Wie verhält sich die Weissagung zur Erfüllung?

Wie verhält sich in Joel 2,28-32 und Apgesch. 2,16-21 die Weissagung zur Erfüllung? Oder soll letztere Stelle gar nicht die Erfüllung der ersteren sein?

Antwort A

Joel 2 und 3 beschreibt die Zustände des Volkes Israel durch die Bedrückung anderer Völker, vornehmlich durch den König des Nordens, den Assyrer. Nach Vollzug dieses Gerichtes unter Gottes Zulassung führt Gott für den Überrest seines Volkes Israel die oftmals durch die Propheten verheißene Zeit des Segens ein (Joel 2,18-27).

Doch bevor diese Segenszeit für Israel eingeführt wird, kommt der große Tag Gottes, des Allmächtigen (Off. 16 und 19,11-21). Was in Joel 2,28-32 geschrieben steht, betrifft zunächst ausschließlich Israel, und zwar den Überrest Israels, der durch große Drangsal und Leiden gegangen ist. Diese Verheißungen, wie sie Joel beschreibt, sind somit für Israel als Volk noch zukünftig.

Anders in Apg. 2,1-4; hier ist die Verheißung hinsichtlich der Ausgießung des Heiligen Geistes in Erfüllung gegangen. Als die Juden voll Staunen fragten, was das werden sollte, sagte Petrus, „dies ist es, was der Prophet Joel geweissagt hat, dass in den letzten Tagen Gott von Seinem Geist ausgießen werde auf alles Fleisch” usw. Petrus fügt hinzu, dass Gott dies jetzt in den letzten Tagen tun werde; damit wies Petrus die Juden auf die Dringlichkeit der Umkehr zu Gott hin, dass sie Buße tun und das ihnen in Christo angebotene Heil jetzt annehmen sollten zur Vergebung der Sünden, um zugleich die Gabe des Heiligen Geistes zu empfangen. Nachdem der Herr Jesus das große Werk der Erlösung durch Sein am Kreuz vergossenes Blut voltbracht hatte, begann nun der Tag des Heils; aber es war auch der Beginn der letzten Zeit und der letzten Tage. Auch wir leben noch in diesen letzten Tagen, wie lange noch? vielleicht nicht mehr lange! - und die Türe ward verschlossen.
Am Pfingsttag hat sich erfüllt, was Joel über die Ausgießung des Geistes Gottes weissagte und was Jesus Seinen Jüngern vor Seinem Heimgang zu Seinem Vater in Aussicht stellte. (Ev. Joh. 14,16.17; 16,7.8.) Der Heilige Geist wurde ausgegossen über die versammelten Jünger und erfüllte ihre Herzen mit Friede und großer Freude. Und er vermag noch heute Großes zu wirken an aufrichtigen Herzen, darum, wie der Heilige Geist spricht: „Heute, so ihr Seine Stimme höret, verstocket eure Herzen nicht.
F. B.

Antwort B

Joh. 14 sagt der Herr Jesus Seinen Jüngern, dass Er ihnen den Heiligen Geist senden wolle, und Joh. 14,17 bemerkt Er ausdrücklich, dass dieser „bei uns und in uns” sein soll, und auf Ihn sollten die Jünger des HERRN warten.

Wenn wir nun in dieser Verbindung Apg. 2 im Zusammenhang lesen, finden wir dort die Jünger einmütig versammelt und gottesfürchtige Juden von nah und fern sind in Jerusalem anwesend. Hier ereignet sich nun das, was ihnen der Herr Jesus verheißen hatte; der Heilige Geist kommt hernieder unter dem Zeichen eines gewaltigen Windes und unter der Gestalt feuriger Zungen. Petrus als Wortführer darf hier gewissermaßen den Erstlingen des Geistes das Reich der Himmel aufschließen, und in seiner Ansprache verkündigt er den Juden, dass dies es sei, was schon Joel geweissagt habe. Diese Weissagung deutet zunächst auf das kommende Reich Christi auf Erden hin, dem der große und furchtbare Tag des Gerichts vorausgeht. In jenen Tagen wird der Geist „über alles Fleisch” ausgegossen, während dagegen jetzt nur ein Teil der Menschen, und zwar die Gläubigen, den Heiligen Geist empfängt; derselbe kommt nicht auf uns, sondern ist, wie schon oben angeführt, „bei uns und in uns” (Joh. 14,17). So sehen wir hier wohl Petrus auf die bekannte Joelstelle hinweisen, um den Juden zu zeigen, dass die Gabe des Geistes verheißen war und dass sie somit für das, was sie sahen und hörten, verantwortlich waren. (Ähnlich wie er Vers 25-31 als Weissagung auf die Auferstehung auf Psalm 16 hinweist.)

