Was sagt die Bibel über Gemeindezucht?

Manche Gemeinden legen sehr viel Wert auf Gemeindezucht, während sie in anderen Gemeinden überhaupt nicht praktiziert wird. Was sagt die Bibel zu diesem Thema?

Die Grundlage der Gemeindezucht gab Jesus selbst: «Wenn aber dein Bruder an dir gesündigt hat, so geh hin und weise ihn zurecht unter vier Augen. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder gewonnen. Hört er aber nicht, so nimm noch einen oder zwei mit dir, damit jede Sache auf der Aussage von zwei oder drei Zeugen beruht. Hört er aber auf diese nicht, so sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, so sei er für dich wie ein Heide und ein Zöllner» (Mt 18,15-17).

Gemeindezucht betrifft die Bruderschaft (Gemeindemitglieder), nicht die Aussenstehenden (Ungläubigen). Jedes Gemeindeglied ist diesbezüglich mit in die Verantwortung genommen, sie ist nicht allein Aufgabe der Ältesten. Ein vierfacher Weg wird aufgezeichnet:

  1. Das einzelne Gemeindeglied ist gefordert, auf den Sünder zuzugehen, ihn anzusprechen.
  2. Hört dieser nicht, wird ein zweites Gemeindeglied beigezogen.
  3. Hört er auch auf dieses nicht, muss die Angelegenheit vor die ganze Gemeinde gebracht werden.
  4. Erst daraufhin folgt der Ausschluss. Auf dieser Grundlage sind alle weiteren Aussagen des Neuen Testaments aufgebaut.

1. Gemeindezucht betrifft die Gemeindeglieder: «… und zwar nicht mit den Unzüchtigen dieser Welt überhaupt, oder den Habsüchtigen oder Räubern oder Götzendienern; sonst müsstet ihr ja aus der Welt hinausgehen. Jetzt aber habe ich euch geschrieben, dass ihr keinen Umgang haben sollt mit jemand, der sich Bruder nennen lässt und dabei ein Unzüchtiger oder Habsüchtiger oder Götzendiener oder Lästerer oder Trunkenbold oder Räuber ist; mit einem solchen sollt ihr nicht einmal essen. Denn was gehen mich auch die an, die ausserhalb der Gemeinde sind, dass ich sie richten sollte? Habt ihr nicht die zu richten, welche drinnen sind? Die aber außerhalb sind, richtet Gott. So tut den Bösen aus eurer Mitte hinweg!» (1.Kor 5,10-13; vgl. 2.Thess 3,6.14-15). «Brüder, wenn auch ein Mensch von einer Übertretung übereilt würde, so helft ihr, die ihr geistlich seid, einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht; und gib dabei Acht auf dich selbst, dass du nicht auch versucht wirst! Einer trage des anderen Lasten, und so sollt ihr das Gesetz des Christus erfüllen!» (Gal 6,1-2). Hierbei geht es offensichtlich um einen fleischlich gesinnten Bruder innerhalb der Gemeinde, der wieder zurechtgebracht werden soll.

  • Nur wer zu einer Familie gehört, kann ausgeschlossen werden, nicht jemand Fremdes.
  • Nur wer zu einem Verein gehört, kann ausgeschlossen werden, kein Zuschauer.
  • Nur wer zur Gemeinde gehört, kann ausgeschlossen werden, kein ungläubiger Besucher.

Judas schreibt ebenfalls, dass wir unterscheiden sollen: «Erbarmt euch über die einen, wobei ihr unterscheiden sollt; andere aber rettet mit Furcht, indem ihr sie aus dem Feuer reisst, wobei ihr auch das vom Fleisch befleckte Gewand hassen sollt» (Jud 22-23). Wir müssen zwischen Gemeindegliedern, Ungläubigen und Verführern unterscheiden.

