Psalmenkommentar von Charles Haddon Spurgeon

PSALM 72 (Auslegung & Kommentar)


Überschrift

Des Salomo. Diese Überschrift gibt Salomo als Verfasser an, und doch steht der Psalm unter den davidischen, wie V. 20 zeigt. Wir möchten uns der Vermutung Calvins anschließen, dass die Gedanken des herrlichen Liedes von David, und zwar aus dessen letzten Zeiten, stammen, Salomo aber diese Gedanken seines betagten Vaters in poetische Form gebracht habe.1 Unser Augenmerk richtet sich bei der Betrachtung des Psalms auf Jesus, dessen Königsherrlichkeit wir in demselben abgebildet sehen.

Einteilung. Der Psalm schildert, wie Alexander (1850) sagt, in glühenden Farben das Regiment des Messias als gerecht V. 1-7, weltumfassend V. 8-11, segensreich V. 12-14 und immerwährend V. 15-17. Beigefügt ist eine Lobpreisung V. 18.19 und eine literarische Bemerkung V. 20.


Auslegung

1. Gott, gib dein Gericht dem Könige
und deine Gerechtigkeit des Königs Sohne,
2. dass er dein Volk richte mit Gerechtigkeit
und deine Elenden rette.
3. Lass die Berge den Frieden bringen unter das Volk
und die Hügel die Gerechtigkeit.
4. Er wird das elende Volk bei Recht erhalten
und den Armen helfen und die Lästerer zermalmen.
5. Man wird dich fürchten, solange die Sonne
und der Mond währet, von Kind zu Kindeskindern.
6. Er wird herabfahren wie der Regen auf die Aue,
wie die Tropfen, die das Land feuchten.
7. Zu seinen Zeiten wird blühen der Gerechte
und großer Friede, bis dass der Mond nimmer sei.


1. Gott, gib dein Gericht dem Könige. Das Recht zu regieren kam auf Salomo vermittelst seiner Abstammung von David; aber doch nicht dadurch allein: Israel bildete eine Gottesherrschaft, und die Könige waren demnach nur Statthalter des unsichtbaren großen Königs. Daher die Bitte, der neue König möge durch göttliche Vollmachterteilung in sein Amt eingesetzt und sodann mit göttlicher Weisheit für dies Amt ausgerüstet werden. Unserm herrlichen Zionskönig ist alles Gericht übergeben. Er herrscht im Namen Gottes über alle Lande. Er ist im vollsten Sinne des Wortes "von Gottes Gnaden" König, wie auch nach dem Recht der Erbfolge. Und deine Gerechtigkeit des Königs Sohne. Salomo war beides, König und des Königs Sohn; das gleiche gilt von unserm Herrn. Dieser hat in sich selbst Macht und Autorität, und es ist ihm von seinem Vater königliche Würde gegeben. Er ist der gerechteste aller Könige, ja die Gerechtigkeit selbst. Wir warten darauf, dass er als der allezeit gerechte Richter unter den Menschen offenbar werde. Möge des HERRN Stunde bald kommen, da dieser langersehnte Tag anbrechen wird! Jetzt ist des Streites und Krieges so viel selbst in Israel; aber bald wird eine neue Zeit beginnen; an die Stelle Davids, des Vorbildes Jesu in dessen Kämpfen mit unseren Feinden, wird Salomo, der Friedensfürst, treten.

2. Dass er dein Volk richte mit Gerechtigkeit. Er wird die göttliche Vollmacht, mit der er bekleidet ist, zum Besten des bevorzugten Volkes brauchen, dessen König er ist. Ihnen zu gut wird er sich stark erweisen, dass sie nicht mehr falsch beurteilt und verurteilt, beschimpft und misshandelt werden. Sein Urteil wird ihre Ankläger zum Schweigen bringen und den Auserwählten Gottes die ihnen als solchen gebührende Stellung zuerkennen. Wie tröstlich ist die Gewissheit, dass in Christi Reich niemand Unrecht leidet: unser erhabener König sitzt auf dem großen weißen Thron, der auch nicht durch eine einzige ungerechte Tat oder auch nur einen Rechtsirrtum befleckt ist. Es ist ganz sicher, dass wir bei ihm zu unserm Recht und zu unserer Ehre kommen. Und deine Elenden mit Recht. (Grundtext) In allen Entscheidungen des Zionskönigs enthüllt sich wahre Weisheit. Wir verstehen sein Tun nicht immer; doch ist es stets richtig. In den Reichen dieser Welt hat allzu oft die Voreingenommenheit zugunsten der Reichen und Vornehmen das Recht gebeugt; aber der König der letzten und besten Monarchie richtet unparteiisch, zur Freude der Armen und Verachteten. Die Elenden werden hier als dem König innigst verbunden dargestellt: Deine Elenden. Dass Gott das Zepter in Händen hat, ist der Gebeugten Trost und Wonne; es freut sie, dass ihr Herr erhöht ist, und sie haben mit ihm darüber keinen Streit, dass er seine Kronrechte ausübt. Der Scheinreichtum, womit die Menschen ihre tatsächliche Armut zu verbergen suchen, mag wohl an der Regierung des HERRN viel zu bekritteln finden; eine tiefe Überzeugung von der geistlichen Armut dagegen macht die Herzen willig, dem gekrönten Erlöser treu zu huldigen. Andererseits hat der König seine besondere Freude an dem gebeugten Sinn seiner Elenden und verwendet alle seine Macht und Weisheit zu ihrem Besten, gerade wie Joseph in Ägypten zur Wohlfahrt seiner Brüder regierte.

3. Lass die Berge den Frieden bringen unter das Volk. Aus den Bergen stürzten ehedem die Räuberhorden hervor, welche das Land verheerten; jetzt aber sind die dort im Gebirge errichteten Festen Hüter des Landes, und die Wächter verkündigen weit und breit, dass kein Feind zu sehen sei. Wo Jesus ist, da ist Friede, tiefer, dauernder, ja ewiger Friede. Selbst die Dinge, welche uns einst mit Entsetzen erfüllten, verlieren alles Schreckhafte, wenn Jesus als Beherrscher des Herzens anerkannt ist. Sogar der Tod, dieses schaurig dunkle Gebirge, verliert seine Düsternis. Wenn der HERR mit uns ist, bringen uns auch Prüfungen und Trübsale nicht eine Verminderung, sondern eine Vermehrung des Friedens. Auch die Hügel, in Gerechtigkeit. (Wörtl.) Infolge des gerechten Regiments des Königs scheint jeder kleine Hügel mit Gerechtigkeit bekleidet. Die Ungerechtigkeit hat Palästina zu einer Wüste gemacht; wären die Türken und die räuberischen Beduinen weg, so würde das Land bald wieder ein Lustgarten werden. Denn die Gerechtigkeit macht wirklich auch im buchstäblichsten Sinn des Worts ein Land fruchtbar; die Menschen geben sich mit Fleiß dem Pflügen und Bauen des Landes hin, wenn sie Aussicht haben, die Frucht ihrer Arbeit zu genießen. Im geistlichen Sinn kommt der Friede dem Herzen zu durch die Gerechtigkeit Christi, und alle Kräfte und Triebe der Seele werden mit einer heiligen Stille und Ruhe erfüllt, wenn uns dieses aus Gottes Gerechtigkeit ersprießende Heil enthüllt wird. Dann ziehen wir in Freuden aus und werden in Frieden geleitet, und Berge und Hügel frohlocken vor uns her mit Ruhm (Jes. 55,12).

