Buch-Rezension: Königreiche im alten Vorderen Orient - Zaberns Bildbaende Zur Archaeologie

Königreiche im alten Vorderen Orient

Autor:

Der vorliegende, hervorragend illustrierte Band gibt einen guten chronologischen Überblick über die Entstehung und Entwicklung von sechzehn Königreichen im alten Vorderen Orient von Susa 4. Jts. v. Chr. bis zur babylonischen Spätzeit, die mit der Eroberung Babylons durch die Perser 539 v. Chr. endete. Der Band geht auf eine Vorlesungsreihe der Marburger Altorientalistin zurück. Sie will „einen Eindruck von den kulturhistorischen Entwicklungen, der Entstehung der frühesten Königreiche und ihrer weiteren Entwicklung, von kriegerischen Auseinandersetzungen, aber besonders auch vom kulturellen Zusammenwirken der vielen verschiedenen Völker vermitteln“ (2).

Neben einem Überblick über die Geschichte der Region, zu der auch das atl. Israel gehört hat, trägt der Band auch zum konkreten Verstehen des AT und seiner Entstehung bei. Immer wieder verweist die Autorin auf das AT, dem sie weit mehr historische Glaubwürdigkeit zuschreibt als dies in der kritischen atl. Wissenschaft der Fall ist. Drei interessante Perspektiven auf das AT genügen: Aufgrund des Rufes Gottes verließ Abraham (den man aufgrund atl. Zahlenangaben um ca. 1800 v. Chr. datieren kann) Ur in Chaldaea (im heutigen südlichen Irak), um ins verheißene Land zu ziehen. Er stammte aus einer antiken Hochkultur, die ihresgleichen sucht; vgl. die Kapitel „Ur und die frühdynastischen Königsgräber (um 2500 v. Chr.)“, 34-42 sowie „Die III. Dynastie von Ur (2112-2004 v. Chr.)“, 52-58. Ein Teil seiner späteren Familie kommt ebenfalls aus dieser Region.

Schon von daher ist es abwegig, wenn teilweise behauptet wurde, dass es aus der Zeit der Patriarchen keinerlei schriftliche Quellen über die Zeit vor Mose gegeben haben kann, bzw. wenn man von Jahrhunderte langen, ausschließlich mündlichen Überlieferungsprozessen ausgeht. Immerhin wurde die Schrift in der 2. Hälfte des 4. Jts. v. Chr. erfunden … (S. 2), „Als historisch anzusprechende Nachrichten sind etwa ab der Mitte des 3. Jts. v. Chr. erhalten“ (2). Wäre es daher so abwegig, dass Abraham, zu dessen Hausstand immerhin 318 Knechte (mit Familien?) gehörten, der in der Lage war, eine Koalition von „Königen“ zu vertreiben (1Mose 14), mit Königen verkehrte und umfangreiche Geschäfte abschloss (1Mose 21 u. 23), schreiben konnte, auch wenn die Buchstabenschrift erst zwei oder drei Jahrhunderte später erfunden wurde und Schreiben ein Privileg der mesopotamischen Oberschicht war?

Wiederholt wurde auch Möglichkeit und Charakter des mosaischen Gesetzes in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus bestritten. Die Texte (oder zumindest ihre sog. „Endredaktion“) werden schnell in die Zeit Josias ins 7. Jh. v. Chr. datiert. Im Abschnitt „Babylon und sein König Hammurabi (18.Jh.v.Chr.)“ (68-75 und anderswo) erfährt man einiges über altvorderorientalische Gesetzgebung lange vor der Zeit der Gesetzgebung am Sinai (detailliert auf S. 71; tw. mit interessanten Parallelen zum mosaischen Gesetz).

Der letzte Abschnitt beschreibt „Babylon in der Spätzeit (8. Jh.-539 v. Chr.)“ (122-29). Koch schildert, wie Babylon nach der Zerstörung 689 v. Chr. durch die Assyrer unter Sanherib wieder aufgebaut wurde. Dabei war Nebukadnezar II (604-562 v. Chr.) die treibende Kraft. Koch beschreibt die wiedererrichteten Stadtmauern, Palastanlagen (zu denen die sog. „hängenden Gärten“ gehört haben), Tempel, die Prozessionsstrasse und das Ischtartor. Die Schilderung bietet einen hervorragenden Hintergrund zu Daniel 4, wo sich der König als großer Baumeister rühmt: „Das ist das große Babylon, das ich erbaut habe zur Königsstadt durch meine große Macht zu Ehren meiner Herrlichkeit“ (V. 27) und anschließend buchstäblich „ins Gras beißt“ (V 28-30). Interessant ist auch das Kapitel „Das Königreich Assur – die spätassyrische Zeit (ca. 1000-609 v. Chr.)“ (102-21; Beschreibung Ninives 116-20).

Der Band eignet sich ganz oder in Abschnitten für Kurse zur Umwelt des AT und zu einzelnen biblischen Geschichtsbüchern oder Propheten. Dabei sind die große Anzahl hochwertiger Illustrationen hilfreich (vgl. z.B. das Modell des Zikkurats von Babylon, S. 125). Eine Schlussbetrachtung, eine Liste der genannten Könige und ihre ungefähre zeitliche Einordnung sowie eine weiterführende Literaturliste schließen den Band ab.

Für Leser, die die Bleiwüsten akademischer Fachliteratur kennen, ist Kochs Band eine willkommene Abwechslung und zeigt, dass Forschungsergebnisse auch allgemeinverständlich, ansprechend und zugleich auf hohem Niveau präsentiert werden können. Zum Thema vgl. ferner J. Haywood, Atlas der alten Kulturen (Stuttgart: K. Theiss, 2005), 16-47, 72-105.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Christoph Stenschke
 Kategorie: Geschichte, Kirchengeschichte

  Verlag: Verlag Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft
  Jahr: 2006
  ISBN: 3-8053-3621-7
  Seiten: 135
 €    Preis: 19,90 Euro