Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 59 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Dem Vorsänger. Es ist wunderbar, wie selbst die peinlichsten Ereignisse in Davids Leben immer wieder dazu dienten, den Schatz der heiligen Gesänge Israels zu bereichern. Aus schlechtem, sumpfigem Boden entsprießen die honigreichen Blumen der Psalmdichtung. Wäre David nie so unbarmherzig von Saul verfolgt worden, so hätten Israel und die neutestamentliche Gemeinde dieses und so viele andere köstliche Lieder entbehren müssen. Trübsal ist der Schlüssel, der die Harfe geheiligter Sänger stimmt. Verderbe nicht. Der dritte so überschriebene Psalm. (Der vierte und letzte ist Ps. 75) Wen Gott erhält, den vermag Satan nicht zu verderben. Der HERR kann seinen Propheten das Leben sogar durch die Raben erhalten, die ihrer Natur nach ihnen die Augen aushacken würden. David fand stets jemand, der ihm half, wenn seine Lage besonders gefährlich war, und zwar sogar aus den eigenen Familiengliedern eines Erzfeindes. Diesmal war es Michal, die Tochter Sauls, wie bei früheren Anlässen Jonathan, der Sohn Sauls. Von David, ein gülden Kleinod. Dies ist das fünfte der "güldenen Kleinode" Davids; Gottes Auserwählte haben viele solche. Da Saul hinsandte und ließ sein Haus verwahren, dass er ihn tötete. Man gibt sich viel Mühe, die Psalmen andern Verfassern und andern Anlässen zuzuschreiben als denjenigen, welche die Überschriften angeben, da es heutzutage Mode ist, seine Gelehrsamkeit dadurch zu erweisen, dass man von allen Vorgängern abweicht. Vielleicht werden aber in etlichen Jahren die alten Überschriften ebenso verehrt sein, wie sie heute verachtet werden. Die gelehrten Exegeten widersprechen sich in der Hinsicht auch in Bezug auf unseren Psalm1; so haben wir es denn auch nicht sehr eilig, den mancherlei Mutmaßungen beizupflichten, sondern begnügen uns damit, den Psalm im Licht des in der Überschrift genannten Ereignisses zu lesen. Es scheint uns keiner der Vers damit unbedingt im Widerspruch zu stehen, und manche passen trefflich dazu.

Einteilung. V. 2.3 Bitte, V. 4.5 Klage, V. 6 abermals Bitte. Das Sela bezeichnet den Abschluss dieses Teils. V. 7.8 erneute Klage, V. 9-11 Ausdruck der Glaubenszuversicht, V. 12-14 Gebet, Schluss des zweiten Teils mit Sela. V. 15.16 nochmals Gebet, Schluss des Psalms V. 17.18 mit Lobpreis.


Auslegung

2. Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden
und schütze mich vor denen, so sich wider mich setzen.
3. Errette mich von den Übeltätern
und hilf mir von den Blutgierigen.


2. Errette mich, mein Gott, von meinen Feinden. Sie waren alle rund um das Haus her, ausgerüstet mit der Vollmacht der Obrigkeit und stark genug den Befehl auszuführen, der dahin lautete, den David lebendig oder tot, gesund oder krank zu bringen, dass er auf keinen Fall dem Schwert entrinne. Keine Kühnheit konnte ihm helfen, die Kette von Bewaffneten zu durchbrechen, noch vermochte die herzbeweglichste Beredsamkeit seinen blutgierigen Verfolgern die Hand zu binden. Er war gefangen wie ein Vogel im Netz, und kein Freund war zur Hand die Feinde zu verjagen Der Unglaube hätte wohl gesagt, dass Beten in solcher Lage die reine Wortverschwendung wäre; aber so denkt dieser Mann nicht, dessen Gottvertrauen in so mancher Not gereift ist. Er macht vielmehr das Gebet zu seiner einzigen Zuflucht. Er ruft um Rettung und überlässt es seinem Gott, wie er ihn retten wolle. Und schütze mich vor denen, so sich wider mich setzen, wörtlicher: Stelle mich auf eine (sichere) Höhe vor denen, die sich wider mich erheben. Saul war "eines Hauptes länger denn alles Volk", und es war schlimm, wenn solch ein Mann sich wider einen erhob. Er gebrauchte seine ganze königliche Macht, um David zu erdrücken. Der arme Verfolgte bittet daher den HERRN auch ihn zu erhöhen, nämlich auf einen hohen Turm, und ihn so dem Bereich seines Widersachers zu entrücken. Man beachte, wie er die Anrufung "mein Gott" den Worten "meine Feinde " gegenüberstellt. Er versteht die Kunst, die feurigen Pfeile des Feindes mit dem Schild des Glaubens aufzufangen und auszulöschen. Gott ist unser Gott; darum sind Rettung und Schutz unser wohlverbrieftes Vorrecht.

3. Errette mich von den Übeltätern. Saul handelte an David höchst unbillig und bewies sich überdies auch noch gegen andere als ungerechter und grausamer Tyrann; das ließ David desto dringender wider ihn zu Gott rufen. Böse Menschen stiegen am königlichen Hofe zu Ansehen und Macht empor und waren die allezeit dienstbereiten Werkzeuge des Wüterichs; auch gegen diese betet er zum HERRN. Wider schlechte Menschen, die eine schlechte Sache verfechten, dürfen wir ohne allen Zweifel Gott aufrufen. Wenn ein Haus von Räubern besetzt ist, zieht der Hausherr die Sturmglocke, und in diesen Versen hören wir sie laut ertönen: Errette mich - schütze mich - errette mich - hilf mir. Saul hatte in der Tat mehr Grund als David sich zu fürchten; denn die unbezwingliche Waffe des Gebets ward gegen ihn geschwungen und der Himmel alarmiert, ihm eine Schlacht zu liefern. Und hilf mir von den Blutgierigen. Da er des wohl eingedenk ist, wie oft Saul ihn zu töten versucht hatte, weiß David, wes er sich von dieser Seite zu versehen hat, sowohl von dem König selber als von dessen Höflingen und Häschern. Er schildert seine Widersacher vor Gott in ihren wahren Farben; die Blutdürstigkeit der Feinde ist eine gerechte Ursache für das Eingreifen des gerechten Gottes, denn der HERR hat Gräuel an den Blutgierigen (Ps. 5,7).


4. Denn siehe, HERR, sie lauern auf meine Seele;
die Starken sammeln sich wider michohne meine Schuld und Missetat.
5. Sie laufen ohne meine Schuld und bereiten sich.
Erwache und begegne mir und siehe drein.