4. Er wird das elende Volk bei Recht erhalten. Er wird den Elenden Recht schaffen, ja mehr als das; denn es wird seine Lust sein, ihnen Gutes zu tun. Und den Armen helfen. Welcher Wandel für diese Hilflosen, die die Packesel anderer sein mussten und auf die Gnade ihrer herzlosen Treiber angewiesen waren; nun aber ist ihr König ihr Beschützer. Wie wohl ist ihnen unter dem Schirm des Friedensfürsten! Da sind sie gut geborgen, denn er wird ihnen helfen von allen ihren Feinden. Und den Bedrücker zermalmen. (Grundtext) Er hat Kraft genug, die Feinde seines Volkes zu zerschmettern. Gewalttätige Bedrücker haben viel verbrochen auf Erden; aber die Zeit der Vergeltung kommt, wo sie selber werden zerbrochen werden. Die Sünde, der Satan und alle unsere Feinde werden durch das eiserne Zepter des Messias zermalmt und zerschmissen. Darum haben wir keine Ursache uns zu fürchten, vielmehr allen Grund, unserm Befreier ein Loblied zu singen. Es ist viel, viel besser, arm zu sein und im Elend zu gehen, als ein stolzer Unterdrücker zu sein; denn die Elenden und Hilfsbedürftigen finden in dem himmlischen Salomo einen Verteidiger, dessen wuchtige Streiche auf die Übermütigen niedersausen. und der nicht ruht, bis diese alle gänzlich vernichtet sind.

5. Man wird dich fürchten, solange die Sonne und der Mond währe. Und mit Recht. Solche Gerechtigkeit gewinnt die freudige Huldigung der gottseligen Armen und erfüllt die Seelen der ungerechten Bedrücker mit Schrecken, so dass in allen Landen beide, Gute und Böse, mit Ehrfurcht vor diesem allgewaltigen Herrscher erfüllt werden. Wo Jesus mit Macht regiert, müssen die Menschen sich auf irgendeine Weise vor ihm beugen. Sein Königtum ist kein Kartenhaus, seine Herrschaft ist keine solche, die nur nach Tagen zählt, sondern ist so dauernd wie die Lichter, die am Himmel stehen; Tag und Nacht werden aufhören, ehe er dem Thron entsagt. Weder die Sonne noch der Mond zeigen bis jetzt irgendwelche Abnahme des Glanzes, und ebenso wenig sind am Reiche Jesu irgendwelche Zeichen des Niedergangs wahrnehmbar; im Gegenteil, es steht erst im jugendlichen Anfang und ist offenbar die Macht, welcher die Zukunft gehört; seine Sonne ist erst am Emporsteigen. O dass allen Bürgern dieses Reiches frische Kraft von oben und zwiefacher Eifer gegeben würden, die siegreiche Fahne Immanuels alsbald bis an die äußersten Enden der Erde zu tragen! Von Kind zu Kindeskindern wird der Thron des Erlösers Bestand haben. Die Menschheit wird die Religion von dem fleischgewordenen Gott nie zu Grabe tragen. Kein System des Unglaubens wird ihr die Kraft nehmen noch der Aberglaube sie ersticken; sie wird sich aus dem, was ihr Grab zu sein schien, unsterblich erheben und als der wahre Phönix aus der Asche erstehen. Solange es Menschen auf Erden gibt, wird auch Christus unter ihnen einen Thron haben. An der Väter Statt werden die Kinder ihm dienen. Jede Generation wird eine Regeneration in ihrer Mitte erleben, mögen Papst und Teufel tun, was sie wollen. Auch zu dieser Stunde haben wir die Erweise seiner ewigen Macht vor Augen. Seit er vor mehr denn bald neunzehnhundert Jahren den Thron bestiegen hat, ist seine Herrschaft nicht gestürzt worden, wiewohl die mächtigsten Reiche wie Träume der Nacht vergangen sind. Wir sehen am Strande der Zeiten die Wracke der Cäsarenreiche, die bleichenden Gebeine der Großmogulen, die letzten Überreste der Osmanen. Karl der Große, Maximilian, Napoleon, wie fliehen sie gleich Schatten vor uns! Sie waren einst, sie sind nicht mehr; aber Jesus ist in Ewigkeit. Ja, auch unsere gegenwärtigen mächtigen Regentenhäuser haben ihre Zeit; dem Davidssohne aber gehören alle Zeiten.

6. Er wird herabfahren wie der Regen auf die (frischgemähte) Aue. Heil seinem sanften Zepter! Die gewaltigen Eroberer, welche die Geißeln der Menschen waren, sind über die Lande hereingebrochen wie der Feuerhagel über Sodom und haben fruchtbare Länder in Wüsten verwandelt; Er aber erquickt mit mildem Wohltun die ermattete, aus tausend Wunden blutende Menschheit, dass ganz neue Lebenskräfte in ihr wirksam werden. Auf Wiesen, die soeben mit der Sense gemäht oder von den Zähnen des Weideviehs geschoren worden sind, blutet gleichsam jedes Grasstenglein; wenn aber der Regen fällt, träufelt er wie Balsam auf alle diese Wunden und erneuert das frische Grün und die Schönheit des Feldes: ein gar liebliches und treffendes Bild der Gnadenheimsuchungen und Segnungen dessen, der zu seinem Volke sagt: "Ich, ich bin euer Tröster." Liebe Seele, wie gut ist es für dich, wenn du erniedrigt wirst und wohl gar der Wiese gleich wirst, die vom Vieh kahl geweidet und zertreten ist; denn dann wird der HERR auf dich Acht haben. Er wird dein Elend ansehen und dich in seiner Leben spendenden Liebe zu größerer Herrlichkeit erblühen lassen, als du früher hattest. Heil dir, Jesus, hochgelobt und hochgeliebt in Ewigkeit; dir gebührt es mehr denn Titus, als der Liebling der Menschheit2 gefeiert zu werden. Wie die Tropfen (besser: Schauer), die das Land feuchten. Jeder der kristallenen Regentropfen kündet die himmlische Barmherzigkeit, welche die ausgedörrten Fluren nicht vergisst. Jesus ist lauter Gnade; alles, was er tut, ist Liebe, und seine Gegenwart unter den Menschen bedeutet Freude. Wir sollten ihn noch weit mehr den Menschen verkündigen; denn kein Regen kann so die Nationen erquicken und mit neuer Lebenskraft erfüllen. Predigten, deren Inhalt den niederen Regionen der Weltweisheit entstammt, sind wie ein vom Wind der Erde aufgewirbelter Staubregen, der mit der lechzenden Kreatur Spott treibt. Das Evangelium dagegen bringt das, was der gefallenen Menschheit Not tut; darum sprosst unter seiner belebenden Kraft überall Glück und Freude. Komm, HERR, auch auf meine Seele als ein milder, befruchtender Regen, so wird mein Herz zu deinem Preis erblühen.

7. Zu seinen Zeiten wird blühen der Gerechte. Solange ungerechtes Regiment seine tödlichen Giftpfeile schießt, vermögen sich die Grundsätze der Rechtschaffenheit nicht allgemeine Geltung zu verschaffen können doch die Gerechten kaum das Leben fristen; wo aber Wahrheit und Redlichkeit auf dem Thron sitzen, gedeihen die besten Menschen am besten. Ein gerechter König ist nicht nur ein Schutzherr der gerechten Untertanen, sondern er erzeugt solche. Unter einem Nero kann niemand blühen als solche, die Ungeheuer sind wie er selbst: gleich und gleich gesellt sich gern. Unter dem sanftmütigen Jesus aber finden die Gottseligen ein stilles und ruhiges Leben. Und großer Friede, bis dass der Mond nimmer sei. Wo Jesus herrscht, ist er als der wahre Melchisedek bekannt, als der König der Gerechtigkeit und des Friedens. Friede, der sich aufs Recht gründet, erweist sich als dauerhaft; solcher und kein anderer. Manches mit hohen und frommen Namen genannte politische Treubündnis ist zunichte geworden, ehe viele Monde ihr Horn gefüllt hatten, weil List den Bund schloss, Meineid ihn bestätigte und Unterdrückung sein Zweck war; wenn aber Jesus den großen Gottesfrieden verkünden wird, wird ewige Ruhe sein, und die Völker werden hinfort nicht mehr kriegen lernen. Der Friede, welchen Jesus bringt, ist nicht oberflächlicher, kurzlebiger Art; er ist tief und dauerhaft. Mögen alle Herzen und Stimmen den König der Nationen willkommen heißen, Jesus den Guten, den Großen, den Gerechten, den ewig Hochgelobten.


