Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 50 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Ein Psalm Asaphs. Dies ist der erste der zwölf Psalmen, welche Asaphs Namen an der Spitze tragen. Es kommen zwar in der Bibel noch andere Männer dieses Namens vor, doch kann kein Zweifel sein, dass hier der berühmte Sangmeister aus Davids Zeit gemeint ist. Da aber manche der so überschriebenen Psalmen einer viel zu späten Zeit angehören, als dass sie jenem Asaph zugeschrieben sein könnten, welchen David zum Leiter des Gesanges beim Zelt der Bundeslade auf Zion bestellt hatte (1. Chr. 16,5), ist der Name wohl bei manchen Psalmen als Bezeichnung des Geschlechtes Asaph zu erklären. Die Überschrift "Asaphs", sagt Delitzsch, schließt den Ahnherrn ein, während die Überschrift "der Kinder Korah" ihn ausschließt.1 Der vorliegende Psalm stammt wahrscheinlich von diesem Ahnherrn, der nach 2. Chr. 29,30 und Neh. 12,46 ein Seher und Psalmdichter war. Sein Geschlecht begegnet uns noch zu den Zeiten Josaphats und Hiskias und unter den aus der Verbannung Heimkehrenden. Man hat die Überschrift auch schon als Widmung an Asaph und die Asaphiten aufgefasst, so dass diese Psalmen ihnen zur Aufführung übergeben worden wären, wozu man 1. Chr. 16,7 vergleiche. Für uns ist es von geringer Bedeutung, ob Asaph die Worte oder die Töne zu dem vorliegenden Liede beigetragen habe, denn Dichter und Sänger sind nahe verwandt, und wenn der eine einen Psalm verfasst und der andere ihn in Musik setzt, so freuen sie sich miteinander vor dem HERRN.

Einteilung. Der HERR ruft die ganze Welt auf zugegen zu sein, da er sein Volk richten will, V. 1-6. Er zeigt, welcher Art der Gottesdienst sein müsse, wenn er ihm angenehm sein solle, V. 7-15, und klagt die gottlosen Heuchler der Übertretung der Gebote der zweiten Tafel an, V. 16-21. Mit einem ernsten Drohwort, V. 22, und einem freundlichen Winke, wie bei ihm Heil zu erlangen sei, V. 23, entlässt er die Gerichtsversammlung.


Auslegung

1. Gott, der HERR, der Mächtige, redet
und rufet der Welt vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang.
2. Aus Zion bricht an der schöne Glanz Gottes.
3. Unser Gott kommt und schweiget nicht.
Fressend Feuer gehet vor ihm her, und um ihn her ein groß Wetter.
4. Er rufet Himmel und Erde,
dass er sein Volk richte:
5. Versammelt mir meine Heiligen,
die den Bund mit mir gemacht haben beim Opfer.
6. Und die Himmel werden seine Gerechtigkeit verkündigen;
denn Gott ist Richter. Sela.


1. Gott, der HERR, der Mächtige: El, Elohim, Jehova, drei hehre Namen für den Gott Israels. Wie in königlichen Erlassen die Namen und Titel des Monarchen an erster Stelle stehen, so sind auch hier der Anrede an das Volk, welche den Inhalt des Psalms bildet, diese erhabenen Namen Gottes vorangestellt, um die Wichtigkeit des folgenden Gottesworts recht zu betonen. Die Namen bezeichnen Gott zuerst als den Allmächtigen (El), sodann als den allein Anbetungswürdigen (Elohim), und endlich als das eine vollkommene und absolute Wesen (Jahve). Dieser allein wahre Gott redet und rufet der Welt vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang. Wie sich die Herrschaft Jehovas über die ganze Erde erstreckt, so richtet sich auch dieser Aufruf an die gesamte Menschheit. Ost und West sollen den Gott hören, der seine Sonne über jeden Teil des Erdenrunds scheinen lässt. Sollte die Vorladung des höchsten Königs missachtet werden? Wollten wir es wagen, ihn durch geringschätzige Behandlung seines Aufrufs zum Zorn zu reizen?

2. Aus Zion, der Schönheit Vollendung (oder Krone) bricht an der Glanz Gottes. (Grundtext) Der HERR redet die Erde nicht nur an, sondern er tritt auch hervor, um sich dem versammelten Weltall in seiner herrlichen Pracht zu offenbaren. Gott wohnte von Alters her auf dem Berge Zion, mitten unter seinem Volke; hier aber wird gesagt, dass der Glanz seiner Herrlichkeit von da hervorbreche und weithin über alle Völker seine Strahlen sende. Im ersten Vers schon war von der Sonne die Rede; hier aber leuchtet eine noch viel hellere Sonne. Die Herrlichkeit Gottes erstrahlt am wunderbarsten unter seinen Auserwählten, ihre Offenbarung ist aber nicht auf sie beschränkt. Die Gemeinde ist nicht eine Diebslaterne, von deren Licht kein Strahl nach außen dringt, sondern ein heller Leuchter. Gott scheint nicht nur in Zion, sondern leuchtet aus Zion hervor. Dass Gott in Zion wohnt, macht dieses zur Vollendung oder Krone der Schönheit, und diese Schönheit ist von allen, die darauf achten wollen, zu erkennen, wenn der HERR aus der Gemeinde hervorleuchtet.
  Man beachte, wie der Ewige nun mit Posaunenstimme und flammender Standarte Himmel und Erde aufruft seinen Worten zu lauschen.

3. Unser Gott kommt (jetzt). So rufen der Psalmdichter und seine Brüder; erwartungsvoll stehen sie da und sehen der unmittelbar bevorstehenden Erscheinung des HERRN entgegen. Er kommt, sprechen sie, unser Bundesgott kommt. Es ist, als ob sie schon von fern seine Stimme vernähmen und den Glanz der himmlischen Heerscharen gewahrten. So sollten wir auf die längst verheißene Wiederkunft des Herrn Jesus vom Himmel warten. Und schweiget nicht. Er kommt, um mit seinem Volk zu reden und zu rechten und die Gottlosen anzuklagen und zu richten. Lange hat er in geduldigem Schweigen zugesehen; nun aber wird er bald mit seinem Worte voller Macht eingreifen. Welch ernster Augenblick, da der Allmächtige zu erscheinen im Begriff ist! Wie groß wird die ehrfurchtsvolle Freude, wie feierlich die erwartungsvolle Stimmung sein, wenn sich diese hochpoetische Darstellung unseres Psalms am jüngsten Tage in voller Wahrheit verwirklichen wird! Fressend Feuer gehet vor ihm her, und um ihn her ein groß Wetter (wörtl.: stürmt es gewaltig). Feuerflammen und Sturmwinde finden wir häufig als die Begleiter göttlicher Erscheinungen. Unser Gott ist ein verzehrendes Feuer. "Vom Glanz vor ihm trennten sich die Wolken mit Hagel und Blitzen. Er fuhr auf dem Cherub und flog daher; er schwebte auf den Fittichen des Windes." (Ps. 18,13.11) "Der Herr Jesus wird offenbart werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft und mit Feuerflammen, Rache zu geben über die, so Gott nicht erkennen." (2. Thess. 1,7 f.) Das Feuer ist Sinnbild der richtenden und das Urteil vollziehenden Gerechtigkeit, und der Sturmwind ein Zeichen der überwältigenden Macht Gottes. Wer sollte nicht, in feierliches Schweigen versunken, auf die Worte des Richters lauschen, der unter solch schreckenerregenden Anzeichen seinen Richterthron besteigt!

4. Er rufet dem Himmel droben und der Erde. (Grundtext) Die Engel und die Menschen, die oberen und die unteren Welten werden aufgerufen, Zeugen dieses feierlichen Ereignisses zu sein. Die ganze Schöpfung soll zugegen sein, um die Heiligkeit und Wahrhaftigkeit des göttlichen Richtens zu bezeugen. Die Erde unten und die Himmel droben werden in der Verurteilung der Sünde übereinstimmen, und die Gerechtigkeit des Urteils wird jede Berufung ausschließen, obwohl alle zugegen sein werden, auf die sich die Schuldigen etwa zu ihrer Entlastung berufen möchten. Beide, Engel und Menschen, waren Zeugen der menschlichen Schuld und der göttlichen Güte, darum werden sie die Gerechtigkeit des göttlichen Spruchs bestätigen und zu dem Urteil des höchsten Richters Amen sagen. Wehe dann euch Verächtern! Was wollt ihr beginnen, zu wem wollt ihr fliehen? Dass er sein Volk richte. Das Gericht fängt an am Hause Gottes. Schrecklich wird die gerichtliche Untersuchung sein, welche über die sichtbare Kirche ergehen wird. Er wird seine Tenne gründlich fegen. Er wird die große Scheidung vollziehen zwischen denen, die nur dem Namen nach, und denen, die in Wahrheit zu seinem Volk gehören, und dies in öffentlicher Gerichtsverhandlung, vor den Augen des versammelten Weltalls. Wenn nun dies alles geschieht, wie wird es dir ergehen, meine Seele? Kannst du den Tag seiner Zukunft ertragen?

5. Versammelt mir meine Frommen. (Grundtext) Geht hin, ihr schnellbeschwingten Boten, und sondert die Guten von den Schlechten. Scheidet das Unkraut aus und sammelt mir den Weizen in die himmlische Scheune. Vereinigt jetzt meine so lang zerstreuten Auserwählten, die durch mein an ihren Herzen geschehenes Gnadenwerk als mein heiliges Volk zu erkennen sind, an einen Ort. Nicht alle sind Heilige oder Fromme, welche es zu sein scheinen - es bedarf einer Sichtung; deshalb sollen sich alle, die dem Bekenntnis nach zu dem heiligen Volk gehören, vor meinem Richterthron zusammenfinden und mein Richterwort hören, das ihr ganzes Wesen und Leben durchforscht und ins Licht stellt, damit die unechten Heiligen überführt und die wahren offenbar werden. Die den Bund mit mir machen beim Opfer. Dies ist das Hauptmerkmal zur Unterscheidung. Und doch haben etliche gewagt es nachzuahmen. Ein Bündnis wurde geschlossen durch das Schlachten von Tieren, das Zerlegen und Verteilen der Opfer. Das haben die Gerechten getan, indem sie mit wahrem Glauben das große Sühnopfer annahmen, während die vorgeblichen Heiligen es nur in äußerlicher Form taten. Lasst sie sich vor dem Thron zu Verhör und Untersuchung versammeln: Wer irgend in Wahrheit den Bundesschluss durch Glauben an das verheißene Heil vollzogen hat, wird vor aller Welt als ein Gegenstand des göttlichen Erbarmens ausgezeichnet werden, während die Heuchler es werden erfahren müssen, dass alle äußerlichen Opfer rein wertlos sind. Welch feierliche Gerichtsverhandlung! Meine Seele wird bei dem Gedanken an diesen ernsten Tag von heiligen Schauern erfasst!