2. Das Kollektiv der Gemeinde muss Verantwortung tragen und wird in der Bibel zum gemeinsamen Handeln aufgerufen. So wird die gesamte Gemeinde in die Verantwortung genommen, werden die Ältesten entlastet und wird ein falsches oder willkürliches Handhaben von Gemeindezucht vermieden (vgl. Mt 18,17). «Ich habe der Gemeinde geschrieben; aber Diotrephes, der bei ihnen der Erste sein möchte, nimmt uns nicht an. Darum will ich ihm, wenn ich komme, seine Werke vorhalten, die er tut, indem er uns mit bösen Worten verleumdet; und damit nicht genug, er selbst nimmt die Brüder nicht auf und verwehrt es auch denen, die es tun wollen, und stößt sie aus der Gemeinde hinaus» (3.Joh 9-10). Hier wird dem willkürlichen Handeln eines Gemeindeleiters (Diotrephes) gewehrt, der ohne das Kollektiv herrschen wollte, und die Verantwortung der Gesamtgemeinde wird betont: «Ich habe der Gemeinde geschrieben» (vgl. 1.Petr 5,2-3).

3. Der Weg zum Ausschluss: Jesus ordnet in Matthäus 18,15-17 zunächst die Einzelseelsorge an, dann die Gruppenseelsorge, daraufhin die Gemeindeseelsorge und erst als allerletzte Konsequenz den Ausschluss durch die Gemeinde. Dies findet sich auch in den Lehrbriefen:

  • Einzelseelsorge: «Brüder, wenn jemand unter euch von der Wahrheit abirrt, und es führt ihn einer zur Umkehr, so soll er wissen: Wer einen Sünder von seinem Irrweg zur Umkehr führt, der wird eine Seele vom Tod erretten und eine Menge Sünden zudecken» (Jak 5,19-20).
  • Gruppenseelsorge: «Brüder, wenn auch ein Mensch von einer Übertretung übereilt würde, so helft ihr, die ihr geistlich seid, einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht; und gib dabei Acht auf dich selbst, dass du nicht auch versucht wirst! Einer trage des anderen Lasten, und so sollt ihr das Gesetz des Christus erfüllen!» (Gal 6,1-2).
  • Gemeindeseelsorge: «Erbarmt euch über die einen, wobei ihr unterscheiden sollt …» (Jud 22).
  • Ausschluss: «Wir gebieten euch aber, Brüder, im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr euch von jedem Bruder zurückzieht, der unordentlich wandelt und nicht nach der Überlieferung, die er von uns empfangen hat. … Wenn aber jemand unserem brieflichen Wort nicht gehorcht, den kennzeichnet und habt keinen Umgang mit ihm, damit er sich schämen muss; doch haltet ihn nicht für einen Feind, sondern weist ihn zurecht als einen Bruder» (2.Thess 3,6.14-15).

Der Ausschluss muss geschehen, wenn keine Buße (Umkehr) stattfindet und das Gemeindeleben durch geduldete Sünde gefährdet wird (vgl. 1.Kor 5,1ff.; vgl. 1.Tim 1,20). Es geht in 1. Korinther 5 um sechs Sünden: Unzucht, Räuberei; Götzendienst, Habsucht, Lästerung, Trunkenheit. «Jetzt aber habe ich euch geschrieben, dass ihr keinen Umgang haben sollt mit jemand, der sich Bruder nennen lässt und dabei ein Unzüchtiger oder Habsüchtiger oder Götzendiener oder Lästerer oder Trunkenbold oder Räuber ist; mit einem solchen sollt ihr nicht einmal essen» (1.Kor 5,11). Gemeindeausschluss muss auch dann vollzogen werden, wenn die Wahrheit des Wortes Gottes angegriffen wird und die Gefahr der Verführung besteht, indem sich falsche Lehrer einschleichen: «Ich ermahne euch aber, ihr Brüder: Gebt Acht auf die, welche Trennungen und Ärgernisse bewirken im Widerspruch zu der Lehre, die ihr gelernt habt, und meidet sie!» (Röm 16,17; vgl. 2.Joh 10-11; 2.Thess 3,6.14-15).

