Altar am Jordan

Ist der Altar, den Ruben, Gad und Halb Manasse - Jos. 22 - am Jordan bauen, biblisch einwandfrei berechtigt, oder ist das Bauen desselben, trotz der Zustimmung des Priesters Pinehas usw. (V. 30.31), doch als eine Abweichung in das religiös Böse aufzufassen, etwa als Vorstufe von dem Kälberdienst Jerobeams in Bethel, 1. Kön. 12,? Welche neutestamentliche Beleuchtung könnte man jenem Altar Rubens geben?

Antwort A

Wie hatte Mose seinerzeit das Sitzenbleibenwollen diesseit des Jordan beurteilt? Welche Befürchtung glaubt er aussprechen zu sollen? Die, welche in den Worten liegt: „Wenn ihr euch von Jehova abwendet ...!” (4. Mo. 32,15) Er befürchtete, hatte das Ahnungsvermögen, dass durch das Nichtmehrverwachsensein mit dem Volkskörper mit der Zeit eine Abkehr von Jehova Platz greifen könnte; denn der Jordan, die natürliche Ostgrenze des verheißenen Landes, konnte möglicherweise eine Scheidung innerhalb des Volksganzen machen, wenn die 2½ Stämme sich diesseits seßhaft machten. Diese Befürchtung drücken sie selber aus in ihrer Antwort an Pinehas und begründen sie damit, nicht dass die Abkehr von ihrer Seite ausgehen könnte, sondern dass ihren Nachkommen die Beteiligung am Dienste Jehovas eben der gedachten Scheidung wegen von den Nachfahren der Jenseitigen verwehrt werden könnte.

Aus ihren Worten spricht wahre Herzenssorge, das spüren wir beim Lesen. Das spürten auch Pinehas und seine Begleiter; darum war die Sache gut in ihren Augen. Als eine Abweichung auf die Linie des religiös Bösen kann der Altar in der Beleuchtung ihrer Worte nicht gewertet werden. Für den später eingeführten Kälberdienst war das Goldene Kalb eine wesentliche Vorstufe gewesen.

Aber etwas anderes macht sich aus ihren und Moses Worten heraus mit Gewichtigkeit fühlbar: ihr Begehren an und für sich und die Tatsache, dass es ihnen auf ihr unnachgiebiges Drängen hin gewährt wurde, war die eigentliche und begründete Ursache ihrer Befürchtungen. Die Erkenntnis davon drängt sich ihrem Gewissen auf. Es ist ja so: Gott entspricht manchem Begehren, das Ihm mißfällig ist und in seinen Auswirkungen den Begehrenden zum Schaden oder gar zur Katastrophe werden muß. Die Geschichte Israels bietet mehr als ein Beispiel davon: die Wachteln eines (Ps. 78,29-31); der König Saul ein anderes, (Hos. 13,9-11). Das eintretende Verhängnis ist die Strafe für die Unbelehrbarkeit.

Der Segen Jehovas in der außergewöhnlichen Mehrung ihres Viehbestandes ließ sie aus den Augen verlieren, dass ein noch größerer Segen ihrer im eigentlichen Lande Jehovas wartete, ließ sie übersehen, dass kurzsichtiges Festhaltenwollen eines gegenwärtigen Segens ein späteres Zukurzkommen, den Verzicht auf einen folgenden größeren Segen in sich schließen mag und dass es gleichzeitig ein Versagen in Ausführung des wohlgefälligen Willens Gottes ist. Denn sie schätzten durch ihr Begehren die Wahl Gottes für Sein Volk in betreff des Landes, das Er zu geben für gut fand, geringer ein als ihre eigene Wahl; als ob Gott nicht so gut wie sie gewußt hätte, dass das Land Jahser und das Land Gilead und die übrige Gegend dort ein Ort für Vieh wäre! Und Er wollte trotzdem Sein ganzes Volk beisammen in deutlich umrissenem und abgegrenztem Bezirk um Sich haben!