8. Er wird herrschen von einem Meer bis ans andere
und von dem Strom an bis zu der Welt Enden.
9. Vor ihm werden sich neigen die in der Wüste;
und seine Feinde werden Staub lecken.
10. Die Könige zu Tharsis und in den Inseln werden Geschenke bringen;
die Könige aus Reicharabien und Seba werden Gaben zuführen.
11. Alle Könige werden ihn anbeten;
alle Heiden werden ihm dienen.


8. Er wird herrschen von einem Meer bis ans andere. Weit soll sich die Herrschaft des Messias ausdehnen; nur wo alles Land überhaupt aufhört, soll sein Reich enden. Bis zu der Ultima Thule soll sein Zepter reichen. Vom Mittelländischen bis zum Indischen Meer, oder, wie wir sagen würden, vom Atlantischen bis zum Stillen und wieder vom Stillen bis zum Atlantischen Ozean soll Er Herr sein, und auch die Meere, welche die Pole umgeben, werden unter seinem Zepter stehen. Alle andre Macht wird der seinen untertan sein; er wird keinen Nebenbuhler oder Gegenkönig kennen. Man spricht wohl von einem Selbstherrscher aller Russen, Jesus aber wird der unumschränkte Beherrscher der ganzen Menschheit sein. Und von dem (Euphrat-) Strom an bis zu der Welt Enden. Setze an bei welchem Strom du willst, immer erstreckt sich das Königreich des Messias bis zu den äußersten Grenzen des Erdballs. Wie Salomos Herrschaft das ganze verheißene Land umfasste, dass kein uneroberter Grenzstrich übrigblieb, so wird der große Davidssohn alle die Lande beherrschen, welche ihm in der größeren ihm gewordenen Bundeszusage gegeben sind, und er wird keine Nation unter der Tyrannei des Fürsten der Finsternis schmachten lassen. Solche Stellen wie die vorliegende ermutigen uns, nach der allumfassenden Herrschaft des Erlösers auszuschauen. Ob diese vor oder nach seiner persönlichen Wiederkunft in Erscheinung treten wird, das zu erörtern überlassen wir andern. In diesem Psalm wenigstens sehen wir einen persönlich gegenwärtigen Monarchen, und zwar dreht sich alles um ihn; er ist der Mittelpunkt all der Herrlichkeit, die hier beschrieben wird. Nicht einen Knecht, sondern ihn selbst sehen wir im Besitz und in der Ausübung der Herrschaft. Immer wieder weist der Psalm auf unseren erhabenen König hin: Er herrscht, die Könige fallen vor Ihm nieder und dienen Ihm; denn Er errettet und behütet, Er lebt, und Er wird täglich gepriesen.

9. Vor ihm werden sich neigen die in der Wüste. Sogar die Söhne der Wüste, welche die Freiheit über alles lieben und noch von keiner Waffe besiegt worden sind, werden durch Liebe bezwungen werden. So wild und gesetzlos sie gewesen sind, werden sie das sanfte Joch dieses Herrschers doch gern tragen; dann wird ihre Wüste kein dürres Land mehr sein, sondern fröhlich stehen und blühen wie die Lilien (Jes. 35,1). Und seine Feinde werden Staub lecken. Wollen sie nicht seine Freunde werden, so sollen sie gänzlich zermalmt und aufs tiefste erniedrigt werden. Staub zu fressen ward der Schlange beschieden (1. Mose 3,14); so soll denn auch der Schlangensame sich mit dieser Speise den Bauch füllen. Bei den morgenländischen Völkern ist es üblich, die Unterwürfigkeit in der kriechendsten Weise zum Ausdruck zu bringen, und in der Tat kann keine Gebärde zu demütigend sein, um die völlige Niederwerfung und Unterjochung der Feinde des Messias anzuzeigen. Für Zungen, die den Erlöser schmähen, ist es ganz passend, wenn sie den Staub lecken müssen. Wer sich vor einem solchen Fürsten nicht mit Freuden beugt, verdient es reichlich, zu Boden geschleudert und in den Kot gestreckt zu werden; der Staub ist noch zu gut für sie, die den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes unrein geachtet haben.

10. Die Könige zu Tharsis und in den Inseln werden Geschenke bringen. Auch der Handel wird den Zwecken des Gottesreichs dienstbar gemacht werden; die Fürsten der Kaufmannschaft werden von nah und fern freudig von ihrem Reichtum seinem Throne Huldigungsgeschenke darbringen. Die großen Seeplätze sind treffliche Mittelpunkte zur Ausbreitung des Evangeliums, und schon mancher biedere Seemann ist ein eifriger Herold des Evangeliums geworden. Tharsis, die silberreiche phönizische Kolonie am Guadalquivir in Spanien, war nach den Begriffen des Altertums für die Morgenländer so weit entfernt, dass es sich für ihr Denken im Nebel der Unendlichkeit verlor und sie jedenfalls am Rand des Weltalls gelegen deuchte: so weit die Fantasie nur wandern kann, soll der Davidssohn regieren. Über den blauen Ozean soll sein Zepter reichen; die weißen Klippen Großbritanniens erkennen ihn schon an, die Perlen der Südsee erglänzen für ihn, sogar Islands3 Herz ist warm von seiner Liebe, Madagaskar eilt, ihn willkommen zu heißen, und wenn es in den Meeren der heißen Zone noch Inseln gibt, deren Gewürze ihm noch nicht dargebracht worden sind, so wird er auch dort noch köstlichen Tribut empfangen. Er hat schon manches Eiland zu einer heiligen Insel und damit zu einem rechten Formosa4 gemacht. Die Könige aus Reicharabien und Seba werden Gaben zuführen. Auch der Landbau und die Viehzucht sollen ihr Teil an Gaben herzubringen. Ausländische Fürsten von noch unerforschten Binnenländern werden die weltumspannende Monarchie des Königs aller Könige anerkennen; bereitwilligst und ehrfurchtsvoll werden sie ihren Tribut darbringen. Was sie bringen werden Opfergaben sein; denn ihr König ist ihr Gott. Dann wird Arabia felix, das glückliche Arabien, ein wahrhaft glückliches Land sein, und die Insulae fortunatae5 werden ihren Namen mit mehr Recht tragen als heute. Man beachte, dass wahre Frömmigkeit zu Freigebigkeit führt. In dem Reiche Christi gibt es keine Steuern; aber wir achten es für unsre Lust, diesem Herrscher unsre Gaben freiwillig darbringen zu dürfen. Das wird ein großer Tag sein, wenn die Könige solche Gesinnung betätigen werden; die arme Witwe ist ihnen schon lang voraus gekommen. Es ist an der Zeit, dass sie ihr nachfolgen; die Untertanen würden gewiss das königliche Beispiel nachahmen. Solch freiwillige Opfer sind alles, was Christus und seine Kirche begehren; sie wollen keine mit Zwang und Pfändung eingetriebenen Auflagen, sondern dass jedermann gebe nach seinem eigenen freien Willen, sowohl Fürsten als auch gemeine Leute. Es ist bei den Königen - Gott sei’s geklagt - Sitte gewesen, das Eigentum ihrer Untertanen der Kirche zu geben, und eine verkommene Kirche hat diesen Raub als ein Brandopfer angenommen; so wird es aber nicht mehr sein, wenn Jesus seinen Thron sichtbar einnimmt.

