlosen wartet, so wird sich die Bitte dieses Verses mit Macht auf unsere Lippen drängen. Doch angesichts des göttlichen Rechtgrundsatzes, dass gleiches zu gleichem gesammelt wird, haben wir, die wir aus dem Tode in das Leben gekommen sind (1. Joh. 3,14), nichts zu fürchten. Noch mein Leben mit den Blutdürstigen oder mit Blutmenschen. Unser Herz wird krank, wenn wir nur ihre Reden hören müssen; die grausamen Anschläge dieser Leute, die das Niederschießen ihrer Mitmenschen als noblen Sport betreiben, sind uns ein Gräuel. Herr, lass uns nicht in ein Gefängnis mit ihnen verschlossen werden! Das Paradies selbst wäre eine Hölle, wenn wir es mit Blutmenschen teilen müssten; so lange wenigstens, als sie bleiben, was sie jetzt sind.

10. In deren Händen Frevel, eigentlich: schlimmes Vorhaben, ist. (Grundtext) Sie haben beide Hände voll davon; ihr ganzes Tagewerk ist, Schandtaten zu ersinnen und auszuführen. Und deren Rechte, mit der sie am geschicktesten sind, voll ist von Bestechung. (Grundtext) Gleich Dieben, die ungestraft stehlen wollen, tragen sie stets einen guten Brocken bei sich, um die Hunde der rächenden Gerechtigkeit zum Schweigen zu bringen. Wer Bestechungsgeschenke gibt ist in jeder Beziehung so schuldig, wie wer sie nimmt, und bei unseren öffentlichen Wahlen ist der reiche Schurke, der sich die Stimmen kauft, weitaus der schlechtere Teil. Bestechung sollte dem Christen in jeder Form so ekelhaft sein, wie Aas einer Taube oder Schmutz einem Lamm. Mögen solche, deren unsaubere Hände gern Geschenke nehmen oder geben, dessen eingedenk sein, dass weder Tod noch Teufel sich dazu bestechen lassen werden, sie ihrem wohlverdienten Geschick entrinnen zu lassen.


11. Ich aber wandle unschuldig.
Erlöse mich, und sei mir gnädig!

Ich aber wandle in meiner Unschuld. (Wörtl.) Mit diesen Worten bringt der Psalmsänger seine persönliche Stellung zum unrechten Gewinn und dem ganzen Tun und Treiben der Gottlosen zum Ausdruck und legt damit wohl auch ein Gelübde für die Zukunft ab. Wir können (mit Kautzsch u. a.) übersetzen: Ich aber will wandeln usw. Er ist ein echter Protestant - sein Leben ist und soll sein ein Protest gegen alles Ungöttliche. Gleich den lebendigen Fischen schwimmt er gegen den Strom. Ich aber, sagt er und zeigt damit, dass er bereit ist, wenn es sein muss, ganz einsam den schmalen Pfad zu wandeln. Er traut auf seinen Gott; darum ist er entschlossen, den geraden Weg der Unschuld und Herzenseinfalt zu gehen, mag, wer will, die krummen Wege der Gewalttat und des Truges wählen. Doch ist er fern von prahlerischem Wesen und selbstgerechtem Vertrauen auf die eigne Kraft: Ruft er doch im selben Atemzuge die göttliche Gnade an: Erlöse mich, und sei mir gnädig! Trotz des Bewusstseins seiner Unschuld betreffs der wider ihn geschleuderten Verleumdungen weiß er, dass er die Erlösung aus seiner gegenwärtigen Not, wie die Bewahrung vor der Gesinnung und dem Schicksal der Gottlosen nur von der Gnade des Herrn erwarten kann. Unsere Herzenslauterkeit ist weder vollkommen noch unwandelbar, sie ist ein Werk der Gnade in uns und wird durch unsere menschliche Sündhaftigkeit getrübt. Wir müssen darum, wenn wir uns etwa in ähnlicher Lage wie David befinden, zu der erlösenden Gnade unsere Zuflucht nehmen, mit dem Bekenntnis, dass wir, mögen wir unter den Menschen auch Heilige sein, vor Gott uns doch als Sünder beugen.


