Wieviele Geistesgaben gibt es nach der Heiligen Schrift?

Wieviele Geistesgaben gibt es nach der Heiligen Schrift? Können die Geistesgaben in Röm. 12,6ff. und die Liebe in 1. Kor. 13 auch als Geistesgaben bezeichnet werden? Inwiefern ist ein Unterschied zu machen zwischen Geistesgaben und Geistesfrucht, da die Liebe auch in Gal. 5,22 genannt ist und in 1. Kor. 12,9 der Glaube als Geistesgabe bezeichnet wird? Ist die Zungengabe als hervorragendste Geistesgabe zu werten, wie hier einmal ein Bruder sagte?

Antwort A

Ehe wir den ersten Punkt der Frage beantworten können, müssen wir wissen, was alles unter den Begriff „Geistesgaben” fällt. Die Schriftstelle, auf welche unser Gedanke gerichtet wird, wenn wir das Wort „Geistesgaben” hören, ist 1. Kor. 12. Dort werden wir über die „geistlichen Gaben” belehrt, und es wird gesagt, dass wir unter der Leitung und Herrschaft des Heiligen Geistes stehen und dieser sich durch unsere Handlungen offenbart. (V. 1-7) Um dieses uns recht verständlich zu machen, wird das Bild eines Leibes gebraucht und an diesem gezeigt, daß, wie der aus vielen Gliedern bestehende Leib ein Ganzes ist und jedes Glied, beherrscht durch den einen Geist, eine Aufgabe, einen Dienst zum Nutzen des ganzen Leibes und die zu diesem Dienste notwendige Fähigkeit hat, so auch alle die einzelnen Gläubigen durch den in jedem von ihnen wohnenden einen und denselben Heiligen Geist zu einem Ganzen vereinigt sind und jeder einzelne einen Dienst zum Nutzen des Ganzen und auch die Fähigkeit dazu empfangen hat. (V. 12-27) Diese Dienste bzw. die Fähigkeit zu denselben sind „durch den Geist gegeben” (V. 8) und werden daher von uns „Gaben des Geistes” oder „Geistesgaben” genannt. Wir sagen „von uns”, denn das Wort selbst - im Urtext - nennt sie nicht so, sondern nur „Geistliches” (pneumatikos) in der Mehrzahl (12,1 und 14,1), womit offenbar nur das Wesen der Gaben (dass sie geistlich sind, weil durch den Geist gewirkt und den Geist offenbarend) ausgedrückt, nicht aber die damit verbundene Gnade hervorgehoben werden soll. Wenn letzteres geschehen soll, werden die Gaben als „Gnadengaben” bezeichnet (12,4.9.28.30.31), weil es Gnade ist, die sie verleiht und selbst zugleich mit diesen Gaben verliehen oder gegeben wird. Da die „Geistesgaben1. Kor. 12 dort auch „Gnadengaben” genannt werden und wir daraus sehen, dass hier beide Bezeichnungen dieselbe Sache vorstellen, nur von verschiedenen Gesichtspunkten aus, müssen wir vor Beantwortung des ersten Punktes erst noch den ersten Teil des zweiten Punktes der Frage berühren: ob die Röm. 12,6ff. genannten Gaben - die dort „Gnadengaben” genannt werden - auch als „Geistesgaben” bezeichnet werden können. Das Wort „Gnadengabe” kommt, soviel wir feststellen konnten, 17mal vor. Wenn wir diesem Worte nachgehen, finden wir, dass dasselbe auf Gaben verschiedener Art angewandt wird: Röm. 1,11 im Blick auf das, was Paulus den Gläubigen in Rom durch seinen Dienst zu ihrer Befestigung usw. bringen wollte; im gleichen Briefe Kap. 5,15. 16 im Blick auf die „Gabe der Gerechtigkeit”; Kap. 6,23 im Blick auf das ewige Leben; Kap. 11,29 im Blick auf die dem Volke Israel gegebenen Verheißungen; Kap. 12,6 im Blick auf die verschiedenen Tätigkeiten der Gläubigen im Werke des HERRN; 1. Kor. 1,7 im Blick auf das Wort und die Erkenntnis und alles, was zum Zeugnis des Christus unter ihnen gegeben war; in demselben Briefe Kap. 7,7 im Blick auf leibliche Dinge; Kap. 12 im Blick auf „geistliche Gaben”; 2. Kor. 1,11 im Blick auf die persönliche Aufgabe und Befähigung des Apostels Paulus; 1. Tim. 4,14 und 2. Tim. 1,6 im Blick auf die Aufgabe und Befähigung des Timotheus, und 1. Petr. 4,10 im Blick auf den jedem einzelnen zugeteilten Dienst. Hieraus ersehen wir, dass es „Gnadengaben” allgemeiner Art und „Gnadengaben” persönlicher Art gibt:

I. „Gnadengaben” allgemeiner Art, wie:
die geistlichen Darreichungen durch das Wort Gottes (wie Röm. 1,11), die jeder Gläubige entgegennehmen kann;
die „Gabe der Gerechtigkeit” (Röm. 6,15.16) und das ewige Leben (Röm. 6,23), welches beides jedem Gläubigen geschenkt ist;
die Israel gegebenen Verheißungen (Röm. 11,29), die für „ganz Israel” sind. (Obiges soll nicht etwa eine vollständige Liste dieser Art „Gnadengaben” sein.)

II. „Gnadengaben” persönlicher Art (wie Röm. 12,6-8 und in den oben aus 1. Kor. usw. aufgeführten Schriftstellen), die den einzelnen Gläubigen als besondere Gabe zu einem besonderen Zwecke - dem einen diese, dem anderen jene - zugeteilt werden.

Dass alle „Gnadengaben”, gleichviel welcher Art, durch den Heiligen Geist gewirkt sind bzw. mitgeteilt werden, ist wohl für uns keine Frage und bedarf wohl keiner weiteren Ausführungen. Aber ob alle „Gnadengaben” persönlicher Art - nur diese kommen hierfür in Frage - auch „Geistesgaben” im Sinne von 1. Kor. 12 sind oder nicht, ist nicht so klar. Wir machen einen Vergleich der Röm. 12,6-8 genannten „Gnadengaben” mit den 1. Kor. 12 aufgeführten „Geistesgaben”: Die Röm. 12,6 als erstes genannte „Weissagung” ist auch 1. Kor. 12,10 mit genannt und folglich eine „Geistesgabe”. Die anderen Röm. 12 aufgeführten „Gnadengaben” (Dienst; Lehren; Ermahnen; Mitteilen; Vorstehen; Barmherzigkeit üben) sind 1. Kor. 12 nicht genannt, können aber vielleicht in den dort aufgeführten Gaben mit gefunden werden: das „Lehren” in „Wort der Weisheit” und „Wort der Erkenntnis” (V. 8), und in diesen beiden auch das „Ermahnen” (denn dazu gehört Weisheit und Erkenntnis aus der Schrift und die Fähigkeit, sie dem anderen mitzuteilen); den „Dienst” in „Hilfeleistungen” (V. 28), und darin vielleicht auch das „Mitteilen” und das Barmherzigkeitüben”; und das „Vorstehen” in „Regierungen” (das „Steuern”; „Lenkung”. Wiese übersetzt: „Verwaltungen”). (V. 28) Solchenfalls könnten also die Röm. 12 genannten „Gnadengaben” auch als „Geistesgaben” betrachtet werden. Aber Röm. 12 werden die dort erwähnten Gaben nicht unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass der Geist Sich durch sie offenbart, wie dies 1. Kor. 12 geschieht, sondern unter dem Gesichtspunkt, dass den einzelnen für die ihnen zugeteilte Tätigkeit (ihren Dienst) die dazu notwendige Gnade verliehen ist (V. 6: „nach der uns verliehenen Gnade”). Wir tun daher gut, bei der Bezeichnung zu bleiben, die der Heilige Geist gerade anwendet, um nicht durch eine andere Bezeichnung einen Gedanken in die betreffende Schriftstelle hineinzutragen, den der Heilige Geist nicht damit verbindet. - Aus Vorstehendem ergibt sich, dass es nicht möglich ist, die Zahl der „Geistesgaben” festzustellen, weil wir die Linien nicht so klar