11. Alle Könige werden ihn anbeten. Persönlich werden sie ihm, so mächtig sie auch seien, ihre Huldigung ausdrücken, indem sie sich vor ihm niederwerfen. Wie hoch ihre Würde, wie alt ihre Dynastie oder wie fern ihr Reich auch sein möge, sie werden ihn willig als Oberherrn anerkennen. Alle Heiden werden ihm dienen. Die Völker werden so untertänig sein wie die Gebieter. Die weite Ausdehnung der Herrschaft unseres Heilands wird durch das zweimalige alle (alle Könige, alle Völker) bezeichnet. Wir sehen zwar jetzt noch nicht, dass ihm alles untertan sei; aber da wir Jesus im Himmel mit Preis und Ehre gekrönt sehen, haben wir keinerlei Zweifel, dass er einst auch auf Erden unumschränkt herrschen wird. Es ist undenkbar, dass das Reich eines Alexander oder Cäsar weiter reichen sollte als das des Sohnes Gottes. Im Namen Jesu müssen sich beugen aller Knie, und alle Zungen sollen bekennen, dass Jesus Christus der Herr sei, zur Ehre Gottes, des Vaters. HERR, lass es zu deiner Zeit eilend geschehen!


12. Denn er wird den Armen erretten, der da schreiet,
und den Elenden, der keinen Helfer hat.
13. Er wird gnädig sein den Geringen und Armen,
und den Seelen der Armen wird er helfen.
14. Er wird ihre Seele aus dem Trug und Frevel erlösen,
und ihr Blut wird teuer geachtet werden vor ihm.


12. Denn er wird den Armen erretten. Ein trefflicher Grund wird hier geltend gemacht, um deswillen alle Menschen sich dem Herrn Christus unterwerfen werden: nicht weil sie seine überwältigende Macht fürchten, sondern weil sie sich durch sein gerechtes und leutseliges Regiment zu ihm hingezogen fühlen werden. Wer wollte nicht einem so trefflichen Fürsten huldigen, der den Dürftigen seine besondere Sorgfalt zuwendet und sich verbürgt, in der Zeit der Not ihr Helfer zu sein? Der da schreiet. Er lässt sie wohl in solche Not geraten, dass sie gedrängt werden, ungestüm zu ihm um Rettung zu rufen; aber dann erhört er sie und kommt ihnen zu Hilfe. Das Schreien des Kindes rührt des Vaters Herz, und unser König ist seinem Volk ein rechter Vater. Wenn wir nicht mehr tun können als um Hilfe rufen, so wird dies doch die Allmacht herbeiziehen. Zu Gott schreien ist die natürliche Sprache einer von geistlicher Not bedrängten Seele. Eine solche ist fertig mit allen feinen Redensarten und langen Salbadereien; sie verlegt sich aufs Seufzen und Flehen und ergreift damit die mächtigste aller Waffen; denn vor solchem Beten neigt sich der Himmel. Und den Elenden, der keinen Helfer hat. Das Sprichwort sagt: "Hilf dir selbst, so hilft dir Gott", aber wahrer noch ist, dass Jesus denen hilft, die sich selber nicht helfen können und bei niemand anders Hilfe finden. Alle Hilflosen stehen unter der besonderen Fürsorge des mitleidigen Zionskönigs; mögen sie eilen, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Mögen sie zu ihm aufschauen, denn er schaut nach ihnen aus.

13. Er wird gnädig sein den Geringen und Armen. Er wird ihnen sein Mitleid und Erbarmen tatkräftig kundtun; er wird es nicht zulassen, dass die Trübsale sie ganz zu Boden drücken. Seine Zuchtrute wird sie sanft heimsuchen; er wird sparsam sein im Schelten, nicht aber im Trösten. Und den Seelen der Armen wird er helfen. Er ist Herrscher über die Seelen, sein Reich ist kein weltliches, sondern ein geistliches, und die rechten Armen, das will sagen, diejenigen, welche sich ihrer Dürftigkeit, Schwäche und Unwürdigkeit bewusst sind, werden bei ihm die beste Hilfe, das ewige Heil, finden. Jesus unternimmt nicht das überflüssige Werk, stolzen Pharisäern dazu zu helfen, sich in ihrem Eigendünkel zu sonnen; aber er achtet sorgfältig auf arme Zöllner, welche ihre Augen nicht gen Himmel aufzuheben wagen vor Erkenntnis ihrer Sündhaftigkeit. Lasst uns besorgt sein, ja zu diesen Armen zu gehören, welche der erhabene König so hoch bevorzugt.

14. Er wird ihre Seele aus dem Trug und Frevel erlösen. Diese zwei Stücke sind die Waffen, womit die Armen bedrängt werden: man wendet die Gesetze gewalttätig an oder man verdreht sie, um die Geringen zu rupfen. Fuchs und Löwe machen gemeinsame Sache wider die Herde Christi; aber der gute Hirt wird seine Schafe verteidigen und die Wehrlosen aus den Zähnen ihrer Räuber erretten. Eine Seele, welche durch Versuchungen satanischer List und Angriffe teuflischer Bosheit bedrängt wird, tut wohl. bei dem Throne Jesu Zuflucht zu suchen. Und ihr Blut wird teuer geachtet werden vor ihm. Dieser König wird seine Untertanen nicht in unnötigen Kriegen hinopfern, wie es Tyrannen je und je getan haben, sondern wird alle Sorgfalt anwenden, auch die Geringsten unter ihnen wohl zu bewahren. Es hat nicht wenige Eroberer gegeben, die Tausende von Menschenleben für nichts gerechnet haben; sie haben die Äcker mit Blut getränkt, als wäre Blut nichts als Wasser und Fleisch nur Dung des Feldes. Jesus aber ist, wiewohl er sein eigenes Blut so reichlich hat fließen lassen, mit dem Blute seiner Knechte äußerst sparsam, und wenn sie für ihn als Märtyrer sterben müssen, so hält er ihr Gedächtnis hoch und achtet ihre Blutstropfen als köstliche Rubine.


15. Er wird leben, und man wird ihm vom Gold aus Reicharabien geben.
Und man wird immerdar für ihn beten,
täglich wird man ihn segnen.
16. Auf Erden, oben auf den Bergen, wird das Getreide dick stehen;
seine Frucht wird rauschen wie der Libanon,
und sie werden grünen in den Städten wie das Gras auf Erden.
17. Sein Name wird ewiglich bleiben;
solange die Sonne währet, wird sein Name auf die Nachkommen reichen,
und sie werden durch denselben gesegnet sein;
alle Heiden werden ihn preisen.


15. Er wird leben. Vive le Roi! Es lebe der König! Er ward getötet. Aber er ist auferstanden und lebt immerdar. Und man wird ihm vom Gold aus Reicharabien geben. Krönungsgaben der reichsten Art wird man mit Freuden zu seines Thrones Stufen niederlegen. Wie gern würden wir ihm alles geben, was wir haben, und würden die Gaben doch noch viel zu geringachten. Wir dürfen uns freuen, dass die Reichssache Christi niemals aus Mangel an Mitteln stillstehen wird; sein ist beides, Silber und Gold, und wenn die Heimat sie nicht darbietet, so werden ferne Länder sich beeilen, den Mangel zu erstatten. Wollte Gott, wir hätten mehr Glauben und mehr Willigkeit zum Geben. Und man wird immerdar für ihn beten. Mögen alle Segnungen sich auf sein Haupt ergießen. Alle die Seinen wünschen, dass seine Reichssache gedeihe, und rufen darum zu allen Stunden: Dein Reich komme. Für Jesus beten, das ist ein gar lieblicher Gedanke, der stets mit ganzer Inbrunst der Liebe ausgeführt werden sollte; und da die Gemeinde der Leib Christi und die Wahrheit sein Zepter ist, so beten wir in Wirklichkeit für ihn, wenn wir für diese flehen. Haltet an am Gebet ist eine stehende Vorschrift in dem Reich des Messias, und sie schließt die Verheißung in sich, dass der HERR auch anhalten wird zu segnen. Täglich wird man ihn segnen. Da er sich täglich des Preisens wert erzeigen wird, so wird er auch Tag für Tag und immerdar gepriesen werden.