12. Mein Fuß geht richtig.
Ich will dich loben, Herr, in den Versammlungen.

Das Lied begann mit dem Flehen um das richterliche Eingreifen Gottes zur Rettung seines bedrängten Knechts; es endet mit Lobpreis. Wie oft hat David sich ein fröhliches Herz gesungen! So sieht er jetzt - im Glauben - sich schon errettet aus den unwegsamen Schluchten, worin er bisher eingeengt war; mein Fuß steht auf dem Ebenen (wörtl.), sagt er, wo er sicher wandeln kann, ohne Hemmnis oder Gefahr. Nun wendet sich sein Herz und Sinn nur einem zu: dem Lobpreis Gottes inmitten der feiernden Gemeine. Auch uns hat der Herr aus tiefen, gefährlichen Schluchten errettet und uns auf ebene Bahn gestellt. Sollte unser Herz den Dank vergessen? Sollte es ein begnadigtes Gotteskind geben, das es nicht zieht, im vielstimmigen Chor der Gemeinde des Herrn den Gott unseres Heils zu preisen? Darum lasst uns nicht verlassen unsere Versammlungen und, wenn wir zusammenkommen, nicht träge sein, dem Herrn unseren Dank zu weihen. Jedes Gotteskind ist ein Zeuge der göttlichen Gnade und Treue und sollte mit seinem Zeugnis nicht zurückhalten. Mögen die Lästerer draußen ihr nächtliches Geheul anstimmen - das soll die Kinder drinnen im Singen nicht stören.


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Dieser Psalm steht in Gedanken und Worten in naher Beziehung zu dem vorhergehenden. Ziehen wir diesen nicht zur Ergänzung herbei, so könnte unser Psalm als Sprache des Hochmuts und Eigendünkels erscheinen; doch wenn wir das reumütige Sündenbekenntnis und das ernstliche Flehen um Vergebung und Gnade, das der vorige Psalm enthält, beim Lesen unseres Psalms im Gedächtnis festhalten, so wird es uns nicht anders möglich sein, als die Versicherungen Davids von seiner Unschuld so aufzufassen, dass er damit nicht sein Verdienst, sondern Gottes Gnade rühmen will. Wie Augustinus († 430) fein bemerkt: Non merita mea, sed misericordia tua ante oculos meos est, d. h.: David sagt (V. 3) nicht: mein Verdienst, sondern: deine Gnade ist vor meinen Augen. Christopher Wordsworth 1868.


V. 1. Wer eine gute Sache vertritt und ein gutes Gewissen hat, dem ein guter Wandel entspricht, der hat gute Gründe, sich auf Gott zu berufen. Ingram Cobbin 1846.
  Nichts ist dem Aufrichtigen lieber zu wissen, als dass Gott ihn durch und durch kennt. Es ist ihm ein Geringes, ob die Menschen ihn verdammen; so ist es ihm auch nichts Großes, wenn sie ihn loben. Denn nicht der ist bewährt, der sich selbst lobt, oder den andere loben, sondern den der Herr lobt (2. Kor. 10,18). Die Zeugnisse und Empfehlungsbriefe aller Menschen in der ganzen Welt werden uns nichts helfen, es sei denn, dass der Herr selbst uns anerkennt. Joseph Caryl † 1673.
  Als ein Beispiel der Berufung auf Gott erwähnen wir folgende Worte des gewaltigen Predigers George Whitefield († 1770): Mögen manche mich für einen Marktschreier und Schwärmer halten und sagen, ich machte euch nur methodisch5 verrückt; mögen sie ihre Schmähungen gegen mich schleudern: Christus weiß alles, er nimmt auch das zur Kenntnis, und ich überlasse es ihm, meine Sache zu führen, denn er ist ein guter Meister. Als solchen habe ich ihn erfunden, und ich bin gewiss, dass er sich auch ferner treu erweisen wird. Die Rache ist sein, er wird Vergeltung üben (Röm. 12,19).
  Ich wandle in meiner Unschuld. (Wörtl.) Zu beachten ist erstens, dass auf dem "Ich" der Ton liegt. David stellt sich schon hier, wie später in V. 11, in Gegensatz zu den Sündern und Blutmenschen. Sodann beachte man die Kraft des Ausdrucks: meine Unschuld, d. i. die mir eigene, mir gewohnte. Der Psalmsänger deutet damit an, dass er ohne Wanken in Herzenseinfalt und Lauterkeit seinen Weg gegangen sei und sich durch all die Anschläge der Feinde darin nicht habe beirren lassen. W. Wilson 1860.
  Unschuld. Das hebräische Wort bezeichnet nach 1. Mose 20,5 f.; 1. Könige 22,34 gänzliche Freiheit von sündiger Absicht, Charakterreinheit, Lauterkeit, Einsalt (a)kaki/a, a(plo/thj); darauf, dass er arglosen Sinnes, ohne Feindschaft zu hegen und herauszufordern, dahingegangen und unwankelbar (ohne zu wanken, adverbieller Umstandssatz, vergl. 21,8) auf Jahwe vertraut, gründet er die Bitte um Erweisung seines gekränkten Rechtes: Schaffe mir Recht. Er erklärt sich nicht selbstgerecht für sittlich vollkommen, er beruft sich nur auf die ganz und gar Gott zugewandte Grundrichtung seines Innersten. Auch ist V. 2 nicht sowohl Aufforderung, dass sich Gott von seiner Unschuld überzeuge, als vielmehr Bitte, seinen Gemütszustand zu prüfen und, wenn es nicht so sei, wie es ihm bewusst ist, dies ihm klar zu machen. (Ps. 139,23 f.) Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Ich habe auf den Herrn vertraut. Das Vertrauen auf den Herrn ist der Quell der Unsträflichkeit. Wer auf den Herrn seine Hoffnung setzt, der darf nicht durch Verletzung seiner Pflichten sein Glück suchen; er erwartet alles von oben und ist zugleich stets darauf bedacht, dass er nicht der Gnade seines himmlischen Heilandes durch Verletzung seiner Gebote verlustig werde. Prof. E. W. Hengstenberg 1843.
  Darum werde ich nicht wanken. Das ist ein Wort starken Glaubens, womit der Psalmist eben so nachdrücklich betont, wie vollkommen Gott die Seinen bewahrt und wie sicher sie durch die aufrecht erhaltende Kraft seiner Gnade wandeln, als er vorher die Lauterkeit seines Wandels und sein Gottvertrauen bezeugt hatte. David sagt nicht nur: Ich werde nicht fallen, sondern.: Ich werde nicht wanken (Luther 1524: nicht gleiten). Barton Bouchier 1855.


