Was sind des Himmelreichs Schlüssel?

Was ist der Sinn der Stelle Matth. 16,19; was sind des Himmelreichs Schlüssel?

Antwort A

Petrus hatte das herrliche Bekenntnis (V. 16) abgelegt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.” Der HERR bezeichnete dies Bekenntnis als eine Offenbarung des himmlischen Vaters und sprach dann zu Petrus: Du bist Petrus, d. h. Felsenmann -, so habe ich dich schon früher genannt, und du hast dich nun auch als solcher gezeigt, nämlich durch dein Bekenntnis; Mein Vater hat dir diese Tatsache (dass Ich der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes bin) gezeigt, und du hast dich im Glauben auf den Felsen dieser Tatsache gestellt. Wenn Jesus nun fortfährt: auf diesen Felsen will Ich Meine Gemeinde bauen usw., so will Er allerdings nicht sagen, dass die Person des Petrus die Grundlage Seiner Gemeinde bilden soll, denn im Grundtext heißt es nicht: „auf diesen Petrus” (Felsenmann), sondern „auf diesen Felsen” (petra) usw. Jedoch liegt in dem Wortspiel der Gedanke, dass Petrus und diejenigen, in deren Namen er sprach, die also auf demselben Felsengrunde des Bekenntnisses zu Christo standen, die Gründer der Gemeinde werden sollten. Das ist in der Tat geschehen; denn die Gemeinde ist aufgebaut (nach Eph. 2,20) auf die Grundlage der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist. (Nirgends ist in der Schrift gesagt, dass die Gemeinde auf Petrus aufgebaut sei.)
Nun fährt der HERR fort: Und Ich werde dir die Schlüssel des Reiches der Himmel geben usw. Zuerst die Frage: Ist „das Reich der Himmel” und „die Gemeinde” ein und dieselbe Sache? Keineswegs! Die Gemeinde ist die durch die Predigt des Evangeliums aus der Welt herausgerufene Schar derer, die an Jesum Christum glauben; sie trägt himmlischen Charakter (Eph. 1,3; 2,6; 3,10; Phil. 3,20; Kol. 3,1-3), dagegen „das Reich der Himmel” ist die Erfüllung der Weissagungen der Propheten des Alten Bundes, nämlich die Aufrichtung des Messianischen Königreichs oder des Reiches Gottes auf Erden. Der Mittelpunkt desselben ist Israel; es trägt irdischen Charakter, denn auf dieser Erde soll die Herrlichkeit Gottes offenbar werden, es heißt aber „Reich der Himmel”, weil es vom Himmel aus regiert wird. Jesus ist der König des Reiches der Himmel. Hätte Israel ihn als seinen König anerkannt, so hätte Seine Herrschaft auf der Erde beginnen können; Er wurde aber verworfen und verließ die Erde wieder für eine gewisse Zeit (Lk. 19,11ff.; Mt. 25,14ff.). Während dieser Zeit sollen Seine Knechte das Reich verwalten. Dem Petrus insbesondere übergibt der HERR die Schlüssel des Himmelreichs, d. h. die Aufgabe, zunächst den Juden (Apg. 2) und später den Gläubigen aus den Nationen die Türen des Reiches zu öffnen (Apg. 10). Die Vollmacht, zu binden und zu lösen, wird nach Kap. 18,18 auch den anderen Jüngern übertragen (vgl. Joh. 20,23) und besteht wohl darin, dass sie die Gewissen der Bußfertigen durch die Botschaft der Gnade entlasten, dagegen den Unbußfertigen den Zorn Gottes ankündigen sollten. Sie sind die Gesandten des Königs (Joh. 20,21), Seine Autorität steht hinter ihnen, ihre Maßregeln, die sich auf die Erde beziehen, werden im Himmel bestätigt.
Chr. K.