Indem wir diese Gedanken zum Ausdruck bringen, sind wir schon in den Lichtschein getreten, den das Neue Testament auf diese Begebenheiten fallen läßt.
Doch zuvor eine kurze Überleitung. Es gibt Gläubige, die wissen, dass sie durch das Blut des Passahlammes, unseres Passahs (1. Kor. 5), in Sicherheit sind, wie der Israelite es dort in Ägypten war. Sie wissen, dass durch den Tod Christi am Kreuze der Feind, Satan, besiegt wurde und ihnen nichts mehr anhaben kann, sofern sie im Glauben gegründet und festbleiben, wie der Pharao mit seiner Heeresmacht im Schilfmeer umkam und Israel nichts mehr anhaben konnte. Sie singen Lieder des Lobes und der Erlösung wie Israel. Sie essen das Manna, Christum, das Brot aus dem Himmel für die Wüstenreise; genießen von dem Wasser aus dem geschlagenen Felsen, welcher ebenfalls Christus ist: die erfrischenden, stärkenden Segnungen des durch Ihn gekommenen Geistes. Sie haben davon gehört, dass ihr und aller Gläubigen gegenwärtiges, nicht nur erst zukünftiges Teil droben ist, wo der Christus ist, dass sie „gesegnet seien mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christo”, ja, dass sie sich schon dort sitzend wissen dürfen in Ihm. - Und doch ...!
Da sind wir nun an dem Altar Rubens angelangt. Die Gläubigen, von denen wir sprechen, gehen nie über den Jordan. Es gibt andere aus ihrer Mitte, die gehen hinüber, wie die Gerüsteten aus den 2½ Stämmen, die mit den 9½ Stämmen hinübergezogen, aber mit der Absicht, nach erfüllter Hilfeleistung dahin zurückzukehren, wo Weiber, Kinder und Vieh waren, d. h. wo ihr Herz war. (Wie sagt doch der HERR? „Wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein!Mt. 6,21!) Eine dritte Klasse von Gläubigen geht hinüber in das Land der Verhei ßung, um dort das gute Teil in Besitz zu nehmen und zugleich um dem wohlgefälligen Willen Gottes durch das Hinübergehen zu entsprechen.

Die Rubeniter, Gaditer und die Hälfte der Manassiter machen 110580 oder rund 110000 Mann aus (4. Mo. 26,7.18.34), 40000 davon zogen gerüstet mit ihren Brüdern über den Jordan (Jos. 4,13). 70000 blieben also diesseit des Flusses. Welche Schau zieht da vor unserem Geistesauge auf? Diese: Die Zurückgebliebenen erleben nicht das Wunder des Durchgangs im Bett des Flusses; sehen nicht die als bedeutsame Zeichen zu wertenden Begleitumstände: die vorangehende Lade, das abreißende Wasser, das Herausnehmen aus dem Flußbett von 12 Steinen und das Aufstellen derselben in Gilgal, das Aufstellen von 12 anderen Steinen im Flußbett, da, wo die Lade gestanden hatte, das Beschnittenwerden in Gesamtheit, die gemeinsame Feier des Passah, das Essen vom Erzeugnis des Landes an Stelle des aufhörenden Mannas. War das, im Lichte der Belehrungen des Neuen Testaments gewertet, nicht ein beklagenswerter, unersetzlicher Verlust?
Des weiteren: Gingen sie nicht des Miterlebens der herrlichen Machttaten Gottes im Besiegen der Feinde im Lande verlustig? Verlustig auch der Erfahrungen, welche die anderen durch die Züchtigung im Falle „Achan” machten, und der Erfahrung der Folgen, die sich aus dem Fall „Gibeoniter” ergaben? Beschnitten mochten sie irgendwie und irgendwann auch werden, sonst wären sie ja außerhalb des Volksverbandes und nach dem schon an Abraham gerichteten Wort Jehovas der Ausrottung verfallen gewesen. Das Passah mochten sie feiern; aber was war die persönliche Feier desselben gegenüber der gemeinsamen Feier der anderen in Gilgal im Anschluß an das Beschnittenwordensein da selbst, was in seiner symbolischen geistlichen Wertung etwas einzig Dastehendes ist, nämlich ein Tun Gottes zu ihrer Ehrenrettung, obwohl Josua es war, der die Beschneidung vollzog: Gott Selber wälzte von ihnen die Schande Ägyptens ab, die Schande, Ägyptens Sklaven gewesen zu sein! (Jos. 5,9)