16. Auf Erden, oben auf den Bergen, wird das Getreide dick stehen. Außerordentliche Fruchtbarkeit wird der Segen einer solchen Herrschaft nach Gottes Herzen sein. Bis an die Gipfel der Berge sollen die wogenden Kornfelder reichen. Seine Frucht wird rauschen wie der Libanon. Das Getreide soll so hoch und üppig stehen, dass die Felder, vom Wind bewegt, wogen und rauschen wie der hohe, dichte Wald des Libanon. Wir dürfen diese Bilder auch auf die geistliche Fruchtbarkeit der Gemeinde des HERRN anwenden. Und sie werden grünen in den Städten wie das Gras auf Erden. Ein anderes Bild. Die Untertanen Christi sollen so zahlreich sein wie Grashalme und so schnell hervorsprossen, wie das junge Grün im Morgenlande nach einem ausgiebigen Regen aus der Erde aufschießt. Wann werden diese Worte, die einen so herrlichen Ausblick eröffnen, in Erfüllung gehen?

17. Sein Name wird ewiglich bleiben. Nie wird Jesu Name untergehen oder seine Kraft verlieren; ewiglich wird er sich heilvoll erweisen, immerdar wird er der Sammelpunkt sein, um den sich alle Gläubigen scharen, nie wird sein Ruhm und seine Herrlichkeit erbleichen. Solange die Sonne währet, wird sein Name auf die Nachkommen reichen (wörtl.: sprossen, sich fortpflanzen). Solange man die Zeit nach Tagen messen wird, wird Jesus unter den Menschen herrlich sein. Und werden durch denselben gesegnet sein oder sich mit ihm segnen. Zu all der Ehre, welche dem Namen Jesu widerfährt, wird Grund genug vorhanden sein; denn er wird in Wahrheit der Wohltäter des menschlichen Geschlechts sein. Er selber wird der größte Segen sein, der je über die Erde gekommen, und wenn die Menschen einander segnen wollen, so werden sie es mit seinem Namen tun. Alle Heiden werden ihn preisen. Die Nationen werden dankerfüllt ihn segnen und selig preisen, der sie also gesegnet und mit Glück und Seligkeit beschenkt hat. Nicht nur einige, sondern alle werden ihn preisen; kein Land wird im Heidentum verbleiben, alle Völker der Erde werden ihm mit Freuden huldigen.


18. Gelobet sei Gott, der Herr, der Gott Israels,
der allein Wunder tut;
19. und gelobet sei sein herrlicher Name ewiglich;
und alle Lande müssen seiner Ehre voll werden!
Amen Amen.

Diese Worte erklären sich selbst und fordern mehr zu anbetender Danksagung und inniger Herzensbewegung heraus als zur Anwendung des zerlegenden Verstandes.6 Es ist und wird bleiben der höchste Gipfel unserer Wünsche und die Spitze unserer Gebete, Jesus als den König aller Könige und den Herrn aller Herren erhöht zu sehen. Er hat große Wunder getan, wie sie niemand sonst tun kann, Wunder, die alle anderen großen Taten so weit hinter sich zurücklassen, dass Er der einzige Wundertäter bleibt; aber gleiche Wunder seiner Hand stehen noch bevor, und wir schauen mit froher Erwartung nach ihnen aus. Er ist Gott, hochgelobt in Ewigkeit, und der Ruhm seines Namens wird die ganze Erde füllen. Dieser herrlichen Vollendung sehen unsere Herzen mit täglich stärkerem Verlangen entgegen, so dass auch wir rufen: Amen, Amen - so geschehe es, ja, so geschehe es!


20. Ein Ende haben die Gebete Davids,
des Sohns Isais.

[Dies ist offenbar die Unterschrift der ersten Psalmensammlung, welche ihrem Grundstock nach aus davidischen Liedern bestand, denen aber dann noch etliche andere hinzugefügt wurden.]


Erläuterungen und Kernworte

Zum ganzen Psalm. Der zweiundsiebzigste Psalm enthält die Schilderung eines hocherhöhten Königs und der Segnungen seiner Herrschaft. Diese Segnungen sind solcherart, dass sie beweisen, derjenige, von welchem der Psalm redet, müsse eine göttliche Person sein. Sein Königtum soll erstens ewig währen, zweitens soll es die ganze Welt umfassen, drittens sichert es vollkommenen Frieden mit Gott und unter den Menschen, viertens sollen alle Menschen durch Liebe bewogen werden, sich diesem König zu unterwerfen, fünftens sollen in ihm alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden, d. h., wie wir Gal. 3,16 belehrt werden, durch ihn sollen alle Segnungen der Erlösung über die Welt kommen. Der Psalm redet demnach von keinem andern als von dem Welterlöser. Charles Hodge 187l.
  Zwei Psalmen tragen in der Überschrift Salomos Namen. Der eine derselben ist der 127., der andere dieser 72., und in dem letzteren scheinen uns Salomos Schriftzüge unverkennbar. Wenn sich der Psalm überhaupt auf Salomo und seine Friedensherrschaft bezieht, dann jedenfalls nur so weit, wie sie vorbildlich auf die Person und das Königtum des wahren Friedensfürsten hinweisen. Man kann den Psalm nicht nur von Anfang bis zu Ende auf Christus anwenden, sondern zum großen Teil ist es unmöglich, ihn vernünftigerweise auf irgendjemand anders zu beziehen. William Binnie 1870.


V. 1. Dem Könige, des Königs Sohne. So finden wir auch auf den türkischen Münzen die Inschrift: Sultan, Sohn des Sultans. George Philipps 1846.
  Deine Gerichte oder Gerichtssprüche. Von wem sucht er diese zu erlangen? Gib du sie, o Gott, sagt er. Es ist demnach Gottes Gabe, wenn Könige recht richten und über Gerechtigkeit halten. Auch sagt er nicht nur einfach: "Gott, gib dem König Rechtssprüche und Gerechtigkeit des Königs Sohne," sondern: deine Rechtssprüche und deine Gerechtigkeit. Verleih ihnen diese Gnade, dass, wenn sie Recht sprechen, es ganz in deinem Sinn geschehe. Die Welt hat ihre eigenen Anschauungen über Recht und Gerechtigkeit und behandelt das Gericht oft so, dass die Gerechtigkeit nicht unterstützt, sondern unterdrückt wird. Nicht solcherart sind die Gerichtsentscheidungen und die Gerechtigkeit Gottes. Wolfgang Musculus † 1563.