Zu beachten ist, dass hier in Apg. 2 die Erstlingsgarbe, wovon wir 5. Mose 16 vorbildlich lesen, gesammelt wurde, und dass bei dieser Gelegenheit Gott den Seinen die Erstlinge des Geistes gegeben hat, aber im Anschluß an diesen Erntetag wird Gott später noch einmal eine große Ernte halten, wenn die Sammlung der Gemeinde, d. h. alter wahren Gläubigen vollendet und der Weizen in die himmlischen Scheunen eingebracht ist (Mt. 13,30). Dann wird Gott noch einmal den Heiligen Geist ausgießen, und zwar auf alles Fleisch (Joel 2,28). Wenn also die Zeiten der Nationen erfüllt sein werden (Lk. 21,20) und die Vollzahl eingegangen ist (Röm. 11,25), dann wird die Zeit für Israel anheben, wo es sprechen wird: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des HERRN”. (Vergl. Hes. 3,4.5, Sach. 9,9 und 14,4-21, Jes. 9,6-7; 52,7: 62,10-12; 65,17-25 usw.)
Ph. W.

Antwort C

Die genannte Stelle in Joel beginnt: „Und danach wird es geschehen ...”. Es gehen also ihrer Erfüllung bestimmte Dinge voraus, von denen vorher die Rede ist; große Not und Drangsal (1,2 - 2,11), Umkehr zu Jehova (2,12-17) und Befreiung aus der Bedrängnis und Umwandlung der Leiden in Freuden (2,18-27). „Und danach wird es geschehen, dass Ich Meinen Geist ausgießen werde ...;” also nachdem Israel durch alle die Leiden und Bedrängnisse hindurchgegangen sein wird, die nach dem Worte Gottes über Israel kommen müssen, und nachdem es von Herzen zum HERRN umgekehrt sein wird.

Es ist der Anbruch einer neuen Zeit für Israel, wie Kap. 3 zeigt - der Zeit der Herrlichkeit und der Segensfülle. Die Gefangenschaft Judas und Israels ist dann gewendet (3,1), die Berge werden von Most triefen und die Hügel von Milch fließen (3,18), Israel wird herausgeführt sein zu „überströmender Erquickung” (Ps. 66,10-12). Auch Jes. 32,10-18 zeigt dasselbe recht klar (s. V. 15). - Ist dieses geschehen mit Israel? Nein, zur Zeit von Apg. 2 nicht und auch jetzt noch nicht. Folglich kann auch Apg. 2 nicht die Erfüllung von Joel 2,28-32 sein und muss diese Erfüllung noch in der Zukunft liegen.

Wenn Petrus dennoch Apg. 2,16 sagt: „Dieses ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist,” so bedeutet dies nur, dass das, was geschehen war, seinem Inhalt und Wesen nach dem in Joel Gesagten entsprach, ohne die Erfüllung zu sein - gleichsam eine Vorauserfüllung, der die eigentliche Erfüllung noch folgt, gerade so wie die Sendung Johannes als Elias vor dem HERRN her (Mal. 4,5; Mt. 11,13.14; 17,11-13) und wie das erstmalige Kommen des HERRN.

Bei denen, die am Tage der Pfingsten beisammen waren (Apg. 2,1), waren die Voraussetzungen für die Ausgießung des Heiligen Geistes erfüllt. Durch die Leiden war der HERR für sie gegangen (Jes. 53, Ps. 69), und sie waren von Herzen zu Ihm umgekehrt; so konnte auch Gott an ihnen Seine gegebene Verheißung des Heiligen Geistes erfüllen. Die Erfüllung für Israel als Volk aber, wovon Joel spricht, steht noch aus, da für Israel als Volk noch die obengenannten Voraussetzungen fehlen. Aber die Zeit wird kommen und dann wird Joel 2,28-32 buchstäblich erfüllt werden.
Th. K.

Anmerkung des Herausgebers

Als die Menge das Wunder der Sprachen vernahm, fingen einige an zu spotten, die Jünger seien trunken und der Geist des Weines rede aus ihnen. Daraufhin zeigt ihnen Petrus, dass das, was sie sahen, ihnen als Juden, die das prophetische Wort besaßen, nicht unbekannt sein sollte und sagt: „Dies ist es, was durch den Propheten Joel gesagt ist.

Er sagt nicht: „dies ist die Erfüllung” oder: „Es ist erfüllt” was Joel gesagt. Das war es nicht. Die Erfüllung der Weissagung wird stattfinden wenn Israel durch die Drangsal zum HERRN gebracht ist und Ihn angenommen hat. Aber das, was sie sahen, war das, wovon Joel schon gesagt - geredet hatte. Es war ein Teil, eine Anfangserfüllung der Joel-Weissagung, aber noch nicht die volle Erfüllung.

Hätte das Volk auf Petr. Predigt (Apg. 3,18-26) Buße getan, so würde das Pfingstereignis zur Vollerfüllung von Joel geworden sein, geradeso, wie wenn sie Johannes den Täufer angenommen (Mt. 11,14 und 17,12) und Buße getan hätten, er der Elias gewesen wäre. So aber wird Elias als die Vollerfüllung an einem späteren Tage noch kommen. Die Ansgießung des Heiligen Geistes ist, wie Johannes, gleichsam ein Voraus-Ereignis, eine Früherfüllung der Weissagung - der Frühregen, dem der Spätregen noch folgt. (Siehe auch Röm. 8,23.)


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 5 (1917)