Barak ein Glaubensheld?

Warum sind die Namen in Hebr. 11,32 in der Reihenfolge genannt, dass immer erst der spätere vor dem früheren kommt? Warum wird überhaupt Barak hier unter den Glaubenshelden aufgeführt, da er doch erst durch Debora aufgerüttelt wurde, seiner Pflicht nachzukommen, und dann auch nicht einmal ohne sie in den Streit gehen wollte? Wo kann man bei ihm das Glaubensmoment sehen?

Antwort

Die Frage ist, ob in der Vertauschung der Namen eine Absicht des Heiligen Geistes gelegen hat, und das werden wir hier nicht ohne weiteres voraussetzen dürfen. Der ungenannte Schreiber dieses Briefes ist - etwa wie ein Vortragender, der immer wieder nach der Uhr sieht - offensichtlich besorgt, er könne die Geduld seiner Leser auf eine zu große Probe stellen; er wollte sich ja „kurz” fassen (Kap. 13,22), wohl in dem Wunsche, die Wirkung seines „Worten der Ermahnung” nicht zu gefährden. So fährt er, nachdem er schon mehr als ein Dutzend von Zeugen und Zeugnissen des Glaubens genannt und ausführlicher dabei verweilt hat, jetzt fort: „Und was soll ich noch sagen? Denn die Zeit würde mir fehlen, wenn ich erzählen wollte von Gideon und Barak und Simson” usw. - er will sich also im weiteren auf einige andeutende Hinweise beschränken. Und wenn er sich hierbei nicht an die geschichtliche Reihenfolge hält, sondern wie wahllos in die Fülle des Stoffes hineingreift, dann wird - und hierin sehe ich die Absicht des ihn inspirierenden Heiligen Geistes - dadurch bei dem Leser der Eindruck verstärkt, dass der Schreiber des Briefes noch von ungezählten anderen Glaubenshelden, ja, wirklich von einer „Wolke” solcher Zeugen berichten könnte, wenn er es für gut hielte. Freilich bin ich mir bewußt, dass wir damit auf die den meisten von uns geläufige Deutung verzichten müssen, wonach jeweils der bedeutendere Glaubensmann dem weniger hervorragenden vorangestellt worden sei, also Gideon vor Barak - was verständlich wäre, Simson vor Jephta - wo wir angesichts einer solchen Wertung wenigstens in sittlicher Hinsicht schon in Verlegenheit kommen, David vor Samuel - wo es nicht jedem einleuchten wird, dass hier die prophetische Bedeutung des Glaubens Davids, sein Vorbild auf Christus, den Ausschlag gegeben haben sollte.

Dieser Verzicht auf die übliche Auslegung erscheint mir aber auch durch eine weniger beachtete Feinheit des Grundtextes unumgänglich. Genau wiedergegeben muss es nämlich heißen: „Die Zeit würde mir fehlen, wenn ich erzählen wollte von Gideon, Barak, Simson, Jephta, David sowohl als auch von Samuel und den Propheten.” Es handelt sich also gar nicht um drei Paare mit verstellter Reihenfolge, wie wir durch das wahllos eingeschobene „und” gemutmaßt haben, sondern um zwei Gruppen: Einmal um fünf Männer, die ihren Glauben durch Taten bewiesen haben (V. 33-35a), sodann um die Propheten von Samuel an (vgl. Apg. 3,24; 13,20!), die ihren Glauben mehr im Erdulden und Leiden bewährt haben (V. 35b-38).

Dass in den folgenden Versen, offenbar doch mit Bezug auf die erste der beiden Gruppen, besonders auf kriegerische Erfolge hingewiesen wird, wie jene Männer „durch Glauben Königreiche bezwangen ... im Kampfe stark wurden, der Fremden Heerscharen zurücktrieben”, wird uns erklärlich machen, dass in dieser Gruppe statt der Prophetin Debora deren Heeroberster Barak genannt wird. (Ri. 4,4; 5,12ff.) Und wenn uns das Schwierigkeiten macht, diesen Mann, der „erst aufgerüttelt werden” musste und der nicht allein in den Streit ziehen wollte, unter den Glaubenszeugen erwähnt zu finden, dann ist es vielleicht heilsam und ermunternd zugleich für uns, daran zu denken, dass Gott einen gerechteren und feineren Maßstab an unser Innenleben wie auch an unsere Taten anlegt, als Menschen es tun und vermögen.
Fritz von Kietzell


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 23 (1938)