Der Jordan bedeutet den Tod Christi in dem Sinne, dass Sein Tod unser Mit-Ihm-gestorben-sein einschließt, dieses veranschaulicht in den 12 im Jordan aufgerichteten Steinen. Die Lade, die in den seine Ufer überflutenden Strom tritt und vor der die Wasser den Weg freigeben, das ist Er, der in den Tod ging, dadurch denselben überwand und den Weg frei machte für die Seinen, dass sie durch denselben hindurchgehen können, ohne von seiner Gewalt angetastet zu werden. Die 12 aus dem Flußbett genommenen und in Gilgal aufgerichteten Steine sind das Zeugnis, dass wir aus dem Tode in das Leben hinübergegangen sind, wie Er vom Tode nicht behalten werden konnte, sondern auferstand: Die Lade stieg aus dem Flußbett herauf, als alle vor den wiederheranrollenden Fluten in Sicherheit waren.
Den 70000 jenseits Gebliebenen entsprechen solche Gläubigen (und ihre Zahl ist groß!), die wohl annehmen, dass Christus für sie gestorben ist und ihre Schuld getilgt wie auch den Feind besiegt hat (Symbol: das Rote Meer), die aber nicht begreifen, dass sie selber mit Christo weggetan sind. Sie schlagen sich darum immer mit ihrem „Ich” herum und kommen nie zur Ruhe, anstatt glaubend zu erfassen, dass der alte Mensch richterlich im Tode Christi sein Ende gefunden hat und sie somit von ihm befreit sind.

Als Fortsetzung hierzu bedeuten die 12 aus dem Jordan genommenen Steine, dass wir als Mitauferstandene in Neuheit des Lebens wandeln, was noch genaueren symbolischen Ausdruck in der Beschreibung findet, dort durch eine äußerliche im Fleische, bei uns durch die des Herzens im Geiste. (Vgl. Röm. 6,3ff.; Kol. 2,11ff.; Röm. 2,28.29) So ist denn in allem „Gott für uns”, hat es selber in die Hand genommen, die Schande des der Sünde und der Welt Versklavtseins von uns abzuwälzen. - Die vielen, den 70000 entsprechenden Gläubigen lernen das nicht. Woran liegt die Schuld? Nicht meistenteils an Saumseligkeit, am Nichternstmachen?
Als weitere Folge kommt für die betreffenden Gläubigen hinzu, dass sie sich nicht drein finden können, das Verständnis nicht aufbringen, das dem Passah entsprechende Gedächtnismahl des HERRN als rein gemeinschaftliches Mahl zu feiern; sie bleiben, wenn sie nach ihrem Sprachgebrauch „zum heiligen Abendmahl gehen”, immer am eigenen Persönlichen hangen. Auch was das bedeutet: „vom Erzeugnis des Landes essen, vom anderen Tage des Passah an, vom alten Getreide des Landes, ungesäuerte Brote und geröstete Körner”, kennen sie nicht oder doch nicht mit der Empfindung, welche die anderen haben. Denn auch diesseit des Jordans gab es sicherlich altes Getreide und hörte das Manna auf.

