Ist Judas vor oder nach dem Abendmahls hingegangen, um den HErrn zu verraten?

Ist Judas lschariot vor oder nach der Einsetzung des Abendmahls hingegangen, um den HErrn zu verraten? (Vergl. Luk. 22,19-23;. Matth . 26,20ff.; Joh. 13,21-30.)

Antwort A

Nach Lk. 22,21: „Doch siehe die Hand dessen, der Mich überliefert, ist mit Mir über Tische usw.” könnte man zu der Annahme neigen, dass Judas noch mit bei dem Abendmahl gewesen sei und demzufolge den Verrat erst nach der Einsetzung desselben ausgeführt hätte. Aber es ist bekannt, dass Lukas die Ereignisse nicht nach der zeitlichen Reihenfolge, sondern nach den moralischen (inneren) Gesichtspunkten aufzählt.

Nach Mt. 26,20-25, Mk. 14,17-21 und Joh. 13,30 ist anzunehmen, dass der Verräter vorher entfernt wurde und auch vor der Einsetzung des Abendmahls den HERRN verriet. Wir lesen Mt. 26,20ff., dass sich der HERR mit den Zwölfen zu Tische legte und ihnen mitteilte, dass einer von ihnen Ihn überliefern würde. Er bezeichnet den Verräter damit, dass Er sagt: „Der mit Mir die Hand in die Schüssel eintaucht, dieser wird Mich überliefern.”, und auf die direkte Frage des Judas: „Ich bin es doch nicht, Rabbi?” lautet die Antwort des HERRN: „Du hast es gesagt.” Nun ist uns auch bekannt, dass dem Abendmahl das Passahmahl vorausging, und da der Herr Jesus mit Seinen Jüngern gleichsam eine Familie bildete, feierte Er mit ihnen nach Gottes Wort das Passah, wobei auch Judas zugegen war. Bei dem Essen des Passahlammes nun wurde der Bissen in eine Kräuterbrühe eingetaucht, und hierum handelt es sich, wenn der HERR sagt: „Der mit Mir die Hand in die Schüssel eintaucht usw.” In derselben Reihenfolge erzählt uns auch Markus, nur in verkürzter Form. In Joh. 13,27.28 sehen wir, wie der Herr Jesus dem Judas den Bissen noch reicht. Wir lesen dann: Und nach dem Bissen fuhr alsdann der Satan in ihn, und Jesus spricht zu ihm: „Was du tust, tue schnell.” Hier war für Judas sicherlich der schreckliche Moment gekommen, wo der Satan vollen Besitz von ihm nahm und er hinausging und die Tat ausführte. Nachdem Judas hinausgegangen war, sagt der Herr Jesus in V. 31: „Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht und Gott verherrlicht in Ihm.” Licht und Finsternis waren voneinander geschieden. Judas ging hinaus in die Nacht der Sünde, um als Werkzeug des Feindes seinen HERRN zu verraten, und Er, der HERR, der das Licht in Seiner ganzen Person war, gibt nun Seinen Jüngern als letztes Vermächtnis die Zeichen Seiner Liebe in dem Abendmahl.

Nach Mt. 26,23 und Mk. 14,20 ist der Verräter ja auch schon vor dem Abendmahl bezeichnet worden, und die Jünger können nicht, wie man nach Lk. 22,23 annehmen müßte, noch einmal nach dem Mahle gefragt haben, wer von ihnen der Verräter sei.
Ph. W.

Antwort B

Eine Unterlage für die Gegenwart Judas beim Abendmahl glauben manche in Lk. 22,19-23 zu finden. Wenn wir nur allein das Lukas-Evangelium hätten, so wäre solche Annahme berechtigt; ein Vergleich dieser Stelle mit den anderen Evangelien (Mt. 26,20-25 und Mk. 14,17-21) belehrt uns aber sofort, dass das in Lk. 22,21 -23 Gesagte während des Passahmahles, also vor der Einsetzung des Abendmahles, stattfand. Das „doch” des 21. Verses bestätigt uns auch, dass Lukas, durch den Heiligen Geist geleitet, in dieser Stelle nicht die Ereignisse geschichtlich, sondern die geistlichen Gegensätze in denselben aneinander reihte, dasselbe finden wir auch in Vers 24 u. folgd., ebenso auch in Lk. 23,45.46, nach welcher Stelle man annehmen könnte, dass der Vorhang des Tempels zerrissen und geöffnet wäre, bevor der HERR starb. Der Heilige Geist benutzt Lukas in dieser Stelle nicht dazu, eine geschichtliche Reihenfolge zu geben, sondern von anderen, geistlichen Gesichtspunkten aus die Ereignisse zu ordnen. Wir finden deshalb auch keinen vollen Bericht über die Vorgänge des Passahs, sondern nur kurze abgerissene Punkte über die Aufdeckung des Judas. Lukas zeichnet in einem Zuge das Passah und das Abendmahl und dann den Sohn des Verderbens (mit einem „doch”), der diesen kleinen Kreis der Liebe durch Verrat verdarb und über sich selbst das Verderben brachte.