4. Denn siehe, sie lauern auf meine Seele. Er wusste, worauf sie es abgesehen hatten, auf sein Leben, und rief zu Gott um Rettung. Gleich wilden Tieren kauerten sie nieder und machten sich bereit, den verhängnisvollen Sprung zu tun. Der aber, den sie sich zum Opfer ausersehen hatten, wandte das wirksamste Mittel an, sie um ihre Beute zu prellen: er legte die ganze Sache dem HERRN vor. Während der Feind in der Stellung eines sprungbereiten Raubtiers verharrt, verharren wir in der Stellung des Gebets vor Gott; denn wir wissen, dass auch Gott bereit ist, bereit uns seine gnadenreiche Hilfe und unseren Feinden seinen schrecklichen Zorn zu erweisen. Die Starken sammeln sich wider mich. Keiner der Bosheitshelden fehlte beim Sammelruf, als es galt einen Frommen kalt zu machen. Das war ein zu guter Spaß, als dass sie hätten wegbleiben können! Die Kriegsgeübten, die ihre Pfeile brauchen sollten, um ihr Vaterland zu verteidigen, hetzten stattdessen einen friedlichen Staatsbürger; der riesenhafte Fürst verschwendete all seine Kraft darauf einen getreuen Anhänger zu Tode zu bringen. Ohne meine Schuld und Missetat, HERR. Er beruft sich vor Gott darauf, dass er sich nicht vergangen, in keiner Weise durch eigene Sünde den Zorn und Hass des Königs und seiner Günstlinge heraufbeschworen habe. Sein einziger Fehler war, dass er eine zu große Heldentat zum Besten seines Volkes ausgerichtet hatte und dass er zu fromm, vor allem aber, dass er des HERRN Auserwählter war; darum konnte der neiderfüllte König nicht ruhen, bis er seine Hände in dem Blut seines beim Volke allzu beliebten vermeintlichen Nebenbuhlers gewaschen hatte. Wir werden stets die Erfahrung machen, dass es etwas Großes ist unschuldig zu sein; verleiht es unserer Sache nicht vor den irdischen Gerichtshöfen den Sieg, so wird es sich doch stets als den triftigsten Beweis vor dem Richterstuhl des Gewissens erproben und als köstlichsten Trost in der Verfolgung. Lasst uns beachten, dass David seine Unschuld hier doppelt und im nächsten Vers abermals beteuert; so sehr ist er sich seiner Lauterkeit und Reinheit bewusst.

5. Sie laufen ohne meine Schuld und bereiten sich. Sie sind voll Eifers und voller Tatkraft; ihre Füße eilen Blut zu vergießen. Sie rennen in vollem Laufe an und stellen sich bereit. (Wörtl.) Sie wenden alle Kriegskunst an, gehen mit mächtigem Anlauf zum Angriff vor und befeinden mich mit der Gewalt und Gewandtheit eines Kriegsheers, das daran ist, eine Festung zu stürmen oder gegen die Reihe der Feinde anzurennen; und das alles, ohne dass ich irgendwelche Ursache gegeben habe, rein aus Bosheit. Sie sind so hurtig, die Befehle ihres grausamen Kriegsherrn auszuführen, dass sie keinen Augenblick stillstehen, um zu bedenken, ob ihr Vornehmen gut oder schlecht sei; sie laufen ohne Verzug und machen sich zum Angriff bereit. So ohne Ursache angefeindet zu werden ist schwer. Die Gefahr macht dem Tapferen noch wenig zu schaffen im Vergleich zu dem Kummer, den ihm das Unrecht, welches ihm zugefügt wird, verursacht. Es war eine unerhörte Schande, dass ein Held wie David so mit Hunden gehetzt wurde, als wäre er ein Ungeheuer, und in seinem Hause belagert wurde, wie man ein wildes Tier in seiner Höhle umzingelt. Erwache und begegne mir, d. i. stoß zu mir als mit einem Ersatzheere und siehe drein. Offenbare deine Macht. Rüttle dich aus der Untätigkeit auf. Sieh nur, in welch trauriger Lage dein Knecht ist, so kannst du ja nicht anders als zu seiner Hilfe herbeieilen. Die Worte zeigen uns, wie völlig der Psalmist auf Gottes Erbarmen traute. Es ist ihm genug, wenn der HERR sich durch den Augenschein von der Gefahr überzeugt, in der sich sein Schützling befindet; er weiß, es muss Gottes Mitleid bewegen.


6. Du, HERR, Gott Zebaoth, Gott Israels,
wache auf und suche heim alle Heiden;
sei der keinem gnädig,
die so verwegene Übeltäter sind. Sela.

Ja Du, HERR, tritt du selber für mich ins Mittel; denn meine Lage erheischt dein unmittelbares Eingreifen. Jehova, du Ewiger, Gott Zebaoth, auf dessen Wink alle Himmelsheere warten, um zu meiner Rettung herbeizueilen. Gott Israels, der du durch deinen Bund verpflichtet bist, deinen unterdrückten Knecht zu befreien, wache auf und suche heim alle Heiden, erwecke deinen heiligen Eifer, erweise deine göttliche Energie, züchtige die Heiden, die sich mitten in Israel befinden, die Falschen, die da sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern lügen mit diesem Bekenntnis. Und bist du einmal daran, die widergöttlichen Menschen heimzusuchen, so lass alle deine Feinde, alle Heiden, die beschnittenen wie die unbeschnittenen, wissen, dass du Gericht hältst. Es ist das Kennzeichen eines mit Nachdenken gesprochenen Gebetes, dass die Namen, die darin Gott beigelegt werden, der Sache, um die es sich handelt, angemessen sind und so der Bitte Nachdruck verleihen. Sollte Jehova dulden, dass sein Volk unterdrückt wird? Sollte der Gott der Heerscharen seine Feinde über seinen Gesalbten triumphieren lassen? Sollte der treue Bundesgott seine Auserwählten elend zugrunde gehen lassen? Der Name des HERRN ist, auch im buchstäblichen Sinn, ein festes Schloss, darin der Gerechte eine sichere Zuflucht findet. Wie stark, ja ungestüm ist die Bitte: Wache auf! Fahr drein, HERR, übe Gericht, züchtige mit Macht! Sei der keinem gnädig, die so verwegene Übeltäter (Grundtext: treulose Verräter) sind. Sei ihnen gnädig als Menschen, aber nicht als Übeltätern; bleiben sie verstockt in ihrer Sünde, so übe keine Nachsicht gegen sie. Drücktest du ein Auge zu gegen die Freveltaten dieser Verräter, so hieße das die Rechtschaffenen in ihrer Gewalt lassen; darum übersieh nicht ihre Missetaten, sondern vergilt ihnen, wie sie es verdienen. Der Psalmdichter fühlt, dass die Verstörung der Unterdrücker und Verräter, welche für ihn selber so notwendig ist, auch für viele andere Gottesfürchtige, die sich in ähnlichen Lagen befinden, gleich wünschenswert sein müsse; darum betet er für das ganze wahre Israel und gegen die ganze Sippschaft der Verräter. Sela. Wer möchte nicht still nachdenken, wenn an den Feinden Gottes Rache geübt wird? Welch verkehrte Gutmütigkeit ist es, wenn man es nicht leiden kann, von Bestrafung der Gottlosen zu hören.


7. Des Abends heulen sie wiederum wie die Hunde
und laufen in der Stadt umher.
8. Siehe, sie plaudern miteinander,
Schwerter sind in ihren Lippen: "Wer sollte es hören?"


7. Des Abends kehren sie wieder. (Wörtl.) Gleich wilden Tieren, die des Nachts umherschweifen, kommen sie allabendlich hervor um Unheil auszuüben. Sie scheuen das Tageslicht, denn sie wissen wohl, dass sie in demselben zuschanden werden würden; darum erwählen sie zur Ausführung ihrer Anschläge die zu ihren dunkeln Plänen besser stimmende Nachtzeit. In der Totenstille der Nacht beabsichtigen sie in das Haus einzubrechen. Heulen wie die Hunde und laufen in der Stadt umher. Voll Beutegier schleichen sie verstohlen in den Gassen einher und stimmen ein unheimliches Geheul an. Die morgenländischen Hunde sind bekanntlich sehr verachtet; sie gehören niemand, sind ganz verwildert, immer hungrig, abschreckend hässlich und ekelhaft schmutzig. Mit diesen Tieren vergleicht David seine Feinde. Sie heulen vor Gier und weil sie die erhoffte Beute nicht finden. Die Häscher Sauls und der grausame König selber müssen fürchterlich gerast haben, als sie anstatt des David das Götzenbild und das Ziegenfell in dem Bett fanden. Umsonst war all ihr Lauern, das Opfer war befreit, und zwar durch die Tochter des Mannes, der sein Blut begehrte. Geht in eure Schlupfwinkel, ihr Hunde, und nagt eure Knochen; denn mit diesem guten Bissen ist es nichts!