6. Und die Himmel werden2 seine Gerechtigkeit verkündigen. Die himmlischen Gerichtsbeisitzer, die Engelfürsten und die Geister der vollendeten Gerechten, werden das unanfechtbare Urteil des göttlichen Richtstuhls rühmen. Jetzt wundern sie sich ohne Zweifel über die Heuchelei, die unter den Menschen herrscht, wie über die Langmut Gottes; dann werden sie ebenso staunen über die sorgfältige und gründliche Scheidung, welche zwischen den falschen und den wahren Heiligen vollzogen werden wird. Denn Gott ist Richter. Dies erklärt genügend, warum das Urteil so zutreffend ist. Nur zu leicht ließen sich in alten Zeiten die Priester und später die christlichen Gemeinden täuschen; doch nicht also der allwissende Herzenskündiger. Nicht ein untergeordneter, stellvertretender Richter sitzt auf dem großen weißen Stuhl (Off. 20,11); der schwer gekränkte Allherr der Welt selbst ist es, der die Beweisgründe abwägt und Lohn oder Strafe zumisst. - Die Schilderung unseers Psalms ist hochdichterisch, ist zugleich aber eine inspirierte Weissagung von jenem Tag, der brennen wird wie ein Ofen, wenn der HERR scheiden wird zwischen denen, die ihn fürchten, und denen, die ihn nicht fürchten. Sela. Hier mögen wir wohl innehalten in ehrfurchtsvoller Beugung, in tiefem Selbstgericht, in demütigem Gebet und bebender Erwartung.


7. Höre, mein Volk, lass mich reden;
Israel, lass mich unter dir zeugen:Ich, Gott, bin dein Gott.
8. Deines Opfers halben strafe ich dich nicht;
sind doch deine Brandopfer immer vor mir.
9. Ich will nicht von deinem Hause Farren nehmen
noch Böcke aus deinen Ställen.
10. Denn alle Tiere im Walde sind mein,
und Vieh auf den Bergen, da sie bei tausend gehen.
11. Ich kenne alle Vögel auf den Bergen;
und allerlei Tier auf dem Felde ist vor mir.
12. Wo mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen;
denn der Erdboden ist mein und alles, was drinnen ist.
13. Meinst du, dass ich Ochsenfleisch essen wolle
oder Bocksblut trinken?
14. Opfere Gott Dank
und bezahle dem Höchsten deine Gelübde!
15. Und rufe mich an in der Not,
so will ich dich erretten, so sollst du mich preisen.

Dieser Teil bildet eine Anrede an diejenigen, welche dem Beruf und Bekenntnis nach zum Volke Gottes gehören. Wie leicht zu sehen ist, richtet sich die Ansprache zunächst an Israel; sie kann aber ebensowohl auf die sichtbare Kirche aller Zeitalter angewandt werden. Gott bezeugt darin, dass äußere gottesdienstliche Handlungen wertlos sind, wenn es an Geist und Glauben fehlt und man sich auf die Zeremonien verlässt.

7. Höre, mein Volk, lass mich reden. Weil Jehova spricht und diejenigen, zu denen er redet, nach ihrem eigenen Bekenntnis sein Volk sind, sind diese auch verpflichtet, mit allem Ernst aufzumerken. Ich will reden, sagt der Ewige; Himmel und Erde sind nur Zuhörer, der HERR selbst ist beides, Kläger und Richter zugleich. Israel, lass mich unter dir (oder: gegen dich) zeugen. Um die folgende Rede eindrucksvoller zu machen, werden die Angeredeten bei ihrem Bundesnamen genannt; es ist ja doppelt schlimm, dass Israel, das auserwählte Volk, so fleischlich, so ungeistlich, so falsch, so herzlos gegen seinen Gott werden konnte. Der HERR, dessen Augenlider nicht schlummern, der nicht durch bloße Gerüchte irregeführt werden kann, sondern mit eigenen Augen alles sieht, er selbst tritt bei der Gerichtsverhandlung als Zeuge auf, als Zeuge gegen das Volk, dem er so viel Gnade erwiesen hat! Wehe uns, wenn Gott selbst, der Gott unsrer Väter, gegen die Heuchelei in der sichtbaren Kirche Zeugnis ablegen muss. Ich, Gott, bin dein Gott. Er hatte sie sich erwählt zum Volk des Eigentums vor allen Nationen, und sie hatten in der feierlichsten Weise gelobt, dass er ihr Gott sein solle. Dieses Bundesverhältnis gab ihm Anlass und Recht, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Die ersten Worte des Gesetzes lauteten: "Ich Jehova, bin dein Gott, der ich dich aus Ägyptenland geführet habe." Die Eröffnung des Gerichtsverfahrens erfolgt nun mit dem gleichen Hinweis auf ihr einzigartiges Verhältnis zu Gott, auf ihr Vorrecht und ihre Verantwortlichkeit. Jehova ist nicht nur überhaupt Gott, sondern dein Gott, Israel, und diese besondere Gnade unterwirft dich auch in besonderer Weise dem durchforschenden Gericht des Herzenskündigers.

8. Nicht deiner Schlachtopfer halben strafe ich dich (Grundtext); sind doch deine Brandopfer immer vor mir. Nicht einem Mangel in der Ausübung des äußerlichen Gottesdienstes gilt seine Rüge, denn in diesem Stück hatten sie es an nichts fehlen lassen; aber selbst wenn sie sich darin etwas hätten zuschulden kommen lassen, so hätte Gott doch nicht die Absicht, sie jetzt darüber zur Rechenschaft zu fordern. Eine viel wichtigere Sache lag jetzt zur Untersuchung vor. Sie meinten, die täglichen Opfer und die unzähligen Brandopfer seien alles, was Gott erwarte; Gott aber beachtet diese gar nicht ohne das innerliche Opfer herzlicher Hingabe an ihn. Was sie für das Wichtigste hielten, war bei Gott Nebenfache. So ist’s noch heute: Auf die heiligen Sakramente und andere weihevolle Gebräuche legen unbekehrte "religiöse" Menschen das Hauptgewicht; beim Allerhöchsten aber ist der Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit, den diese Leute ganz außer acht lassen, die eine alles überwiegende Hauptsache, das Eine, was Not ist. Man halte das Äußerliche in Übereinstimmung mit dem göttlichen Befehl mit allen Mitteln aufrecht; - fehlt aber das Innere, das Geistliche darin, so ist es ein eitles Opfer, eine tote Zeremonie, ja ein Gräuel vor dem HERRN.

9. Ich will nicht von deinem Haufe Farren nehmen. Törichterweise gaben sie sich dem Wahne hin, der HERR habe an Farren mit Hörnern und Klauen Wohlgefallen, da er doch die Herzen begehrte. In ihrem geistlosen Sinn bildeten sie sich ein, Jehova bedürfe solches, und es werde ihm Befriedigung gewähren, wenn sie seinen Altar reichlich mit fetten Opfertieren versähen. Was nach Gottes Absicht zu ihrer Belehrung und Erziehung dienen sollte, darauf setzten sie ihr Vertrauen. Sie gedachten der schon durch Samuel bezeugten Wahrheit nicht, dass Gehorsam besser ist als Opfer und Aufmerken besser denn das Fett von Widdern (1. Samuel 15,22). Noch Böcke aus deinen Ställen. Er erwähnt auch diese geringeren Opfer, um die Israeliten dadurch gleichsam an ihrem gesunden Menschenverstand zu fassen. Sie müssen doch selbst einsehen, dass der große Schöpfer nicht in den tierischen Opfern an und für sich Befriedigung finden könne. Wenn er solcher bedürfte, so brauchte er sich ja nicht an ihre winzigen Ställe und Herden zu wenden. Ja er weigert sich hier geradezu, auch nur ein einziges Stück von ihnen anzunehmen, wenn sie es in dem verkehrten und für ihn entehrenden Gedanken darbringen, als ob er an den Tieren selber sein Ergötzen hätte. Dies zeigt, dass die gesetzlichen Opfer Sinnbilder höherer, geistlicher Dinge waren und dass sie Gott nur hinsichtlich dieser ihrer vorbildlichen Bedeutung wohlgefielen. Wer im Glauben Gottesdienst tat, war dem HERRN angenehm, weil sein Blick über das Äußerliche hinausging; die Ungeistlichen aber, welche auf die Bedeutung der Opfer nicht achteten, verschwendeten unnützerweise ihr Eigentum und lästerten mit ihren in heidnischem Sinn gebrachten Tieropfern nur das erhabene Wesen Gottes.

10. Denn mein (nachdrücklich vorangestellt) sind alle Tiere im Walde. Wie konnten sie sich einbilden, dass der Allerhöchste, des Himmel und Erde eigen sind, ihres Viehes bedürfe, er, dem all die zahllosen Mengen Wildes gehören, die in den Tausenden von Wäldern und Wildnissen hausen? Und das Vieh auf den Bergen, da sie bei tausend gehen. Nicht nur die wilden Tiere sind sein Eigentum, sondern auch die zahmen. Wenn Gott überhaupt zu Tieren Lust hätte, so könnte er sich wahrlich selbst versorgen. Recht betrachtet, gehörte ja auch ihr Vieh, das sie opferten, nicht ihnen zu eigen, sondern war immer noch des Schöpfers Besitztum; wie sollte er ihnen denn noch für dessen Darbringung zu Dank verpflichtet sein? Von Dan bis Beer-Seba, vom Gebirge Seir bis zum Libanon weidete kein einziges Tier, das nicht mit dem Namen des großen Hirten gezeichnet war; wie sollte dieser nach Israels Opfergaben Verlangen tragen? Wie unwert und verächtlich sind nach unserm Psalm in Gottes Augen sogar die von Gott selbst verordneten Opfer, wenn sie in verkehrter Weise so angesehen werden, als ob sie an sich Gott wohlgefallen könnten! Und wie bemerkenswert ist es, dass diese Wahrheit schon unter der Herrschaft des Gesetzes so klar bezeugt worden ist! Wieviel mehr sollte uns das im neuen Bunde klar sein, da es im Evangelium so viel deutlicher geoffenbart worden ist, dass Gott Geist ist und, die ihn anbeten, ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten müssen! Ihr Ritualisten, ihr Vergötterer der Sakramente und Zeremonien, ihr modernen Pharisäer, was sagt ihr hierzu?