ziehen können. Und selbst wenn wir uns hierbei auf 1. Kor. 12 beschränken wollten, könnten wir es nicht, weil auch da uns nicht eine klare Liste der „Geistesgaben” gegeben ist. Das war nicht die Absicht des Apostels. Wohl finden wir in V. 8-10 eine Aufführung von neun Geistesgaben, aber wenn wir V. 28 lesen, empfinden wir, dass die Aufzählung der „Geistesgaben” nicht eine erschöpfende Liste sein soll - hier finden wir noch: „Hilfeleistungen”, „Regierungen” -, sondern nur geschehen ist, um uns die weise Ordnung Gottes in der Verteilung der verschiedenen Dienste und die verschiedene Wichtigkeit dieser Dienste vor unsere Augen zu führen. Dazu kommt noch, dass von den aufgeführten „Geistesgaben” einige nicht mehr vorhanden sind. Die Röm. 12,6-8 genannten „Gnadengaben” gibt es noch und wird es geben, solange die Versammlung (Gemeinde) hier ist. Von den 1. Kor 12 aufgeführten „Geistesgaben” aber sind diejenigen in Wegfall gekommen, die den Charakter von „Zeichen” tragen, durch die am Anfang „der HERR mitwirkte und das Wort bestätigte”, wie es Mk. 16,20 heißt. Das sind: die „Gnadengaben der Heilungen” (wenn auch noch manchmal auf das Gebet des Glaubens hin wunderbare Heilungen geschehen mögen, so doch nicht mehr in der Weise wie zu Anfang - denken wir z. B. an die Heilung des Lahmen, Apg. 3,1-10! - und nicht mehr durch diese Gabe); „Wunderwirkungen” („Wunderkräfte”); „Arten von Sprachen” (oder „Zungen”), und „Auslegung von Sprachen”. Diese haben aufgehört, nachdem sie ihren obenerwähnten Zweck erfüllt hatten. (Betreffs der „Sprachen” oder „Zungen” siehe 1. Kor. 13,8-10, wo wir sehen, dass die „Sprachen” „aufhören” sollten - als der Brief geschrieben wurde, waren sie noch -, und sie haben aufgehört, wogegen „Prophezeiungen” und „Erkenntnis” „weggetan” werden sollen, wenn „das Vollkommene gekommen sein wird”, das ist dann, wenn der HERR kommen und uns heimholen wird in Seine Herrlichkeit. Hierzu vgl. auch „Handreichungen” Bd. 2, S. 101 u. 102.) -
Die Liebe 1. Kor. 13 ist nicht zu den „Geistesgaben” zu rechnen. Wie schon gesagt, sind „Geistesgaben” besondere Gaben zu besonderen Zwecken an die einzelnen Gläubigen, die Liebe aber ist in das Herz eines jeden Gläubigen ausgegossen durch den Heiligen Geist (Röm. 5,5), und Dieser möchte sie in jedem Gläubigen zur Entfaltung und Betätigung bringen als den rechten Beweggrund für die Ausübung der in Kap. 12 genannten „Geistesgaben”. Die Liebe gehört mit zu der „Frucht des Geistes”. (Gal. 5,22) Der Unterschied zwischen „Gabe” und „Frucht” kommt schon in diesen beiden Worten selbst zum Ausdruck: Eine „Geistesgabe” ist einem Gläubigen gegeben als „Offenbarung des Geistes”, die „Frucht des Geistes” aber wird in einem Gläubigen hervorgebracht durch die Wirksamkeit des Geistes.