Das alte Getreide des Landes, entweder als geröstete Körner oder als ungesäuert Gebackenes, genießen bedeutet, indem es die besprochenen Geschehnisse zur Voraussetzung hat: den droben zur Rechten Gottes sitzenden Christus (Joh. 6,62; Kol. 3,1-3) so kennengelernt zu haben und innerlich zu genießen, wie Er nach dem ewigen Ratschluß und den Vorsätzen Gottes in Seinen Ämtern und Würden als Hoherpriester und zukünftiger Richter und Weltherrscher, „dessen Ursprünge von der Urzeit, von den Tagen der Ewigkeit her sind” (Mich. 5,1), und als Sohn in Seiner Beziehung zum Vater von Ewigkeit her geoffenbart und den Gläubigen bekannt gemacht worden ist. Etwas davon vernehmen die nicht in alles Eingehenden auch, aber wie und wo und wann? Die gerösteten Körner flechten den Gedanken an die Leidensprüfungen, und das ungesäuert Gebackene den an die erprobte Lauterkeit der Menschheit des auf der Erde gewesenen Jesus ein. Es ist das etwas anderes als nur den Jesus zu kennen, der aus dem Himmel als Brot Gottes herniederkommt und der Welt das Leben gibt, Sich zu genießen gibt als Manna, als Brot des Lebens, um das Leben der an Ihn Glaubenden während der Wüstenreise zu erhalten und zu stärken. (Joh. 6) Es ist mehr, obwohl beides nebeneinander besteht.
Dann gibt es also noch Erfahrungen, die sich ergeben, wenn man, angetan mit der Waffenrüstung Gattes, den Listen und Tücken des Teufels Widerstand leistet. Eben weil man aus geistlichem Verständnis heraus seiner Vorrechts- und Hoheitsstellung in den himmlischen Örtern sich bewußt ist und sich darin ergeht, sucht der Feind uns in unserem Leben auf der Erde zu Fall zu bringen; daher die Aufzählung der praktischen Stücke der Waffenrüstung und die Empfehlung des richtigen Gebrauchs derselben. (Eph. 6) Der Gläubige, der seine bevorrechtete Stellung droben nicht oder nur vom Hörensagen kennt, kann hier nicht mitreden.

Gibt es Fehlschläge und Zukurzkommen oder gar Sünden, die Züchtigungen nach sich ziehen, so muss auch das zum Guten mitwirken, wie Josua es in den Fällen „Achan” und „Gibeoniter” erfuhr (lernen: nicht zuerst verzagen, sondern die Ursache im eigenen Lager suchen! Rachsüchtige Zusammenrottung der Feinde verschafft um so größeren Sieg). Freilich gibt's diese Erfahrungen auch bei den anderen Gläubigen. Ob aber die Würdigung der Ergebnisse der Zucht dieselbe ist, ist eine andere Frage. Siehe Hebr. 12,11 unter Beachtung der Worte: „... denen, die durch sie geübt sind.

Eines Punktes muss zum Lobe Gottes noch Erwähnung getan werden: 12 Steine heißt Er im Jordan aufrichten,12 hinaustragen, nach der Zahl der Stämme, obwohl nur 9½ ganz und von den übrigen nur ein Bruchteil hinüberging, ein Bruchteil, weil außer 110580 über 20 Jahre alten Männern all die Männlichen unter 20 Jahren noch da waren, dazu die Frauen und Mädchen. Ob sie selber es wollen oder nicht, Gott sieht Sein Volk immer als ein Ganzes an. So auch heute. Ob ein Teil der Gläubigen seine Stellung in Christo kennt und genießt oder nicht, Gott sieht sie alle in der ihnen in dem Geliebten zugedachten Stellung vor Sich und spricht so von ihnen. Der Schaden, der ihnen aus dem Nichtverstehen entsteht, fällt ihnen zur Last; aber auch Gottes Ehre erleidet Einbuße wie dort durch das Verhalten der 2½ Stämme.
Und nun noch der Kern der Frage. Wir ändern den Schlußsatz um in: „In welche neutestamentliche Beleuchtung könnte man jene rücken, die den Altar Rubens errichteten?”, jene 40000, die die Segnungen und Machttaten Jehovas im Lande miterlebt hatten, die von dem Durchgang durch den Jordan, von der Gesamt-Beschneidung, dem Gesamt-Passah, dem Gesamt-neues-Getreide-essen usw. wußten und, ihrem gefaßten Vorsatz treu, nach 5 Jahren zurückkehrten, durch den Jordan zurück auf die andere Seite? Da ihr Zurückkehren von Anfang an als unabwendbares Geschehen hingenommen wurde, so kann Josua sie für ihr treues Verhalten loben, ihnen segnende und mahnende Worte mit auf den Weg geben und sie für sich selber und für die Nichtmitgezogenen reiche Beute mitnehmen lassen. Nicht für jeden Punkt der geschichtlichen Geschehnisse braucht durch neutestamentliche Beleuchtung ein Gegenpunkt festgestellt zu werden. Es genügt, Grundsätzliches zu entdecken und aufzuzeigen.

