Musste der Prophet Hosea wirklich Gomer heiraten?

Mußte der Prophet Hosea wirklich Gomer heiraten (Hosea 1,2.3) und der Prophet Hesekiel alles genau so tun, wie wir es in Hesekiel 4 finden? Was lernen wir daraus für den praktischen Dienst?

Antwort A

a) Zum Fall Hosea.

Was dasteht und wie es dasteht und durch die Namen der in Frage kommenden Persönlichkeiten als geschichtliche Tatsache verbürgt wird, erheischt die Antwort: Ja, der Prophet musste wirklich die Gomer heiraten, und er hat es getan. Wenn die Geschichte der damaligen Zeit gekannt ist, so betrachtet der Leser staunend die Sinnfälligkeit des Anschauungsunterrichts, den Jehova Seinem Volke gab. Waren es zuerst und weiterhin Zeichen und Wunder, welche die Sendung eines Propheten beglaubigten (Mose, Josua, Samuel, Elija, Elisa), so wurden in der Zeit, die dem Ende der beiden Reiche zustrebte, der eine und andere der Propheten selber in ihren Personen zu Zeichen, um, wenn möglich, das Volk zur Besinnung und zur Umkehr zu bringen. Der erste war es sogar, obwohl ungewollt, Leuten außerhalb Israels: Jona als aus dem Tode Erstandener den Niniviten. Jesaja war einmal drei Jahre lang ein Wunderzeichen betreffs Ägyptens und Äthiopiens, indem er diese ganze Zeit über nackt, d. i. ohne Oberkleid („im Hemd” würden wir sagen), und barfuß umhergehen musste (Jes. 20). Seine zwei Söhne waren durch ihre auffälligen Namen, deren einer von Jehova befohlen war, und bei zwei Gelegenheiten in ihren Personen für Juda Wunderzeichen (Jes. 7,3 und 10,21; 8,3.18). So als zeitlich nächster Hosea. Wenn Gott dem Zehnstämmereich, welches der Repräsentant des Gesamtvolkes Israel war, ebenfalls eine lebendige Veranschaulichung dessen geben wollte, was bald aus ihm werden und was es in Zukunft wieder sein würde, so mußten gesetzesvorschriftliche Schranken wegfallen; aus Rand und Band war ja doch schon alles. Um die ganze Darstellung zu vervollständigen, musste der Prophet außer der Heirat mit der Gomer noch eine Liebschaft mit einem anderen Weibe eingehen, die schon einen Buhlen hatte und schon Ehebruch trieb. (Kap. 3) Der Prophet tat in beiden Fallen auf Geheiß Gottes nur, was im Lande gang und gäbe war, ohne dass jemand etwas dabei fand, Kap. 1,2c und alle Kapitel. War Gott nicht frei, Seinerseits für Seine Zwecke dem Volke gegenüber ähnlich zu verfahren? Veranschaulicht sollte werden: Die Blutschuld des Hauses Jehus, begangen durch letzteren in Jisreel, sollte ihre Sühne finden: Der erste Sohn sollte deswegen „Jisreel” heißen, um jene Tat in Erinnerung zu bringen. Die erste Tochter sollte in ihrem Namen darstellen, dass die Langmut Jehovas, Gnade zu üben, zu Ende war, die zweite Tochter, dass Jehova gesonnen war, Seinem Volke überhaupt den Abschied zu geben. Bis der zweideutige Name Jisreel von der einen Bedeutung „Gott zerstreut” zu der anderen „Gott säet ein” gewandelt und „Nichtbegnadigte”, „Begnadigte” und „Nichtmeinvolk” „Meinvolk” werden würde, würde das Volk sein wie durch jene Buhle von Kap. 3 dargestellt, indem der Prophet für Jehova in dessen Verhältnis zum Volke figuriert.

Schon in früherer Zeit lagen Notfälle vor, in denen gesetzliche Schranken wegfielen: die Unterlassung der Beschneidung in der Wüste, obwohl Gott schon Abraham die Todesstrafe für deren Unterlassung angedroht hatte. Die Feier des Passah konnte im ersten Monat unterbleiben, 4. Mose 9 (siehe dazu auch 2. Chr. 30,13.15.18-20), die Unterlassung der Opfervorschriften am großen Versöhnungstag zur Zeit Samuels, Sauls und Davids, dieweil die Bundeslade nicht mehr in der Stiftshütte war: siehe 1. Sam. 7,1; 1. Chr. 13,4.5; 16,1; 21,29; 2. Chr. 5,5.7.