V. 3. Lass die Berge den Frieden bringen unter das Volk. Es war und ist noch heute im Morgenland Sitte, gute und schlimme Nachrichten von den Berggipfeln oder andern erhöhten Punkten auszurufen. Auf diese Weise wurden auch wohl Gerichtsurteile schnell bis in die entlegensten Teile des Landes kundgetan. So ward, als Salomo den Streit zwischen den beiden Huren entschieden hatte, der weise Spruch alsbald im ganzen Lande bekannt. Siehe 1. Könige 3,28. Alexander Geddes † 1802.
  Dann ist’s gewiss Friede im Land, wenn selbst die Berge Frieden bringen; wenn diese Berge, welche bisher die Schlupfwinkel der Räuber waren und viele köstliche Beute bargen, friedliche Wohnstätten sind; wenn der Friede nicht in festen Städten eingeschlossen oder in Bollwerke eingehegt ist, sondern das offene Feld und die Landstraßen, die Berge und die Hügel des Friedens voll sind; wenn die Bewohner der einsamen Gehöfte und der Berghütten sich sein erfreuen; wenn alle essen und satt werden, sich in Ruhe niederlegen und niemand sie stört; dann herrscht der Segen überall, und das ist das Werk der Gerechtigkeit. Joseph Caryl † 1673.
  Die Berge und Hügel werden V. 3 nicht etwa genannt als die unfruchtbarsten Örter des Landes, was sie in Palästina nicht waren, vergl. dagegen 5. Mose 33,15; Ps. 147,8; 65,13, auch nicht, weil das, was auf ihnen ist, überall und von allen Seiten hergeschaut werden kann (Tholuck), vergl. dagegen Joel 4,18; Jes. 55,12, sondern als die hervorstechendsten Punkte und die Zierden des Landes und also zu seiner Repräsentation geeignet, um den Gedanken auszudrücken, dass dies überall mit Frieden erfüllt sein wird. Der Friede erscheint überall als charakteristisches Merkmal der messianischen Zeit, vergl. z. B. Jes. 2,4; 9,5; 11,9; 65,25; Micha 4,3; Sach. 9,10. Prof. E. W. Hengstenberg 1844.


V.4. Die Redensart "die Kinder der Armen " (wörtl.) steht für "die Armen", nach ganz gewöhnlicher hebräischer Ausdrucksweise. Eine ähnliche Weise, sich auszudrücken, finden wir manchmal bei den Griechen, so wenn sie ui(ou`j i)atrwn, Söhne der Ärzte, für Ärzte sagen. Jean Calvin † 1564.


V. 6. Anwendung auf Christus. 1) Wie der Regen die freie Gabe Gottes für das ausgetrocknete Erdreich ist, wie er Armen und Reichen, Hohen und Niedrigen frei und umsonst geschenkt wird, so ist Christus mit all seinen Segnungen Gottes freie Gabe an die verschmachtende und verderbende Welt, und dafür sollten wir ohne Aufhören danken. 2) Wie nichts das Niederträufeln des Regens aufhalten kann, so vermag auch nichts die Gnadenwirkungen Christi zu hindern, wenn er beschließt, ein hartes Herz zu erwecken, zu überzeugen und zu erweichen. Wenn sich solch gnädige Schauer auf Sünder ergießen, dann muss sich auch der widerspenstigste Wille ergeben und rufen: "Herr, was willst du, dass ich tun soll?" 3) Wie der Regen für das Erdreich, wenn es ausgetrocknet ist, und für die mancherlei Gewächse, welche es hervorbringt, ja auch für all die verschiedenen Teile jeder Pflanze und jeden Baumes, als Wurzel, Stamm, Zweige, Blätter, Blüten und Früchte, höchst notwendig und angemessen ist, so ist Christus für all die Seinen und für jede ihrer Fähigkeiten und Kräfte, als da sind der Verstand, der Wille, das Gedächtnis und die Gemütsbewegungen, und für ihre mancherlei Tugenden, Glaube, Liebe, Reue usw., unbedingt notwendig, und seine Gnadenwirkungen entsprechen genau ihren Bedürfnissen, dass sie gewurzelt und gegründet, gestärkt und befestigt, belebt und gefördert, erquickt und bewahrt werden. 4) Wie der Regen auf gar verschiedene Weise niederkommt, manchmal mit kalten Winden und Stürmen, unter Donner und Blitz, und zu andern Zeiten still und warm, so kommt auch Christus zu den Sündern manchmal mit einschneidender Gewissensbestrafung und. mit den Schrecken des Gesetzes, manchmal mit lieblich lockenden Einladungen und Verheißungen. 5) Wie kostbar ist doch die Wirkung des Regens auf die schmachtenden Pflanzen. Er stärkt sie zu neuer Lebenskraft, gibt ihnen frisches Grün, macht, dass sie blühen und duften. So sind auch die Gnadenwirkungen Christi höchst begehrenswert für geistlich trauernde Seelen; denn sie erleuchten und beleben, trösten und stärken sie, machen sie voll geistlichen Verlangens und stillen ihr Sehnen, gestalten sie um und verklären sie. Ein gnädiger Schauer von Christus würde die Kirche, ob sie auch einer dürren Pflanze gliche, bald lustig in jungem Leben emporsprießen lassen, dass sie duften würde wie ein Feld, das der HERR gesegnet hat. John Willison † 1750.


V. 8. Er wird herrschen von Meer zu Meer, d. i. über den ganzen von Meeren umspülten Erdkreis. Einige Ausleger der heutigen Zeit wollen zwar den Vers, weil im zweiten Gliede der Strom, d. i. der Euphrat (vergl. 1. Mose 15,18; 31,21), erwähnt wird, von den Grenzen Palästinas verstanden wissen, so dass dieses Land beschrieben würde als sich erstreckend von dem Roten Meer bis zu dem Syrischen, das sonst auch das Meer der Philister oder das Große Meer genannt wird, und von dem Euphrat bis zu der großen Wüste, welche hinter Palästina und Ägypten liegt. Dies sind ja die Grenzen des israelitischen Landes, von Süden nach Westen und von Norden nach Osten (1. Mose 15,18). An unserer Stelle kann kaum ein Zweifel sein, dass mit dem Strom, d. i. dem Euphrat, die äußerste Ostgrenze der Erde bezeichnet sein will. Es ist doch allzu nüchtern und dürftig, bei einer so hochdichterischen Schilderung, wie dieses Lied sie gibt von einem König, der über alle andern erhöht ist (siehe V. 9 ff.), daran zu denken, dass gesagt sein solle, das Reich eines solchen Königs werde in die Grenzen Palästinas gebannt sein. Prof. E. F. Rosenmüller 1831.


V. 9. Staub lecken. Man erinnere sich, dass es bei vielen Völkern Sitte war, dass jedermann, der sich dem König nahte, die Erde küsste und sich der Länge nach auf den Boden warf. Das war namentlich in ganz Asien feststehender Brauch. Niemand durfte z. B., wie Xenophon berichtet, den persischen König anreden, ohne sich auf den Boden niederzuwerfen und die Fußspuren des Königs zu küssen. Thomas Le Blanc † 1669.


V. 9-11. Ihm werden die ungezähmtesten, ihm werden die fernsten und die reichsten Bewohner Huldigung leisten; die ungezähmten Bewohner der Wüste, die fernen Inseln des Westlandes und die Könige des reichen Arabien und Äthiopien. Prof. August Tholuck 1843.