V. 2. Läutere (wörtl.: schmelze) meine Nieren und mein Herz. Wie das Gold im Feuer von den Schlacken geschieden wird, so wird die Herzenseinfalt und echte christliche Charakterreinheit am herrlichsten offenbar in Trübsal und Anfechtung. In Wohlstand und Glück kann jeder fromm scheinen; aber Trübsale bringen an den Tag, was im Herzen ist, es sei Gutes oder Böses. Robert Cawdray 1609.
  Prüfe mich usw. Gott erforscht unser Inneres auch durch das Wort, und zwar so, dass dieses sich am Gewissen bezeugt. Er hat eine Leuchte in unser Inneres gegeben, und wenn diese vom Worte Gottes erleuchtet wird, macht sie unser ganzes Inneres licht. Wer redlich ist, wünscht sich ein zartes, lebendiges Gewissen, das ihn aus Gottes Wort an seine Pflichten mahne und vor jeglicher Sünde warne. Wir sehen die schnelle Wirksamkeit des Gewissens bei David, von dem es nach der Volkszählung heißt: Das Herz schlug David. (2. Samuel 24,10.) 1. Joh. 3,20 steht (nach anderer Fassung als bei Luther) das ernste Wort: Wenn unser Herz uns verdammt, so ist Gott größer als unser Herz und erkennt alle Dinge. Musst du mit deiner schwachen Erkenntnis schon dies und das als Sünde verurteilen, wie viel mehr verurteilt Gott es! So prüfe denn deine Lauterkeit. Willst du wirklich ein zartes und erleuchtetes Gewissen haben? Ist es dir wirklich lieb, zu hören, was dies Gewissen dir nach Gottes Wort sagt, sei es, dass es dir Beifall gebe oder dich mahne? Dann magst du getrost sein. Sträubst du dich aber gegen dieses Licht, möchtest du am liebsten dem Stachel des Gewissens die Spitze abbrechen, wärest du froh, kein solch lebendiges, wirksames Ding in deiner Brust zu haben, dann hast du allen Grund, dir zu misstrauen. Ach, es ist zu fürchten, dass deren nicht wenige sind, die sich den Lüsten und fleischlichen Vergnügungen hingeben, um so ihr Gewissen in Nebel zu hüllen. Andere graben sich ins Irdische ein, um sich so vor diesem Lichte zu verbergen. Wieder andere erweitern ihr Gewissen, indem sie zu Irrlehren ihre Zuflucht nehmen, welche dem Wort der Wahrheit seine zweischneidige Schärfe nehmen. Sie behaupten, dass jedermann selig werde, oder leugnen wohl gar die Schrift, Gott, Himmel und Hölle. Bei wie vielen sind solche und ähnliche Lehren nur die Zuflucht eines schuldbeladenen Gewissens! Wir müssen unterscheiden zwischen dem, wonach unser Fleisch gelüstet oder was eine irregeleitete Einbildung uns zuflüstert, und dem Gewissen; sowie zwischen einem verwirrten und verdunkelten und einem richtig unterwiesenen und erleuchteten Gewissen. Wir müssen unserem Gewissen folgen, soweit als dieses dem Worte Gottes folgt. Anthony Burgeß 1656.