8. Siehe, sie geifern mit ihrem Munde. (Grundtext) Die boshaften Reden fließen ihnen aus dem Munde, wie einem tollen Hund der Geifer. Die Gottlosen haben im Verleumden eine merkwürdige Zungenfertigkeit; es fließt ihnen nur so heraus. Ihr Schatz an Schimpfwörtern und Schmähreden, ein Wort garstiger als das andere, ist unerschöpflich. Welche Flut von gehässigen Verwünschungen gießen sie über die Gottesfürchtigen aus! Sie brauchen keine Vorsager; ihre Gefühle machen sich von selber Luft und bilden sich die kräftigen Ausdrücke ohne Mühe. Schwerter sind in ihren Lippen. Sie sprechen Dolche. Ihre Worte stechen wie Schwerter und spalten wie Weidmesser. Wie der Löwe seine Krallen in den sammtweichen Pfoten birgt, so bergen ihre süßen roten Lippen blutige Worte. Denn - "wer hört es?" also denken sie. Nichts hält sie in Schranken; denn Gott im Himmel fürchten sie nicht, und die irdische Obrigkeit haben sie auf ihrer Seite. Wenn Menschen sich niemand gegenüber verantwortlich halten, so ist unberechenbar, was sie alles tun mögen. Wer sich vor Gott nicht fürchtet und sich vor keinem Menschen scheut, geht mit wahrer Lust darauf aus andere zu unterdrücken und schämt sich nicht im Geringsten, von seinen frevelhaften Absichten und Taten in der frechsten und unbarmherzigsten Weise zu reden. David befand sich in einer seltsamen Lage, da er das nichtsnutzige und prahlerische Geschwätz der saulischen Finsterlinge rund um sein Haus her hören musste. Etwa in der Art, wie ein englischer "Cavalier" (Anhänger Karls des Ersten in dem Streit mit dem puritanischen Parlament) einen puritanischen "Rundkopf" (so genannt wegen des rundum kurzgeschorenen Haares) verwünscht haben würde, fluchten die Anhänger Sauls über den Emporkömmling, welchen zu verhaften des Königs Majestät ihnen befohlen hatte. David nannte sie Hunde, und ein nettes Pack waren sie ohne Zweifel. Als sie sprachen: "Wer hört es?", hörte Gott gar wohl; dies wusste David und fasste darum guten Mut.


9. Aber Du, HERR, wirst ihrer lachen und aller Heiden spotten.
10. Vor ihrer Macht halte ich mich zu dir;
denn Gott ist mein Schutz.
11. Gott erzeigt mir reichlich seine Güte;
Gott lässt mich meine Lust sehen an meinen Feinden.


9. Aber Du, HERR, wirst ihrer lachen, oder: lachst ihrer. Er redet mit Gott als mit jemand, der ganz in der Nähe steht. Er weist auf die Laurer und spricht mit Gott über sie. Sie lachen über mich und lechzen nach meinem Verderben; dir steht es aber besser an über sie zu lachen, da du beschlossen hast, sie ohne das ersehnte Opfer und von Michal zum Besten gehalten heimzuschicken. Die mächtigsten, klügsten und boshaftesten Feinde der Gemeinde Gottes sind für den HERRN nur ein Gegenstand des Gelächters; ihre Anschläge sind nichtig, sie brauchen uns, wenn wir auf den HERRN vertrauen, keine Sorge zu bereiten. Und aller Heiden spotten. Es ist, als sagte David: Was sind diese Gesellen, die auf mich lauern, und was der König, der sie gesandt hat, wenn Gott auf meiner Seite ist? Wenn nicht nur dies Gelichter, sondern alle heidnischen Nationen miteinander mein Haus belagerten, so würde Jehova doch mit leichter Mühe alle ihre Anschläge vereiteln und mich aus ihrer Hand befreien. Am Ende aller Dinge wird man es sehen, wie ohnmächtig und verächtlich alle Feinde der Reichssache Gottes sind. Es zeugt aber von kühnem Glaubensmut, dies jetzt schon zu sehen, wo der Feind in voller Macht dasteht und die Gemeinde oft dem in seinem Hause eingeschlossenen und belagerten David gleicht.

10. Vor ihrer Macht halte ich mich zu dir.2 Ist mein Verfolger mächtig? Dann will ich mich gerade um dessentwillen vertrauensvoll zu dir halten und meine Sache in deinen Händen lassen. Was könnten wir Klügeres tun, als in der Größe unserer Schwierigkeiten einen Grund finden, uns auf den HERRN zu werfen?

Je dunkler unser Nächte Graun,
Je drückender der Schmerz,
Um so viel völliger vertraun
Wir auf dein Vaterherz.

  Denn Gott ist mein Schutz, wörtl.: meine feste Höhe, meine Burg, mein Zufluchtsort. Ist mir der Feind zu stark, als dass ich es mit ihm aufnehmen dürfte, so ziehe ich mich in meine Feste zurück, wo er mich nicht antasten kann.

11. Mein Gott wird mir mit seiner Gnade entgegenkommen. (Grundtext3 Ich werde meinen Feinden nicht allein entgegentreten müssen, sondern mein Gott wird mir in der Stunde der Not zu Hilfe eilen. Er wird mir mit seiner Gnade, die ich so oft erprobt habe, entgegenkommen, mir den Weg durch die Reihen der Feinde bahnen und mich treulich beschützen. Gott wird mich an meinen Feinden meine Lust sehen lassen. Jetzt schon kann David ohne Zagen auf seine Feinde schauen, und bald wird er sie verwirrt, zerstreut und vernichtet sehen. Richte wie David gläubig deinen Blick auf Gott, so brauchst du dich nicht zu fürchten, sondern kannst triumphieren, ob du dich auch ringsum von Verrätern und Feinden belagert siehst.


12. Erwürge sie nicht, dass es mein Volk nicht vergesse;
zerstreue sie aber mit deiner Macht, Herr, unser Schild, und stoß sie hinunter!
13. Das Wort ihrer Lippen ist eitel Sünde,
darum müssen sie gefangen werden in ihrer Hoffart; denn sie reden eitel Fluchen und Lügen.
14. Vertilge sie ohne alle Gnade; vertilge sie, dass sie nichts seien
und innewerden, dass Gott Herrscher sei in Jakob, in aller Welt. Sela.