In Übereinstimmung mit den anderen Evangelien bezeugt auch Lukas, dass die Einsetzung des Abendmahles nach Beendigung des Passahmahles stattfand. Mit dem Kelche, der zum Trinken nach beendigtem Passahmahle bestimmt war, mit diesem Kelche nach dem Passahmahle setzte der HERR den Kelch des Abendmahles ein.
Aus Joh. 13 aber lernen wir, dass Judas während des Passahmahles hinausging, ehe der HERR das Mahl einsetzte. Die Vorgänge in Joh. 13 beziehen sich alle auf das Passah. Der Bissen, den Er Judas gab, war nicht das Brot des Abendmahles, sondern ein Bissen vom Passahlamm, das mit bitteren Kräutern und Brühe gegessen wurde. Sofort nach diesem Bissen ging Judas hinaus. (Joh. 13,30.) (Beim Abendmahl haben wir keine Bissen, noch findet ein Eintauchen in die Brühe statt!). So ist es deutlich erwiesen, dass Judas vor der Einsetzung des Abendmahles hinausging. Der HERR hieß ihn hinausgehen, Er kannte ihn. Die Jünger hätten ihn nicht hinausweisen können, da er noch nicht offenbar geworden war.
v. d. K.

Antwort C

Den Fragenden kommt es doch wohl darauf an, zu wissen, ob Judas Ischariot an dem Abendmahl mit teilgenommen hat oder ob er vor der Einsetzung desselben sich bereits entfernt hatte.

Nach Lk. 22 hat es den Anschein, als ob Judas auch mit an dem Abendmahl teilgenommen hätte, aber die anderen in Betracht kommenden Schriftstellen zeigen, dass es doch nicht so war. Dass es in Lukas seinen Anschein hat, kommt daher, dass in diesem Evangelium die Dinge nicht so sehr der Zeit nach als vielmehr ihrer inneren Zusammengehörigkeit nach geordnet sind. Darüber haben vielleicht andere Brüder sich eingehender ausgesprochen. Was ich besonders hervorheben möchte, ist ein anderer Umstand, der sehr wichtig ist und jedenfalls im Grunde den Anlass zu der gestellten Frage gegeben hat, nämlich der, dass es gänzlich im Widerspruch zum Wesen und Zweck des Mahles des HERRN stehen würde, wenn Judas an demselben teilgenommen hätte!

Ich habe die Anschauung aussprechen gehört, die Lukasstelle zeige uns, dass - wie es ja vielfach tatsächlich der Fall ist - an dem Abendmahl auch Ungläubige teilnehmen, obwohl es gar nicht für sie bestimmt ist. Diese Auffassung entspricht aber weder jener Schriftstelle noch dem Gegenstande selbst. Der Herr Jesus hat bei Einsetzung Seines Mahles gesagt, als Er Seinen Jüngern das Brot gab: „Dies ist Mein Leib, der für euch gegeben wird, dieses tut zu Meinem Gedächtnis,” und von dem Kelche: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in Meinem Blute, das für euch vergossen wird” (Lk. 22,19.20). Diese Worte allein - in ihrem wahren Sinne verstanden - genügen, um zu zeigen, dass nur solche, welche Ihn in Wahrheit kennen als Den, Der sie geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben hat, ein göttliches Anrecht haben, das Mahl des HERRN zu feiern; andere aber haben „weder Teil noch Los” daran. Wie sollten sie auch? Wie kann ein ungläubiger Mensch ausdrücken, dass der Herr Jesus Seinen Leib für ihn gegeben und Sein Blut für ihn vergossen habe? - wie kann er dies zu Seinem Gedächtnis tun, wenn er Ihn nicht kennt? In 1. Kor. 11,26 heißt es: „Denn so oft ihr dieses Brot esset und den Kelch trinket, verkündiget ihr den Tod des HERRN, bis Er kommt.” Wie kann jemand den Tod des HERRN verkündigen, wenn er nicht im Glauben sagen kann: Er starb für mich!? Die Seinen aber, und nur sie, können es! - Es ist doch wohl uns allen klar, dass es ein verderblicher - betrübenderweise unter unseren Mitmenschen viel verbreiteter - Irrtum ist, wenn jemand meint, durch das Teilnehmen am Mahl des HERRN Vergebung der Sünden zu erlangen, dass vielmehr das Mahl des HERRN nur für die ist, welche Vergebung der Sünden haben! Das Mahl des HERRN oder „Abendmahl” ist kein „Gnadenmittel”, sondern ein Zeugnis Seiner wunderbaren Gnade!