Das gottbefohlene Tun Hoseas bezüglich der Heirat mit der Gomer wäre zwar nicht eine Gesetzwidrigkeit gewesen, denn meines Wissens ist die Heirat mit einer Hure nur den Priestern verboten (3. Mo. 21,7); doch hätten die aus solcher Verbindung entsprossenen Kinder nach 5. Mo. 23,2 nie das israelitische Staatsbürgerrecht erlangen können. (Vgl. aber die Fälle Rahab und Jephta!) Doch da die Sache von Gott in Seiner Unumschränktheit befohlen war, hatte Hosea nur zu gehorchen.
b) Zum Fall Hesekiel.

Was dem Propheten da befohlen wurde, ist nicht buchstäblich zu verstehen, sondern als ein Gesicht zu nehmen. Der Beweis für diese Behauptung ist leicht zu erbringen. Die Formel: „Die Hand Jehovas kam über...” führt jedesmal eine Verzückung ein, 1,3.4 zu Anfang der ersten Verzuckung, 3,14 an deren Ende: „Die Hand Jehovas war stark auf mir.” Da kam er wieder zu sich inmitten der Weggefährten, Vers 15.

Nachdem er sieben Tage hinstarrend vor Entsetzen über die Verzückung dagesessen hatte, kam da, wo er war, die Hand Jehovas zu einer zweiten Verzückung über ihn, 3,22, nachdem ihm ohne Verzückung feierlich auferlegt worden war, ein treuer, verantwortungsbewußter Warner der Gesetzlosen zu sein. Dies zweite „Gesicht” (7,13!) bringt in den Abschnitt 4,1 - 5,4 durch das ihm figürlich befohlene Tun zur plastischen Darstellung, was in dem dazu gehörigen Abschnitt 5,5 - 7,27 in fünfmal neu anhebender Rede erklärt und bis in Einzelheiten erläutert wird. Die Benennung „Gesicht” aus des Propheten eigenem Munde beweist, dass er das Befohlene nicht wirklich zu tun brauchte. (Vgl. 8,3!) In Kap. 8,1 kommt zum dritten Male eine Verzückung über ihn. Die Beschreibung dieses dritten „Gesichtes” (11,24) schließt mit 11,25. Das Datum dieser dritten Verzückung ist ein weiterer Beweis für die Nichtwirklichkeit des aufgetragenen Tuns des zweiten Gesichtes.

Die erste Verzückung kam über den Propheten im fünften Jahre der Wegführung des Königs Jojakim, am 5. des 4. Monats: 1,2. Nachdem die Verzückung vorüber war, gingen sieben Tage dahin bis zur zweiten Verzückung: 3,15.16.22, „daselbst” schließt an die sieben Tage direkt an, wie auch die Erläuterungen in 5,5 - 7,27 eine ergänzende Erweiterung der Erklärungen von 2,1 - 3,9 sind und 3,10 nahelegt, dass weitere mündlich an seine Volksgenossen zu richtende Mahnungen dem Propheten aufgetragen werden würden; zuvor aber sollte diesem eine Erholungspause von sieben Tagen (7 die, symbolische Zahl für einen in sich abgegrenzten Zyklus in geistlicher Bewertung) gegönnt sein (3,15), damit er das Überwältigende, eines Menschen physische Kraft Angreifende des ersten Gesichts innerlich verarbeiten konnte, ehe die Fortsetzung in einem zweiten Gesicht erfolgen sollte. Diese Fortsetzung erfolgte also am zwölften Tage des vierten Monats des fünften Jahres. Das dritte Gesicht erfolgte am fünften Tage des sechsten Monats im sechsten Jahre. Das heißt 405 Tage, in Mondmonaten gerechnet, nach dem zweiten Gesicht, oder 413 Tage, wenn der Monat zu 30 Tagen genommen wird, was aber wohl nicht in Frage kommt, da allgemein nach Mondmonaten von 29½ Tagen gerechnet wurde. 390 + 40 = 430 Tage sollte der Prophet die Ungerechtigkeit der Häuser Israel und Juda tragen, 4,4-6; da hätte er 25 Tage vor Beendigung des gebundenen Daliegens, 4,8, die dritte Verzückung gehabt, was ausgeschlossen ist, da er beim Ergriffenwerden von ihr im Kreise der Ältesten von Juda in seinem Hause saß. 3,24 sagt ihm Jehova freilich, er solle in sein Haus gehen, aber auch, dass er sich einschließen solle und dass ihm Stricke angelegt werden würden, 3,25, ja dieses derart durch Jehova Selber, dass er sich nicht würde von einer Seite auf die andere umwenden können, 4,8; und doch sollte er eben dies nach den ersten 390 Tagen tun, 4,6: beides unvereinbar. Zudem: 390 Tage gebunden auf ein und derselben Seite liegen ist physische Unmöglichkeit, und von einer übernatürlichen Befähigung ist nicht die Rede. In Wirklichkeit tun, was dasteht, musste Hesekiel also nicht.

c) Zu: „Was daraus für den praktischen Dienst zu lernen ist” kann in einem kurzen Satz die Antwort gegeben werden, diese nämlich: Stell dich deinem Herrn rückhalts- und vorbehaltslos zur Verfügung in allem, wozu Er dich gebrauchen will!
F. Kpp.