12. Erwürge sie nicht, dass es mein Volk nicht vergesse. Es beweist großen Glauben auf Davids Seite, dass er, während sein Haus noch von den Feinden umzingelt ist, ihrer Niederlage so gewiss ist und sich diese so lebhaft vergegenwärtigt, dass er Gott die Bitte vorträgt, seine Verfolger nicht schnell oder zu völlig auszurotten. Gottes Sieg über die List und Grausamkeit der Gottlosen ist so leicht und so glorreich, dass es fast schade zu sein scheint, den Kampf so schnell abgeschlossen zu sehen. Es hieße das großartige Schauspiel der Vergeltung zu plötzlich beendigen, wenn Gott die Ränkeschmiede alle auf einmal hinwegfegte. Nein, lieber lass die Gerechten noch ein wenig länger geplagt werden und die übermütigen Bedrücker noch ein wenig länger prahlen und schnauben; es wird Israel dazu dienen, die Gerechtigkeit Gottes stets im Sinn zu behalten, wenn sich die Gerichte an den Feinden mehr allmählich vollziehen, und es wird die Getreuen, welche es mit dem von Gott beschützten Helden halten, mehr mit Gottes Weise des Eingreifens vertraut machen. Es wäre in der Tat schade, wenn die Rechtschaffenen ohne Lästerer wären, da die Tugend auf dem dunkeln Hintergrunde der Verleumdung nur umso heller erglänzt. Die Feinde helfen Gottes Knechten wach und wacker bleiben. Ein uns hart zusetzender Quälgeist ist weit weniger zu scheuen, als wenn uns ein Geist der Schläfrigkeit und Vergesslichkeit in Schlummer zu wiegen sucht. Zerstreue sie aber, Grundtext: Treibe sie in die Irre, mit deiner Macht. Verstreue sie wie Spreu in alle vier Winde. Lass sie heimatlos umherschweifen, mache sie unstet und flüchtig wie Kain. Setze sie zu lebendigen Denkmalen der göttlichen Macht, zu Wahrzeichen des Ernstes deiner Drohungen. Lass sich deine Gerechtigkeit an ihnen im vollsten Maße erweisen zum warnenden Beispiel für andere. Und stoß sie hinunter von ihrer stolzen Höhe. Von den Sitzen der Macht und aus den einflussreichen Stellungen, die sie innehaben, aber nur zu deren Entehrung und Schändung, lass sie in tiefe Niedrigkeit geschleudert werden. Das ist ein berechtigter Wunsch, und wenn wir an ihm die Sanftmütigkeit Jesu vermissen, so lasst uns bedenken, dass es das Gebet eines rauhen Kriegshelden ist und das Begehren eines Mannes, der unsäglich litt unter Ungerechtigkeit und Bosheit nicht gewöhnlicher Art. Herr, unser Schild. David wusste sich als Vertreter des wahren Israel, darum sagt er "unser Schild "; er spricht im Namen aller derer, welche Jehova zu ihrer Schutzwehr machen. Wir sind in guter Gesellschaft, wenn wir uns unter dem Schirm des Ewigen bergen. Zudem ist derselbe, welcher der Schild der Seinen ist, auch der Zerstreuer ihrer Feinde.

13. Das Wort ihrer Lippen ist eitel Sünde, darum müssen sie gefangen werden in ihrer Hoffart. Solch schreckliche, gottesleugnerische und übermütige Reden, wie jene sie allezeit im Munde führen, verdienen ihren Lohn. Wie sie ihr Opfer zu fangen hoffen, so müssen sie selber gefangen werden, verstrickt in ihr eigenes Netz, zur Haft gebracht mitten in ihrer prahlerischen Sicherheit. Zungensünden sind wirklich Sünden und strafbare Sünden. Mögen die Menschen nicht denken, dass sie straflos ausgehen werden, weil ihr Hass sich nicht in handgreiflichen Taten, nur in Schimpfreden und Lästerungen äußert. Er, der den Willen für die Tat nimmt, wird auch die Worte für Taten nehmen und mit den Menschen demgemäß handeln. Ruchlose Leute, die mit ihren Reden die Kinder Gottes verfolgen, Schurken, deren Zungen ein Dolch und deren Lippen Feuerbrände sind, werden ihre Sünden geradeso in Gottes Buch verzeichnet finden, als wenn sie mit der Hand den Auserwählten Gottes den mörderischen Dolch ins Herz gestoßen und den Scheiterhaufen für sie angezündet hätten. Hoffart ist Sünde, auch wenn sie sich nicht in Kleidern, sondern nur in Worten und Gebärden zeigt, und der verfolgungssüchtige Übermut wird sich, auch wenn er kein Reisig in Smithfield (einem Marktplatze Londons, wo viele "Ketzer" den Feuertod erlitten haben) aufhäuft, sondern nur mit der Zunge schmäht, deswegen zu verantworten haben mitten unter der Schar der Diener der heiligen Inquisition. Denn sie reden eitel Fluchen und Lügen. Sünden jagen, wie die Hunde, meist in Koppeln. Wer sich nicht scheut, vor Gott zu fluchen, wird sicher gegen die Menschen lügen. Der Hass gegen die Heiligen führt zu Lügen, Fluchen und Schwören. Sie fluchen den Frommen und müssen ihren Hass mit Lügen und Meineiden rechtfertigen. Der HERR aber wird ihnen das nicht durchgehen lassen, sondern ihnen gerechte Vergeltung geben. Wie oft ist es geschehen, dass die Gottlosen von der rächenden Gerechtigkeit ereilt wurden, während ihre hochmütigen und lügnerischen Reden noch in ihrem Munde waren, und sie es so zu ihrem Entsetzen erfahren mussten, wie ihre Flüche auf sie selber zurückfuhren.

14. Vertilge sie ohne alle Gnade. Es ist, als hätte der Dichter bei dem erneuten Überdenken des schändlichen Treibens der Frevler seinen Sinn geändert; er bittet jetzt, dass Gott diesen doch ein jähes Ende bereiten möge. Vertilge (sie) im Grimm, bittet er (Grundtext), und er wiederholt den dringenden Ruf: vertilge (sie); ja er verstärkt abermals seine Bitte, indem er hinzufügt: dass sie nicht mehr seien. (Grundtext) Gotteslästerer, deren Mund solchen Schmutz ausschäumt, solch niederträchtige Reden, wie sie David bei dieser Gelegenheit mit eigenen Ohren zu hören gezwungen war, sind für gottgeheiligte Seelen unerträglich; es kann nicht anders sein, als dass die Entrüstung in ihnen aufflammt und sie wider jene zu Gott rufen. Wenn Menschen für ihre Zeitgenossen und für den Ort, da sie leben, ein Fluch sind, führt schon die allgemeine Menschenliebe die Gerechten zu dem Wunsch, dass solche hinweggeräumt werden möchten. Könnte man sie bessern, so wäre das ja weit vorzuziehen; aber ist das unmöglich, müssen und wollen sie fortfahren, wie tolle Hunde in der Stadt Unheil anzurichten, dann mach es ein Ende mit ihnen, o Gott! Wer könnte wünschen, ein solches Geschlecht erhalten zu sehen? Damit man4 innewerde, dass Gott Herrscher sei in Jakob bis an die Enden der Erde. (Grundtext) Gottes Herrschaft umfasst die ganze Welt, aber seinen Thron hat er mitten unter seinen Auserwählten aufgerichtet; da ist sein Hauptquartier, von da aus ergehen seine Gerichte über die Sünde. David wünschte, dass alle Welt dies erkenne. Lass, o Gott, auch die entferntesten Nationen innewerden, dass du, der gerechte Herrscher, Macht hast, die Gottlosigkeit zu züchtigen, und dass du das Unrecht bei keinem Menschen, zu keiner Zeit und an keinem Orte übersiehst. Es ist eine schätzenswerte Lektion für die ganze Menschheit, wenn je und je die Sünde öffentlich vor aller Welt gezüchtigt wird. Der Sturz eines Napoleon ist eine gewaltige Predigt für alle Monarchen, das Ende eines Voltaire eine Warnung für alle Ungläubigen, die Belagerung von Paris mit ihren Schrecken und Gräueln ein Mahnruf an alle Städte. Sela. So ernste Themata wollen mit tiefem Ernst überdacht sein. Lieber Leser, halt einen Augenblick inne und sinne still über Gottes heiliges Walten nach.


15. Des Abends heulen sie wiederum wie die Hunde
und laufen in der Stadt umher.
16. Sie laufen hin und her um Speise
und murren, wenn sie nicht satt werden.