11. Ich kenne jeden Vogel (wörtl.) auf den Bergen. Auch alle befiederten Geschöpfe sind vor meinen Augen und mir zur Hand. Was für einen Wert sollen nun für mich euer Paar Turteltauben oder eure zwei jungen Tauben haben? Der Herr des Weltalls nährt nicht nur all seine Geschöpfe, sondern ist auch mit jedem derselben wohl bekannt. Wie wunderbar ist dies alle Gebiete seiner Herrschaft umfassende Wissen Gottes! Und allerlei Tier auf dem Felde ist vor mir, wörtl.: Und (alles) was sich auf dem Gefilde regt, ist mir gegenwärtig, so dass ich es leicht zu finden wüsste; wie sollte ich denn eure Rinder und Böcke nötig haben? In mir leben und weben alle Dinge; ist es da nicht Wahnsinn von euch zu meinen, mich verlangte nach dem Leben eurer Opfertiere? Der Gott, der Geist ist, begehrt ein anderes Leben als das tierische; er sucht geistliche Opfer: die Liebe, das Vertrauen, das Lob, das Leben eurer Herzen!

12. Wo mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen. Sonderbare Vorstellung: ein hungriger Gott! Selbst wenn jedoch solch ein törichtes Phantasiegebilde wahr sein könnte, wenn also wirklich der HERR Hunger empfände und nach Fleisch verlangte, selbst dann würde er gewiss nicht die Menschen darum angehen. Er könnte sich aus seinen eigenen Besitzungen mit Vorräten versehen, brauchte sich also keineswegs mit Bitten an seine Geschöpfe zu wenden. So ist, selbst bei einer ganz ungeheuerlichen, grob-sinnlichen Vorstellung von Gott, der Glaube an die äußeren Zeremonien lächerlich. Bilden sich die Leute wirklich ein, dass der HERR Fahnen und Musik und Weihrauch und feines Linnen bedürfe? Und wenn dem so wäre, dann würde er noch uns nicht davon sagen; denn dann bildeten die Sterne das leuchtende Wappen in seinem Banner, Winde und Wellen wären sein Orchester, zehntausendmal zehntausend Blumen erfüllten seinen Tempel mit ihrem Duft, der Schnee wäre sein Chorhemd, der Regenbogen sein Gürtel, die lichten Wolken sein Mantel. O ihr Toren, ihr wisst nicht, was ihr anbetet! Denn der Erdboden ist mein und alles, was drinnen ist, wörtl.: und seine Fülle. Was kann ihm mangeln, dem das All zu eigen gehört, ihm, der schaffen kann, was er will? In solch überwältigender Weise überschüttet der HERR die, welche über den gottesdienstlichen Formen das Wesen vergessen, mit Beweisgründen.

13. Meinst du, dass ich Ochsenfleisch essen wolle oder Bocksblut trinken? Seid ihr so verblendet, das von mir zu wähnen? Ist der Erhabene, dessen Name ist "Ich bin", leiblichen Bedürfnissen unterworfen, und könnten diese auf solch grob-sinnliche Weise befriedigt werden? Heiden mögen wohl so von ihren Götzen denken; wie könnt aber ihr es wagen, von dem Gott, der Himmel und Erde gemacht hat, solche Gedanken zu hegen? Ist es möglich, dass mein Israel so tief gesunken ist, dies von mir, seinem Gott, zu glauben? Wie lebhaft werden hier die Wahnideen zergliedert und ihre ganze Torheit aufgedeckt! Wie schießen diese Worte gleich Flammenblitzen auf die geistlosen Angesichter der Toren, welche Gott mit totem Formenkram dienen zu können wähnen! Und ihr, die ihr von blinden Priestern zu ihrem unvernünftigen Gottesdienst angeleitet oder von schlauen Betrügern zum Besten gehalten werdet, könnt ihr diese Schriftstelle ohne tiefe Bewegung lesen? Voll Unwillens ist Gott in die Behandlung des Themas eingetreten, seine Fragen bringen die Gegner in völlige Verwirrung, und unausweichlich ist die Schlussfolgerung: Der wahrhaftige Gott kann nur an aufrichtigem Herzensdienst Gefallen finden. Es ist undenkbar, dass äußerliche Dinge ihn irgendwie erfreuen könnten, außer sofern dieselben unserm Glauben und unserer Liebe Ausdruck verleihen.

14. Opfere Gott Dank. Sieh also künftig deine Opfergaben nicht mehr so an, als ob sie an sich, um ihres materiellen Wertes willen, mein Wohlgefallen erregten, sondern bringe sie dar als freiwilligen Tribut deiner Dankbarkeit; dann erst will ich sie annehmen, nicht aber, solange eure Seelen mir keine Liebe und Dankbarkeit entgegenbringen. Die äußerlichen Opfer an sich werden abschätzig beurteilt, hingegen werden die inneren Gemütsbewegungen der Liebe, wie sie die Erinnerung an Gottes Güte immer neu wachruft, hochgehalten und anempfohlen als das Wesen, die Bedeutung und die Seele des Opfers. Wurde diese Wahrheit schon betont, als die gesetzlichen Zeremonien noch nicht abgeschafft waren, so wurde dieselbe deutlicher als je geoffenbart, als jene ihr Ende erreichten. Nicht weil sie es an Farren auf den Altären fehlen ließen, traf die Israeliten solcher Tadel, sondern weil es ihnen an dankbarer Anbetung des HERRN mangelte. Sie zeichneten sich wohl im äußerlichen Gottesdienst aus; aber die innere Empfindung und Erwiderung der Gnade, das Eine, was Not ist, fehlte bei ihnen gänzlich. Nur zu viele ziehen sich in unseren Tagen das gleiche Urteil zu. Und (so) bezahle dem Höchsten deine Gelübde. Bringe deine Opfer wirklich vor dem Gott, der ins Herz sieht, dar; gib ihm echte Beweise deiner Liebe, leiste ihm den schuldigen und versprochenen Dienst, halte ihm den Herzensgehorsam, den du gelobt hast. O dass uns Gnade gegeben werde dies zu tun! O dass wir durch seine Güte befähigt würden, Gott brünstig zu lieben und unserm Bekenntnis voll und ganz nachzuleben! In Wahrheit Knechte Gottes zu sein und Liebhaber Jesu Christi, das sei unser Hauptbestreben. Was soll unsere Taufe, was hat es für Zweck, wenn wir zum Mahl des Herrn zusammenkommen, wozu dienen all unsere feierlichen Versammlungen, wenn nicht die Furcht des HERRN und eine lebenskräftige Gottseligkeit wahrhaft in unseren Herzen regieren?

15. Und rufe mich an in (wörtl.: am Tage) der Not. O herrlicher Vers, o selige Erlaubnis! Dies also ist das rechte Opfer? Kann man das ein Opfer nennen, sich vom Himmel ein Almosen zu erbitten? Ja, so ist’s! Der König selbst sieht es so an. Gerade darin offenbart sich ja der Glaube, zeigt sich das Vertrauen, beweist sich die Liebe; denn in der Stunde der Gefahr nehmen wir Zuflucht zu denen, die wir lieben. Es mag manchem als etwas gar Unbedeutendes erscheinen, in der Not Gott anzurufen, und doch ist dies dem HERRN ein wohlgefälligerer Gottesdienst als das herzlose Darbringen von Farren und Böcken. Wir hören hier eine Botschaft vom Throne Gottes, und wie ist sie so voller Herablassung und Huld! Sturmwind, Erdbeben und Feuer ist um Jehova her, und doch, welch milde Tropfen gnädigen Regens fallen mitten aus dem Wetter! Wer wollte nicht gern solche Opfer bringen? Komm, du mühselige und beladene Seele, eile, dies Opfer auf den Altar zu legen! Wer wollte da noch sagen, die Heiligen des alten Bundes hätten das Evangelium seinem Kern und Wesen nach nicht gekannt? Fürwahr, der Geist des Evangeliums duftet wie köstlicher Weihrauch aus diesem ganzen heiligen Psalm hervor. So will ich dich erretten. An der Antwort, die auf dein Gebet erfolgt, soll man sehen, ob es ein rechtes Opfer gewesen. Ob der Geruch geopferter Farren mir angenehm sei oder nicht, sicherlich wird es dein demütiges Gebet sein, und meine huldvolle Erwiderung auf dein Flehen soll das beweisen. Die hier gegebene Verheißung ist sehr umfassend und sowohl auf zeitliche als auf ewige Errettungstaten zu beziehen; Sache des Glaubens ist es, sie je nach Umständen nach der einen oder andern Seite zu wenden. So sollst du mich preisen. Dein Gebet ehrt mich, und noch mehr die dankbare Empfindung, mit welcher dich meine gnädige Erhörung erfüllt. Kälber und Böcke mögen sich als unzulänglich erweisen, aber niemals das wahre Opfer. Die Farren aus dem Stalle mögen ein eitler Gottesdienst sein, nicht aber die Farren unserer Lippen (Hos. 14,3), in herzlichem Glauben dem HERRN dargebracht.
  So sehen wir, was gottgefällige Kirchengebräuche sind. Hier finden wir von Gottes Geist verfasste Vorschriften über die gottesdienstlichen Handlungen. Die Anbetung im Geist ist das eine Große und Wesentliche. Ohne sie ist alles andere eher eine Herausforderung Gottes als ein ihm wohlgefälliger Dienst. Als Hilfs- und Lehrmittel der Seele hatten die äußerlichen Opfer ihren Wert; als aber die Menschen am Äußeren hangen blieben, wurden diese heiligen Ordnungen selbst entweiht in Gottes Augen.