V. 3. Hier sehen wir, dass die Güte oder Gnade Gottes kein Ruhekissen für die fleischliche Trägheit ist, sondern zu heiligem Eifer in gottseligem Wandel reizt. Die Verheißungen des Herrn feuern die Seele zu treuer Pflichterfüllung an und zugleich ermutigt uns die Beobachtung der göttlichen Güte gegen uns zur willigen Unterwerfung unter seine Führung. Timothy Cruso † 1697.


V. 3-4. Gottes Güte vor den Augen entleidet einem die eiteln Leute, die einem anderen nacheilen und verlassen ihre Gnade, die mit ihrer Lust und ihrer Furcht immer herum und hinum getrieben werden ohne einigen Halt an Gottes Güte. Die Wahrheit Gottes und das Wandeln in derselben scheidet einen von den Falschen, in deren Worten und Werken so viel Unzuverlässiges ist. Aber es muss einer nicht mit der ersten Scheidung davon zufrieden sein, sondern mit einem völligen Hass dagegen gewaffnet werden und sich daher desto mehr auf öffentliches Bekenntnis und Anhangen an das Gute legen, sonst kann er wieder unvermerkt betrogen werden. Karl Heinrich Rieger † 1791.


V. 4. Wer einst mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen will (Mt. 8,11), darf nicht hier auf Erden bei den eiteln Leuten sitzen. Wohl mochte David etwa genötigt sein, mit schlechten Menschen zu verkehren, aber er erwählte sie nicht zu seinem Umgang. Er fand sich manchmal unter solchen, aber zu seinem Kummer, nicht zu seiner Freude; darum blieb er auch nicht unter ihnen und mied sie ängstlich. Sie waren ihm ein Dorn im Auge. Er war darin einer Gesinnung mit dem Dichter des 120. Psalms, der da klagt: Wehe mir, dass ich ein Fremdling bin unter Mesech, dass ich wohne unter den Hütten Kedars. Es wird meiner Seele lang, zu wohnen bei denen, die den Frieden hassen. George Swinnock † 1673.
  Ein gewisser Verkehr mit den Weltmenschen ist ja nötig, beim Kaufen und Verkaufen und andern Dingen, sonst müssten wir, wie der Apostel (1. Kor. 5,10) sagt, die Welt räumen; aber ein Christ soll nicht die Gesellschaft der Bösen wählen, sonderlich nicht derer, welche ihren gottlosen Wandel mit einem frommen Bekenntnis verbinden wollen. Ich habe euch geschrieben, sagt Paulus an eben jener Stelle, ihr sollt nichts mit ihnen zu schaffen haben. Darum lasst uns keinerlei vertraute Gemeinschaft mit den Bösen haben. Was tun Christi Tauben unter den Raubvögeln, was Jungfrauen unter Buhlerinnen? Die Gesellschaft der Bösen ist überaus ansteckend; sie suchen, hieße unter Pestkranke gehen. "Sie mengten sich unter die Heiden - und lernten derselben Werke." (Ps. 106,35) Tust du blanke Waffen unter rostige, so werden die blanken den verrosteten keinen Glanz verleihen, wohl aber diese jene verderben. Lot bekehrte die Sodomiter nicht, wohl aber merken wir an seiner Trunkenheit und Schande den bösen Einfluss Sodoms. Thomas Watson 1660.
  Mit den Falschen, wörtl.: Verhüllten, Versteckten. Die Gottlosigkeit scheut das Licht und liebt es, sich zu verhüllen und zu verstecken, während Wahrhaftigkeit und Redlichkeit gern ans Licht kommen und sich nicht vor der Untersuchung scheuen. Vergl. Hiob 24,13-17; Joh. 3,20 f. Niemand kann leugnen, dass die Aufrichtigen sich durch ihr Verhalten schon in dieser Zeit vor viel Not und Schande bewahren, denen verkehrte und trügerische Leute anheim fallen. Die Gerechten meiden die Gottlosen sowohl wegen ihrer Sünde als auch wegen des Herzeleids und Jammers, die diese sich bereiten. William Swan Plumer 1867.
  Der Heuchler ist außen ein Engel, innen ein Teufel. Seine Worte sind brennend heiß, seine Werke leichenkalt. Er verspricht lauter Gold, aber er gibt kaum einen Pfennig. Er ist ein stinkender Misthaufe, mit glänzend weißem Schnee bedeckt; eine leer gehende Mühle, die viel Lärm macht, aber kein Mehl mahlt; eine trügerische Henne, die gackert, ohne dass sie Eier legt. Thomas Adams 1614.
  Im Sonnenschein des wonnigen Lenzes, der die ganze Natur in sein liebliches grünes Gewand hüllt, seid ihr vielleicht ausgegangen, ein Sträußchen bescheidener Veilchen zu pflücken, um euch an ihrem köstlichen Duft zu laben. Da fällt euer Blick auf Blumen, die den Veilchen in Gestalt und Farbe so ähnlich sind, dass ihr euch täuschen lasst und eifrig nach dem vermeinten guten Fund greifet. Aber - kein süßer Wohlgeruch erfüllt die Luft, das gemeine Hundsveilchen hat euch betrogen. Das ist ein treffendes Bild jener, die den Schein eines gottseligen Wesens haben, aber seine Kraft verleugnen. Und solche meide! (2. Tim. 3,5.) Frau Rogers 1856.