15. Des Abends kehren sie wieder, heulen wie die Hunde und laufen in der Stadt umher. (Grundtext) Hier wiederholt der Dichter den siebenten Vers, als ob er damit seinen Feinden Hohn sprechen wollte und sich an dem Gedanken an ihre vergebliche Haussuchung, ihre enttäuschte Bosheit, ihre überlistete Wachsamkeit und all ihre verlorene Mühe ergötzte. Er lacht, indem er daran denkt, wie die ganze Stadt es erfahren werde, wie sie getäuscht worden sind, und wie man sich in ganz Israel die köstliche Geschichte von dem Götzenbild und dem Ziegenfell, das die Häscher statt des David im Bett gefunden, erzählen werde. Nichts dünkte einen Orientalen ergötzlicher als solch ein Fall von Überlistung der Listigen; und nichts macht einen Mann mehr zum Gegenstand des Spottes, als wenn er von einem Weibe zum besten gehalten wird, wie hier Saul und seine erbärmlichen Höflinge von Michal. Der kriegerische Dichter hört mit seinem inneren Ohr das Wutgeheul der Feinde ob der schmachvollen Entdeckung, dass ihr Opfer ihren Händen so geschickt entronnen ist.

16. Sie laufen hin und her nach Speise und murren,5 wenn sie nicht satt werden. Wie Hunde, denen der erhoffte gute Bissen entgangen ist, laufen sie zähnefletschend hin und her; ihre Enttäuschung ist zu groß, als dass sie still sein und ihren Grimm verbeißen könnten. Auch können sie es noch gar nicht glauben, dass sie auf ihr Opfer wirklich verzichten müssen; gleich einem Rudel orientalischer Hunde streifen sie umher, die Beute suchend, die sie doch nicht finden werden. "Es kann nicht sein," sprechen sie, "wir werden ihn doch noch kriegen. Vielleicht ist er dort in jener Ecke, oder er hat sich da und da in jenem Schlupfwinkel verborgen. Wir müssen ihn haben um jeden Preis. Das Leben ist uns verleidet, solange er sich seines Lebens freut. Wir lechzen nach seinem Blut, und mag er stecken, wo er will, wir werden ihn zu finden wissen." Aber all ihre Hoffnung, ihre eigene und ihres Herrn Bosheit zu befriedigen, ist eitel. Sieh, wie unruhig die Gottlosen sind; diese ihre Ruhelosigkeit nimmt zu in dem Verhältnis, wie sich ihre Feindschaft wider Gott steigert, und in der Hölle wird sie ihre endlose Qual sein. Was ist der Zustand der Verlorenen anders als derjenige einer Rotte von Rebellen, die eine gänzlich hoffnungslose Sache unternommen haben und doch nicht davon lassen wollen, sondern durch ihre rasenden Leidenschaften gezwungen werden, sich in ohnmächtigem Wüten wider Gott, wider die Wahrheit und wider Gottes Volk zu verzehren?


17. Ich aber will von deiner Macht singen
und des Morgens rühmen deine Güte;denn du bist mein Schutzund Zuflucht in meiner Not.
18. Ich will dir, mein Hort, lobsingen;
denn du, Gott, bist mein Schutz und mein gnädiger Gott.


17. Ich aber will von deiner Macht singen. Die Gottlosen heulen, ich aber singe und will singen für und für. (Der Grundtext betont das Sie V. 16 und das Ich V. 17; diese bilden demnach einen Gegensatz.) Ihre Macht ist nichts als Ohnmacht, aber deine Macht ist die Allmacht; schon sehe ich sie vernichtet, sehe den herrlichen Triumph deiner Macht, und darum will ich ewig dich preisen. Und am Morgen über deine Gnade jubeln. (Wörtl.) Wenn jene Finsterlinge merken müssen, dass ihr Spiel zu Ende ist, und wenn ihr nächtliches Geheul verstummt ist, dann will ich meine Stimme laut erheben und ohne Furcht, darin gestört zu werden, Gottes Güte rühmen. Welch ein herrlicher Morgen wird bald für die Gerechten anbrechen, und welch jubelnden Gesang werden sie dann anstimmen! Ihr Kinder des Lichtes möget am Abend weinen, aber auf den Schwingen der Morgenröte wird die Freude zu euch eilen. Stimmt eure Harfen schon jetzt, denn bald wird das Zeichen zum Beginn des ewigen Lobliedes gegeben werden; der Morgen kommt, und dann wird eure Sonne nie mehr untergehen ewiglich. Dass du mir eine Burg gewesen bist und Zuflucht zur Zeit meiner Not. (Wörtl.) Das Loblied gilt Gott allein, und es ist solcher Art, dass niemand es singen kann außer solchen, die die Freundlichkeit Gottes als ihres Bundesgottes in der Not erfahren haben. Bei dem Rückblick auf eine Vergangenheit, die der Güte Gottes überströmend voll ist, werden die Heiligen von ganzem Herzen und aus allem Vermögen den HERRN preisen und ihn als ihre sichere Zuflucht rühmen. Je größer unsere gegenwärtigen Nöte sind, desto lauter werden in der Zukunft unsere Lobgesänge ertönen, desto brünstiger wird unser froher Dank sein. Hätten wir keine Zeit der Not, wo bliebe die Zeit dankbaren Rückblicks? Dass David von Sauls Bluthunden umstellt war, schuf eine neue Gelegenheit für Gottes Eingreifen und damit einen neuen Anlass zu frohlockendem Preise.

18. Meine Stärke, von dir will ich lobsingen. (Grundtext) Welche Begeisterung sehen wir hier an David; wie drängen alle seine Gemütsbewegungen auf das eine Ziel hin Gott zu preisen! Stärke ist durch Stärke überwunden worden; nicht durch des Helden eigne Tapferkeit, sondern durch Gottes Macht allein. Sieh, wie der Sänger sich mit der Allmacht Gottes gürtet und sie im Glauben ganz sein Eigen nennt: meine Stärke. Lieblich ist die Musik der Erfahrung; aber ihre Töne erklingen alle Gott zu Ehren, es bleibt auch nicht ein verlorenes Nötlein übrig für des Menschen Ehre, weder für uns selbst noch für irdische Helfer. Denn Gott ist meine Burg, mein gnädiger Gott. (Grundtext) Mit voller Gewissheit des Glaubens erhebt der Sänger Anspruch auf den Unendlichen als auf seinen Schirmherrn, seine sichere Zuflucht. Er sieht Gott in allem, und alles ist im Glauben sein. Die Gnade erhebt sich vor ihm groß und herrlich, denn er fühlt, wie alles unverdiente Güte ist, und unanfechtbare Sicherheit umgibt ihn, denn in Gottes Schutz weiß er sich unbedingt geborgen. O welch herrlich Lied! Meine Seele möchte es jetzt anstimmen, allen Mächten der Hölle zum Trotz! Hinweg mit euch, ihr alle, die ihr meiner Seele nach dem Leben trachtet; mein gnadenreicher Gott wird euch im Schach halten, er wird es weder Mensch noch Teufel zulassen, eins der Seinen zu verderben, die Er erhalten will!