16. Aber zum Gottlosen spricht Gott:
Was verkündigest du meine Rechte und nimmst meinen Bund in deinen Mund,
17. so du doch Zucht hassest
und wirfest meine Worte hinter dich?
18. Wenn du einen Dieb siehest, so läufest du mit ihm
und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern.
19. Deinen Mund lässest du Böses reden
und deine Zunge treibet Falschheit.
20. Du sitzest und redest wider deinen Bruder;
deiner Mutter Sohn verleumdest du.
21. Das tust du, und ich schweige:
da meinest du, ich werde sein gleich wie du. Aber ich will dich strafen und will dir’s unter Augen stellen.

Nun wendet sich der HERR an diejenigen unter seinem Volk, welche offenkundig gottlos sind. Solche Leute gab es sogar unter den Würdenträgern des Heiligtums. Traf schon sittlich ehrbare Formendiener scharfer Tadel, wieviel mehr diese sittenlosen Leute, welche trotz all ihrer Lasterhaftigkeit mit dem Himmel in Gemeinschaft zu stehen behaupten. Wenn der Gottesdienst der Anständigeren und Tugendhafteren wegen des Mangels an Innerlichkeit seinen Zweck nicht erreichen konnte, wieviel mehr müssen die vorsätzlich verübten Gesetzesübertretungen der Gottlosen deren Opfer völlig wirkungslos machen!

16. Aber zum Gottlosen spricht Gott. An die Übertreter der Gebote der zweiten Tafel wendet er sich jetzt, nachdem er zuerst zu denen gesprochen hat, welche die der ersten Tafel vernachlässigen. Was verkündigest du meine Rechte, oder: Was hast du meine Anordnungen herzuzählen? Ihr verletzt offenkundig mein Sittengesetz und eifert trotzdem gewaltig für meine zeremoniellen Gebote! Was habt ihr damit zu schaffen? Was für ein Interesse könnten sie für euch haben? Wie, ihr wagt es, andere mein Gesetz zu lehren, während ihr selbst es entweiht? Welche Anmaßung, ja Gotteslästerung, selbst wenn ihr euch dabei auf euer Vorrecht als Kinder Levis beruft! Eure Gottlosigkeit macht euch zu meinem Dienst noch viel untüchtiger, als wenn ihr ein körperliches Gebrechen hättet; euer profaner Sinn stößt euch aus dem Erbe und nimmt euch das Recht der Sukzession (der erblichen Nachfolge im Amt). Euer Sündendienst sollte euch im Gottesdienst Schweigen auferlegen, und das wäre auch der Fall, wenn mein Volk so geistlich gesinnt wäre, wie ich es haben möchte; denn dann würden sie sich weigern, auf euch zu hören und euch den Anteil an zeitlichen Gütern zu geben, der nur meinen treuen Knechten zukommt. Ihr zählt eure heiligen Tage auf, ihr streitet für die Kirchengebräuche, ihr kämpft um Äußerlichkeiten und lasst dahinten das Schwerste im Gesetz! Ihr verblendeten Leiter, die ihr Mücken seihet und Kamele verschlucket! (Mt. 23,24.) Eure Heuchelei steht euch auf der Stirn geschrieben und ist allen offenbar. Und nimmst meinen Bund in deinen Mund. Ihr schwatzt davon, dass ihr mit mir im Bunde stehet, und tretet doch meine Heiligkeit mit Füßen, wie die Schweine Perlen zertreten! Meint ihr, ich werde solches dulden? Eure Mäuler sind voller Lüge und Verleumdung, und dazu nehmt ihr meine Worte in den Mund, als vertrüge sich beides ganz trefflich! Welch schreckliches Übel ist es doch, dass wir es bis auf diesen Tag sehen müssen, wie sich gewisse Leute als Lehrer der göttlichen Wahrheit aufspielen, die doch Gottes Gebote verachten! Sie machen aus der Gnade einen Deckmantel der Sünde und halten sich für gesund im Glauben, obgleich ihr Leben faul ist bis ins Mk. So gut wie die Lehre von der Gnade brauchen wir aber die Gnade, von der die Lehre handelt und welche erst zum Lehren derselben befähigt. Ohne diese ist auch ein Apostel nur ein Judas und ein noch so orthodoxer und wohlberedter Prediger ein Erzfeind des Kreuzes Christi.

17. So du doch Zucht hassest. Solch ungeistliche Maulchristen sind oft viel zu weise um noch etwas zu lernen, allzu betört vom Selbstbetrug, als dass sie von Gott belehrt werden könnten. Was für eine Ungeheuerlichkeit ist es doch, dass solche Leute sich erdreisten die göttlichen Ordnungen zu lehren, welche sie selbst mit dem Herzen nicht kennen und mit dem Leben offen verleugnen. Ja, wehe den Menschen, welche selber die Unterweisung hassen, die sie andern zu geben sich anmaßen. Und wirfest meine Worte hinter dich. Sie verachten sie, werfen sie als etwas Wertloses weg, tun sie wie etwas Schädliches aus den Augen. Viele, die sich des Gesetzes rühmten, waren tatsächlich in ihrem Leben Gesetzesverächter. Und auch in diesen letzten Tagen gibt es der Leute genug, welche sich aus Gottes Wort auslesen und auswählen, was ihnen gerade passt, aber die sittlichen Forderungen der Schrift nicht ertragen können; sie haben an allem, was Pflicht heißt, einen Ekel, sie verabscheuen alle Verantwortlichkeit, und zu dem Ende verstehen sie es, solche Schriftstellen, die ihnen unbequem sind, ihrer schlichten Bedeutung zu entkleiden und die darin enthaltenen Wahrheiten zu ihrem eigenen Verderben zu verdrehen. Es ist ein schlimmes Zeichen, wenn ein Mensch nicht wagen darf der Schrift ins Angesicht zu sehen, und es beweist eine heillose Unverschämtheit, wenn man versucht, das Verdammungsurteil des Wortes Gottes über seine eigene Sünde zu mildern, und sich Mühe gibt zu beweisen, die Bibel nehme es mit ihren Anforderungen nicht so genau. Wie unwiderleglich ist diese Beweisführung, dass solche Leute kein Recht haben, den Bund Gottes in den Mund zu nehmen, deren Leben nicht von seinem Geiste geleitet wird!

18. Wenn du einen Dieb siehest, so läufest du mit ihm, oder (nach der Masora): so hältst du es mit ihm.3 Sittliche Ehrbarkeit kann da nicht fehlen, wo wirklich Gnade im Herzen ist. Wer die Kniffe anderer entschuldigt, beschuldigt sich selbst; und wer vollends andere dazu benutzt, dass sie ungerechte Handlungen zu seinem Vorteil begehen, verfällt zwiefach dem Gericht. Ein Mensch sei noch so religiös, wenn sein ganzer Handel und Wandel nicht einen stillen Tadel gegen jede Unehrlichkeit enthält, so ist er selber ein Diebsgeselle. Wenn wir in irgendetwas Krummes einwilligen können, so sind wir selbst unaufrichtig, und unsere Frömmigkeit ist eine Lüge. Und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern. So übertreten also die Sünder in Zion eine der sittlichen Vorschriften nach der andern. Unter dem Deckmantel der Frömmigkeit verbergen sie ihr unreines Leben. Gemeinschaft mit den Ehebrechern betätigen wir schon, wenn wir zu unkeuschen Scherzen lächeln, unziemlichen Reden unser Ohr leihen und gegen Menschen, die sich in unserer Gegenwart zuchtlos benehmen, Nachsicht üben. Wenn wir aber so handeln, wie können wir es wagen, zu predigen oder der Gemeinde im Gebet voranzugehen, ja auch nur den Christennamen zu beanspruchen? Man beachte, wie genau der HERR unsere Rechtschaffenheit mit seinem Richtblei untersucht. Wie klar geht aus dem allem hervor, dass ohne Heiligung niemand den HERRN sehen wird! Nichts, weder die skrupulöseste Beobachtung frommer Gebräuche noch die Orthodoxie und Schriftmäßigkeit unseres theologischen Systems können Unehrlichkeit und Unkeuschheit zudecken; von diesen schmutzigen Dingen müssen wir uns entweder durch das Blut Jesu läutern lassen, oder sie werden ein Feuer des göttlichen Zornes entflammen, das bis zum Höllengrund brennen wird.

19. Deinen Mund lässest du ungezügelt4 Böses reden. Nun werden die Sünden wider das neunte (achte) Gebot aufs Korn genommen. Wer sich gewohnheitsmäßig dem Verleumden hingibt und sich trotzdem dem Volke Gottes zugesellt, ist ein gemeiner Heuchler. Die Gesundheit eines Menschen wird vom Arzt leicht nach der Zunge beurteilt. So zeigt auch im Geistlichen die Zunge an, was im Innern ist. Ein loses Maul, ein loser Mensch. Es gibt Leute, die andere fast bei jedem Atemzug verunglimpfen und sich dennoch als Säulen der Kirche und als Verfechter oder gar Vorkämpfer für die Lehre von der Heiligung gebaren. In was für Tiefen des Bösen mögen die nicht geraten, welche sich daraus ein Vergnügen machen, Böses mit ihren Zungen zu verbreiten? Und deine Zunge treibet (Grundtext: flicht) Falschheit oder Betrug. Damit ist ein noch schlimmerer Grad dieser Sünde gemeint, das absichtliche und vorbedachte Verleumden, wo man mit List und Geschick falsches Zeugnis aufbringt und die Entehrung anderer methodisch betreibt. Manche Menschen haben es im Verleumden zu einer fast genialen Fertigkeit gebracht, und ach, unter diesen sind sogar Leute, die als Nachfolger des Herrn Jesus gelten! Sie stellen die Lügen fabrikmäßig auf ihrem vom Teufel patentierten Webstuhl her und treiben dann in jeder Gesellschaft mit ihrer Ware Handel. Sollten solche Menschen bei Gott angenehm sein? Wenn sie auch ihren Reichtum auf den Altar legen und von der Wahrheit und dem Weg zur Seligkeit noch so beredt reden, wäre es möglich, dass sie in seinen Augen Gnade fänden? Wir würden den Heiligen lästern, wenn wir das dächten. Sie sind verderbt in seinen Augen und ein Gestank in seiner Nase. Der HERR wird alle Lügner in die Hölle werfen. Mögen sie predigen und beten und opfern, soviel sie wollen, solange sie nicht wahrhaftig werden, verabscheut der Gott der Wahrheit sie aufs äußerste.