Da sind Gläubige, die durch irgendwelche Fügung und Führung Gottes in einen Kreis solcher Gläubigen gekommen sind, die die Segnungen und Vorrechte kennen, die dem Durchschreiten des Jordans und dem Dazugehörigen entsprechen. Da lernen auch sie verstehen, was jene kennen, empfinden es wohl auch mit, können sogar eine Zeitlang davon eingenommen sein und die Kenntnis davon verbreiten helfen; erfahren etwas von der wirksamen Kraft Gottes im Kampfe gegen den Feind, bis eines Tages frühere, nie ganz gelöste Bindungen sie wieder in ihren Bann ziehen, so dass ein Zurückkehren in Lebenslagen und -weisen folgt, die das Erlebte zwar nicht verwischen, aber so abschwächen, dass der praktische Nutzen des Erlebten dahin ist. Eine gewisse Aufrichtigkeit lässt die Sehnsucht nach dem Drangegebenen nicht verschwinden; da aber die nötige Energie den Bindungen gegenüber nicht aufgebracht wird, so bleibt's bei der Sehnsucht und bei der Befürchtung, das Gehabte vollends zu verlieren. Diese Sehnsucht und Befürchtung entspricht dem Altar Rubens.

Dieser in allgemeinen Zügen geschilderte Fall tritt in mancherlei Abwandlungen auf und in bald stärkerer, bald schwächerer Ausprägung. Um eine beliebige Abwandlung aus vielen herauszugreifen: Da ist eine Familie. Die Eltern sind schon als Kinder in den in Frage kommenden Wahrheiten unterwiesen worden, haben ihrerseits ihre Kinder so unterwiesen, welche, groß geworden, mit den Eltern wandeln gemäß der Erkenntnis der kostbaren Wahrheiten, die sie ererbt und angenommen hatten. Da geschieht etwas nicht gerade Seltenes Zwistigkeiten und gekränktes Ehrgefühl verursachen Wegbleiben des Familienhauptes aus dem Kreise, wo diese Wahrheiten vertreten werden und zeitweiliges Hingehen in einen anderen Kreis, der dem verlassenen nicht entspricht, unter Gefolgschaft etlicher der Familienglieder, die Sehnsucht nach dem Draugegebenen bricht schließlich dem Familienhaupt das Herz, er stirbt, ohne dass der Arzt eine körperliche Krankheit feststellen kann. Nach des Vaters Tod gehen die anderen vollends zurück und dahin, wo wohl Segnungen zu finden sind, wie die im Lande Gilead sind, aber eben nicht Segnungen des Landes, in dem Gott Seinen Segen geben will, d. h. da ihn geben kann und auf besondere Weise gibt, wo das Zusammengeschweißtsein aller Gläubigen, das Zusammenverbundensein durch die Gelenke der Darreichung aller Glieder des Leibes Christi durch den Einen Geist anerkannt und dem Geiste Raum gegeben wird, entsprechend der durch Ihn geschaffenen Einheit zu wirken, durch welche Glieder Er will, so dass das genannte „da” dem weiter oben in bezug auf Israel geprägten Satz entspricht: „Gott will Sein ganzes Volk beisammen um Sich haben.