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Um diese Zeit wurde David vom heiligen Geist getrieben, einen Psalmen zu schreiben, der, wie viele andere, als ein lauteres Wort Gottes der Bibel einverleibt wurde. Ob David schon vorher Psalmen gemacht habe, kann man weder sicher bejahen noch verneinen. Nun lege man aber das Unglück und das Glück Davids in zwei Waagschalen. Ein Hofmann und Offizier, der bei dem König in Ungnade gefallen, den der König mit einem unversöhnlichen Grimm zu töten sucht, den die Hofleute und viele andere, um dem König zu gefallen, schmähen und verfolgen, ein Mann, der fliehen muss, der bei Mangel und Ungemach überall sich verbergen muss, der oft keinen Platz auf Erden finden kann, wo er sein Haupt sicher hinlegen könnte, ein solcher Mann kann wohl von Unglück sagen und ist auf dieser Seite eine elende Person. Stellt man sich aber vor, dass Gott die Seele dieses Mannes in seinen tiefsten Nöten gnädiger Heimsuchungen würdige, sie über alle Nebel und Wolken gleichsam erhebe, ihr die hellsten Einsichten in die Wahrheit verleihe, sie durch unbetrügliche Ansprachen und freundliche Tröstungen erquicke und durch sie alle Geschlechter der Menschen zur Seligkeit unterweise, so wird man ja bekennen müssen, da das Glück dieses Mannes größer sei als sein Unglück, dass seine Ehre größer sei als seine Schmach und dass sein Gutes allen Mangel, den er äußerlich leiden muss, überschwenglich ersetze. David erkannte solches selbst, weswegen er in seinen letzten Worten sich seiner Psalmen mit Wonne und Dank erinnerte, 2. Samuel 23,1-3. Hat es nun mit dem Glück Davids in seinen tiefsten Nöten diese Bewandtnis gehabt: welch einen unendlichen Überschwang bekommt dasselbe nicht vor unseren Augen, wenn wir seine Errettung aus allen Nöten, die er Ps. 18 rühmt, und endlich sein herrliches Los in der seligen Ewigkeit dazunehmen! Nun, auf gleiche Weise dürfen wir von allen Kindern und Knechten Gottes urteilen, ob sie schon keine Psalmen dichten können, ob sie schon keine Propheten sind und keine Könige werden. Auch das gewöhnliche Maß der Gnaden und Gaben überwiegt alles Unglück, welches den äußerlichen Menschen betreffen kann, überschwenglich. Prälat M. Fr. Roos 1773.


V. 4. Zu dem Ausdruck: Sie stellen nach meiner Seele, vergleiche man 1. Samuel 19,11: Und Michal, sein Weib, sprach zu David: Wenn du deine Seele nicht rettest diese Nacht, so wirst du morgen getötet. Vergl. auch Ps. 7,3.6. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.

V. 4 f. Ohne Verschuldung von meiner Seite. Gegen Saul war er ein treuer Untertan und ein gehorsamer Schwiegersohn. Benjamin Boothroyd † 1836.
  Nicht vor Gott, wohl aber gegenüber seinen Verfolgern weiß er sich schuldlos, und dies macht er geltend. Man merke erstens: Ihre Unschuld schützt die Frommen nicht vor der Bosheit der Gottlosen. Sie, die harmlos sind wie Tauben, werden doch um Christi willen von allen Menschen gehasst, als ob sie schädlich wären wie giftige Schlangen und darum ihre Ausrottung ein nützliches Werk wäre. Zweitens: Wiewohl unsere Schuldlosigkeit uns nicht vor Trübsalen schützt, wird sie uns in diesen doch ein mächtiger Halt und Trost sein. Das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir uns wohl verhalten haben gegen diejenigen, welche sich gegen uns schlecht betragen, wird uns in der bösen Zeit eine mächtige Freudenquelle sein. Sind wir uns unserer Unschuld bewusst, so dürfen wir uns mit demütiger Zuversicht an Gott wenden und ihn bitten, unsere Sache in seine Hand zu nehmen und uns Recht zu schaffen. Und das wird er tun zur rechten Stunde. Matthew Henry † 1714.


V. 5. Sie laufen, d. i. sie rennen heran wie bewaffnete Krieger zum Angriff. Vergl. Ps. 18,30: Mit dir kann ich Kriegsvolk anrennen. Das folgende Wort (und bereiten sich) heißt auch: sich in Positur setzen, festen Stand fassen, sich zum Angriff bereit machen, wie ein Heer, das eine Stadt belagert. A. R. Fausset 1866.
  Der Eifer und die Emsigkeit der Gottlosen in der Ungerechtigkeit sind wohl dazu angetan, den Frommen ein stiller Vorwurf zu sein für ihre Trägheit und Saumseligkeit in dem Werk des Glaubens und der Arbeit der Liebe. Nichts ist so sehr eine Quelle des Unheils für die Gemeinde des Herrn wie der Mangel an wahrem Eifer und feuriger Begeisterung. William Swan Plumer 1867.
  Erwache. Der Hüter Israels schläft freilich nicht, das weiß auch der Glaube. Aber wenn Gott in die schweren Umstände, die in der Welt über die Seinigen ergehen, nicht gleich seine schwere Hand schlägt, sondern es dem Teufel und seiner Werkzeuge Neid überlässt, so scheint das uns ein Schlaf, und der Glaube schreit: Erwache! begegne! und siehe darein! Karl Heinrich Rieger † 1791.
  Indem er sagt: siehe, mischt er die Empfindung des Fleisches unter die Lehre des Glaubens. Denn als ob Gott mit verschlossenen Augen bis auf jenen Tag alles Unrecht übersehen hätte, bittet er ihn, dass er jetzt anfange zu sehen: dies nach der Schwachheit des menschlichen Gemüts. Unterdessen erkennt er, indem er Gott das Sehen beilegt, dass nichts seiner Vorsehung verborgen ist. Jean Calvin † 1564.


V. 6. Jehova, Elohim, Zebaoth, wie in Ps. 80,5.20; 84,9. Vergl. dagegen 2. Samuel 5,10; 1. Könige 19,10.14; Ps. 89,9. William Kay 1871.


V. 7.15. Des Abends kehren sie wieder und heulen wie die Hunde. Den Lärm, den ich da hörte, werde ich nie vergessen. Selbst wenn man sich vorstellte, dass all die Schäferhunde, die an einem Markttag auf dem Wege nach Smithfield sind, unaufhörlich zu bellen anhielten und den sämtlichen auf allen Karren ganz Londons kläffenden Kötern gegenübergestellt würden, so wäre das doch immer noch ein ganz schwacher Vergleich. Die ganze Stadt erscholl von einem ungeheuren Aufruhr - unter mir in Tophana, gegenüber in Stambul, fern in Skutari; die sämtlichen sechstausend Hunde, die angeblich in Konstantinopel umherschweifen, schienen miteinander im Kampf zu liegen auf Leben und Tod, ohne einen Augenblick Unterbrechung. Das Kläffen, Bellen, Heulen, Knurren und Fletschen verschmolz in einen ununterbrochen anhaltenden, gleichmäßigen Lärm, etwa wie der freilich viel schwächere Lärm der Frösche, wenn man ihn aus der Ferne hört. Stundenlang dauerte dies an. Ich sank endlich für eine Weile in Schlaf; aber als ich wieder erwachte, hörte ich durch die offenen Fenster noch den gleichen Tumult fortdauern. Erst als der Tag anbrach, wurde die Ruhe einigermaßen wiederhergestellt. Albert Smith 1850.
  Man stelle sich einen der morgenländischen Heiligen so abgebildet vor, dass seine Füße auf einem Hunde ruhen, gleichwie auf dem bekannten Bilde Wilhelm der Schweiger, der heldenhafte Prinz von Oranien, auf dem treuen Wachtelhund ruht, der ihm bei dem nächtlichen Angriff der spanischen Truppen das Leben rettete, oder wie so mancher andere Ritter des Mittelalters dargestellt ist. Ein solches Bild wäre für die Augen eines Orientalen die größte Entweihung, welche ein Feind einem geweihten Gebäude zufügen könnte! Und wie verächtlich und auf unsre Hunde ganz und gar nicht anwendbar sind die Ausdrücke mit denen die Bibel die Hunde und ihre Gewohnheiten beschreibt. Welch ein Gegensatz zwischen diesen wilden, unreinen, meisterlosen Tieren und der gesetzten, würdevollen Art eines Neufundländers, dem scharfsinnigen, lebhaften Gesichtsausdruck eines Dachshundes, dem aufmerksam treuen Auge eines Wachtelhundes! Aber hier in Tyrus, wie in den meisten Städten des Morgenlandes, drängen sich uns die bekannten Schilderungen der Bibel in ihrer ganzen Kraft und Naturwahrheit auf. Auf die wolfähnlichen, allezeit hungrigen, herrenlosen Hunde, welche "in der Stadt umherschweifen", wie z. B. in Alexandrien, sich wie die Schakale in Rudeln zusammenrotten, allen Unrat verzehren und "knurren, wenn sie nicht satt werden", oder auf die ausgehungerten Scheusale, die, wie z. B. die Hunde von Tyrus, "draußen" (Off. 22,15) als Verbannte umherirren, auf sie passen genau die Schilderungen der Schrift, welche wir auf unsere Hunde, diese treuen und nützlichen Freunde des Menschen, anzuwenden uns mit Recht weigern. Wanderungen durch die Länder der Bibel 1862.


