Verherrlichtwerden des Herrn in Seinen Heiligen

Was kann gemeint sein mit dem „Verherrlichtwerden des HErrn in Seinen Heiligen“, und wie ist es zu verstehen, dass die Thessalonicher, und damit doch wohl wir auch, „der Berufung würdig erachtet“ werden sollen nach 2. Thess. 1,10 und 11?

Antwort A

Die Frage besteht aus zwei Teilen: 1. das „Verherrlichtwerden des HERRN in Seinen Heiligen” betreffend, und 2. das „der Berufung würdig Erachtetwerden” betreffend.
Zu 1:

In der genannten Schriftstelle V. 10 ist vom Kommen des HERRN die Rede. Im ersten Briefe an die Thessalonicher lesen wir von Seinem Kommen zur Entrückung der Seinen (4,15-17), hier aber handelt es sich um Sein Kommen zum Gericht für die Welt (und zur Aufrichtung Seines Reiches auf der Erde). Das zeigen die vorhergehenden Verse 6-9. Wir warten mit Freude und Sehnsucht auf Sein Kommen zu unserer Entrückung. Bei diesem werden die Entschlafenen auferweckt und die Lebenden verwandelt werden - beides gleichzeitig, nicht nacheinander, wie manche lehren, sondern „in einem Nu, in einem Augenblick”, wie 1. Kor. 15,51.52 sagt -, und „danach” (d. h. nachdem dieses geschehen ist, sich unmittelbar daran anschließend - ohne irgendwelches Verweilen auf der Erde, welches letztere manche sich denken und lehren, wofür aber gar keine Ursache zu erkennen und gar kein Schriftgrund vorhanden ist) geschieht die Entrückung „in Wolken dem HERRN entgegen in die Luft”, „und also werden wir allezeit bei dem HERRN sein”. Das ist unsere herrliche Hoffnung und etwas überaus Kostbares für unser Herz! Das im zweiten Briefe an die Thessalonicher behandelte Kommen des HERRN ist hiervon ganz verschieden. Bei dem Kommen zur Entrückung kommt Er als der erwartete, geliebte Heiland für die Seinen, um sie dorthin heimzuholen, wo Er ihnen die Stätte bereitet hat; bei Seinem Kommen zum Gericht kommt Er unerwartet für die Welt als der Richter, um „Vergeltung” zu geben „denen, die Gott nicht kennen, und denen, die dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus nicht gehorchen”. Bei dem einen kommt Er nicht auf die Erde herab, sondern nur in das Luftgebiet (das ergibt sich klar aus 1. Thess. 4,17), und kein Auge der Zurückbleibenden wird Ihn sehen (dieser Vorgang wird für die Welt unsichtbar sein; siehe auch Mt. 23,39); bei dem anderen kommt Er auf die Erde herab, und „jedes Auge wird Ihn sehen” (siehe Mt. 24,30 und Off. 1,7). Bei dem einen werden die Seinen von der Erde weg zu Ihm hin gerückt und mit Ihm eingehen in die Herrlichkeit (Joh. 14,3; 17,24; 1. Thess. 4,17); bei dem anderen werden die Seinen mit Ihm kommen und mit Ihm geoffenbart werden in Herrlichkeit. (Kol. 3,4; 1. Thess. 4,14; Jud. 14; Off. 19,14) Und letzteres ist der Zeitpunkt, von welchem 2. Thess. 1,10 spricht - jener „Tag”, an welchem Er kommen wird, um „verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen und bewundert in allen denen, die geglaubt haben”. Dann werden wir einen Leib der Herrlichkeit haben, gleichförmig Seinem Leibe der Herrlichkeit (Phil. 3,21), und in dieser wunderbaren Herrlichkeit werden wir geschaut werden; und alle, die uns sehen werden, werden wissen, dass Er es ist, der uns, die wir einst schuldige und verlorene Sünder waren, so herrlich gemacht hat. Wir werden als Sein herrliches Werk vor ihren Augen sein. Und die Wirkung wird die sein wie bei einem herrlichen Werk eines großen Meisters: Das Werk preist den Meister; durch die Herrlichkeit des Werkes wird dem Anschauenden der Schöpfer dieses Werkes herrlich, und der Meister wird in seinem Werke bewundert. So wird es bei Seiner Offenbarung sein, wenn wir mit Ihm werden geoffenbart werden in Herrlichkeit! - Beachten wir hierbei einen beim Lesen der Worte V. 10 wohl von uns allen mehr oder weniger empfundenen feinen Unterschied, den der Geist Gottes macht, wenn Er sagt: „verherrlicht zu werden in Seinen Heiligen” und „ bewundert in allen denen, die geglaubt haben”. Schreiber dieser Zeilen maßt sich nicht an, eine bestimmte Auslegung hierüber geben zu können, neigt aber zu folgendem Gedanken: Als „Seine Heiligen” strahlen sie das aus, was Er ist (das sollten wir schon hier, im Leibe der Niedrigkeit, tun, was aber nur in großer Schwachheit geschieht; dann aber, von jeder Schwachheit befreit und vollendet, wird es in Vollkommenheit geschehen), und machen dadurch Ihn herrlich in den Augen der sie Anschauenden (vgl. Joh. 17,22.23). Als solche, „die geglaubt haben”, erinnern sie an den Weg, auf dem Er sie zu solcher Herrlichkeit gebracht hat, und die sie Anschauenden werden, hiervon überwältigt, Ihn bewundern!
Zu 2:

V. 11 zeigt uns, was dem Apostel hinsichtlich der Thessalonicher angesichts des vorher behandelten, so überaus ernsten Gegenstandes auf dem Herzen lag und ihn im Gebet bewegte. Er schreibt: „Weshalb wir auch allezeit für euch beten.” Was er betete, sagt er nicht. Wir können es uns vielleicht denken, wenn wir hierzu die Verse 3 und 4 lesen, wo er (anerkennend) spricht von ihrem Glauben und ihrer Liebe und von ihrem Ausharren und ihrer Treue in allen ihren Verfolgungen und Drangsalen, die sie erduldeten. Er sagt nur, dass er allezeit für sie betete. Aber er gibt das Ziel an, welches er bei diesem Gebet im Herzen hatte: „auf dass unser Gott

1. euch würdig erachte der Berufung und
2. erfülle alles Wohlgefallen an Gütigkeit und das Werk des Glaubens in Kraft
”.

Wir sind überzeugt, dass dieses nicht der eigentliche Gegenstand, sondern - wie schon gesagt - nur das Ziel seines Gebets war. Denn beides - das unter 1. und 2. Angeführte - ist nicht etwas, was Gott auf Bitten hin tut, sondern etwas, was an Voraussetzungen gebunden ist: „Der Berufung würdig erachten” kann Gott jemand nur dann, wenn derselbe der Berufung würdig wandelt (siehe Eph. 4,1); und „alles Wohlgefallen an Gütigkeit” meint nicht „Wohlgefallen an Seiner Gütigkeit”, denn es handelt sich hier nicht um Gottes Gütigkeit - das sagt der Urtext gar nicht und entspricht nicht dem Zusammenhange -, sondern um unser Wohlgefallen an Gütigkeit. Das mit „Gütigkeit” übersetzte Wort hat den Sinn von „Güte”, „Rechtschaffenheit”, und kommt außer hier nur noch dreimal vor: Röm. 15,14; Gal. 5,22 und Eph. 5,9, wo es immer nur auf Menschen bezüglich ist. Und auch hier bezieht es sich auf Menschen. Dieses Wort ist nie auf Gott angewandt, wie auch „das Werk des Glaubens” „erfüllen (= vollständig machen, ergänzen, zur Vollendung bringen) in Kraft” kann Gott nur dann, wenn „Wohlgefallen an Gütigkeit” und ein „Werk des Glaubens” vorhanden ist. Somit kam es darauf an und wird der Apostel darum gebetet haben, dass die Thessalonicher in diesen Dingen (Voraussetzungen) stets erfunden werden und darin Fortschritte machen möchten, weil dann Gott das oben unter 1. und 2. Genannte tun konnte. Dem entspricht die Übersetzung (Elberf.): „auf dass unser Gott ...”, weil „auf daß” den Zweck oder das Ziel einer Handlung anzeigt (wie z. B. 1. Tim. 3,14.15: „Dieses schreibe ich dir ... auf dass du wissest ...”).
Die gefragte Stelle (V. 11) ist also so zu verstehen: Der Apostel hatte bei seinem Gebet die herrliche Berufung der Erlösten im Auge, wie sie im zweiten Teile des V. 5 und in V. 10a hervortritt, und fühlte tief, dass das Leben der Gläubigen, ihr Wandel, in allem mit dieser herrlichen Berufung im Einklang stehen und stets so sein sollte, dass Gott sie „der Berufung würdig erachten” kann (nicht würdig mache, sondern würdig erachte!). In diesem Sinne betete er für die Thessalonicher. Und so gilt es auch für uns. Gott gebe uns dazu Gnade!
Th. K.