Was Ungläubige betrifft, so gibt es im Blick auf sie keine konkreten Anweisungen. Sie werden anders behandelt als gläubige Gemeindeglieder. Paulus streicht diesen Unterschied heraus, und das sollten auch wir tun. «Denn was gehen mich auch die an, die außerhalb der Gemeinde sind, dass ich sie richten sollte? Habt ihr nicht die zu richten, welche drinnen sind? Die aber außerhalb sind, richtet Gott. So tut den Bösen aus eurer Mitte hinweg» (1.Kor 5,12-13). Demnach geht es bei der Gemeindezucht darum, «den Bösen in unserer Mitte», der sich «Bruder nennt» (V 11) – also einen Gläubigen innerhalb der Gemeinde –, hinwegzutun. Die andern, die «außerhalb der Gemeinde» sind, gehen uns in Bezug auf Gemeindezucht nichts an (V 10). Mit diesen müssen wir ja Umgang haben, sonst können wir sie nicht für das Evangelium gewinnen. Und wenn sie dann in die Gemeinde kommen wollen, sollten wir sie dann ausschliessen? Nein, denn gerade sie sollen doch mit der Botschaft der Bibel erreicht werden! Interessant ist hierzu eine Anmerkung von William MacDonald. Er schreibt über die Frau (Stiefmutter) des Sünders (V 1): «Sie war wahrscheinlich ungläubig, weil eine Gemeindezucht gegen sie nicht erwähnt wird. In ihrem Fall hatte die Gemeinde kein Recht zu richten.» Dabei ist allerdings die Frage zu bedenken, ob sie überhaupt in die Gemeinde kam oder nicht.

Dass es innerhalb der Gemeinde auch Ungläubige gibt, macht 1. Korinther 14 deutlich: «Darum dienen die Sprachen als ein Zeichen, und zwar nicht für die Gläubigen, sondern für die Ungläubigen; die Weissagung aber ist nicht für die Ungläubigen, sondern für die Gläubigen. Wenn nun die ganze Gemeinde am selben Ort zusammenkäme, und alle würden in Sprachen reden, und es kämen Unkundige oder Ungläubige herein, würden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid? Wenn aber alle weissagten, und es käme ein Ungläubiger oder Unkundiger herein, so würde er von allen überführt, von allen erforscht; und so würde das Verborgene seines Herzens offenbar, und so würde er auf sein Angesicht fallen und Gott anbeten und bekennen, dass Gott wahrhaftig in euch ist» (V 22-25). Es ist die Aufgabe der Gemeinde, auch die Ungläubigen zu erreichen und diese innerhalb der Gemeinde zur Umkehr zu führen. Das geht aber nicht, indem man sie ausschliesst.

Die Aufgabe der Ältesten (Gemeindeleiter) ist es, der Gemeinde vorzustehen, diese zu repräsentieren und dementsprechend zu handeln. Dabei sollte die Gemeinde mit eingebunden werden (vgl. 1.Tim 1,3; 5,20; Tit 1,5.13; 1.Kor 14,40; 1.Petr 5,2-3; Jak 5,14-15). «Gehorcht euren Führern und fügt euch ihnen; denn sie wachen über eure Seelen als solche, die einmal Rechenschaft ablegen werden, damit sie das mit Freuden tun und nicht mit Seufzen; denn das wäre nicht gut für euch!» (Hebr 13,17). «Die Ältesten … ermahne ich …: Hütet die Herde Gottes bei euch, indem ihr nicht gezwungen, sondern freiwillig Aufsicht übt, nicht nach schändlichem Gewinn strebend, sondern mit Hingabe, nicht als solche, die über das ihnen Zugewiesene herrschen, sondern indem ihr Vorbilder der Herde seid!» (1.Petr 5,1-3).


Beantwortet von: Norbert Lieth
Quelle: Zeitschrift Mitternachtsruf, Juni 2010, Seite 28