Wer sind die in Daniel 7,27 erwähnten Heiligen?

Wer sind die in Daniel 7,27 erwähnten Heiligen?

Antwort

Es sind, um zunächst strikte im Rahmen des Gesichtes zu bleiben, Angehörige des Volkes Israel, denn sie gehören dem Volke an, dem das Reich und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel gegeben werden. Das ist Israel. Dass sie die Benennung „Heilige der höchsten (Örter)” haben, sagt aus, dass sie mit dem Gott in Verbindung stehen, der als „der Höchste” dieselbe kennzeichnende Benennung trägt wie sie. Die beiderseitige Benennung drückt aus, dass zu der Zeit, da der Mensch in der Person des letzten Herrschers der Weltreiche sich anmaßt, Gott trotzig herauszufordern, sie auch in Mitleidenschaft gezogen werden. Wie andere Stellen es deutlich sagen, sind es die treuen Juden, die in der großen Drangsal ihrem Gott treu bleiben und deswegen verfolgt und getötet werden: Verse 21 und 25. Solange, seit Nebukadnezar, die Zeiten der Nationen dauern, denselben die Herrschaft über die Erde anvertraut ist (Dan. 2,37.38.44), ist Jehova, der Gott Israels, „der Gott des Himmels” geworden. „Der Höchste” heißt Er schon bei Melchisedek. (1. Mo. 14,18-22) So reden von und zu Ihm nicht nur Nebukadnezar und Cyrus, sondern auch Daniel, Esra, Nehemia; auch „König des Himmels” und „Herr des Himmels” heißt Er. (Esra 1,2; 5,11.12; Neh. 1,5; 2,4; Dan. 2,19; „der Höchste”: 4,2.17.25.34)

Nun, die genannten Treuen erkennen Ihn, den Gott des Himmels, den Höchsten, an als den, dem sie zugetan bleiben wollen, auch wenn's in den Tod ginge, wenn der Mensch mit Gewalt es anders will (Sadrach, Mesach und Abednego!) - oder dass sie von Ihm die Befreiung erwarten, wenn Er sie gewähren wollte, nicht von sonst jemand. Darum werden sie ehrenhalber dem Rang entsprechend tituliert, den Gott einnimmt; er ist im Himmel, „wohnt in der Höhe ...” (Ps. 115,3; Jes. 57,15), bewohnt „die höchsten (Örter)”; so heißen sie denn auch „Heilige der höchsten (Örter)”. Entsprechend der göttlichen Gerechtigkeit „werden sie das Reich empfangen und besitzen bis in Ewigkeit, ja bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten”, Vers 18. Das Gesicht hat ja zum Zielpunkt die Einführung des Messias, des Sohnes des Menschen (Ps. 2 und 8), zu ewiger Herrschaft: Verse 13.14.27b. Dass das für die Zeit des Bestandes der Erde in Verbindung mit dem Volke sein wird, das aus den Juden und Israeliten, die die Gerichte überstanden haben (Dan. 2,44), und aus ihren Nachkommen besteht (Ps. 22,30.31), ist jedem Bibelkundigen bekannt.

Dass die Heiligen der höchsten Örter in Vers 21 und 22b nur einfach „die Heiligen” heißen, tut nichts zur Sache; der Zusammenhang zeigt, dass es dieselben sind.
Soweit, werden wir sagen dürfen, konnte Daniel als Jude die gegebene Erklärung verstehen; auch verstehen, dass mit dem Antritt der Herrschaft Gerichtausüben verbunden war (Vers 22 und 26), was im Altertum ganz natürlich mit Herrschen zusammenging. Dass aber weiterhin Geheimnisvolles in der Deutung des gehabten Gesichts liegen mußte, wird er empfunden haben, wir empfinden's ja auch; denn gewöhnlich geht in der Schrift die Deutung einer empfangenen Mitteilung über den Rahmen der letzteren hinaus. Uns kommt zugute, dass wir das Licht des N. T., insonderheit der Offenbarung, auf das Gesicht und seine Deutung fallen lassen können und dann noch manches sehen.