Zusätze des Schriftleiters

Diese klare Antwort sucht der unleugbaren Schwierigkeiten in gesegneter Weise Herr zu werden; ob es ihr gelungen ist, möge der Leser, auch der Fragesteller, beantworten - mich befriedigt sie vollkommen! Wer da meint, dass der dritte Teil zu kurz komme, der stelle sich einmal im Vollsinne unter jene wenigen Zeilen, bzw. er werde einmal bereit, dem HERRN unter allen Umständen zu gehorchen, wo irgend etwas von ihm gefordert wird, was ihm schwerfällt, dann wird er die Kürze und darum Klarheit jener Beantwortung zu c vollauf zu würdigen wissen. Eine noch größere Kürze weist z. B. das Schriftwort Jak. 1,22 auf - handeln wir danach? Immer und überall? Oder nach Joh. 14,15? Oder nach Hebr. 13,17; 2. Kor. 2,9 u. ähnl.? Was braucht's darüber vieler Worte? Aufs Tun kommt's an!
Ein paar Bemerkungen noch zu b, Hesekiel betreffend!

Es könnte nun gesagt werden: Wenn diese Aufträge von Kapitel 4 usw. nicht wirklich erfüllt werden mußten - und sie mußten es nicht, wie obige Antwort klar genug nachweist -, worin liegt dann ihre Anschauungskraft, ihre Bedeutung für das widerspenstige Volk, ihre Macht, letzteres unter Gericht oder Verantwortung zu stellen? - Da möchte ich hinweisen auf die so schmerzliche Begebenheit, wie des Propheten Weib („die Lust seiner Augen”) von ihm genommen wird und er nicht klagen und weinen soll, wie es sonst natürlich und allgemein üblich war vor jedermanns Augen. Ganz offensichtlich ist er gehorsam dem Befehl des HERRN - wie schwer es ihm auch gewesen sein mag! -, und sofort fragt das Volk: „Willst du uns denn nicht kundtun, was dies uns bedeuten soll, dass du so tust?” (Kap. 24,15-19 usw.) Das war die erste Frucht seines Gehorsams in solch absonderlicher Sache. Nun finden wir freilich in dem Kapitel 4 und folg. nicht solche Antwort des Volkes auf das Tun des Hesekiel, und man könnte oberflächlich daraus schließen, dass er gar nichts getan habe. Aber ich denke so, dass er wohl sinnbildlich so getan hat, d. h. eine gewisse kurze Zeit, und dann ist das ungehorsame Volk auf ihn aufmerksam geworden und hat ihn gefragt, was er täte - wie es dies in Kap. 12,9 deutlich getan hat, und so hat er das, was ihm im Gesicht aufgetragen ist, ihnen genau erzählt und auf diese Weise ihr Gewissen zu wecken gesucht. Ich will dies nicht fest behaupten, aber so etwa wäre m. E. die Sache zu denken. Ich möchte dafür eine Analogie, in gewisser Weise ein Seitenstück, anführen aus unserem Sprachgebrauch: Wenn eine trauernde Mutter, deren Sohn oder Tochter böse Wege geht, ihrem Kinde sagt: „Seit Wochen und Monden sorge ich mich um dich, nachts mache ich kein Auge zu im Gedenken an deine bösen Wege, ich liege Nacht und Tag um dich am Boden vor Leid und Zerbrochensein, wann wird dich endlich der Kummer deiner Mutter rühren? Du siehst doch, wie ich mich um dich verzehre usw.” - ich sage, wenn sie so redet, dann wird wohl keinem einfallen zu sagen: „Ach, das ist ja gar nicht wahr, die Mutter schläft doch noch manche Stunde, sonst könnte sie ihre viele tägliche Arbeit ja gar nicht tun, und wie sollte sie mit dieser wohl fertig werden, wenn sie tatsächlich Nacht und Tag am Boden läge usw.”, sondern wir verstehen den Mutterschmerz vollauf, reden auch nicht von Übertreibung, sondern wir wissen, dass diese Sprache eine bildliche und dabei doch nicht weniger tatsächliche ist, die das tiefinnere Herzeleid der gramerfüllten Mutter in plastischer Weise wiedergibt. Und wenn's auch eine bildliche Sprache ist, so könnte ein stiller, ungesehener Beobachter doch manches Mal die arme Mutter tatsächlich und wirklich am Boden liegend, betend und ringend um ihr Kind, schauen, ohne dass dies ununterbrochen so sein müßte und könnte. - Und hier noch ein biblisches Beispiel: Ps. 132,1-5! So fasse ich die Bildersprache des Hesekiel auf. Es sind Bilder von inneren Wirklichkeiten (ähnlich wie das Buch der Offenbarung), die zuzeiten in die plastische Wirklichkeit hineinragen und dann das Erstaunen des Volkes hervorrufen, eines Volkes, dessen Gewissen zu abgestumpft war, als dass das Wort allein ohne gesehenes oder erlebtes Bild auf dasselbe Eindruck gemacht hätte. Und auch so war die Wirkung nur eine vorübergehende, nicht das Herz und Leben umwandelnde. Darum bedeuteten die Bilder und die Berichte von ihnen eben auch vor allem Gericht und Verwerfung des Volkes - aber nicht für immer! (Vgl. z. B. 20,39ff.) Gelobt sei Gott!
Die prophetische Sprache ist an sich sehr schwer, und die des Hesekiel am meisten, glaube ich sagen zu dürfen. In späteren Zeiten war seitens der jüdischen Schriftgelehrten das Studium des Propheten Hesekiel erst 30jährigen Männern erlaubt. Gut, dass wir solche „Vorschriften der Ältesten” nicht anzuerkennen haben, dennoch ist das rein äußere Verständnis des Hesekiel auch für Gläubige nicht so einfach wie das des so durchsichtig klar schreibenden Propheten Jeremia. Gleichwohl kommt auch bei diesem bildliche Sprache vor, und Frage 11 im 17. Jahrbuch der „Handr.” beschäftigt sich mit derjenigen von Kap. 25,15-28. Dort sind auch grundsätzliche Worte über die prophetische Sprache niedergelegt.