Antwort des Schriftleiters

Der Verfasser vorstehender schöner Antwort hat sich der Kürze befleißigt, und ich möchte sagen: leider! Denn seine wirklich kostbare Antwort hätte nicht an Klarheit gelitten, wenn die Frage noch ein wenig ausführlicher behandelt worden wäre, sonderlich was Teil 2 anbelangt. Ich gehe darum noch ein wenig auf diese Stelle ein. Sie ist nur zu verstehen im engen Anschluß an den Zusammenhang, d. h. den des Kommens des HERRN in Seinem Gerichtscharakter (2. Thess. und Off.), während ja der 1. Thessalonicherbrief das Gleiche, aber in Seinem Gnadencharakter - Abschluß der Wege des HERRN mit den Seinen hienieden! - behandelt.
Zu 1. Hier nur wenige Worte! Wenn von Herrlichkeit die Rede ist, so steht dieser in der Schrift ungemein häufig vorkommende Begriff meist oder stets in gewisser Beziehung zu Gemeinschaft. Im Alten Testament erschien Jehova in der Herrlichkeitswolke (der „Schechinah”) zum Zeichen, dass Er, wenn im A. T. auf dem Boden des (nicht erfüllten!) Gesetzes auch in gewisser Entfernung (2000 Ellen bei der Bundeslade! Josua 3!), dennoch mit Seinem erwählten Volke in Gemeinschaft zu sein wünschte, und wenn dieses immer wieder widerstrebt, dann will Er wenigstens mit Mose in Gemeinschaft sein. Vgl. hierfür nur einige Stellen und Kapitel in den Schriften Moses wie unter vielen: 3. Mo. 9,22-24; 2. Mo. 16; 29,43; 33; 4. Mo. 14 und 16. (Die Stellen selbst mag sich jeder nachschlagen!) Im Neuen Testament, auf dem Boden des erfüllten Gesetzes (in Christo), ist es natürlich viel mehr so, dass mit „Herrlichkeit” Gemeinschaft mit Ihm verbunden ist, vor allem zu sehen im Johannes-Evangelium, vgl. z. B. 1,14 und Kap. 17. Man prüfe das nach am Worte! Und dann wende man diese Tatsache auf unsere Stelle an: Dann, wenn Er mit den Seinen und durch sie bei Seinem Kommen zum Gericht über die Nationen (Mt. 25) gesehen wird, dann soll die ganze Welt sehen, welche Gemeinschaft in Heiligkeit und Herrlichkeit zwischen Ihm und den Seinen besteht. Dann wird offenbar werden, was sie Ihm sind, wenn Er sie Seiner Herrlichkeit würdigt und sie Seinen Glanz ausstrahlen! Wieviel sollte uns doch jetzt schon daran liegen, Ihm Ehre zu machen, ja, und auch die Freude, dass uns an diesen zukünftigen Herrlichkeiten etwas liegt, durch die dann Er in Seiner Herrlichkeit, in der Er uns in Seiner Gemeinschaft gesehen werden läßt, wiederum geehrt wird. Das Geschenk Seiner Gemeinschaft ehrt und verherrlicht den Geber derselben, und je größer sie uns wird, desto herrlicher wird unser sonst so armes Leben. Die Kronen, die Er uns verleiht, werfen wir Ihm zu Füßen des Thrones, um Ihn zu ehren (Off. 5,10), der uns solcher Herrlichkeit für wert hält. Er und wir - das wird einmal das sich den staunenden Blicken des Universums darbietende Schauspiel in Herrlichkeit sein. Leben wir hienieden dementsprechend?
Das leitet über zu 2.