Um bei der Hauptsache der Frage zu bleiben, bei den „Heiligen der höchsten Örter”: Die Deutung gibt an die Hand, dass der Titel sich einfach von der Beziehung ableitet, dass im übrigen die Betreffenden sowohl auf der Erde als im Himmel sein können; denn Verfolgung und Vernichtung können nur auf der Erde stattfinden, und Gerichtausüben und bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten Herrschen kann nur Überirdischen zugesprochen werden. Das wird bestätigt durch Off. 20,4. Das Gerichthalten der Heiligen der höchsten Örter und das Sichsetzen des Gerichts (Dan. 7,22.26) wird erweitert durch die Mitteilung, dass die, welche Gericht halten, auf Thronen sitzen, ohne dass aber mitgeteilt wird, wer sie sind. Die aus den treuen Juden, die in der Verfolgungszeit des letzten Weltherrschers einerseits Jesum als den Messias und König Seines Volkes erkannt und bezeugt und dafür ihr Leben gelassen haben und andererseits das Tier und sein Bild, eben dieses Weltherrschers (Off. 13,11-18), nicht angebetet und sein Malzeichen nicht an sich genommen haben, diese Heiligen aus Dan. 7 (Off. 13,6.7) werden aber nur den vorher genannten zugesellt als des „mit dem Christus Leben und Herrschen” mitteilhaftig. Nun, andere Stellen des N. T. belehren uns, dass sowohl wir wie die Heiligen des A. T. gemeint sind, denn wir sind beide „des Christus” (1. Kor. 15,23.24), wir sind übrigens schon „mitauferweckt und mitsitzend in den himmlischen (Örtern) in Christo Jesu” (Eph. 2,6); belehren uns, dass wir die Welt und Engel richten werden (1. Kor. 6,2.3). So wird kund, was Daniel verborgen blieb, dass „die Heiligen der höchsten (Örter)” ein umfassender Ausdruck ist für alle, die mit Christo verbunden sind, denn der Glaube und die Erwartung der alttestamentlichen Heiligen ging auf Ihn hin, wenn das ihnen gegegebene Offenbarungslicht auch noch recht matt war und vieles im Dunkeln ließ. Es wird ferner kund, dass das „Herrschen von Ewigkeit zu Ewigkeit” (Off. 22,5) und das „das Reich Besitzen bis in die Ewigkeit der Ewigkeiten” (Dan. 7,18) entsprechend ist dem, was von dem mit den Wolken des Himmels kommenden Sohne des Menschen gesagt wird (Dan. 7,13.14.27), nämlich dass „Seine Herrschaft eine ewige Herrschaft ist, die nicht vergehen wird”, worin liegt, dass dies über den Bestand der jetzigen Erde und des jetzigen Himmels hinausgeht, so dass klar wird, warum so rätselhaft „Heilige der höchsten Örter” steht und ebenso rätselhaft von dem „Volke der Heiligen der höchsten Örter” gesagt wird, dass ihm „das Reich (oder Königtum) und die Herrschaft und die Größe der Königreiche unter dem ganzen Himmel gegeben werden”. Während der tausend Jahre (Off. 20,4), da alles aufgehauptet, d. h. in eins zusammengebracht ist in dem Christus, was in dem Himmel und was auf der Erde ist (Eph. 1,10), wird das Königreich, das der Gott des Himmels aufrichtet, auf der Erde keinem anderen Volke überlassen werden (Dan. 2,44). Mit dem Verschwinden der Erde und der Einführung einer neuen wird aber selbstverständlich das Volk und seine Herrschaft verschwinden. Aber das Herrschen, das Königsein der Heiligen der höchsten Örter in einem neuen Himmel und auf einer neuen Erde wird fortdauern wie das des Sohnes des Menschen. Es braucht keine Schwierigkeit zu machen, dass geschrieben steht (1. Kor. 15,24), dass „Er das Reich dem Gott und Vater übergibt, wenn Er weggetan haben wird alle Herrschaft ...”: Herrschaft kann da sein ohne entgegenstehende feindliche Mächte, kann ausgeübt werden mit Wohlwollen auf dem Verwaltungswege. Dass das überhaupt das Ziel Gottes ist, warum Er den Menschen erschaffen hat als herrschendes Haupt inmitten einer vollkommenen, guten Schöpfung, geht aus dem ersten Kapitel der Bibel hervor: „... herrschet über ...” (1. Mo. 1,28) Ich weiß wohl, dass das hier gebrauchte Wort „herrschen” nicht das königliche Herrschen ausdrückt, sondern eigentlich „niedertreten”, „bewältigen”, und nur dem Sprachgebrauch nach gleich „herrschen” überhaupt geworden ist. Es ist aber darum eben um so bezeichnender. Der Gedanke eines Reiches mit einem Herrscher, einem König, sollte erst später in Erscheinung treten. Darum also ist es so groß und interessant, den Gründen nachzuspüren, warum die und die Ausdrücke in der Schrift gebraucht sind. Es verbirgt sich dahinter ein Gedankenreichtum und Tatsachen, die überwältigend sind, nachdem man sie erkannt hat. So ebenso dieser Ausdruck „Heilige der höchsten (Örter)”.

P. S. Es wird ja niemand auf den Gedanken kommen, es seien Engel darunter zu verstehen, weil Dan. 4,13.17.23 tatsächlich Engel so genannt werden. Der Zusammenhang zeigt, dass das abwegig wäre; und die Stelle „nicht Engeln hat Er unterworfen den zukünftigen Erdkreis” (Hebr. 2,5), setzt es vollends außer Zweifel.
F. Kpp.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 20 (1935)