20. Du sitzest und redest wider deinen Bruder. Er setzt sich dazu hin, macht es zu seiner liebsten Beschäftigung, zu seinem Studium, zum Gegenstand seines Sinnens und seiner Entschließungen und wird so endlich ein Meister in der Beschimpfung anderer und führt den Vorsitz in der Gesellschaft der Verleumder. Sein bester Freund ist nicht sicher vor ihm, seine nächsten Verwandten kommen nicht ungeschoren durch. Deiner Mutter Sohn verleumdest du. Selbst über den redet er Übels, den er am meisten lieben sollte. Das verwandtschaftliche Verhältnis zu dem Sohn der eigenen Mutter war für den Orientalen bei der herrschenden Vielweiberei ein besonders inniges; der elende Verleumder kennt aber keine Rücksicht auf die Bande des Bluts. Meuchlings bringt er seinem leiblichen Bruder mit dem Dolch seiner Zunge einen Stich bei und sucht dem einen tödlichen Stoß5 zu versetzen, der aus demselben Mutterleib hervorgegangen ist. Dennoch hüllt er sich heuchlerisch in das Gewand der Unschuld und bildet sich wirklich ein, er stehe bei Gott in Gunst und sein gottesdienstlicher Eifer sei dem HERRN wohlgefällig. Ob man denn auch heutzutage noch solche Scheusale von Menschen antrifft? Ach, leider ja; noch immer beflecken sie unsere Gemeinden und sind bittere Wurzeln, Schandflecken unserer Versammlungen, Irrsterne, welchen behalten ist das Dunkel der Finsternis in Ewigkeit. Vielleicht kommen dem einen oder andern von ihnen diese Zeilen zu Gesicht - ob er sie aber mit Nutzen lesen wird? Ihre Augen sind zu trüb, als dass sie ihren eigenen Zustand erkennen könnten, ihre Herzen sind verstockt, ihre Ohren sind taub geworden. Gott hat sie in kräftige Irrtümer dahingegeben, damit sie der Lüge glauben und der gerechten Verdammnis verfallen.

21. Das hast du getan, und ich habe (bisher) geschwiegen. (Wörtl.) Nicht vernichtete ein schnelles Strafgericht den Sünder - die Langmut waltete über ihm. Es ließ sich weder das Rollen des Donners vernehmen, noch ward ein feuriger Pfeil auf ihn hinabgeschleudert. Da meinest du, ich werde sein (oder besser: ich sei wirklich) gleich wie du. Ganz niederträchtig war der Schluss, welchen der freche Sünder aus der Geduld Gottes zog. Aus Gnaden war seine Hinrichtung noch eine Weile aufgeschoben; er aber hielt diese Verzögerung des Urteils für ein Zeichen, dass sein Richter von der gleichen Art sei wie er selbst. Er brachte Opfer dar und hielt dafür, Gott nehme sie an. Er fuhr fort in der Sünde und blieb ungestraft; deshalb sagte er gerade heraus: "Wozu soll man diesen Narren von Unglückspropheten glauben? Gott kümmert sich nicht darum, wie wir leben, solange wir ihm unsre Zehnten bringen. Er kehrt sich nicht daran, auf welche Art wir ein Geschäftchen machen, wenn wir nur ihm einen Farren opfern." Was bilden sich die Leute nicht alles über Gott ein! Das eine Mal verwandeln sie Jehova, die Herrlichkeit Israels, in ein Gleichnis eines Ochsen, der Gras isset (Ps. 106,20), das andere Mal in ihr eigenes viehisches Ich. Aber ich will dich strafen, dich zur Rechenschaft ziehen. Endlich werde ich dennoch mein Schweigen brechen und dich wissen lassen, wie ich über diese Dinge denke. Und will dir’s unter Augen stellen. Ich will deine Sünden in Schlachtordnung gegen dich aufstellen. Ich will dir die Augen öffnen und sie vor dir aufmarschieren lassen, eine nach der andern, nach ihrer Art und Menge. Du sollst erfahren, dass ich, ob ich auch eine Weile schwieg, doch weder blind noch taub war. Ich will dir das klar vor Augen legen, was du zu leugnen versucht hast, dass du es nimmer leugnen kannst. Ich werde den Gnadenstuhl verlassen und mich auf den Richterthron setzen; da sollst du einsehen, wie groß der Unterschied sei zwischen dir und mir.


22. Merket doch das, die ihr Gottes vergesset,
dass ich nicht einmal hinraffe und sei kein Retter da.

O merket doch! Ein Wort dringender Bitte; denn es fällt dem HERRN schwer, sogar den Gottlosesten gegenüber, Menschen ins gewisse Verderben rennen zu sehen. Merket doch das, nehmt diese Wahrheit zu Herzen, sowohl ihr, die ihr euer Vertrauen auf Zeremonien setzt, als ihr, die ihr ein offenbares Lasterleben führt; ihr beide seid ja in einem Stück gleich: ihr vergesset Gottes. Bedenket, wie missfällig ihr in seinen Augen seid, und bekehret euch zum HERRN. Erkennet, wie ihr des Ewigen gespottet habt, und traget Leid über eure Sünden. Dass ich nicht einmal hinraffe, so rasch, gewaltig und unwiderstehlich, wie ein Löwe seine Beute erfasst und in Stücke reißt, und sei kein Retter da, kein Heiland, keine Zuflucht, keine Hoffnung! Ihr verwerft jetzt den Mittler; seht wohl zu, was ihr tut, denn ihr werdet ihn schwer vermissen am Tage des Zorns, und es wird kein anderer da sein, um für euch zu bitten. Wie schrecklich, wie umfassend, wie peinlich und schmachvoll wird die Verdammnis der Gottlosen sein! Gott nimmt keine süßen Worte in den Mund und gebraucht keine sammtweichen Umhüllungen, und auch seine Knechte dürfen das nicht tun, wenn sie von dem kommenden Zorn reden. O mein Leser, bedenke dies!


23. Wer Dank opfert, der preiset mich;
und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes.

Wer Dank opfert, der preiset (wörtl.: ehret) mich. Lobpreis ist das beste Opfer; nämlich aufrichtiger und herzinniger Dank aus einem erneuerten Gemüte. Nicht das Brüllen an den Altar gebundener Farren, sondern die Lobgesänge erlöster Menschen sind die Musik, an der sich Jehovas Ohr ergötzt. Bringe deine Liebe und Dankbarkeit Gott als Opfer dar, so ehrst du ihn. Und wer (seinen) Weg (recht) richtet,6 dem will ich zeigen das Heil Gottes (Grundtext: den will ich seine Lust sehen lassen an dem Heil Gottes). Ein heiliger Wandel ist ein vortrefflicher Erweis des erfahrenen Heils. Wer seinen ganzen Weg der göttlichen Leitung unterstellt und darauf bedacht ist, mit seinem Leben Gott zu ehren, der bringt ein Opfer dar, welches Gott durch seinen lieben Sohn annimmt; und ein solcher wird immer mehr zunehmen an Erkenntnis und Erfahrung des Heils des HERRN. Auch er braucht Heil, Rettung, denn die beste Ordnung unsers Lebens kann uns nicht retten; aber ihm wird dies Heil zuteil. Nicht dem Zeremonieneifer, nicht unreinem Lippendienst ist der Segen verheißen, sondern dem dankbaren Herzen und heiligen Wandel.
  Lass uns, o HERR, im Gericht auf der Seite derer stehen, deren Anbetung dir wohlgefällig gewesen ist und die dein Heil erfahren haben und sich mit stets zunehmender Wonne ewiglich an deinem Heil weiden!