V. 8. Sie geifern, oder auch sie sprudeln aus: wie eine Quelle Wasser aussprudelt, so stoßen sie Schmähungen, Drohungen, vermessene Reden (vergl. Ps. 94,4 Grundtext) in Fülle aus, vergl. auch Spr. 15,2.28; Jer. 6,7. Ihre innere Bosheit schäumt über. Die Feinde Davids drohten mit prahlerischem Übermut und frecher Bosheit, was sie ihm tun wollten, wenn sie ihn fänden; so sprudelten und schäumten auch die Feinde Christi ihre lästerlichen Anklagen gegen den Herrn aus. John Gill † 1771.


V. 9. Gott sieht mit vornehmem Lächeln auf diese zwerghaften Riesen, die sich gebärden, als könnten sie bis an den Himmel langen. Er macht sich ihretwegen keine Sorge; so sollten denn auch wir uns nicht über sie aufregen, sondern auf den Allmächtigen trauen, der ihrer Ohnmacht spottet, und uns dabei beruhigen, dass im Himmel ein Ratschluss feststeht, der all die irdenen Gebilde der menschlichen Ratschläge zermalmen wird, wie in Nebukadnezars Gesicht der ohne Hände herabgerissene Stein die vier Weltreiche zertrümmerte. Je frecher und schändlicher die Gottlosen wider die Heiligen wüten, desto besser für diese; denn dadurch wird der Untergang jener beschleunigt: Gott wird desto schneller eingreifen. Abraham Wright 1661.


V. 10. Halte ich mich zu dir, wörtl.: ich achte auf dich, vergl. das gleiche Wort der Überschrift im Grundtext: und sie das Haus bewachten. Ebenso unverwandt, wie sie ihre Blicke auf das Haus richteten, um ihn zu töten, richtete David seinen Blick auf Gott. A. R. Fausset 1866.


V. 11. Gott erzeigt mir reichlich seine Güte. Im Grundtext ist es gar nachdrücklich gegeben: Gottes feine Gnade kommt mir zuvor, oder wie es andere lesen: Mein barmherziger Gott kommt mir zuvor, wie denn Augustinus aus diesem Text die vorlaufende Gnade Gottes herrlich behauptet hat, wie die nachfolgende aus Ps. 23,6. Johann David Frisch 1719.


V. 12. Erwürge sie nicht: nicht auf einmal mit dem ersten Streich, wie Pharao, der im Roten Meer ersoff, wie die Leute zu Sodom, die plötzlich mit Feuer vom Himmel vertilgt worden, wie die Rotte Korah, Dathan und Abiram, die unversehens von der Erde verschlungen worden sind. Johann David Frisch 1719.
  Erwürge sie nicht, damit sich durch das Anschauen des über ihnen fort und fort waltenden Gerichts der Glaube anderer stärke. Man kann vergleichen, was Plutarch von den Spartanern erzählt, dass diese nämlich eine benachbarte Stadt, welche ihren Heeren oft zu schaffen machte, nicht hätten zerstören wollen, indem sie gesagt hätten: Zertrümmert nicht den Wetzstein unserer jungen Mannschaft! Andrew A. Bonar 1859.
  Die Feinde sollen nicht weniger, wie in ihrem eigenen plötzlichen Untergange (V. 14), auch in dem bleibenden Elende ihres Geschlechtes (V. 12) zum Denkmale der göttlichen Gerechtigkeit dienen. Parallel ist die Verwünschung, welche David über Joab ausspricht in 2. Samuel 3,29, dann die Drohung des Gottesmannes an Eli in 1. Samuel 2,36. Die christliche Auslegung hat von jeher darauf aufmerksam gemacht, dass der Inhalt unseres Verses wie der von V. 7. 15 an den Juden in Erfüllung gegangen sei. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.
  Aus dem in diesem Psalmvers angegebenen Grunde haben Bernhardus (von Clairvaux) u. a. die Juden im Lande und bei Leben zu lassen geraten. Johann David Frisch 1719.
  Erwürge sie nicht, zerstreue sie aber. Es scheint eine Anspielung auf die Strafe Kains vorzuliegen. Vergl. 1. Mose 4,14, wo die gleichen Zeitwörter vorkommen. Giovanni Diodati † 1649.
  Treib sie in die Irre durch dein Heer (Grundtext): durch dein Engelheer (vergl. Joel 2,25); nicht allgemein: Stärke, wofür lyixa nicht gebräuchlich ist. Lic. Hans Keßler 1899.
  Stoß sie hinunter. Er will, dass sie von ihrem ehrenvollen Sitz herabgezogen, gleichsam vor die Füße geworfen werden, so dass sie in ihrem Elend und Schimpf ein beständiges Schauspiel des göttlichen Zorns gewähren. Jean Calvin † 1564.


V. 13. Gleichwie Rauch vor dem Feuer hergeht, also gehen Lügen und Lästerungen her vor öffentlichen Verfolgungen. Johann Arnd † 1621.
  Die Redensart Wort der Lippen wird oft gebraucht von leerem und prahlerischem Geschwätz. Den Gegensatz bilden gediegene, auf Tatsachen gegründete Worte. Vergl. 2. Könige 18,20: Du sprichst, aber es ist nur ein Wort der Lippen. Spr. 14,23: Alle saure Arbeit schafft Gewinn; aber Wort der Lippen, d. h. bloßes Geschwätz, führt nur zum Mangel. Herm. Venema † 1787.


V. 14. Vertilge sie. Ich höre von traurigen Dingen, die in Polen geschehen, von niedergebrannten Dörfern, von friedlichen Männern, die zu Hunderten nach Sibirien verschickt werden, von Frauen, die mit der Knute gestäupt werden; und wenn ich mich auf den Warschauer Marktplatz versetze, wo eine Frau fast völlig nackt öffentlich durchgepeitscht wird, und wenn ich sehe, wie der grausame Murawjew (der Unterdrücker des Aufstands 1863-65) dazu lächelt, dass dem armen Opfer das Blut von den Schultern strömt, so fühle ich mich, ich will es nicht leugnen, versucht zu sagen: "Wohl dem Mann, dessen Kugel in ehrlichem Kampfe diesen Sattel seines Reiters entledigen würde!" Bin ich darum blutdürstig? Bin ich rachsüchtig? Verurteilst du mich, weil solche Gefühle in mir aufsteigen? R. A. Bertram 1867.


V. 16. Diejenigen, welche in der Trübsal zur Reue über ihre Sünden kommen, klagen wie die Tauben (Jes. 59,11); deren Herz aber in der Trübsal verhärtet wird, die murren wie die Hunde. Matthew Henry † 1714.