Glaube” als „Geistesgabe” kann selbstverständlich nicht den Glauben im allgemeinen Sinne bedeuten - Glauben, durch den wir errettet sind und Besitz nehmen von allem, was Gott jedem Seiner Kinder schenken will, denn diesen Glauben besitzen alle Kinder Gottes. Hier aber handelt es sich um eine besondere Gabe an einen oder den anderen Gläubigen, denn es heißt: „einem anderen aber Glauben in demselben Geiste”. (V. 9) Es muss demnach Glaube in einem besonderen Sinne sein, außer dem allgemeinen, allen Gläubigen geschenkten Glauben - Glaube, der nicht nur wirklich auf Gott vertraut und dem nichts zu groß und nichts unmöglich erscheint - so sollte ja unser aller Glaube sein! -, sondern der auch gewiß weiß, Gott gibt oder tut das Erbetene, so, wie es erbeten ist! Schreiber dieser Zeilen las einmal folgende kleine Geschichte: Ein Diener des HERRN befand sich auf der Überfahrt über den Kanal nach England. Er musste notwendig zu einer bestimmten Zeit an seinem Bestimmungsort sein. Aber es herrschte dichter Nebel, und die Fahrt konnte nur ganz langsam vor sich gehen. Da bat der Diener des HERRN den Kapitän, er möchte mit ihm zusammen wegen des Nebels beten. Beide knieten nieder, und der Diener des HERRN betete, dass Gott den Nebel wegnehmen möchte, damit er noch rechtzeitig an seinen Bestimmungsort kommen könne. Nachdem er gebetet hatte, sagte er dem Kapitän, er brauche nicht noch zu beten; er wisse, dass sein Gebet erhört sei. Und es war so - der Nebel verschwand. Das ist es, was mit „Glauben” als „Geistesgabe” gemeint ist. Dieser Glaube ist eine besondere Gabe. -
Die „Zungengabe” als hervorragendste „Geistesgabe” zu werten ist völlig unbegründet. Diese Gabe an sich gibt hierzu gar keinen Anlaß, und das Wort Gottes gibt dieser Gabe nicht nur nicht einen solchen Platz unter den „Geistesgaben”, sondern das Gegenteil: Bei der Aufzählung der Gaben 1. Kor. 12 kommt das Zungenreden und dessen Auslegung immer zuletzt (V. 10 und 30); Kap. 13 wird, wie schon obenerwähnt, von den „Sprachen” (oder „Zungen”) gesagt, dass sie „aufhören” sollten (und sie haben aufgehört), im Gegensatz zu anderen, die bleiben, solange die Versammlung (Gemeinde) hier ist; Kap. 14 wird wieder und wieder gezeigt, dass „Weissagen” mehr wert ist als das „Reden in Sprachen” - V. 5 wird gesagt, dass der größer ist, welcher weissagt, als der, welcher in Sprachen redet, und V. 39 werden die Korinther ermahnt: „... eifert danach, zu weissagen, und wehret nicht, in Sprachen zu reden.” Das „wehret nicht” zeigt so recht den geringen Wert, den der Apostel auf das „Reden in Sprachen” (das „Zungenreden”) legte. Darum ist es eine beklagenswerte Verirrung in doppelter Weise, wenn Gläubige jetzt nach „Zungenreden” trachten und dasselbe als etwas Großes hinstellen, denn erstens hat das echt biblische Zungenreden längst aufgehört, und zweitens nahm es unter den „Geistesgaben” den untersten Platz ein. Solches Trachten ist gegen das Wort. Was Gott hat aufhören lassen, weil es nicht mehr am Platze ist, sollen wir nicht wieder herbeizuholen verlangen, sonst bieten wir dem Feind Gelegenheit, uns das Begehrte vorzutäuschen und auf diese Weise uns und anderen großen Schaden zuzufügen, wie die Vergangenheit es reichlich gelehrt hat in der „Pfingstbewegung” und in anderen Sachen. Und jetzt mehr denn je ist der Feind bemüht, durch allerlei falsche, aber sehr schön, fromm, tiefgläubig und tiefschöpfend klingende Lehren (z. B. die Lehre von der „Allversöhnung” oder „Allaussöhnung”!) irrezuführen und noch nicht errettete Seelen vom Ergreifen des Heils in Christo fernzuhalten. Seien wir nüchtern und wachsam!

Am Schlusse von 1. Kor. 12 (V. 31) sagt der Apostel: „Eifert aber um die größeren Gnadengaben” - das sind die auch jetzt noch vorhandenen -; „und einen noch weit vortrefflicheren Weg zeige ich euch.” Und dann folgt das wunderbare Kapitel der Liebe - Kap. 13. Das sei es, worum wir eifern und wonach wir trachten! -
Th. K.