Ein dritter Fall noch: Das Zurückgehen nach dem Erlebthaben der größten Vorrechte und Segnungen kann sogar bis zur Welt zurückführen. Außer stets zu erlebenden derartigen Fällen, wie sich einer gegenwärtig vor meinen Augen abspielt, wo der Wunsch, das Gehabte weiter zu genießen, unleugbar vorhanden, aber die Macht der entgegenstehenden Umstände stärker ist als das Beharrungsvermögen, sei der Fall „Demas” erwähnt! Wenn ein Mitarbeiter des Apostels Paulus die Welt, den jetzigen Zeitlauf, liebgewinnen und zu ihr zurückkehren konnte, was will man von anderen sagen? Nicht dass dies als Entschuldigung gedacht oder gesagt sei! Gewiß nicht! Es soll nur die Feststellung von Wirklichkeiten sein. Unzweifelhaft hat in jedem Falle das Herz nicht die unwiderrufliche Entscheidung getroffen, welche kein „Zurück” eintreten läßt.

In Fällen wie „Demas” sei man nicht vorschnell bei der Hand, zu urteilen: „Einst ein Kind Gottes, jetzt wieder verloren!” Man lasse den Betreffenden in der Hand Gottes! Ist er wirklich Sein Kind, so wird Er ihn auf irgendeine Weise zurückzubringen wissen. Wissen wir, ob Demas nicht wieder zurechtgebracht wurde? Wenn es nicht möglich wäre, dass Kinder Gottes die Welt liebgewinnen, so wäre die Mahnung des Apostels Johannes an die Jünglinge unter den Kindern Gottes (1. Joh. 2,15): „Liebet nicht die Welt, noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt liebt, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm”, völlig überflüssig. Tatsachen bezeugen aber, dass sie wohl am Platze ist und zur Warnung für wirkliche, nicht nur vermeintliche Kinder Gottes geschrieben ist. Kinder Gottes, die einmal den Jordan durchschritten haben, können so handeln, dass sie wie jene 40000 den Weg wieder rückwärts machen, und das nicht nur bis nach Gilead wie jene, sondern durch die Wüste bis nach Ägypten zurück, bis in die Welt, wo sie erneut der Sündensklaverei verfallen, ärger als zuvor.