Antwort B

Mt. 16,19 spricht davon, dass der HERR dem Petrus die Schlüssel des Reiches der Himmel geben würde. Wir verstehen darunter nicht die Schlüssel der Gemeinde - davon hören wir nichts -, sondern die Schlüssel des Reiches. Mit Schlüsseln kann man aufschließen, was verschlossen war, vorausgesetzt, dass es die richtigen Schlüssel sind. Wir finden darum, dass der Apostel Petrus in Apg. 2 den Juden die Türen des Reichs öffnet durch die bekannte sogenannte Pfingstpredigt, wodurch 3000 Seelen errettet wurden. Ferner finden wir in Apg. 10, dass derselbe Apostel den Heiden die Tür des Reiches der Himmel öffnet. Darum hören wir von Schlüsseln (Mehrzahl). Apg. 15,7-11 sehen wir, dass der Apostel Petrus auf das Öffnen der Türen Bezug nimmt, dass dieselbe Gnade mächtig ist für Heiden (es ist sehr wichtig, dass er die Heiden zuerst nennt!) und Juden zur Errettung ihrer Seele.
Möchten auch wir treu erfunden werden in dem, was der HERR in Seiner Gnade uns zu tun anvertraut hat!
K. O. St.

Antwort C

Niemand denke, dass Petrus die Schlüssel zum Himmel habe; damit hat Petrus so wenig zu tun wie du und ich. Es sind die Schlüssel zum Königreich der Himmel. Das Reich gehört der Erde an, wogegen die Gemeinde dem Himmel angehört. Das Reich der Himmel steht mit der Verwaltung der Dinge des HERRN hier auf der Erde in Verbindung, während der Zeit, wo Er, der König des Reiches, verworfen, im Himmel ist.

Auf den meisten Bildern sieht man Petrus mit den Schlüsseln am Gürtel inmitten einer Herde Schafe. Aber Schafe werden nicht mit Schlüsseln gefüttert, noch wird mit Schlüsseln ein Bau aufgerichtet! Schlüssel gebraucht man, um Türen zu öffnen. Der HERR ging gen Himmel, aber Er hatte hier noch ein Werk durch Petrus auszuführen in bezug auf das Reich, von dem Er verkündigte, dass es „nahe herbeigekommen sei”. Ich glaube, Petrus brauchte einen der Schlüssel, als er den Juden predigte in Apg. 2, und den anderen Schlüssel, als er nach Cäsarea in das Haus des Kornelius ging (Apg. 10). Das Schlüsselwort zum Eingang in das Reich war für die Juden „Buße” und für die Heiden „Glaube” (Apg. 2 und Apg. 10).

Auch in den Schlußworten des Verses handelt es sich nicht um den Eingang in den Himmel, sondern Petrus empfängt einen besonderen Platz in der Verwaltung auf Erden, um in der Gemeinde Christi zu handeln, wie es später dem ganzen gläubigen Kreise gesagt wurde (Joh. 20,23). - Wenn wir in den Kreis der Jünger eintreten, müssen wir sorgfältig wandeln, oder wir bringen uns unter die feierliche Ausübung der Autorität, die auch der Gemeinde gegeben ist, die Sünde auf uns zu binden, indem wir hinausgetan werden aus der Mitte der Gemeinde.
Dr. W., „S. P.”, übersetzt von v. d. K.

Antwort D

Wenn wir den Sinn der Schlüssel des Reiches der Himmel verstehen wollen, müssen wir zuerst wissen, was das Reich der Himmel ist.
Das Reich der Himmel bezeichnet die Periode, in welcher der König verworfen, entthront, abwesend
und ein anderer Fürst in Seinem Reiche ist. Der verworfene König hat Sich gesetzt zur Rechten der Majestät in den Himmeln, wartend, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden. - Während dieser Zeit besteht das Reich im Geheimnis. In Kraft wird es offenbar werden, wenn Er, der König, kommt. Dann wird Satan gebunden 1000 Jahre, und alle Nationen werden Ihm dienen (Ps. 72,11).

Der Ausdruck „Reich der Himmel” erscheint uns fremd, war es aber weniger für einen Juden, der mit der Entfaltung der Macht vom Himmel aus vertraut war. Das Reich der Himmel zeigt, daß, trotz der Verwerfung, die Erde und ihre Bewohner es mit Ihm, dem König, zu tun haben.

Die gegenwärtige, verborgene Geheimnisgestalt des Reiches der Himmel zeichnet der HERR uns in vielen Gleichnissen, z. B. Mt. 13. Das sind nicht Bilder von der zukünftigen Herrlichkeitsgestalt des Reiches, sondern von dem Reiche in der gegenwärtigen Zeit der Abwesenheit des Königs.