Zusätze des Schriftleiters

Mit dieser ausführlichen und sehr tiefgehenden, dabei aber für Forscher noch Fragen offen lassenden, schönen Antwort hat unser lieber Mitarbeiter hoffentlich nicht nur dem Fragesteller (in Polen!), sondern auch vielen anderen Lesern einen guten Dienst tun dürfen, d. h. wenn die werten Leser sich dienen lassen wollen!
Ich füge noch einiges bei, unser Mitarbeiter wünschte es sehr.

Je und dann haben die „Handreichungen” sich mit Fragen zu beschäftigen gehabt, die durch die Irrtümer der sogenannten „Pfingstkreise” oder der „Zungenbewegung” entstanden waren, so in Jahrb. 6, Frg. 13 und bei anderen Gelegenheiten. Aus derselben Grundlage ist vorliegende Frage erwachsen, wie der letzte Teil derselben deutlich offenbart. - Die „Pfingstler”, durch die soviel Verwirrung gebracht ist über die Gemeinde des HERRN, können es nie vertragen, zurechtgewiesen zu werden, dass die „Zungengabe” aufgehört habe und außerdem die gemeindlich geringste Gabe gewesen sei, und darum hat Schreiber dieses auch oft von der Zungenbewegung Angehörenden recht unfreundliche Worte zu hören und zu lesen bekommen, die ihn aber nicht verwundern und auch nicht irremachen können in der striktesten Ablehnung dieser ihm aus eigenster mehrjähriger Anschauung bekannten Sache als einer vom Feind ins Dasein gerufenen in jeder Hinsicht schriftwidrigen Bewegung. Und dabei hat die Zungenbewegung mit ihrem vorherrschenden Element der zungenredenden Frauen ja selber sich stets wieder als schriftwidrig dokumentiert, wie auch unser Mitarbeiter Br. F. Btchr. in seinem in Jahrbuch 14, S. 49 veröffentlichten und im Verlage der „Handr.” als Sonderdruck für 0,10 RM erschienenen Aufsatz „Prüfet die Geister!” nachgewiesen hat, indem er zeigt, dass in keiner der in Frage kommenden Stellen der Schrift je Frauen mit der Zungengabe ausgestattet gewesen seien. Es soll ja auch das Weib in der Gemeinde schweigen (1. Kor. 14,34f.); wenn also in 1. Kor. 14 über Zungenreden gesprochen wird, so wäre, falls Frauen diese Gabe empfangen hätten, zwischen den von ihr handelnden Stellen und dem genannten V. 34f. ein wirklicher Widerspruch, der aber in der Schrift nicht möglich ist! Genug hiervon!

Über „Geistesfrucht” („Frucht des Geistes”) nach Gal. 5,22 habe ich u. a. in Jahrb. 6 einen längeren Aufsatz geschrieben, auf den ich den Fragesteller hinweise. Geistesfrucht ist organisch von innen aus dem in unserem erneuerten Geiste tätigen Geiste Gottes hervorwachsend; sogenannte Geistesgabe (s. u.!) ist unabhängig von organischem Wachstum und ebenso von unserem eigenen inneren Zustande, es ist eine Gabe, zu deren Dasein wir nichts zu tun haben, obwohl ein Streben danach (Bitten darum) uns möglich ist (1. Kor. 12,31); aber auch ein noch so treuer Wandel bewirkt nicht das organische Hervortreten der betreffenden Gabe. Sie ist eine Wirkung der absoluten Souveränität des Geistes. Außerdem ist Geistesfrucht nach der Schrift ein Ganzes, das sich aus köstlichen Eigenschaften zusammensetzt, während die Gabe ein Hervortreten („Offenbarung” V. 7, vgl. Antwort A!) besonderer Einzelfähigkeiten ist.