Schließlich will ich nicht unerwähnt lassen für solche, die doch an der zum Zweck der Veranschaulichung notwendigen buchstäblichen Durchführung der Auftrage, die Hesekiel in Gesichten bekam, festhalten wollen, dass die Septuaginta (die allerdings oft ungenaue griechische Übersetzung des Alten Testaments, vgl. Frage 44 in Jahrbuch 1) in Kap. 4,5 statt 390 nur 190 Tage liest und dass gelehrte schriftgläubige Ausleger annehmen, Hesekiel sei durch göttliche Fügung in einen Zustand der „Starrsucht” gefallen, durch den dies lange Liegen „mit feindlichem Antlitz und gegen Jerusalem erhobenem Arm” möglich geworden sei, und so sei „der verstummte Prophet ein unheimliches Wahrzeichen, der beredteste Stundenzeiger für das Geschick der Hauptstadt” gewesen. (Klostermann und v. Orelli.) Aber warum dann die Stricke? (V. 8) Nun, wie dem auch sei, ich gebe unserem werten Mitarbeiter recht und habe ja auch versucht, diese Anschauung in einem eigenen Bilde, dem von der trauernden Mutter, zu stützen.

In jedem Falle war der Prophet Hesekiel ein Wahrzeichen, und eben dies war Hosea mit seiner Heirat der Gomer (vgl. Punkt a) auch, und indem sie gehorsam waren, offenbarten sie die Gefühle des HERRN im Blick auf die Widerspenstigkeit und Sünde Seines Volkes, und wir würden Gott sehr Unrecht tun, wenn wir meinen sollten, es käme Ihm nicht darauf an, wie Sein Volk von heute wandelt. Wenn wir Röm. 2,17-24 lesen, so sehen wir, dass das jüdische Volk jener Zeit sich nicht gar so sehr von dem Zustand unter den erwähnten Propheten unterschied - wie aber sind wir? Hat uns diese Bibelstelle nichts zu sagen? Ich denke doch, und wenn wir von ihr eine Linie ziehen etwa zu Eph. 5,1-21 u. a., so sehen wir, wieviel dem HERRN darauf ankommt, dass wir uns unterscheiden von den „Söhnen des Ungehorsams”! Wir, Sein Volk der Jetztzeit, sollten gleichsam Propheten sein im geistlichen Sinne, die wie Hosea und Hesekiel Wahrzeichen des Lichtes sind, Ihm zum Ruhm, Ihm zum Wohlgefallen, als „Nachahmer Gottes” (5,1). Er gebe uns Gnade (mit diesem Wunsche, dieser Bitte will ich schließen), treulich zu handeln nach Eph. 5,8: „Wandelt als Kinder des Lichts!
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 20 (1935)