V. 10. Das Wort, welches mit Inseln übersetzt ist, bezeichnet alles bewohnbare Land im Gegensatz zum Wasser (siehe 1. Mose 10,5, wo es zuerst vorkommt, und Jes. 42,15), also am Meer gelegenes Land, sei es nun die Seeküste eines Festlandes oder eine Insel. Insonderheit bezeichnet es die vom Mittelländischen Meer bespülten Länder und die von Palästina aus im fernen Westen gelegenen Küsten und Inseln. So in den ähnlichen Weissagungen Jes. 60,9; 11,11; 41,1; 42,10-12; 49,1 usw. Daher wird die Verheißung Jes. 42,4: "Die Inseln werden auf sein Gesetz warten," in Mt. 12,21 so ausgelegt: Die Heiden werden auf seinen Namen hoffen. William De Burgh 1860.
  Reicharabien (d. i. das reiche Arabien) oder Saba, hebräisch Scheba, und Seba werden oft verwechselt, wie denn auch in der deutschen Bibel (auch der berichtigten) ihre Namen nicht immer auseinandergehalten werden. Saba lag aber auf der Hochterrasse der Südwestspitze der Arabischen Halbinsel, während wir unter Seba wahrscheinlich, wie schon Josephus behauptet, das altberühmte Priesterreich Meroe im südlichen Äthiopien zu verstehen haben. Die Herrlichkeit dieses Priesterreichs nahm schon im 1. Jahrhundert vor Christus ein Ende. Das erstgenannte Saba oder Reicharabien war ein hochkultiviertes, überaus reiches Handelsvolk, das dem Norden Gold, Edelsteine, Weihrauch und Kassia zuführte. - James Millard
  Über den Reichtum Sabas berichtet der griechische Geschichtschreiber Agatharchidas: "Die Sabäer haben in ihren Häusern eine unglaubliche Menge von goldenen und silbernen Schmuckgefäßen und Geräten aller Art, silbernen Betten und Dreifüßen, und aller Hausrat ist von erstaunlicher Kostbarkeit. Ihre Gebäude haben Säulenhallen, deren Säulen mit Gold überzogen oder von silbernen Kapitälen gekrönt sind. Die Friese, die Verzierungen und die Rahmen der Türen belegen sie mit Goldplatten, welche mit Edelsteinen verziert sind. Sie wenden auf den Schmuck der Bauten ungeheure Summen, indem sie Gold, Silber, Elfenbein, Edelsteine und andere Stoffe vom höchsten Wert benutzen." Sie müssen sich auch in der Tat durch ihren Handel mit Indien und Afrika, zwischen welchen beiden Ländern ihre Halbinsel ja lag, großen Reichtum erworben haben. Reiche Gaben lassen sich von ihnen erwarten, wenn die Beschreibung, welche Lenormant und Chevallier (1869) von ihrem Handel geben, richtig ist. "Die hauptsächlichsten Waren, welche sie von Indien einführten, waren Gold, Zinn, Edelsteine, Elfenbein, Sandelholz, Gewürze und Baumwolle. Außer diesen empfingen die Warenhäuser Südarabiens auch die Erzeugnisse der gegenüberliegenden afrikanischen Küste, mit welchem nicht weit entfernten Lande, dessen bedeutendster Hafen Mosyton (jetzt Ras Aburgabeh genannt) war, sie einen lebhaften Küstenhandel trieben. Von dort holten sie außer den Gewürzen, welchen jene Küste ihren Namen zu verdanken hatte, Ebenholz, Straußfedern, sowie abermals Gold und Elfenbein. Wenn wir dazu noch die Erzeugnisse Südarabiens selber nennen, nämlich Weihrauch, Myrrhen, Opium, kostbare Steine wie Onyx - und Achatsteine, endlich Aloeharz von der ostafrikanischen Insel Sokotra und Perlen aus dem Golf von Ormus, so haben wir wohl die Liste der Gegenstände, welche der Handel dieses Landes mit Ägypten und den am Mittelländischen Meer gelegenen Ländern Asiens umfasste. Zugleich können wir uns aus dieser Aufzählung davon einen Begriff machen, wie bedeutend und lebhaft dieser Handel gewesen sein muss." - So arm Gottes Volk für gewöhnlich ist, so wird die Zeit doch gewiss kommen, wo es die Reichsten für ihre höchste Freude achten werden, ihre Schätze zu Jesu Füßen zu legen. C. H. Spurgeon 1872.


V. 11. Als Papst Leo X. die fünfte Lateransynode in Rom mit großem Pomp am 27. April 1513 eröffnete, ließ er sich durch den Mund des päpstlichen Kämmerers Puccius mit folgenden Worten anreden: "An dir, dem wahren und rechtmäßigen Statthalter Christi und Gottes, hat dieser Spruch sich wieder erfüllen müssen: Alle Könige werden ihn anbeten, alle Heiden werden ihm dienen!" - Die Schrift sagt: Du sollst anbeten Gott deinen Herrn und ihm allein dienen! Th. Zink im Freimund 1887.


V. 12. Es bedarf keiner Mittelsperson zwischen diesem König und seinen Untertanen: Er hört den Armen, der um Hilfe schreit, und errettet ihn. David Dickson †1662.


V. 13. Und den Seelen der Armen wird er helfen. Scipio pflegte zu sagen, er wollte lieber einem einzigen Bürger das Leben retten als tausend Feinde töten. Diese Gesinnung sollten alle Fürsten gegen ihre Untertanen hegen; zum höchsten Grad stieg aber diese Zuneigung und Liebe in dem Herzen Christi. So brünstig ist seine Liebe zu den Seinen, dass er nicht eins von ihnen umkommen lässt, sondern sie zum vollen Heil führt und sich ihren Feinden, Teufeln und Tyrannen, entgegenwirft und ihre Wut bezwingt. H. Moller 1639.


V. 15. Er wird leben. Alexander der Große erkannte bei seinem Tode an, dass er ein schwacher, sterblicher Mensch sei. "Ach, ich liege im Sterben, den ihr fälschlich einen Gott genannt habt!" sagte er. Christus aber erwies, dass er Gott war, als er durch seinen Tod den Tod überwand. Th. Le Blanc † 1669.
  Man wird immerdar für ihn beten. In allen unterworfenen Ländern bezeichnete zweierlei die Untertanenstellung der Einwohner: Erstens wurde auf die Münzen der Name des Eroberers geprägt, und zweitens mussten die Leute bei den öffentlichen gottesdienstlichen Feiern für ihren Besieger beten. Adam Clarke † 1832.


V.17. Ernest Renan dachte von fern nicht daran, einen Beitrag zur Auslegung dieses Verses zu geben, als er von dem Herrn Jesus sagte: "Son culte se rajeunira sans cesse." Doch würde es schwer sein, das hier im zweiten Versglied gebrauchte hebräische Wort, welches Sprossen treiben bedeutet, kräftiger zu illustrieren. William Kay 1871.
  Und werden (nämlich alle Geschlechter der Erde, wie die griechische Bibel ergänzt) durch denselben gesegnet sein. Es wird manchmal unbedachtsamerweise gesagt, das Alte Testament sei eng und ausschließend, und nur das Neue Testament sei weiten, echt ökumenischen Geistes. Das ist aber, so allgemein gesagt, ein Irrtum. Das alte und das Neue Testament sind in dieser Hinsicht eines Sinnes. Viele sind berufen und wenige auserwählt, das ist die gemeinsame Lehre sowohl des alten wie des neuen Testaments. Sie sind beide gleich katholisch, indem sie das Heil für alle verkündigen. Der Bund mit Adam und der mit Noah sind noch in Kraft und allen sicher, die zu Gott zurückkehren, und die Berufung Abrams wird ausdrücklich als ein Mittel bezeichnet, allen Geschlechtern der Menschen Segen zu bringen. Das Neue Testament zielt auf nicht mehr als eben dieses; es begrüßt nur die nahende Vollendung jenes herrlichen Ratschlusses. James G. Murphy 1863.


V. 20. Ein Ende haben die Gebete Davids, des Sohns Isais. Solange man die Fünfteilung des Psalters nicht beachtete, diente diese Bemerkung den Auslegern nur zur Verwirrung. Augustinus und sein Lehrmeister Ambrosius von Mailand nahmen diese Worte, welche sie in ihren Psaltern zwischen dem 72. und 73. Psalm fanden, als einen Teil der Überschrift zu dem letzteren und zermarterten ihren Scharfsinn, um die Bedeutung derselben zu erraten. Calvin erkannte, dass die Bemerkung auf das Vorhergehende Bezug habe, und da er nicht beachtete, dass sie am Ende eines Psalmbuchs steht, meinte er, sie gehöre ausschließlich zu dem unmittelbar vorhergehenden Psalm, und mutmaßte, sie wolle besagen, dass dieser Psalm die letzten Gebete des hochbetagten Königs enthalte. Er war aber nicht imstande, dies mit den zwei entgegenstehenden Tatsachen zu versöhnen, dass die Überschrift den Psalm dem Salomo zuschreibt und dass anderwärts ein ganz anderer Psalm als "die letzten Worte Davids" aufbehalten ist (2. Samuel 23,1). Und diese Verlegenheit des großen Reformators wird von den älteren Auslegern allgemein geteilt. Wir kommen sofort aus ihr heraus, wenn wir einfach den Platz der in Frage stehenden Bemerkung beachten. Sie hat ihre Stelle hinter einer Doxologie, welche das Ende des zweiten Psalmbuchs bezeichnet. Sie hat daher keinen unmittelbaren Bezug auf den 72. Psalm, sondern bezieht sich entweder auf das zweite Psalmbuch oder wahrscheinlicher auf das erste und zweite zusammen. William Binnie 1870.