V. 4-5. Wie faule Äpfel die gesunden anstecken, die unter ihnen liegen, so verderben die bösen Gewohnheiten und schlechten Eigenschaften der Gottlosen die, welche mit ihnen Gemeinschaft pflegen. Robert Cawdray 1609.
  Ich habe noch keinen gesehen, der das Wunder fertig gebracht hätte, dies beides zu vereinigen: Gottes Gebote halten und schlechten Umgang pflegen. Hast du deine Seele in der trauten Gemeinschaft mit deinem Gott erquickt und erwärmt, so hüte dich vor der kalten und verdorbenen Lust der Welt. Du würdest alsbald alle deine Wärme verlieren und dich schwer erkälten. Wenn das Gotteskind sich im Kämmerlein an der Liebe Gottes erquickt hat und sich später in die Gesellschaft solcher begibt, denen das göttliche Leben fremd ist, wie dämpft das den Geist Gottes! Ja, und ist es nicht wahr, dass Gottes Kinder in der Regel mehr Schaden leiden durch solche Weltmenschen, deren äußerer Wandel vor Menschenaugen ehrbar ist, als durch offenbar gottlose und ruchlose Leute? Lewis Stuckley † 1687.


V. 4.5.9. Wer sich in jener Welt nicht in der Gesellschaft der Sünder finden möchte, muss sich hüten, in dieser Welt mit ihnen Umgang zu pflegen. "Mitgefangen, mitgehangen", sagt das Sprichwort. "Herr", sagte eine Christin auf ihrem Sterbebett, als sie über ihre Seligkeit in Zweifel kam, "sende mich nicht zur Hölle mit den gottlosen Leuten, denn du weißt, dass ich all mein Leben lang nie ihre Gesellschaft geliebt habe." David bittet um Bewahrung vor dem Schicksal der Bösen auf denselben Grund hin und führt es als Beweis seiner Lauterkeit und Unschuld vor, dass er mit ihnen keine Gemeinschaft gehabt habe. "Herr, ich war den Gottlosen so wenig gewogen, dass ich auch nicht eine kleine Weile bei ihnen saß; und ich sollte auf ewig mit ihnen zusammenleben müssen? Du weißt, Herr, dass ich so fern davon war, die Gesellschaft von Übeltätern zu lieben, dass sie mir vielmehr ein Ekel war. Hasse ich nicht, Herr, die dich hassen? Ja, ich hasse sie mit vollendetem Hass. (Ps. 139,21 f.) Soll es denn deinen Freunden gehen wie deinen Feinden? Meine Freude ist es hienieden, unter deinen Kindern zu weilen; soll ich hernach von ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen sein?" Als der Irrlehrer Marcion im Jahre 155 in Rom mit Polykarp zusammentraf, wunderte er sich, dass dieser ihn keines Blickes würdigte. "Kennst du mich nicht mehr, Polykarp?" fragte er. "Ja," sagte Polykarp, "ich kenne dich, den Erstgebornen Satans". George Swinnock † 1673.
  Der Hass gegen Gottes Feinde als solche, der in so schneidigem Gegensatz steht zu der als Toleranz gepriesenen Gleichgültigkeit unserer Zeit, ist stets ein unterscheidendes Merkmal der Knechte Gottes gewesen. Siehe das Zeugnis über Pinehas: Das ward ihm gerechnet zur Gerechtigkeit für und für ewiglich (Ps. 106,31). Denke an Samuel und Agag, Elia und die Baalspriester. Und beachte, wie der Herr an dem Engel der Gemeinde zu Ephesus neben seiner Geduld auch das rühmt, dass er die Bösen nicht tragen könne (Off. 2,2). John Mason Neale 1860.
  
