Völkertafel 1. Mose 10

Was für einen praktischen Wert hat für uns die Völkertafel 1. Mose 10 a) im Hinblick auf das Verständnis der Heiligen Schrift; b) für die heutige bzw. die Endzeit?

Antwort zu a)

Stellen wir uns vor, nach Kap. 9,29 ginge die Erzählung mit 11,1 weiter: Wir wären nicht überrascht. Die ersten neun Verse empfänden wir als eine Mitteilung darüber, wie die Sprachen entstanden sind, und Vers 10 nähmen wir ohne weiteres als Weiterführung des Gedankens auf, dass in Verbindung mit einem Lobpreis Jehovas, 9,26, gesagt worden war, Jehova sei der Gott Sems. Von Japhet ist das nämlich nicht gesagt; von Ham natürlich erst recht nicht. Von Sem aber stammt das Volk Israel ab.
Dann stellen wir uns weiter vor, wie viele Male wir beim Lesen der übrigen Bücher des A. T. fragend vor dem oder jenem Namen einer Nation stehen würden und gerne etwas über ihren Ursprung wüßten!

Oder wir läsen in 5. Mo. 32,8: „Als der Höchste das Erbe austeilte den Nationen, als Er voneinander schied die Menschenkinder, da stellte Er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel”: Wüßten wir da nicht gerne Bescheid über diese Nationen und Völker? Oder schon gleich nachdem wir in Kap. 11 des 1. Buches bis zu Abram weitergelesen hätten, dann zu Isaak, Jakob, Joseph kämen, würden wir nicht fragen: Wo kommen die Ägypter, die Kanaaniter, die Philister her?
Beim letzten Spruch Bileams 4. Mo. 24 wären wir in Verlegenheit bezüglich der Küste von Kittim und bezüglich Assurs. Und wenn wir erst zu den Propheten kommen und da in gewissen Abschnitten die Weltgeschichte teilweise oder ganz vor uns ausgebreitet finden, wie alles in Beziehung zu dem Volke Jehovas steht, wie Nationen kommen und verschwinden: Kämen wir zurecht, wenn wir nicht ihren Ursprung kennten, wenigstens von den im Vordergrund stehenden, weil der Ursprung doch vielfach den Volkscharakter sich auf der und der Linie entwickeln läßt? Sagen wir doch auch: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm”, was sowohl für Einzel-Persönlichkeiten wie für Völker- und Sippschaften wahr ist. Und dieweil die vielgestaltige Geschichte Israels und der Nationen im A. T. ihren Ausgangspunkt im prophetischen Segen Noahs über seine drei Söhne hat, so stünden wir gar oft vor einem Rätsel, das sich hören läßt, wenn wir die Völkertafel zu Rate ziehen.

Zu b)

Es ist zunächst interessant, dass dies Kapitel bis ins N. T. hineinreicht: Es bezeugt die Einheit des Menschengeschlechts, wie Paulus auf dem Areopag in Athen von dieser Einheit spricht und ausdrücklich hervorhebt, dass Gott, der Schöpfer der Welt und Herr des Himmels und der Erde, jede Nation gemacht und verordnete Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnung bestimmt habe. (Apg. 17,24ff.) Dies ist nichts anderes als die Ausweitung von 1. Mo. 11,8.9 und 5. Mo. 32,8. Die Aufstellung der Völkertafel ist eine Vorwegnahme dessen, was auf Kap. 11,1-9 folgte. Denn wenn der Anfang des Reiches Nimrods Babel war, so musste dieses zuerst da sein; und aus 11,10-16 in Verbindung mit 10,25 kann berechnet werden, wann ungefähr die Zerstreuung und die Entstehung Babels stattfand. Noah und seine Söhne lebten noch lange nach der Entstehung Babels, Noah wohl über 200, Sem wohl über 350 Jahre.

Ferner ist bemerkenswert, dass nur von gewissen Söhnen Noahs weitere Nachkommen aufgezählt werden, so dass man denken muß, diese seien deswegen besonders genannt, weil sie irgendwann und irgendwie mit Israel in Berührung kommen würden. In der vergangenen Geschichte Israels war es auch so; in der kommenden wird es wieder so sein.

Für die heutige Zeit ist deutlich, dass entsprechend dem Segen Noahs die führenden Nationen der Welt Japhetiten sind. Wie wüßten wir es, wenn wir die Völkertafel nicht hätten? Die Identifizierung der Nationen der Tafel kann hier aus Raummangel nicht gegeben werden. Sie ist aber nach alten Schriftstellern nicht allzu schwer zu machen. In großen Zügen sei daraus gegeben: Von Japhet stammten ab die Meder, Griechen, Römer, Russen, Germanen, Gallier und Briten, von Ham: die Ägypter, Afrikaner, Babylonier, Philister und Kanaaniter, von Sem: die Hebräer, Perser, Assyrer und die Araber.