Die anderen drei Evangelien geben uns überdies auch klaren Aufschluß zu der gestellten Frage. Mt. 26,20-30 und Mk. 14,17-26, wo die Dinge in geschichtlicher Reihenfolge behandelt sind, zeigen uns, dass das Abendmahl sich an das Passahmahl anschloß, das der HERR mit Seinen Jüngern feierte, und Joh. 13 - wiewohl da nur von Passah, nicht aber vom Abendmahl die Rede ist - zeigt uns, dass Judas „alsbald hinausging, nachdem er beim Passahmahl den Bissen vom HERRN empfangen hatte” (V. 26-30). Dann war der HERR allein mit den Seinigen - alles Fremde ausgeschlossen aus Seiner heiligen Gegenwart, nur Herzen um Ihn, die Ihm gehörten und Seine wunderbare Liebe kannten und erwiderten!

Teure Geschwister, möchten wir mehr verstehen lernen, welch ein Vorrecht und welch eine heilige Sache es ist, Sein Mahl zu feiern - das Kostbarste, was wir hienieden haben, wenn wir durch Gnade in Seine Gedanken Seiner Liebe eingehen, und dass da nichts einen Platz hat, was nicht im Einklang steht mit Seiner herrlichen Person.
Th. K.

Anmerkung des Herausgebers

Ein Bruder suchte einst das heutige Verfahren, Gläubige und Ungläubige zusammen zum Abendmahl zuzulassen, mit etwa folgenden Worten zu rechtfertigen: „Die Schrift selbst verlangt diese Scheidung von Gläubigen und Ungläubigen gar nicht, sonst wäre die Unklarheit darüber, ob Judas beim Abendmahl gewesen sei oder nicht, gar nicht eingetreten; Lukas hätte dann anders, deutlicher geschrieben.

Mit anderen Worten: Gott hat absichtlich unklar gesprochen, um die heutige Abendmahlspraxis zu rechtfertigen!! Ehe man dergleichen zu sagen oder zu denken wagt, gebe man sich erst einmal Mühe, den nur scheinbaren Gegensatz zwischen den sehr klar redenden anderen Evangelisten und Lukas zu überbrücken. Aber man versteht eben zu wenig das Abendmahl in seiner köstlichen Bedeutung als Mahl der Gemeinschaft solcher, die allein den Tod des HERRN verkündigen können (1. Kor. 11,26), da sie durch diesen Seinen Tod das Leben aus Gott bekommen haben. Das Abendmahl ist der Ausdruck der Einheit des einen Leibes (1. Kor. 10,17), und zu diesem gehören nur Kinder Gottes; alles was über diesen „einen Leib” gesagt ist, ist zu Gläubigen, Kindern Gottes, gesagt (man vergl. z. B. 1. Kor. 10,14-17; 1. Kor. 12,12.13; Eph. 3,6; 4,4 usw.). Diese Dinge verwischen heißt die klaren Aussagen der Schrift aufgeben zugunsten ungöttlicher Vermischungen des Heiligen mit der Welt. - Geschwister im HERRN, lasst uns ängstlich darüber wachen, dass wir nicht diesem Irrtum verfallen; lasst uns treu und ehrfurchtsvoll umgehen mit dem köstlichsten Vermächtnis unseres geliebten HERRN!


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 2 (1914)