V. 15-17. Wir wollen uns den Gegensatz nicht entgehen lassen zwischen dem elenden Zustand der Gottlosen, dessen Schilderung mit dem betonten Sie (Anfang von V. 16) anhebt, und dem Glück des Sängers, das sich uns in V. 17, ebenfalls mit betontem Ich, darstellt; ferner zwischen dem Abend V. 15 und dem Morgen V. 17 als den Zeiten des Unglücks und der Freude: endlich zwischen dem hundeähnlichen Geheul der Gottlosen V. 15 und dem Singen und Jubeln Davids. Herm. Venema † 1787.
  Den Feinden teilt der Sänger den Abend und die Nacht zu, weil ihr Los ein Nachtstück, er selbst aber singt am Morgen Gottes Lob, weil sein Schicksal ein Morgen ist. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.


V. 17. Er will singen von Gottes Macht, aber jubeln über Gottes Gnade. Humphrey Sydenham 1637.


V. 18. Mein Hort, mein Schutz, mein gnädiger Gott. Vor tausend Jahren lebte Ambrosius Ansbertus (882). In seinen Bekenntnissen findet sich wohl siebenzehnmal der Schluss: "Mein Gott, mein Herr: Vater, von dem alles ist, mein Gott bist du; Sohn, durch den alles ist, mein Gott bist du; Heiliger Geist, in dem alles ist, mein Gott bist du," und Luther schrieb nach diesen Worten:

Christus in aeternum tutor meus atque redemtor,
In morte et vita sorsque salusque mea:
Hunc timeo, veneror, super omnia diligo solum,
Huic soli fido, hic spes mea solus erit, d. i.:

Christus ist in Ewigkeit mein Schirmer und Erlöser,
Im Leben und im Tod mein Teil und mein Heil.
Ihn fürchte ich, verehre ich, ihn nur liebe ich über alles;
Ihm nur vertraue ich, er allein soll meine Hoffnung sein.

R. Bakius 1664, zitiert von Rudolf Kögel 1895.

  Gott meiner Gnade. (Wörtl.) Dieser Name scheint mir dreierlei zu sagen: 1) Alle Gnade, die Gott in seinem Wesen besitzt, ist für seine Heiligen da: seine vergebende, belebende, stärkende, tröstende und bewahrende Gnade. 2) Für jedes Gotteskind ist in Gottes Ratschluss gleichsam ein Teil der göttlichen Gnade aufgespeichert, den es sein eigen nennen kann. Das ist, wie manche meinen, der Sinn des Wortes Christi an Paulus 2. Kor. 12,9: Meine Gnade ist dir genug, d. h.: Du wirst die Gnade, die ich dir bestimmt, dir als dein Teil zugemessen habe, für dich völlig genügend finden. 3) Die Worte mögen uns auch andeuten, dass Gott es auf sich genommen habe, dies bestimmte Teil seiner Gnade für sein Volk zu verwalten und zu bewahren. Jeder Gläubige darf sich zu Gott wenden als zu dem Gott jeder Gnade, die er bedarf. John Hill † 1746.


Homiletische Winke

V. 2. Errette mich aus der Anfechtung, schütze mich in der Anfechtung. Unsere Feinde sind Welt, Fleisch, Teufel und Sünde. Wir können ihnen nicht in eigner Kraft und Klugheit entrinnen; aber der HERR vermag uns durch seine Vorsehung und seine Gnade zu befreien.
V. 3. Errette mich von den Übeltätern, dass ich nicht durch ihre Versprechungen verlockt, durch ihre Drohungen eingeschüchtert, durch ihre Lehre verderbt, durch ihr Beispiel beeinflusst, durch ihre Verleumdungen geschädigt, durch ihren Widerstand im Guten gehindert werde.
V. 4a. Des bösen Feindes Hinterhalt, entdeckt durch Wachsamkeit, zunichte gemacht durch den Glauben.
V. 5a. Die Emsigkeit der Bösen ein Vorwurf für die Frommen. 1) Ihre Regsamkeit: sie laufen; 2) ihre Einmütigkeit: sie laufen; 3) ihre Sorgfalt: bereiten sich; 4) ihre Kampfbegier: ohne meine Schuld - ohne dass ich ihnen einen Anlass gebe mich anzugreifen.
V. 6. Jehova, Elohim, (Gott) Zebaoth. Diese Gottesnamen geben reichen Stoff für eine Predigt.
V. 11. Gott kommt mir mit seiner Gnade entgegen. (Grundtext) Wie bereit Gott ist zu retten und zu segnen.
V. 14. Gott, der Gott seines Volks; sein Walten als solcher ist zu erkennen in der ganzen Geschichte der Menschheit.
V. 17. Der gottbegeisterte Sänger. 1) Sein Gesang ist lieblich - im Gegensatz zu den Lästerungen anderer: Ich aber. 2) Dieser Gesang singt von etwas, das manchem Menschen schrecklich ist: von deiner Macht. 3) Er wird zum Jubel über das Köstlichste, was es für den Menschen gibt: und jubeln über deine Gnade. 4) Er hat seine Lieblingszeiten: des Morgens. 5) Die Erfahrung gibt ihm den rechten vollen Klang: dass du mir eine Burg gewesen usw. 6) Er ertönt ganz zu Gottes Ehre: deine Macht, deine Gnade, du bist usw.
V. 18. 1) Eine Wahrheit: Gott ist der Seinen Stärke. 2) Aneignung dieser Wahrheit: meine Stärke. 3) Folge: Loblied der Dankbarkeit für die Vergangenheit, Glaube für die Gegenwart, Hoffnung für die Zukunft.

Fußnoten

1. Unter den neueren Exegeten halten z. B. Delitzsch und Moll bei diesem Psalm an der Überschrift fest, und auch v. Orelli (Weissag.) sagt, es lasse sich gegen diese kein triftiger Einwand erheben. Nur ist nicht mit Spurgeon gerade jene Nacht als Entstehungszeit des Psalms anzunehmen, sondern besser der Psalm als "ein Abendlied aus jenen in Gibea (vor der Flucht) verlebten gefahrvollen Tagen" (Delitzsch) anzusehen.

2. Alle alten Übersetzer haben hier yzIi(u gelesen: meine Stärke, und diese Lesart findet sich auch in einigen hebr. Handschriften. Manche Neuere wollen den ganzen Satz mit V. 18 gleichgestalten, also auch hrfmI"za)a statt hrfmo$:)e lesen; umsomehr, als für rm# mit l)e die Bedeutung auf jemand vertrauensvoll achten, welche man hier annehmen müsste, nicht durch eine Belegstelle gesichert ist. (In 1. Samuel 26,15, welche Stelle Delitzsch anführt, heißt es: über jemand wachen, um ihn zu beschützen.) Allerdings haben schon LXX, Hieronymus und das Targ. das hrm#) gelesen; auch kommen bei solchen Kehrversen ja oft kleine Abweichungen vor.

3. Das Ketiv ist nach LXX, Hier. und dem Syrer OdIs:xa yhaÆl)E zu lesen. Das Keri ist wohl aus V. 18 eingedrungen.

4. Oder (Luther und andere): und dass sie (die Frevler) innewerden etc. Der Schluss des Verses: bis an die Enden der Erde lässt sich auf die Ausdehnung der Herrschaft Gottes beziehen oder aber mit innewerden verbinden.

5. Luther und die engl. Bibel, wie auch manche neuere Ausleger, folgen den LXX, welche goggu/sousin übersetzen und demnach WnylIiYawa gelesen haben werden. Der masoretische Text bedeutet: und sie übernachten.