Der Person halben soll ich sie lieben, aber um der Lehre willen soll ich sie hassen. Und also muss ich sie hassen oder muss Gott hassen, der da gebeut und will, dass man seinem Worte allein soll anhangen. Da ist es denn ein seliger Hass und Feindschaft, so aus der Liebe heraus gehet; denn die Liebe gehet unter dem Glauben und der Glaube ist ein Meister in der Liebe. Da sagt denn ein Christ: Ich will Gott nicht verlassen um der Menschen willen. Denn was ich mit Gott nicht lieben kann, das soll ich hassen. Wenn sie nun etwas predigen, was wider Gott ist, so geht alle Liebe und Freundschaft unter: daselbst hasse ich dich und tue dir kein Gutes. Aber wo es meine Person, auch meine Güter oder Ehre und Leibe betrifft, da soll ich ihm nichts als Ehre und Dienst erzeigen; denn dieselben Güter Gottes sind von Gott geschenkt, dass man dem Nächsten damit helfe und sind nicht Gottes Wort, und die mag man in die Schanze schlagen und anhinsetzen. Aber Gottes Wort schlage nicht in die Schanze; denn dasselbige ist unsers Herrn Gottes. Da sprich: Ich will gerne verlassen, was ich habe von Gott, das mir um deinetwillen gegeben ist; aber was Gottes selbst ist und was unserm Herrn Gott zustehet, das will ich nicht verlieren noch fahren lassen. Und gebe ich dir meine zeitlichen Güter, so kann mir Gott wohl andere geben; aber Gott will ich für mich behalten. Martin Luther 1525.
  Freundschaft ist, nach einem Philosophenwort, eine Seele in zwei Körpern. Wie können solche je ein Herz und eine Seele sein, die so verschieden sind wie Himmel und Erde, so entgegengesetzt wie Feuer und Wasser? Wahre Liebe liebt den Nächsten um des Göttlichen willen, das in ihm ist, so dass, wer Gott nicht liebt, auch den Nächsten nicht wahrhaft lieben kann. Der einzig sichere Grund, auf dem wir Freundschaft aufbauen können, ist Gott, und das Gebäude, das dieses Grundes entbehrt, kann niemals standhalten. Ein gottloser Mensch mag seine Freundschaftsversicherungen Liebe nennen; aber von Heiden können wir uns sagen lassen, dass die Tugend allein die Hand ist, welche die Bande der Liebe knüpft, und dass alle andern Bündnisse im letzten Grunde nur Geheimbündnisse der Selbstsucht sind. George Swinnock † 1673.
  Wie wenige bedenken, wie sie gottlose Leute dadurch, dass sie mit ihnen vertrauten Umgang pflegen, verhärten, während, wenn sie sich von ihnen zurückzögen, dies ein Mittel sein könnte, sie zur Einkehr zu bringen. Wenn wir mit Weltleuten fröhlich und lustig sind, bestärken wir sie in dem Glauben, ihr Zustand sei nicht beklagenswert und sie befänden sich nicht in Gefahr; würden wir dagegen vor ihnen zurückweichen wie vor einer hängenden Mauer, solange sie Feinde des Herrn sind, so könnte sie dies aus ihrer unheilvollen Sicherheit und dem starken Selbstbetrug, worin sie befangen sind, aufrütteln. Lewis Stuckley † 1687.


