Erklärung von Markus 13,32

Ich bitte um eine Erklärung von Mark. 13,32. Was will sagen „noch der Sohn“?

Antwort

Die Schriftstelle, über die gefragt wird, lautet: „Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, weder die Engel, die im Himmel sind, noch der Sohn, sondern nur der Vater.” Das hat der Herr Jesus gesagt in bezug auf den Tag und die Stunde Seiner Wiederkunft auf die Erde „in Wolken mit großer Macht und Herrlichkeit” (V. 1-31). Die viel erörterte und viel umstrittene Frage ist die: Wußte der Herr Jesus tatsächlich diesen Zeitpunkt nicht? oder in anderen Worten: War der Herr Jesus als Mensch auf der Erde allwissend oder nicht? Wir können nur mit größter Ehrfurcht und heiliger Scheu uns mit dieser Frage beschäftigen in dem Bewußtsein, dass die herrliche Person des Herrn Jesus für uns ein wunderbares und unergründliches Geheimnis ist und dass wir über sie nur das wissen können, was Gottes Wort uns über sie mitteilt. Darum - was sagt das Wort Gottes uns hinsichtlich obigen Gegenstandes? Die Erklärung, der Herr Jesus sei wohl allwissend gewesen, wie aus vielen Stellen, besonders im Evangelium Johannes, sich ergebe, nur im Markusevangelium sage Er, dass Er „nicht wisse”, weil Er dort den Platz des gehorsamen Knechtes Gottes einnehme und ein Knecht nicht wisse, was sein Herr tut (wie der Herr Jesus Joh. 15,15 sagt) - also die Erklärung lediglich mit dem Charakter des Markusevangeliums -, befriedigt nicht. Es ist richtig, dass eine Menge Schriftstellen von einem übernatürlichen Wissen des Herrn Jesus zeugen. Einige davon: Mt.9,4 lesen wir: „Und als Jesus ihre Gedanken sah, sprach Er: Warum denket ihr Arges in euren Herzen?”; 17,27: „... wirf deine Angel aus und nimm den ersten Fisch, der heraufkommt, tue seinen Mund auf, und du wirst einen Stater finden” usw. (Siehe z.B. noch: Mt. 21,2.3; Mk. 14,12-16; Joh. 2,24.25; 4,17.18; 6,64b; 11,4.11-14; 13,38) Andererseits gibt es eine Anzahl Schriftstellen, die dieses übernatürliche Wissen vermissen lassen: Mt. 8,10; Mk. 6,6 und Lk. 7,9 heißt es, dass Er „Sich verwunderte”; Mk. 11,13 ging Er zu einem Feigenbaum hin, um zu sehen, „ob Er vielleicht etwas an ihm fände”; Joh. 5,20 sagt Er von Sich als Sohn: „Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt Ihm alles, was Er Selbst tut; und Er wird Ihm größere Werke als diese zeigen ...”, und 8,26: „... der Mich gesandt hat ist wahrhaftig; und Ich, was Ich von Ihm gehört habe, das rede Ich ...”, und wiederum V. 28: „... wie der Vater Mich gelehrt hat, das rede Ich.” Und ganz besonders tritt dies Mt. 27,34 hervor: „... gaben sie Ihm Essig mit Galle vermischt zu trinken; und als Er es geschmeckt hatte, wollte Er nicht trinken.” Diese Beispiele bekunden einesteils ein übernatürliches Wissen von Dingen, die dem Menschen verborgen sind, und anderenteils ein Begrenztsein des Wissens auf die menschliche Kenntnis und Wahrnehmung. Wenn wir dieses beides genau beachten und hierzu uns noch des Wortes Phil. 2,6.7 erinnern, wo in bezug auf Ihn gesagt wird: „... welcher, da Er in Gestalt Gottes war, es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein, sondern Sich Selbst zu nichts machte (wörtlich: ‚Sich Selbst entäußerte‘oder ‚entleerte‘) und Knechtsgestalt annahm, indem Er in Gleichheit der Menschen geworden ist”, so erscheint die Annahme berechtigt, dass der Herr Jesus in Seinem Erdenleben den Platz des Menschen, der in allem von Gott abhängig und in Seinem Wissen auf das Wahrnehmbare und mit Seinem Geiste Faßbare und von Gott Ihm Mitgeteilte beschränkt ist, so ganz und so völlig einnahm, dass Er von Seinen göttlichen Eigenschaften, also auch von Seiner Allwissenheit, immer nur dann und nur insoweit Gebrauch machte, als in jedem einzelnen Falle der jeweilige Auftrag des Vaters es erforderte, sonst aber gemäß dem von Ihm hienieden eingenommenen Platze darauf verzichtete. Wir finden im Worte Gottes nicht einen einzigen Fall, in dem der Herr Jesus von Seiner Allmacht Gebrauch gemacht hat, außer dass es zur Ausführung der Ihm vom Vater aufgetragenen Werke geschah. Und dasselbe dürfen wir genau so gut auf Grund des Wortes betreffs Seiner Allwissenheit annehmen. Die Frage ist nicht: War der Herr Jesus hier auf der Erde allmächtig? - war Er allwissend?, sondern - in den verschiedenen Fällen -: Machte Er Gebrauch von Seiner Allmacht? - von Seiner Allwissenheit? oder nicht? So erklärt sich auch Mk. 13,32 aufs einfachste, ohne jede gekünstelte oder gezwungene Auslegung. Wie der Herr Jesus dort gesagt hat, so war es auch wirklich, denn Er sagt nicht so und meint etwas anderes. Er machte in diesem Falle keinen Gebrauch von Seiner Allwissenheit. Betreffs jenes Zeitpunktes hatte Er keinen Auftrag vom Vater, denn es war nicht nötig für die Jünger, diesen Zeitpunkt zu wissen (vgl. Apg. 1,7). Auch steht dazu Mt. 24,36 nicht im geringsten im Gegensatz, sondern sogar völlig im Einklang, indem auch da der HERR sagt, dass Sein Vater allein jenen Tag und jene Stunde wisse - nur dass Er dort nicht hervorhebt, dass auch Er, der Sohn, es nicht wisse. -

Wird durch obige Annahme die Herrlichkeit der Person unseres HERRN etwa verdunkelt? Nein, nicht im geringsten, sondern das Gegenteil: Je mehr wir sehen, wie völlig Er den Platz des Menschen hier auf der Erde einnahm, um so herrlicher wird Er uns! Gepriesen sei Er! -
Theodor Küttner.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 22 (1937)