Erläuterungen und Kernworte

Zu den Asaphpsalmen. Dass Asaph auch Psalmendichter gewesen, bestätigt die Geschichte. Denn Hiskia brachte laut 2. Chr. 29,30 die "Worte Davids und Asaphs" wieder in gottesdienstlichen Gebrauch. Und im Buch Nehemia werden David und Asaph als Häupter der Sänger in Israels Vorzeit nebeneinandergestellt.
  Es ist ein eigentümlicher Psalmentypus, welcher in den 12 Psalmen mit der Aufschrift "des Asaph", Ps. 50; 73-83, vorliegt. Sie sind sämtlich elohimisch. Neben Elohim sind Adonai und El beliebt, und mit besonderer Vorliebe wird auch Eljon (der Höchste) gebraucht. Von zusammengesetzten Gottesnamen ist ihnen im Psalter El Elohim Jahve (nur noch Jos. 22,22) und überhaupt in der alttestamentlichen Schrift Elohim Zebaoth ausschließlich eigen. Inhaltlich unterscheiden sie sich von den korahitischen Psalmen durch ihren prophetisch-richterlichen Charakter. Wie bei den Propheten wird Gott häufig redend eingeführt; wir treffen auf ausführliche prophetische Gemälde der Erscheinung Gottes des Richters mit ziemlich langen ritterlichen Ansprachen, Ps. 50; 75; 82. Der visionäre Charakter der asaphischen Psalmen hat zur Kehrseite den historischen; wir begegnen öfter schildernden Rückblicken auf urgeschichtliche Tatsachen, Ps. 74,13-15; 77,15 ff.; 80,9-12; 81,5-8; 83,10-12; und Ps. 78 ist ganz damit beschäftigt, der Gegenwart den Spiegel der alten Volksgeschichte vorzuhalten. Liest man die 12 Asaphpsalmen hintereinander, so wird man außerdem die auffällige Eigentümlichkeit merken, dass hier häufiger als sonst Josephs und der josephitischen Stämme Erwähnung geschieht, Ps. 77,16; 78,9.67 f.; 81,6; 80,2 f., und nicht minder eine andere, dass nämlich das Wechselverhältnis Jahves zu Israel am liebsten unter dem Bilde des Hirten und der Herde aufgefasst wird, Ps. 74,1; 77,21; 78,52.70-72; 79,13; 80,2; Auch sonst gefallen sich diese Psalmen darin, mit den mannigfachsten Benennungen des Volkes Gottes zu wechseln. Prof. Franz Delitzsch † 1890.
  Zum ganzen Psalm. Der Psalm ist voll evangelischer, protestantischer Wahrheit, das Programm der Reformation. Prof. Johannes Wichelhaus † 1858.
  Psalm 50 gilt uns als ein asaphischer Originalpsalm. In Prophetenweise wird hier die doppelte Wahrheit vorgetragen, dass Gott Tieropfer ohne das Herzensopfer des Gebets nicht mag und dass das Bekenntnis zu seinem Worte ohne das Leben nach seinem Wort ihm ein Gräuel ist. Es ist derselbe Grundgedanke, welcher Ps. 40,7-9; 69,31 f.; 51,18 f. ausgesprochen wird und der Ps. 24 (1-6) und Ps. 15 unterliegt, - alles Nachklänge des großen Wortes Samuels 1. Samuel 15,22, des Vaters der Psalmenpoesie. Dass diese Verwerflichkeit herzlosen Werkdienstes gerade in der davidischen Zeit so vielstimmig betont wird, kann nicht befremden; die Nichtigkeit des opus operatum ist ja auch weiterhin das Losungswort der Propheten in Zeiten, wo wohlgeordneter, gesetzmäßiger Kultus in Juda herrschend ist. Auch das darf nicht befremden, dass Asaph, der Levit, der bei dem Heiligtum auf Zion angestellt war, sich so ausspricht; denn auch Jeremia war Levit und sogar Kohen (Priester), und doch hat niemand ein kühneres, schneidenderes Wort gegen den äußerlichen Opferdienst gesprochen, als er Jer. 7,22 f. Prof. Franz Delitzsch † 1890.


V. 2. Gott strahlt hervor. Die eigentliche Bedeutung des hebr. Zeitworts ist: aus der Ferne und Höhe Strahlen werfen, glänzen, leuchten. "Es ist ein Wort von hohem Klang und wird immer von prachtvoll glänzendem Licht gebraucht," sagt Albert Schultens († 1750). Offenbar deutet es hier auf das glänzende Sinnbild der göttlichen Gegenwart wie in 5. Mose 33,2, wo es heißt, Gott sei hervorgebrochen oder vielmehr hervorgestrahlt vom Berge Pharan. Es bezieht sich demnach auf die Wolken- und Feuersäule, den Thronsitz der göttlichen Majestät, die auf dem Berge Sinai, über der Stiftshütte und dem Allerheiligsten des Tempels zu sehen war. Herm. Venema † 1787.


V. 3. Unser Gott kommt und schweiget nicht. Jetzt schweigt er; er schweigt als Richter, aber nicht als Ermahner. Denn was sind die Evangelien, was die Stimmen der Apostel, die Gesänge der Psalmen und die erhabenen Weissagungen der Propheten? Fürwahr, in diesen allen ist Christus nicht untätig, nicht schweigsam. So hält er an sich mit der Rache, schweigt aber nicht mit Warnungen. Er wird aber kommen in blendender Herrlichkeit, um Rache zu nehmen, und dann werden ihn alle sehen, auch die jetzt nicht an ihn glauben. Aurelius Augustinus † 430.
  Fressend Feuer usw. Wie Gott im Feuer und Wetter das Gesetz gab, so wird er es auch einst im Feuer und Wetter fordern. John Trapp † 1669.


V. 4. Er rufet Himmel und Erde, damit diese stummen Werke der Schöpfung als sprechende Beweise gegen sein unwürdiges Volk auftreten und Zeugen seines gerechten Verfahrens gegen sie werden. Siehe 5. Mose 32,1; Jes. 1,2; Micha 6,2. Die chaldäische Paraphrase lautet: Er wird die hohen Engel droben und die Gerechten auf der Erde unten rufen. John Trapp † 1669.


V. 5. Versammelt mir meine Heiligen, die Gegenstände meines Erbarmens, diejenigen, welche ich berufen, ausgesondert und als mein Eigentum bezeichnet habe. Das Wort "Heilige" beschreibt hier aber ein Verhältnis und nicht eine innere Eigenschaft. - Die den Bund mit mir gemacht haben beim Opfer. Diese Bezugnahme auf den feierlichen Vorgang am Sinai, da der Bund beim Opfer geschlossen wurde (2. Mose 24,4-8), zeigt deutlich, dass das Folgende das dem alttestamentlichen Haushalt wesentliche Symbol nicht umstoßen sollte. Joseph Addison Alexander 1850.
  Die Beklagten, welche vor das göttliche Tribunal gebracht werden sollen, werden mit Namen genannt, welche, ohne dass diesen ihr innerer Zustand entspricht, das Verhältnis ausdrücken, in welches sie Gott zu sich gestellt hat. (Vergl. 5. Mose 32,15; Jes. 42,19.) Dieser Widerspruch des Verhältnisses und Verhaltens gibt eine unbeabsichtigte bittere Ironie. Prof. Franz Delitzsch † 1890.


V. 8. Deines Opfers halben strafe ich dich nicht. Nicht wegen Vernachlässigung der Opfer, sondern weil du dich auf sie verlässt, weil du an der Rinde hangen bleibst und mir die bloße Schale ohne Kern darbringst, weil du nicht an den rechten Gebrauch und Zweck denkst, sondern dir an dem äußerlich vollbrachten Werk genügen lässt. John Trapp † 1669.
  Genau denselben Vorhalt musste unser Herr den Pharisäern seiner Tage machen, dass sie so großes Gewicht auf die äußerliche Beobachtung der Gebote und Aufsätze legten, auf das Waschen der Geräte, das Verzehnten von Minze, Dill und Kümmel, die Aufsehen erregende Erfüllung zeremonieller Vorschriften vor den Augen der Leute, die Aufbauschung des Formenwesens, so dass dieses die innerliche Frömmigkeit mehr und mehr überwucherte und erstickte. Und sehen wir nicht das gleiche in unseren Tagen, dass man das Wesen der Religion in Äußerlichkeiten legt, bis auf die Kleidung des Predigers, das Beugen der Knie und andere Gebärden? Als ob das Äußerliche, das Materielle an der Kirche alles wäre und Gott nicht ein Geist, der will, dass, die ihn anbeten, es im Geist und in der Wahrheit tun; als ob das Gold und die Zierate am Tempel weit wichtiger wären als der verborgene Mensch des Herzens! Barton Bouchier 1855.


V. 12f. Wenn wir insgeheim irgendwelchen religiösen Handlungen und Werken einen verdienstlichen Wert beimessen, so dass Gott dadurch unser Schuldner wird, so zeigen wir damit, dass wir im Grunde geringschätzig von Gott denken. Als ob unsere Andacht die Seligkeit des allein seligen Gottes vermehren könnte! Dienen wir doch mit unseren Gottesdiensten vielmehr uns selbst und mehren dadurch unser eigenes Glück, nicht das Gottes. Diese Meinung, als erwürben wir uns durch Beten, Singen, Opfer usw. ein Verdienst bei Gott, ist ein Grundfehler des Menschen. Eine geheime Selbstgefälligkeit verleitet uns, nach irgendeiner gottesdienstlichen Übung zu denken, nun müsse uns Gott entsprechend dafür entschädigen, weil wir ihm ja genutzt haben. Unser Vers weist uns auf den unendlichen Reichtum Gottes hin, dessen unermessliche Bedeutung wir vollständig verkennen, wenn wir meinen, er bedürfe etwas von uns, er habe unsre Opfer und Gottesdienste irgendwie nötig und werde uns deshalb durch unsere Anbetung verpflichtet. Jedes Verdienst, jeder Lohn setzt ja eine geistige oder natürliche Unzulänglichkeit der Person voraus, bei der wir etwas verdienen, indem wir etwas für sie tun, das sie nicht oder wenigstens nicht so gut selber tun könnte. Dasselbe ist bei unserm Murren über Gottes Führungen der Fall, wenn wir diese als eine Reihe widriger Verfügungen der göttlichen Vorsehung ansehen und meinen, wir hätten durch unser Verhalten etwas Besseres von ihm verdient. So sind wir auch im Glück leicht geneigt insgeheim zu denken, Gott sei uns diese Freuden schuldig, statt dass wir sie als freie Gaben seiner Güte ansehen. So kommt es, dass die Menschen im Allgemeinen noch eher ihre Sünden als ihre Selbstgerechtigkeit fahren lassen und geneigt sind, die Seligkeit als eine Schuld Gottes an sie einzufordern, statt sie als eine Gabe der göttlichen Gnade zu erbitten. Stephen Charnock † 1680.
  Wo mich hungerte. Die heidnischen Opfer wurden als Festmahle der Götter angesehen. Daniel Creßwell † 1844.


V. 14. Der Ausdruck "Bezahle dem Höchsten deine Gelübde" wird sich, da hier überhaupt nicht Unterlassen des Opfers gerügt wird, vergl. V. 8, nicht auf gewöhnliche Gelübdeopfer, sondern nur auf das eine große, immer wieder zu bringende (darum Plural) Gelübdeopfer beziehen, das Israel am Tage der Bundesschließung gelobt hatte: Alles, was Jahve befohlen hat, wollen wir tun und gehorchen, vergl. 2. Mose 24,3.7; - also auf Gehorsam. Dank, Gehorsam und Bitte sind also, was Gott fordert, aber nicht anstatt der Opfer, sondern als Kern und Inhalt derselben. Er will diese Dinge durch die Opfer ausgedrückt und gleichsam verkörpert wissen und fordert sie deshalb mit Ausdrücken, welche der Opfersprache entlehnt sind. G. T. 1881.