Antwort A zeigt, dass der Ausdruck „Geistesgaben” nicht streng biblisch ist. Das Wort zu Anfang von 1. Kor. 12,1 und 14,1, das unser Mitarbeiter mit „Geistliches” wiedergibt, ist das gleiche, das mehrfach Personen beigelegt ist, z. B. in Gal. 6,1: „ihr, die Geistlichen”, ebenso aber auch in 1. Kor. 2,15; 3,1; 14,37. Der Merkwürdigkeit halber sei mitgeteilt, dass es Übersetzungen gibt, die das Wort in 1. Kor. 12,1 auch auf Personen an gewandt wissen wollen, aber das scheint mir gänzlich abwegig zu sein. Es ist ein Wort, das, wenn nicht auf Personen bezogen, notwendig, auch wenn im Grundtext keine steht, im Deutschen eine Ergänzung verlangt, so in 1. Kor. 2,13 oder Röm. 15,27, und so auch in unseren beiden Stellen 1. Kor. 12,1 und 14,1. Soll man nun sagen „Gaben”, also „Geistesgaben”? Wäre es nicht viel richtiger, von „Geisteswirkungen” zu reden nach V. 6ff.! Ich möchte dies vorschlagen. Dann bliebe das schöne Wort „Gnadengaben”, das, wie auch Antwort A zeigte, so oft genannt wird, auch in 1. Kor. 12, für sich bestehen, als Wirkung des Geistes wohl, aber nicht so sehr als Seine Gabe, sondern vielmehr als die der Gnade. Der Geist ist eine göttliche Person, die Gnade entspringt dem Wesen Gottes: Licht und Liebe. Im Grunde ist es wohl das gleiche, aber von verschiedenen Gesichtspunkten aus gesehen, und die Gnadengaben sind ebenso „Geisteswirkungen” wie die übrigen nicht als „Gnadengaben” bezeichneten Dinge. Alles in allem aber widerspricht diese Darstellung der Schrift der Meinung, als seien die Geistesgaben, lies Geisteswirkungen, ein zählbares Häuflein! Nein, nur: Im Korintherbrief sind die angeführt, die für die Korinther von Wichtigkeit waren (zum Teil weil sie sie unter- oder auch überschätzten), aber ihre Anzahl ist nicht begrenzt auf 9 oder 10 oder 20, sondern je nachdem „wie Er will” (V. 11), wie Er es für gut hält, teilt Er aus, teilt Er mit, wirkt Er allsouverän, gleichwie der Leib viele Glieder hat (wie viele?!!) und alle nötig sind. Noch sehr vieles wäre zu sagen, z. B. auch über die „Gaben” nach Eph. 4, das Gesetztsein nach 1. Kor. 12,28, aber es führt hier zu weit, und es ist auch gut, wenn zum Weiterforschen Stoff bleibt<Übrigens sei bezüglich des ganzen Fragenkomplexes auch hingewiesen auf das beim Verlag leider vergriffene Buch von A. v. d. Kammer „Der Heilige Geist, der in uns wohnt”. Erweiterter Abdruck aus den „Handreichungen” Jahrbuch 8. (F. K.)>. Ader die von zahlenmäßig beschränkten „Geistesgaben”, „Gaben” der Gnade usw. reden, die suchen Gott in ein System einzuzwängen und denen ist auch die Zungengabe etwas ganz besonders Hohes. Wer aber Gott als den Unendlichen zu kennen sucht, der fragt nicht nach dem „Wieviel?”, sondern nach dem „Wie?”, und dann kommt er zu 1. Kor. 13, zur Liebe, und da hört das Zählen, das Schematisieren, das Katalogisieren, das Systematisieren, das Einschränken in menschliche Maße auf, und das Wasser reicht weiter als nur bis zu den Knöcheln, bis zu den Hüften, bis zur Brust - es ist wie vergleichsweise in Hes. 47,5 ein unermeßlicher Strom des Wesens Gottes!

Mögen wir Gnade nehmen, „Gnade um Gnade” nach Joh. 1,16, um in diesen Kostbarkeiten unseres Gottes zu „schwimmen” und uns dann auch von Ihm gebrauchen und begaben zu lassen, „wie Er will”! (V. 11)
Er sei ewig gepriesen für Seine unausschöpfbare Gnade und Herrlichkeit, die Er uns geoffenbart hat und worinnen Er uns atmen, leben und forschen läßt, bis „das Vollkommene gekommen sein wird”. (1. Kor. 13,10!)
Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; die größte aber von diesen ist die Liebe.” (V. 13)
F. K.


Beantwortet von: Team Handreichungen
Quelle: Handreichungen - Band 20 (1935)