Homiletische Winke

Zum ganzen Psalm. 1) Er wird ... 2) Man wird (sie werden) ...
  Man lasse diese beiden Töne im Wechsel erklingen, wie es der Psalm tut.

V. 1. Die Bitte der alten Gemeinde nun erfüllt. 1) Die Titel unseres Herrschers: a) König, kraft seiner göttlichen Natur; b) des Königs Sohn, nach seinen beiden Naturen. Seine Macht ist ihm sowohl angeboren als übertragen. 2) Die Vollmacht unseres Herrschers ("Gerichte "): a) sein Volk zu regieren, b) die Welt zu regieren zu seines Volkes Bestem, c) die Menschheit zu richten, d) die gefallene Geisterwelt zu richten. 3) Der Charakter unseres Herrschers: Er ist gerecht im Belohnen und Strafen, gerecht gegen Gott und Menschen. 4) Unser königstreues Gebet, dass dieser Herrscher sein Regiment ausübe über uns und das Weltall.
V. 2. Die Herrschaft Christi in seiner Gemeinde 1) Die Untertanen: a) dein Volk, die Erwählten, Berufenen usw.; b) deine Elenden, Bedrückten, Leidtragenden. 2) Der Herrscher: Er regiert allein, in Wahrheit, beständig. 3) Die Regierungsweise: gerecht, unparteiisch, mild, weise usw. Was lehrt uns dies alles? Diese Herrschaft herbeiwünschen.
V. 3. Die Berge des göttlichen Ratschlusses, der unveränderlichen Wahrheit, der allmächtigen Kraft, der ewigen Gnade usw. Diese Berge Gottes sind die Festen des Friedens.
V. 4. Der armen Leute König, oder die Segnungen, welche den Armen und Elenden durch die Herrschaft Christi zuteilwerden.
V. 5. Die immerwährende Dauer des Evangeliums, Gründe für dieselbe. Dinge, welche sie bedrohen, und Lehren, die sich daraus ergeben.
V. 6. Die Aue, der Regen und seine Wirkung. Dieser Vers lässt sich leicht auf mannigfaltige Weise fruchtbar behandeln.
V. 7. 1) Die Gerechten blühen zu einer Zeit mehr als zur andern. 2) Sie blühen am reichsten, wenn Jesus bei ihnen ist, "zu seinen Zeiten". 3) Eben danach richtet sich auch die Fülle ihres Fruchttragens. George Rogers 1871.
  Überschwang oder Fülle des Friedens. (Wörtl.) Eine reiche Zusage, und zwar eine Zusage des Friedens, eine überschwängliche Erlösung, die den Frieden zustande bringt, eine reiche Vergebung, die den Frieden ins Herz gießt; mächtige Wirkungen des göttlichen Geistes, der den Frieden versiegelt, überschwängliche Verheißungen, die den Frieden gewährleisten, überreiche Liebe, die den Frieden ausbreitet usw.
V. 8. Das Reich Christi wird noch die ganze Welt umfassen. Man widerlege andere Anschauungen über die Zukunft und lege ihren schlimmen Einfluss dar, stelle dagegen fest, wie gewiss und wie segensreich diese Wahrheit ist.
V. 9b. Das schimpfliche Ende der Feinde Christi.
V. 10. Die Reichseinkünfte Christi: freiwillige und doch überreiche Gaben.
V. 12. Die besondere Fürsorge Christi für die Armen. 1) Bemitleidenswerte Leute. 2) Eine elende Lage: schreien - keinen Helfer haben. 3) Das natürliche Zufluchtsmittel: schreien. 4) Herrliche Hilfe.
V. 14. Die Hoffnung der Märtyrer im Leben und ihr Trost im Sterben. George Rogers 1871.
V. 14b. Das Blut der Märtyrer. 1) Gott sieht es, wenn es vergossen wird. 2) Er gedenkt desselben. 3) Es erlangt die Ehre, der Gemeinde ein Nutzen zu sein. 4) Es wird im Himmel besonders belohnt.
V. 15. Ein lebendiger Heiland, ein gebendes Volk; der Zusammenhang zwischen beiden. Oder: Lebt Christus in der Gemeinde, so füllen sich die Opferstöcke, die Gebetsversammlungen beleben sich und der Lobpreis wird geheiligt.
  Man wird immerdar für ihn beten. Wir sollen für Jesus Christus beten. Bei dem Interesse, das er an gewissen Dingen hat, geschieht, was für diese geschieht, für ihn; und er selbst sieht es so an. Wir beten daher für ihn, wenn wir für seine Diener, seine Verordnungen, sein Evangelium, seine Gemeinde, kurz, für seine Sache beten. Aber was sollen wir denn für ihn erbitten? 1) Dass stets eine genügende Anzahl fähiger Werkzeuge da sei, sein Werk zu treiben. 2) Dass alles, was den Fortschritt seiner Sache hindert oder zu hindern sucht, hinweggetan werde. 3) Dass sich die Grundsätze seines Reichs allgemein ausbreiten mögen. 4) Dass sich die Herrlichkeit seines Reichs wie dessen Ausdehnung mehre. William Jay † 1853.
  Gebet für Jesus, ein inhaltreiches Thema. - Täglicher Lobpreis eine Christenpflicht.
V. 16. Die Segensfrucht der Königsherrschaft Jesu auf Erden.
V. 17. Christus verherrlicht a) in der Gemeinde ("durch denselben gesegnet"), b) in der Welt ("alle Heiden"), c) in zukünftigen Zeiten ("bleiben", "sprossen"), d) in Ewigkeit. George Rogers 1871.
V. 18 f. 1) Wer soll gelobt werden? 2) Wer soll loben? 3) Wie lange und 4) wie weit soll dies Lob erschallen? 5) Welches Echo soll dies Lob finden? Amen, Amen.
V. 18b. Die Wunder des HERRN im Reich der Vorsehung und im Reich der Gnade.

 

 


Fußnoten

1. Spurgeon sucht diesen Ausweg, um V. 20 mit dem Psalm zu verbinden. Offenbar gehört aber weder die Doxologie V. 18 f. noch die Bemerkung V. 20 unmittelbar zu dem Psalm. Die Doxologie bezeichnet den Schluss des zweiten Psalmbuchs; die Bemerkung V. 20 ist wohl die Unterschrift der ersten Grundsammlung des Psalters, die der Hauptsache nach aus Liedern Davids bestand.

2. Der milde und gerechte römische Kaiser Titus ward bekanntlich seiner vortrefflichen Charaktereigenschaften wegen amor et deliciae generis humani genannt.

3. Island = Eisland, hat seinen Namen von dem Treibeis. Bekanntlich hat es viele warme Quellen (Geiser).

4. Formosa = die Schöne, bekannte Insel an der südöstlichen Küste Chinas.

5. Beglückte Inseln, alter Name der Kanarischen Inseln.

6. Sie gehören als Schluss des zweiten Psalmbuchs nicht ursprünglich zu dem Psalm, schließen sich aber sehr wohl mit diesem zusammen, wie sie denn auch bei der gottesdienstlichen Vorlesung mitgelesen wurden.