V. 15. Rufe, sagt er; spricht nicht: Laufe hie, laufe da, tue dies, tue das. Klage mir’s doch und rufe mir, will ich’s doch gern tun. Man soll Anfechtung und Unglück nicht im Herzen behalten, sondern von sich werfen und zu Ihm fliehen. Er heißt Wohltäter zur rechten Zeit. Denn Gott pflegt also zu handeln, dass er schlägt, ehe er heilt, tötet, ehe er lebendig macht, stößt in die Hölle, ehe er gen Himmel hilft, lässt uns anfechten und wohl ganz erliegen, ehe er uns tröstet. Das tut er alles darum, dass wir Ursache haben, zu ihm zu schreien und rufen, seufzen und sehnen, um Hilfe und Trost bitten. Er will uns erretten. Wo die Sprüche nicht wären, wer wollte und könnte beten? Wo wir aber nicht hören sein Gebot, so höret er unser Gebet nicht. Martin Luther †1546.
  Dies alte gute Wort wird wohl seinen Wert und seine Kraft behalten. Erfahrungen gelten hier mehr als Theorien. Oft versperrt der Scharfsinn und der Dünkel der Theorie der Erfahrung den Weg, namentlich in jungen Jahren. Ich möchte das nicht verschulden. Heilige Dinge wollen mit frommem Zartsinn behandelt sein. Friedrich Wilhelm III., nach Bischof R. F. Eylert † 1858.
  Diese Aufforderung zum Bitten mit der folgenden Verheißung ist dem Ring zu vergleichen, den die Königin Elisabeth dem Grafen von Essex gab mit dem Befehl, ihr diesen Ring zu senden, wenn er in irgendwelche Not komme. George Swinnock † 1673.
  Der HERR hat verheißen, seine Kinder mit allem, was ihnen frommt, zu versorgen; doch will er gebeten sein. Er gibt selbst den jungen Raben Speise, die ihn anrufen (Ps. 147,9). Aber auch die jungen Raben rufen ihn zuerst an. Gott versagt seine Gaben denen, die nicht Bitten, sagt Augustinus († 430). damit sie nicht etwa solchen zukommen, die sie gar nicht begehren. Thomas Adams 1614.


V. 16. Aber zum Gottlosen spricht Gott usw. Origenes, der große Alexandriner, soll auf einer Reise in Jerusalem in Tränen ausgebrochen sein, als er im öffentlichen Gemeindegottesdienste über diese Stelle sprechen sollte. Nach Bischof Epiphanius † 403.
  Die mittelalterlichen Ausleger erinnern hier, darin dem Origenes († 258) folgend, an das, was Gott im Gesetz in Betreff der Aussätzigen geboten hatte, dass sie nämlich die Lippen verhüllt haben mussten. (3. Mose 13,45) Wer selbst unreiner Lippen ist, sehe wohl zu, dass er nicht andere lehre. Deshalb wollte auch Jesaja nicht den göttlichen Auftrag ausführen, ehe seine Lippen mit der Kohle vom Altar berührt waren. James Millard Neale 1860.
  Weil es dir nun an einem rechtschaffenen Wandel fehlt, so höre (nach Ps. 50,16) auf, zu disputieren, damit du nicht etwa Schuld daran habest, dass die Lehre unterliegen müsse, weil ihrer viele über die Sachen aus dem Zustand derer zu urteilen pflegen, welche sie vorbringen. Abt Isidor von Pelusium (am Nil) † 440 an den Diakon Chäremon.
  Für wen anders ist der Bund denn gemacht als für die Gottlosen, denen er Gnade und volle Vergebung entgegenbringt? Wie kann denn Gott zu ihnen sagen: Was nimmst du meinen Bund in den Mund? Dies wird durch das Folgende erklärt: So du doch Zucht hassest. Als ob Gott sagen wollte: Du Gottloser nimmst deine Sünde in Schutz und hältst sie fest, du weigerst dich umzukehren und hassest den Gedanken an eine Besserung; was machst du dir denn mit meinem Bunde zu schaffen? Lass deine schmutzigen Hände davon! Wer sich vornimmt, an seiner Sünde festzuhalten, hält sich umsonst an den Bund, oder vielmehr, er hat ihn schon fahren lassen, während es noch den Anschein hat, als halte er sich daran. Wehe denen, welche um Gnade bitten und doch den Gehorsam nicht lernen wollen. Joseph Caryl † 1673.
  Wie es sich nicht reimt, einem Narren Ehre anzutun (Spr. 26,1), so fordert die göttliche Weisheit von uns, erst den alten Menschen abzulegen, ehe wir das hohe Amt auf uns nehmen, Sünde zu strafen, eine Aufgabe, die wie keine zweite Gott Ehre macht und den Menschen nützt. Können auch schmierige Spülmägde vor Königen stehen oder kann man Gassenkehrer zu Botschaftern und Gesandten gebrauchen? Schickt ein Fürst unreine Tiere, um die Zeichen seiner königlichen Gunst zu übermitteln, oder sind Schweine brauchbar, um Perlen auszuteilen, ja, die reichsten Perlen aus Gottes königlichem Wort? Niemand lässt sich so etwas träumen! Ebenso kann sich auch niemand für geeignet oder beauftragt halten Sünden zu strafen, bis er selbst gewaschen und geheiligt ist durch den Namen unsers Herrn Jesu Christi und den Geist unsers Gottes. Daniel Burgeß † 1713.
  Wenn ein Prediger das nicht tut, was er lehrt, ist er verächtlich, ja lächerlich; gleich jenem Apotheker, von welchem der griechische Satiriker Luzian erzählt, dass er Arzneien gegen den Husten angepriesen habe und selbst von diesem Übel arg geplagt gewesen sei. Wie kannst du mit frecher Stirn auf der Kanzel stehen, die Gebote Gottes verkündigen und die Aufsicht über die Seelen führen, wenn deine Erbärmlichkeit offen am Tag ist und dein Wandel deine Lehren Lügen straft? Da stiftest du mehr Unheil als hundert andere. William Fenner † 1640.


V. 17. So du doch Zucht hassest. Ein solcher war Ahab. Der konnte sich so fromm stellen; aber da ihn Elia straft, flucht er und trachtet dem Propheten nach dem Leben. Das macht, er war ein Heuchler und wollte für fromm gehalten werden. Aber was rechte fromme Leute sind, die ohne Heuchelei und denen Gottes Wort ein Ernst ist, die können sich wohl strafen lassen und erkennen ihre Sünde wie David. Da ihn der Prophet Nathan straft, ward er nicht zornig, sondern sprach: "Ich habe wider den HERRN gesündigt." Daran erkennt man die, so keine Heuchler sind. Johann Arnd † 1621.
  Und wirfst meine Worte hinter dich - mit Verachtung, Ekel und Abscheu. Martin Geier † 1681.
  Meine Worte, offenbar die zehn Worte, von denen es oft heißt, dass Gott in ihnen den Bund mit Israel gemacht habe. Herm. Venema † 1787.


V. 18. Man vergleiche Jes. 1,15; Hes. 22,25; Mt. 23,14 und viele Stellen.
  So läufest du mit ihm, hilfst ihm seine Beute tragen und entwischen. Sam. Horsley † 1806.
  Und hast Gemeinschaft mit den Ehebrechern. Wenn man solchen, die als ausschweifend bekannt sind, ein Gastmahl bereitet, hat man teil an ihren Sünden. Thomas Adams 1614.


V. 20. Du sitzest und redest wider deinen Bruder. Man kann Böses reden und tun, während man dasitzt und nichts tut. Joseph Caryl † 1673.
  Wenn man nichts sonst zu tun hat, gerät man auf irgendeine Weise in diese Sünde. Beispiel dessen sind viele Tischgespräche. Müßiggang ist auch dieses Lasters Anfang. Samuel Horsley † 1806.


V. 21. Das hast du getan, und ich habe (bisher) geschwiegen. (Grundtext) Weil Gott selten sofort ein Zerstörungsgericht über die Sünder verhängt, folgern die Lästerer in vermessener Weise: "Sollte sich Gott auch um solche Kleinigkeiten kümmern?", wie schon die Heiden von ihrem Jupiter sagten: Non vacat exigius rebis adesse Jovem. Was für eine beschränkte Vorstellung von Gott ist das doch! Obwohl es scheinen mag, dass er auf etwas nicht achte, so entgeht seinen Augen doch nichts. David ließ den Simei nicht auf der Stelle erschlagen; aber fluchen hatte er ihn doch gehört, und die Stunde der Abrechnung kam (1. Könige 2,8 f.; 36-46). Thomas Adams 1614.
  Da meinest du, ich werde sein gleich wie du. So groß ist unsere natürliche Blindheit, dass wir solch verkehrte Gedanken von Gott hegen, bis wir mit dem Glaubensauge ein Antlitz im Spiegel seines Wortes erkennen. Deshalb sagt man wohl mit Recht, dass alle Adamskinder geborene Atheisten seien, weil sie die Macht, Gegenwart und Gerechtigkeit des Gottes, den sie mit dem Munde bekennen, mit ihrem Leben verleugnen. In der Tat ist es nur natürlich, dass der Mensch wünscht, Gott seinen Lüsten anzupassen. Die Sünder machen es mit Gott wie die Äthiopier mit den Engeln, die sie mit schwarzem Gesicht malen, damit sie ihnen ähnlich seien. William Gurnall † 1679.
  Ich will dir’s unter Augen stellen. Du dachtest, alle deine Sünden seien zerstreut und verweht, so dass kaum eine aufgefunden werden könne; wie nun, wenn sie dir, zu einem Heere vereinigt, entgegentreten! Wenn ein Heer von Schrecken Gottes so fürchterlich ist, was wird erst ein Heer von schwarzen, höllischen Sünden sein, wenn Gott da ein Regiment Schwüre, dort ein Regiment Lügen, dort ein drittes von Betrügereien, da ein Bataillon schmutziger Handlungen und dort eine Legion unreiner oder gemeiner Gedanken alle zumal gegen dein Leben und deinen Frieden kämpfend ins Gefecht führt! Joseph Caryl † 1673.
  Es ist für Gott nicht schwerer, in dem vergesslichen Gemüt eines Ungläubigen die Erinnerung wieder anzufachen, als es für ihn war, dieses Gemüt zu erschaffen. William Struther 1633.
  O wie hat Gott an den Juden gezeigt, wie er ihren fleischlichen Ruhm und ihr Vertrauen auf das Gesetz, Tempel und Opferdienst so für nichts achte, wie hat er ihnen ihr Haus so wüste gelassen! Wie wollen wir entfliehen, so wir an Jesu Einsetzungen einen neuen Dienst im Buchstaben machen und den Geist dabei nicht erreichen, noch uns darum bekümmern? Karl Heinrich Rieger † 1791.