V. 6. Ich wasche meine Hände in Unschuld. Es scheint klar, dass David damit auf die feierlichen Waschungen anspielt, die unter dem Gesetz in Übung waren. Indem er aber hinzufügt: in Unschuld, tadelt er den groben Aberglauben der Heuchler, die nur die äußerliche Reinigung durch Wasser suchten und die wahre Reinigung vernachlässigten, während es Gottes Absicht war, durch die Verordnung des äußeren Zeichens die Menschen an ihre innere Befleckung zu erinnern und sie so zur Buße zu bewegen. Jean Calvin † 1564.
  Als Gotthold des Morgens Wasser nahm, erinnerte er sich der Worte des königlichen Propheten: Ich wasche meine Hände mit Unschuld (Ps. 26,6), damit er anzeigt, wie geflissen er gewesen sei, einen unbefleckten Wandel zu führen und in steter Gottesfurcht einherzugehen, und sagte bei sich selbst: Mein Gott! - so oft ich künftig werde Wasser nehmen, mich früh morgens, vor oder nach Tisch zu waschen, so will ich mich des erinnern, dass ich müsse meine Hände von bösen Taten, meinen Mund von bösen Worten und mein Herz von sündigen Begierden und bösen Lüsten reinigen, auf dass ich möge heilige Hände zu dir aufheben (1. Tim. 2,8) und dich mit gottseligem Munde und unbeflecktem Herzen, so viel möglich ist, anbeten und preisen. Was hilft’s, wenn ich mich äußerlicher Reinlichkeit befleißige und mein Herz vor dir voller Gräuel ist? Wie kann mir der Bissen gedeihen, den ich mit unreinen Fäusten erworben, mit Frevel und Ungerechtigkeit zu nur gerissen und mit Sicherheit und Undankbarkeit meinem Munde geboten habe? Ach nein, mein Gott, mir nicht solche Bissen! Meine erste Sorge soll sein, dass ich meinen Wandel unbefleckt behalten möge, die nächste, wie ich, wenn ich aus Unvorsichtigkeit mich beschmutzt, mich wieder waschen, reinigen und mein böses Wesen von deinen Augen tun möge. Entsündige mich, mein Gott, dass ich rein werde; wasche mich, dass ich schneeweiß werde. (Ps. 51,9.) - Aus Gottholds zufälligen Andachten, von Christian Scriver 1761.


V. 8. Herr, ich habe lieb die Stätte deines Hauses. Ich hatte in meiner Gemeinde, erzählt ein gesegneter Diener am Wort, eine ehrwürdige betagte Frau, die seit vielen Jahren schon so taub war, dass sie auch den lautesten Ton nicht unterscheiden konnte, und die doch stets als eine der ersten in der Versammlung erschien. Als ich sie fragte, warum sie denn beständig in die Gottesdienste komme (da es ihr doch ganz unmöglich war, meine Stimme von der Kanzel zu vernehmen), antwortete sie: "Wiewohl ich Sie nicht hören kann, komme ich, weil ich Gottes Haus lieb habe und in Gottes Wegen erfunden werden möchte. Und der Herr gibt mir gar manchen lieblichen Gedanken über den Text, den man mir in der Bibel zeigt. Ein anderer Grund ist der, dass ich dort in der besten Gesellschaft bin, in der unmittelbareren Gegenwart Gottes und unter den Heiligen, den Herrlichen, an denen ich all mein Gefallen habe (Ps. 16,3). Es genügt mir nicht, im Kämmerlein Gott anzubeten; es ist meine Pflicht und mein Vorrecht, ihn regelmäßig im öffentlichen Gottesdienst zu ehren." Wie beschämend ist doch das für solche, die ihr Gehör haben, und doch stets zu spät oder gar nicht in den Gottesdiensten erscheinen! K. Arvine 1859.


V. 9. Raffe meine Seele nicht hin mit den Sündern usw. Sogar die Gottlosen selber haben einen Schrecken davor. Ein gottloser Bileam sagt: Meine Seele müsse sterben des Todes der Gerechten und mein Ende werde wie dieser Ende! (4. Mose 23,10) Wenn sie es auch zufrieden sind, mit den Sündern in diesem Leben zusammen zu sein, so zeigt doch ihr Gewissen, dass sie einen Schreien davor haben, im Tode ihr Los zu teilen. Sie möchten mit den Sündern leben, aber mit den Heiligen sterben; ein armseliger, unvernünftiger, sich selbst richtender Gedanke. Thomas Boston † 1732.


V. 10. Deren Rechte von Bestechung voll ist. Mag ein Richter noch so tiefe Gesetzeserkenntnis haben und noch so klar sehen, was die Gerechtigkeit fordert, so werden seine Augen, wenn er es duldet, dass man ihm den Staub der Bestechung ins Angesicht wirft, tränen und zwinkern und schließlich der Blindheit anheim fallen. Es ist doch ein jämmerliches Ding, wenn die Gerechtigkeit zum Mietgaul gemacht wird, den man ums Geld besteigen und mit goldenen Sporen zu dem erwünschten Ziele, zu Ungerechtigkeit und Rechtsverdrehung, hintreiben kann! Fern sei von uns solche Gottlosigkeit, dass das Ohr, das für die Klagen der Unterdrückten stets offen sein soll, sich verstopfen lassen sollte. Wehe uns, dass die Wahrheit sich jetzt eines goldenen Ohrlöffels bedienen muss, wenn sie sich Gehör verschaffen will! Thomas Adams 1614.