Vor 40 Jahren war's! Ich stellte als junger Meister einen 17jährigen Gesellen ein neben einem älteren gläubigen. Durch das Zeugnis in der Familie und die liebevollen Bemühungen eines alten, in der Familie verkehrenden Bruders wurde er nach nicht vielen Wochen für den HERRN gewonnen. Viele Monate war er bei uns und erwies sich als ein treuer Jünger des HERRN; und das auch nachher, als er in einem Nachbarort in Stellung war; desgleichen anschließend im Ausland bei einem gläubigen Meister, bei dem ich selber seinerzeit gewesen war. Dass er aber gegen Ende seines Aufenthalts da nicht mehr derselbe blieb, ahnte ich aus der Art seiner Briefe und wurde auf Anfrage beim Meister dessen gewiß. Zurückgerufen in Stellung bei uns, erwies sich die Befürchtung als begründet. Nach anfänglichem Mitgehen mied er die Versammlungen, blieb schweigsam und taub gegen alle Bitten und Mahnungen und platzte schließlich gegen den älteren Arbeiter, der noch da war, heraus: „Ich will jetzt meine Jugend, will jetzt die Welt genießen!” Auf die Bemerkung, dass in diesem Falle kein Platz mehr für ihn in meinem Hause sei, ging er. Er tat, was er gewollt hatte. Eine kurze Zeit hatten wir ihn noch im Auge; er erfuhr auf üble Weise, was Wirtshaus- und sonstiges Weltleben für Folgen hat: dass es zerschlagener Glieder wegen ins Krankenhaus führt usw. Dann kam seine Militärzeit, und er entschwand unseren Blicken für 10 Jahre. Da wir von der Echtheit seiner Bekehrung überzeugt waren, blieb er Gegenstand unserer steten Fürbitte. Nach 10 Jahren kam ein Brief von ihm an den alten, inzwischen heimgegangenen Bruder, der Reue- und Bußbezeugungen und bittere Selbstanklagen enthielt mit Bitten an den Bruder und die Brüder um Verzeihung, wie ich sie noch nie kennengelernt hatte. Aufgenommener Briefwechsel mit dem im Ausland Weilenden enthüllte einen Weg, der mit göttlichen Züchtigungen gepflastert war und zunächst doch zu nichts führte. Zum Beispiel erzählte er: „... ich fiel in der Nacht des 15. Juli die Festungsmauer in den Wallgraben soundso viele Meter hinab und blieb 12 Stunden liegen, bis mich ein Mann fand. Meine Beine waren gebrochen, aber mein Herz nicht.” Wie er weiter berichte, lag er fünf Monate unter unsäglichen Schmerzen im Spital: Nichts änderte seinen harten Sinn. Nach mancherlei weiteren bitteren Erfahrungen kam endlich der Augenblick der Besinnung; aber nicht durch eine neue Züchtigung, sondern in Verbindung mit einem geringfügigen familiären Ereignis trat ihm die Liebe des HERRN so vor die Seele, dass sie ihn überwältigte. „Da brach mein Herz”, schrieb er. Unsere liebevollen Bemühungen im Verein mit Brüdern des Landes, in dem er war, brachten ihn wieder völlig zurecht, so dass er ein um so treuerer Jünger und Zeuge des HERRN wurde, je tiefer er fühlte, was er dem HERRN angetan und was Dieser an ihm getan hatte. Durch den Krieg, den er auf der Gegenseite mitmachen mußte, lösten sich unsere Beziehungen wieder. Erst 12 Jahre nach dem Kriege konnte ich seine Spur im Ausland wiederfinden. Ich suchte ihn auf. Der Krieg mit seinen zermürbenden Begleiterscheinungen und unliebsamen Folgen, die ihn an einen einsamen Ort verschlagen hatten, wie auch betrübliche Familienverhältnisse hatten einen gebrochenen Mann aus ihm gemacht. Doch hat der HERR ihn wieder aufgerichtet und ihn an einen Ort kommen lassen, wo er sich der Gemeinschaft der Heiligen wieder erfreuen kann.

Soll diese Abhandlung mit der ergreifenden Schlussgeschichte uns nicht erschüttern und uns die Bitte auf Herz und Lippen legen: HERR, erhalt mich treu, treu Dir, und Deine Segnungen würdigend an dem Platze, wo Du sie in größter Fülle zu spenden für gut befunden hast!?
F. Kpp.

Zusätze des Schriftleiters

Nach dem mehrmaligen „Genuß” dieser umfangreichen, so schönen Antwort unseres teuren Mitarbeiters, welcher der Antwort einen besonderen Schluß gegeben hat, glaube ich nicht, Wesentliches hinzufügen zu sollen, zumal ein weiteres Eingehen sich durch den beschränkten Platz von selber verbietet. Es wäre dann auch nötig, zu weit auszuholen. - Nur eine Anwendung noch möchte ich von oben ausgesprochener Deutung machen, eine Anwendung, die ihre Berechtigung leider nur zu sehr beweist. Und dann noch eine Mahnung!