V. 23. Wer Dank opfert, der preiset mich. Obwohl nichts der majestätischen Herrlichkeit Gottes auch nur einen Finger breit hinzufügen kann, so erhöht ihn doch unser Dank in den Augen anderer. Das Lob erhöht die Ehre seines Namens, entfaltet das Banner seiner Güte, breitet seinen Ruhm aus; es erbricht die Salbenbüchse, damit sich der liebliche Wohlgeruch des Namens Gottes in der ganzen Welt verbreite. Thomas Watson 1660.
  Die glaubenslosen Heiligen wollen immer Gott geben, als bedürfte er ihres Dienstes, so er doch Gott ist und gibt und alles geben will; denn wir seiner Güter bedürfen. Allein begehrt er, dass wir dankbar seien und halten ihn für unseren Gott. Dank opfern gibt ihm seine göttliche Ehre, es macht ihn zum Gott und behält ihn zum Gott, gleichwie die Werkopfer ihm seine göttliche Ehre nehmen und machen ihn zum Götzen. Gott verlangt nicht das Unsrige, sondern uns. Martin Luther † 1546.


Homiletische Winke

V. 1. Wo Gott redet, ist es aller Menschen Pflicht, zu hören. 1) Wer redet? Der Allmächtige, nicht Menschen noch Engel, sondern Gott selbst. 2) Zu wem redet er? Zu allen Menschen, welches Volks, Standes oder Charakters sie seien. Dies soll bei uns wecken: a) ehrerbietige Aufmerksamkeit, denn es ist Gottes Stimme; b) Hoffnung, denn es ist Gnade, dass Gott sich herablässt, ein empörerisches Geschlecht anzureden. 3) Wo vernehmen wir Gottes Stimme? a) In der Schöpfung, b) in der Vorsehung, c) in seinem Wort. George Rogers 1870.
V. 1-6. 1) Der Gerichtshof wird im Namen des Königs aller Könige berufen. 2) Die Sitzung wird eröffnet, der Richter nimmt feierlich seinen Sitz ein. (V. 2 f.) 3) Die Beklagten und die Zeugen werden geladen. (V. 4 f.) 4) Das Ergebnis des Prozesses wird feierlich vorhergesagt (V. 6). Matthew Henry † 1714.
V. 2. Zion die vollkommene Schöne. (Grundtext) 1) Die innere Schönheit Zions: a) schön: Die Schönheit der Weisheit, der Gerechtigkeit, der Liebe: b) schöner als die Schönheit des Paradieses und des Engelhimmels: c) unvergleichlich schön, weil sie alle Vollkommenheiten Gottes umfasst. 2) Diese Schönheit Zions bricht aber auch, weil Gott aus Zion hervor strahlt, nach außen durch. Sie wirft ihre Strahlen a) auf diese Welt, b) auf die begnadigten Seelen, c) auf die Engel, welche gelüstet, in diese Herrlichkeit hineinzuschauen (1. Petr. 1,12; Eph. 3,10), d) auf alle Kreatur (Off. 5,13). George Rogers 1870.
V. 3 f. Das Gericht über die sichtbare Kirche. Gott selbst wird es ausüben, und zwar öffentlich, mit durchdringender Schärfe (Feuer und Sturmwind), nach voller Gerechtigkeit, zu einem unabänderlichen Urteilsspruch.
V. 5. Zweierlei Versammeln zu Christo: 1) zu ihm als dem Heiland (Joh. 11, 52), 2) zu ihm als dem Richter.
  Wer wird versammelt? Wie? Zu wem? Wann?
  Der grelle Gegensatz, der bei vielen besteht zwischen dem Verhältnis zu Gott, zu dem sie berufen sind und dessen sie sich rühmen, und ihrem tatsächlichen Verhalten.
V. 5b. 1) Der Bund. 2) Das Opfer, über welchem Gott ihn beschlossen hat. 3) Wie wir in diesen Bund eintreten.
V. 6b. Gott ist Richter. Da wird es der Verleumdung nicht gelingen, das Urteil zu verdrehen; nicht wird unbillige Härte es verbittern; nicht wird Parteilichkeit das Böse in Schutz nehmen, noch die Falschheit Betrug üben können, sondern es wird gewisslich volle Gerechtigkeit walten.
V. 7. Sünden, mit denen wir uns ganz vornehmlich an Gott selbst verschulden und die nur ihm bekannt sind. Ein in die Tiefe der Herzen dringendes Thema.
V. 13-15. Welche Opfer finden bei Gott keine Annahme, und welche wohl?
V. 15. 1) Der Anlass: Not. 2) Der Befehl: Rufe mich an. 3) Die Verheißung: Ich will dich erretten. 4) Die Absicht: Du sollst mich preisen. George Rogers 1870.
  1) Eine besondere Einladung an bestimmte Personen auf eine bestimmte Zeit 2) eine besondere Verheißung für diejenigen, welche der Einladung folgen. 3) Eine besondere Pflicht derjenigen, welche die Erfüllung dieser Verheißung erfahren.
V. 15c. Wir preisen oder ehren Gott schon durch unser Bitten, dann durch das Danken für die gewährte Erhörung, wie auch dadurch, dass wir auf seine Verheißungen bauen, uns unter seine Züchtigungen beugen, um seine Ehre eifern, für seine Sache treu einstehen, seinen Befehlen unwandelbar gehorchen und sein Volk lieben.
V. 16 f. I. Das Verbot. 1) Die Dinge, die hier verboten werden: Gottes Rechte verkündigen, seinen Bund in den Mund nehmen, also a) predigen, b) lehren (wie z. B. in Sonntagsschulen), c) beten, d) an den Gnadenmitteln teilnehmen. 2) Die Personen, welche dies Verbot trifft: gottlos lebende Prediger, Sonntagsschullehrer usw., solange sie in ihrer Gottlosigkeit verharren. II. Der Grund zu diesem Verbot, V. 17: weil sie 1) die Wahrheit nicht auf sich selber anwenden, 2) sie im Innersten hassen und 3) sie schließlich auch äußerlich verwerfen. George Rogers 1870.
V. 17. 1) Ein schlimmes Zeichen: wenn jemand Zucht hasst. 2) Was zeigt es an? a) Stolz, b) Verachtung Gottes, c) Gleichgültigkeit gegen die Wahrheit, d) eine in Wirklichkeit gottesleugnerische Gesinnung, und e) Erstorbenheit des Gewissens. 3) Wozu führt solches? Siehe V. 22.
V. 16-21. 1) Der Mensch redet (V. 16-20), und Gott schweigt. 2) Gott redet, und der Mensch muss verstummen.
V. 21. 1) Gott überlässt die Menschen oft eine Zeit lang sich selbst. 2) Sie beurteilen dann vielfach Gott nach sich selbst. 3) Aber zu seiner Zeit wird er ihnen ihr ganzes Wesen enthüllen.
V. 22. 1) Die Anklage: Die ihr Gottes vergesset, seiner Allwissenheit, Macht und Gerechtigkeit, seiner Güte, seiner in Christo dargebotenen Gnade, seines Wortes, das Tod und Leben vorhält. 2) Die Ermahnung: Merket doch das; rüttelt euch zu ernstem Nachdenken auf. 3) Die drohende Gefahr: Dass ich nicht einmal hinraffe. a) Wie schrecklich das Los: hingerafft zu werden nach Leib und Seele, wie die Beute vom Löwen zerrissen wird, und b) wie unwiderstehlich: und sei kein Retter da. George Rogers 1870.
V. 23. 1) Das Heil ist Gottes. 2) Der Erweis der erfahrenen Rettung ist Heiligung des Herzens und Lebens. 3) Wo die erfahrene Rettung sich in der Heiligung erweist, wirkt sie immer erneutes Danken und Loben. 4) Dieses Danken und Loben zielt auf Gottes Verherrlichung. Nicht durch Zweifel, Befürchtungen und Murren wird Gott verherrlicht, sondern dadurch, dass sein Volk ihn preist. George Rogers 1870.

Fußnoten

1. Möglich wäre auch, dass diese Psalmen einer Asaphs Namen tragenden Liedersammlung entnommen wären. Vergl. die Fußnote zu Ps. 42.

2. Grundtext: Da verkündigten die Himmel seine Gerechtigkeit, oder bei präsentischer Fassung: und es verkündigen usw. Der Dichter hört die V. 4 aufgerufenen Himmel reden.

3. Die LXX und andere alte Übersetzungen lasen wohl CrftIfwa von CWr, laufen, danach Luther. Die Vokalisation der Masora dagegen geht auf das Verb h(frf, an jemand Gefallen haben. Die beiden Lesarten sind gleichwertig.

4. hla$f loslassen, Gegensatz von zügeln. Also wörtl.: Deinem Mund lässest du die Zügel schießen im Bösen.

5. ypÆidI eigentl. Stoß, doch nach den Rabbin. bildlich von der (den Nächsten stürzenden) Verleumdung.

6. Luther las mit LXX und Syr. M$f statt M&f. - Nach Jes. 43,19 heißt KredIe MW& einen Weg anlegen oder zurichten. Von dieser Bedeutung aus kommen etliche, so auch die engl. Bibel, zu der in der Auslegung gegebenen Übersetzung, die einen sehr passenden Sinn gibt, da sich dann die zweite Vershälfte auf die V. 16-22 Angeredeten beziehen würde, wie die erste auf die in V. 7-15 Angeredeten. Doch könnte man dann OkIr:dIa, seinen Weg, erwarten. Delitzsch und andere fassen KredIe M&fw: als Fortsetzung des vorhergehenden: und der bahnt einen Weg, dass ich usw. Diese Übers. stimmt dem Sinne nach mit Luther überein.