Es handelt sich nicht, wie vielleicht der Fragende gemeint haben mag, um ein der Berufung zum ewigen Leben „Würdig-gemacht-werden” durch unser Tun (oder auch unser Gebet) im Sinne einer Werkheiligkeit, so, als könnten wir etwas tun, um überhaupt erst einmal würdig gemacht zu werden. Nein, das sind wir als Seine Heiligen (V. 10!) längst. Würdig hat uns Sein Blut gemacht. (Vgl. Kol. 1,12!) Das ist eine objektive Tatsache, zu der wir weder etwas hinzufügen noch die wir verbessern könnten. Aber des treuen Apostels Wunsch war - natürlich entsprechend dem Wunsche des HERRN Selbst! -, dass Gott („unser Gott”, also auch der ihre, sie waren längst Sein Eigen!) sie ständig in einem derart würdigen (Ihm entsprechenden) Zustand - vgl. den Gebrauch des Wortes „würdig” in Lk. 7,4.7, V. 6 ein anderes Wort! und in Off. 5 (4x „würdig”!) - erachten oder ersehen, sehen, schauen oder erblicken und demgemäß rühmen möchte, dass V. 12 statthaben könnte. Darum betete er, dass ihr Zustand der hohen Berufung (V. 5) entsprechen möchte, auf dass (= Zweck) unserem Gott möglich sein würde, sie in solchem zu sehen. Die ganze Stelle - so schwer sie wäre, wollte man darin eine Gefahr für uns sehen, das ewige Leben zu verscherzen (man hat das schon getan!) - ist sehr einfach, wenn wir sie, sie z. B. vergleichend mit Kol. 1,10.11 und Eph. 4,1, auffassen als eine Ermunterung zu einem würdigen Wandel (vgl. Antwort A!), den dann „unser Gott” anerkennen würde, weswegen Er sie als würdig erachten würde der praktischen Berufung (Beruf!), mit Ihm zu herrschen und zu richten in Seinem Reiche (V. 5). Schon in V. 5 ist das Würdiggeachtetwerden ihr Teil, indem die besonderen Leiden, die Gott ihnen sandte (V. 4), zeigen, wie hoch Er sie einschätzt! (Vgl. Röm. 3,31-39) In dem Maße, wie ihr würdiger (d. i. Ihm entsprechender) Wandel auf Pauli Gebet hin wachsen würde, in dem Maße würde Gott ihnen Beweise geben dafür, dass Er sie auch würdig erachten und alles Wohlgefallen an Gütigkeit usw. an ihnen erfüllen würde (vgl. die Auslegung in Antwort A!). Das ewige Leben haben sie alle - im Gegensatz zu denen von V. 8-9! -, aber die besondere Berufung, deren unser Gott sie würdig (Ihm entsprechend) erachten, anerkennen sollte, war abhängig von einem Verhalten, das dem Fürbittedienst des Apostels unterworfen war. Und das ist köstlich. Wenn man natürlich „Berufung” und „ewiges Leben” (Heil und Errettung) miteinander verwechselt, dann könnte man fürchten, sich durch den Wandel das Leben erwirken zu müssen. Aber nein, das haben wir ein für allemal in Christo, jedoch die Berufung (gleichsam in Seinen Gerichtshof) ist abhängig von unserem würdigen Wandel, und dass er das sei, also dass der Wandel würdig sei, damit sie würdig erachtet werden möchten - dafür betete der Apostel, und in diesem Sinne sollten auch wir mehr füreinander beten. Vielleicht, wenn wir es mehr täten, würde Er zulassen, dass uns allerlei in den Weg gestellt würde, Leiden usw. (V. 5), die uns abziehen von den Dingen der Zeit und unseren Wandel so läutern und umwandeln, dass wir passend werden für jenes Würdig-geachtet-werden durch unseren Gott. Und das ist doch ein herrliches Ziel!

Der HERR schenke uns Gnade, unsere diesbezügliche Verantwortung füreinander mehr zu erkennen, damit wir mehr handeln nach V. 11a; vgl. dazu z. B. Kol. 1,9 mit 4,12 (Erkenntnis Seines Willens als Gebetsgegenstand, und ein betender Epaphras handelt demgemäß!). Wie oberflächlich ist mancher Fürbittedienst! Hier finden sich erhabenere Gebetsanliegen, würdig unserer Stellung in Christo. Geliebte, Er kommt - und wie findet Er uns?
Amen, komm, Herr Jesus!” (Off. 22,20)
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 20 (1935)