Als der HERR von Israel verworfen war (Mt. 12), begann Er von dem Reiche als Geheimnis zu reden (Mt. 13), und danach zeigt Er an (Mt. 16), dass Er an einem späteren Tage Petrus die Schlüssel des Reiches der Himmel geben werde. Petrus sollte das Reich öffnen. Er tat dies am Pfingsttage, wie die Anwendung von Ps. 132,11 in Apg. 2,30.31 zeigt. Das Reich wurde geöffnet, und durch Buße und Glauben konnten Menschen eingehen in das Reich der errettenden Macht des im Himmel thronenden HERRN.

Unsere Stelle wird oft verdunkelt, indem man an materielle (wirkliche) Schlüssel denkt. Der HERR kennzeichnet mit dem Worte „Schlüssel” nur den persönlichen Dienst, mit dem Er Petrus bei der Öffnung des Reiches der Himmel betrauen wollte. Es war eine persönliche Aufgabe in Verbindung mit der Einführung des Reiches der Himmel - nicht mit dem Himmel, noch mit der Gemeinde, noch mit dem 1000jährigen Reiche. Niemals dürfen wir dem Gedanken Raum geben, als ob das persönliche Anvertrauen der Schlüssel sowie das Binden und Lösen etwa auf die ewigen und himmlischen Dinge Bezug habe, z. B. das Hinzufügen zur Gemeinde geschah nicht durch Petrus, sondern durch den HERRN (Apg. 2,47). Die Aufgaben in dieser Stelle, mit denen der HERR Petrus betrauen wollte, standen mit dem Reiche der Himmel in Verbindung und bezogen sich auf das Diesseits. Was er in apostolischer Autorität auf Erden binde, solle (für die Erde) die Bestätigung im Himmel finden (ein Beispiel ist Ananias und Saphira, Apg. 5), aber es war begrenzt, es ging nicht über „auf Erden” hinaus. Dasselbe wird später (Mt. 18,18) der Gemeinde gesagt, doch ist die Verbindung eine andere. Hier ist alles für Petrus persönlich und in Beziehung zum Reiche der Himmel.
v. d. K

Anmerkung des Herausgebers

Wie schon aus den vorherigen Antworten hervorgeht, ist der Anspruch, den die katholische Kirche erhebt, als sei auf Petrus die christliche Kirche aufgebaut und als sei er der erste Papst derselben, dem dann nach Gottes Willen die ferneren Päpste gefolgt seien, grundfalsch. Darüber hier kein Wort weiter! - Die Gemeinde ist ein göttliches Bauwerk, Petrus war ein Stein in ihr. Die Offenbarung des Vaters, die Petrus ausspricht in seinem Bekenntnis, ist der Grund, auf dem die Gemeinde erbaut wird, und zwar durch Christus Selbst. Christus der Grund und zugleich der Baumeister! Dem, was der Vater dem Petrus in Seiner Gnade geoffenbart hat, fügt der Sohn („auch Ich”) ein anerkennendes, ja, befestigendes Wort hinzu, indem Er dem vom Vater so ausgezeichneten Jünger einen seinen künftigen Charakter ausdrückenden Namen gibt. - Der zweite Teil der Frage betrifft eine durchaus neue Sache. Vermischt man die Begriffe „Gemeinde” und „Reich der Himmel”, so ist man dessen schuldig, dass man „das Wort der Wahrheit nicht recht teilt” (2. Tim. 2,15). Gleichwohl besteht ein gewisser innerer Zusammenhang zwischen beiden Gegenständen, der aber hier nicht berührt zu werden braucht. Die Schrift spricht noch mehrfach von Schlüsseln; man vgl. Jes. 22,22; Off. 3,7 und Off. 1,18; doch sind diese Stellen hier wohl kaum in Betracht zu ziehen.

Dem Petrus - das sagt unsere Stelle hier - war in besonderer Weise das Evangelium des Reiches und ein besonderer Dienst in Bezug auf dasselbe anvertraut, und dazu waren ihm von Dem, der die alleinige Macht und Autorität hatte, diese Schlüssel des Reiches der Himmel gegeben zur Verwaltung. Denen aus den Juden wie denen aus den Nationen öffnete er den Weg ins Reich durch seine Predigt, und beiden erschloß er als treuer, sich seiner Verantwortlichkeit wie göttlicher Legitimation bewußter Verwalter die Ordnungen des Reiches Gottes auf Erden.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 1 (1913)