Die Welt hallt heute wider von Bündnissen, Pakten usw. der Nationen. Übersehen wir nicht, dass der Anlass zur Bildung der Nationen der versuchte Pakt von 1. Mo. 11,4 war! Alles wiederholt sich in der Welt, wie es der Prediger in seinem Buche sagt. So werden auch die Nationen von 1. Mo. 10, die zum Teil wie die zehn Stämme Israels verschollen sind, ihre nationale Auferstehung direkt oder durch die Bewohner ihrer einstigen Wohnsitze erleben, erleben sie zum Teil vor unseren Augen und werden in dem großen Zusammenprall der Völkermassen in der Endzeit, mit dem uns die Bücher der Propheten und gewisse Psalmen und die Offenbarung bekannt machen, auf dem Plane sein.

Nehmen wir als Beispiel den 83. Psalm. Wer mit den Psalmen vertraut ist, weiß, dass sie prophetisch sind, gerade die Serie der Psalmen Asaphs von 73 bis 83 trägt den Beweis davon an der Stirn. Hatte etwas dem in Psalm 74 ähnlichen zu Asaphs Zeit schon stattgefunden? So ist auch ein Pakt wie der in Ps. 83, in dem Assur vorkommt, zur Zeit Asaphs nicht dagewesen. Zur Zeit des Königs Josaphat, 2. Chr. 20, könnte es scheinen, als sei es das gewesen; aber die im Psalm genannten Philister, Tyrer und Assur waren nicht dabei. Es muss schon dabei bleiben, dass der Psalm auf die Endzeit geht, mochte auch ein teilweises Muster davon schon dagewesen sein. Die Schriften der Propheten lassen erkennen, dass es solches in der Endgeschichte Israels und der Nationen geben wird. Heute schon sind rund um Palästina die Ansätze dazu da. Aus den Propheten sei erwähnt, dass Mizraim (Ägypt.) und [As]-Syrien (Assur und Aram) in ihren Herrschern als Könige des Südens und Nordens erscheinen, auch in der Endzeit, Daniel 11; für dieselbe Zeit wird auch Griechenland (Javan, Ionien) ausdrücklich genannt, Sach. 9,13.

Und dann sei noch der allerletzte Bund von Nationen angeführt! Ihre Namen werden genannt. Die Zeit ist die, da der vom Himmel mit Seinen Heerscharen herniedergestiegene HERR die gegen Sein Land hin versammelten Kriegerscharen aus dem Westen, aus dem nahen Norden und Süden vernichtet haben wird, Off. 19; Dan. 11,36ff. Sein Land, das „Land der Zierde”, wird den Anfang Seiner Königsherrschaft erlebt haben und befriedet sein. Da erscheint noch einmal ein Feind aus dem äußersten Norden. Siehe Hes. 38 und 39. Da finden wir Nationen genannt, die von allen drei Söhnen Noahs herkommen. Japhetiten: der Anführer, Fürst von All-Russia: „Rosch, Meschek und Tubal, vom Lande des Magogvolkes.” Rosch, abgekürzt aus [Ti-]Ras. Meschek und Tubal: Moskau und Tobolsk (?), ursprünglich Völkerschaften im Bereich und jenseits des Schwarzen und Kaspischen Meeres, [Tog]-Arma: gekürzt zu Armenien. Semiten: Perser. Hamiten: Kusch (Äthiopien) und Put.

Es ist festzustellen, dass die Völkertafel in ihren Besonderheiten, Erwähnung oder Nichterwähnung von Nachkommen Noahs im dritten oder vierten Glied, nicht nur auf 5. Mo. 32,8 zurückzuführen ist, sondern auch auf die im Worte Gottes verheißene, dereinstige endgültige Wiederherstellung Israels in seinem Lande.
Die Schrift hat noch immer Recht behalten, auch in ihren unwahrscheinlichsten Feststellungen. Sie wird auch in dieser Feststellung Recht behalten.
Ob in der Völkertafel die Zahl 70 der Völker, die herauskommt, wenn man die Hauptäste der Familien mit den Abkömmlingen (bei Japhet 7 + 7 = 14, bei Ham 4 + 26 = 30, bei Sem 5 + 21 = 26) zusammenzählt, etwas mit der dreimal genannten Zahl 70, als wie viele Jakob nach Ägypten kam (1. Mo. 46,27; 2. Mo. 1,5; 5. Mo. 10,22), zu tun hat, lasse ich als fraglich samt der daraus gezogenen Folgerung dahingestellt.

Die Weissagung wurde niemals durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern heilige Männer Gottes redeten, getrieben vom Heiligen Geiste.” (2. Petr. 1,21)
F. Kpp.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 21 (1936)