Homiletische Winke

V. 1. 1) Zwei unzertrennliche Gefährten: Glaube und Lauterkeit des Wandels. 2) Das Glück dessen, der sie besitzt: Er braucht weder Gottes Gericht, noch die Gefahren der Erdenwallfahrt zu fürchten. 3) Das alteinige Mittel, sie zu erlangen.
V. 1b. Im Glauben unsre Stärke.
V. 2. Gottes Prüfungen: mannigfaltig, ernst, eindringend, unfehlbar in ihren Ergebnissen. Wer darf sie begehren? Wer hat sie zu scheuen?
V. 3. Gottes Gnade die Lust unsrer Augen, seine Wahrheit die Richtschnur unserer Füße. Oder: Das beschauliche und das tätige Element des Christenlebens.
V. 3a. Es wäre gut, wenn auch wir die Güte des Herrn allezeit vor Augen hätten: 1) als Gegenstand des Nachsinnens: 2) als Quelle der Ermutigung; 3) als Antrieb zum Preise Gottes; und 4) als Vorbild zur Nachahmung. William Jay † 1853.
V. 4. Eitle Leute: Wer sind sie? Warum sind sie zu meiden? Was wird aus ihnen werden? - Falsche: Beschreibe dies zahlreiche Geschlecht. Zeige die Ziele, die sie verfolgen, das Unheil, das ihr schlimmer Einfluss unter den Gläubigen anrichtet, die Notwendigkeit, sie zu meiden, und ihr schreckliches Ende.
V. 5. Schlechte Gesellschaft. Zeige an Beispielen ihren verderblichen Einfluss; beantworte die Entschuldigungen, womit manche die Gemeinschaft mit den Bösen beschönigen; warne, und mache mit Nachdruck die Gründe zum Aufgeben solcher Verbindungen geltend.
V. 6. Wie unerlässlich die persönliche Heiligung zu einem Gott wohlgefälligen Gottesdienst sei.
V. 7. Dass ich hören lasse usw. Gottes Kinder haben eine gelöste Zunge. Von wem und was für Dingen reden sie am liebsten? Vom Herrn und seinen Wundern. Wie? Mit der Stimme des Lobgesangs.
V. 8. Das Haus Gottes. Warum lieben wir es? Was lieben wir daran? Wie zeigen wir diese Liebe? Und wie wird sie belohnt?
V. 9. Des Frommen Schrecken vor der Hölle der Sünder.
V. 11. Ich wandle unschuldig - sei mir gnädig. Auch der Beste bedarf der Gnade, oder: Der offenbare Wandel vor den Menschen und der verborgene Wandel vor Gott.
V. 12a. Mein Fuß geht richtig. Des Gläubigen Weg ein seliger Weg. 1) Es ist ein sicherer Weg; 2) man geht ihn getrost und freudig in Gottes Kraft; 3) sein Ziel ist herrlich.
V. 12b. Der Lobpreis des Herrn in der Gemeinde. Wer kann darin einstimmen? Die Antwort deckt sich mit derjenigen auf die Frage: Wen treibt es dazu?

Fußnoten

1. Viele fassen d(fm:)e)Æl als beschreibenden Umstandssatz = ohne (im Vertrauen) zu wanken. Dafür spricht der Zusammenhang.

2. Das umkreisen des Altars braucht nicht von eigentl. Prozession um den Altar verstanden zu werden, sondern kann auch in dem in Luthers Übers. angedeuteten, als Gegensatz zu dem Meiden der Gottlosen (V. 4-5) treffl. passenden Sinn gefasst werden: den Altar liebend umgeben (vergl. Jer. 31,22).

3. Luthers Übers. - "da man höret usw." - ist nicht richtig. Fraglich ist, ob das Verb absolut zu fassen ist: um anzustimmen mit dem Ruf des Dankes oder ob man besser, mit anderer Interpunktion, hdfOtI als Objekt dazu nimmt: um laut den Lobgesang ertönen zu lassen oder aber das Objekt des 2. Versgliedes: alle deine Wunder, vorausnimmt: um zu verkündigen mit lautem Lobgesang, um zu erzählen alle deine Wunder.

4. Das Zeitwort des Grundtextes heißt oft sammeln, daher die engl. Bibel hier übersetzt: Sammle nicht meine Seele mit den Sündern ein. Doch ist Luthers Übers. richtig und das mit ist zu erläutern: so wie sie hingerafft werden, nämlich in plötzlichem Verderben.

5. Anspielung auf den Namen Methodisten, mit dem man ursprünglich gewisse Ärzte alter Schule bezeichnete, den man aber dann spöttisch J. Wesley und seinen Anhänger gab, weil sie "nach der Bibel aufgestellten Methode leben wollen