Diese Anwendung betrifft den Versammlungsbesuch! Das ist auch so ein unschönes Kapitel bei vielen Gläubigen, die gleichsam ihren „Hausaltar” rühmen, da sie durch den „Hausgötzen”. wie ich ihn immer nenne, die Bequemlichkeit - in allen möglichen Formen -. sich abhalten lassen, in die Versammlung zu gehen (vielleicht weil es regne usw.!) mit der fadenscheinigen Begründung, dass sie sich daheim „ebensogut erbauen könnten”. Zugegeben, dass es möglich wäre, zu Hause genau die gleichen Segnungen zu erfahren wie da, wo die Heiligen im Namen des Herrn Jesus zusammen sind, so wäre das Fehlen solcher „Rubeniter”, „Gaditer” und „Halbmanassiter” - was hier alles nur verschiedene Typen der gleichen Klassen von Gläubigen andeutet - doch nicht zu rechtfertigen (abgesehen von schwereren Krankheits- und ähnlichen Fällen, die stichhaltig vor dem HERRN), da sie eben durch ihr Dabeisein die Ehre des HERRN, die Freude der Geschwister, den Glauben der Heiligen - vgl. Röm. 1,10-12! - die Stärkung der Schwachen, die Belehrung der Suchenden usw. vergrößern helfen sollen, wobei sie selber die Segnungen des gottgewollten Beisammenseins in reichstem Maße schmecken und zu verwirklichen lernen. Wer die regelmäßigen Gemeindeversammlungen der Heiligen ohne Not versäumt, büßt viel ein und wird nie so recht fest, was man an jenen 2½ Stämmen, die immer außen vor waren, auch beobachten kann. „Versäumet nicht eure Versammlungen”, eure biblischen, schriftgemäßen Zusammenkünfte, „wie es bei etlichen Sitte ist”. (Hebr. 10,25) Der schönste, größte und geschmückteste Hausaltar, die Stätte des Familienzusammenseins (so wichtig und nötig er ist), ersetzt nicht den Altar, den wir haben (vgl. Frage 18 in Lief. 9), um den sich die zu Ihm Hinausgegangenen scharen (Hebr. 13), kann im Gegenteil bei unrichtiger Wertung des wahren Altars, der gemeinsamen Anbetung, ein Hindernis werden, sobald, noch einmal sei's gesagt, der Hausgötze „Bequemlichkeit” die Herzen mit Beschlag belegt hat. Darum, Geschwister, hinüber über den Jordan ins „Land”.

Und noch eine Mahnung ernster Art: Wir sehen aus Josua 22, mit was für Gedanken die 9½ Stämme im Lande den Bau des Altars Rubens betrachteten und mit welchen Gedanken sie umgingen: „Krieg!” (V. 12) Aber es ging doch anders wie später in Richter 20! Denn die Rubeniter usw. antworteten in geziemender Weise, während dort der Stamm Benjamin nicht auf die Stimme seiner Brüder hören wollte (V. 13), abgesehen davon, dass sein Vergehen auch ein ganz anderes war; und so kam es zu einem furchtbar erbitterten Bruderkrieg, der in Jos. 22 völlig vermieden wird (vgl. auch Richter 8, Gideon mit 12, Jephta!).

Sollten wir Gläubigen, wie wir auch „stehen”, wie weit wir auch in unserer Erkenntnis und unserem Genießen Christi sein mögen oder wie wenig wir davon kennen - diesseits und jenseits des Jordan, wie oben so schön ausgeführt -, sollten wir, sage ich, nicht mit mehr Liebe, Tragkraft und Güte miteinander umgehen und im Auge behalten, dass nach den Gedanken Gottes Sein Volk, ja Seine Gemeinde zusammengehört und nicht etwa zersplittert bleiben wird in Ewigkeit? (Vgl. Frage 14, Antw. A!) Wieviel Krieg unter den Gläubigen, wo die Gesinnung gegeneinander nach Jos. 22 (auf beiden Seiten) soviel mehr erreichen würde. Wie leicht ein Verhalten nach Richter 20 statt nach Jos. 22! Der HERR schenke uns, dass wir mehr miteinander handeln nach Eph. 4,15.16; 5,1!

Und damit schließe ich. Möge Sein Wort, Sein wundersames Wort, sich unter uns in Kraft erweisen zu Seiner Verherrlichung, bis dass Er kommt, und Er kommt bald! „Maranatha!” (1. Kor. 16,22)
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 19 (1934)