Der Sieg der Liebe
C. H. Spurgeon:
Kürzlich hörte ich von einem weisen alten Walliserprediger, der ein sanftes, edles Wesen hatte, dem aber ein Diakon viel zu schaffen machte; denn wenn ein Diakon unfreundlich ist, kann er seinem Prediger das Leben recht schwer machen. Dieser Diakon war so verkehrt, das er das wirklich tat. Endlich wurde er krank, nachdem er einmal wieder seinem Prediger Dinge gesagt hatte, die bitterer waren, als seine gewöhnliche Galle und Wermut. Der geduldige Prediger ging bald, ihn zu besuchen, und auf dem Wege kaufte er einige der besten Apfelsinen und nahm sie mit. "Bruder Jones," sagte er, "es tut mir Leid, dass sie krank sind; ich bin gekommen, sie zu besuchen, und da habe ich ihnen einige Apfelsinen mitgebracht." Bruder Jones war über diese freundliche Tat erstaunt und hatte nicht viel zu sagen. Der Prediger sprach sanft weiter und sagte: "Ich denke, es würde sie erfrischen, wenn sie eine davon äßen; ich will ihnen eine fertig machen." Er tat es, während er inzwischen freundlich zu ihm sprach. Dann teilte er die Frucht auseinander und reichte dem Kranken in zartester Weise ein erfrischendes Stück hin. Der übel gelaunte Mann aß und fing an, ein wenig zu schnalzen; die Unterhaltung wurde herzlicher und das Gebet kam auch von Herzen. Bruder Jones wurde in mehr als einem Sinn besser. Ein Nachbar, der Bruder Jones in seiner üblen Laune kannte, konnte kaum glauben, dass der Prediger so gegen jemand gehandelt haben könne, der ihm beständig entgegen war und ihn schrecklich verleumdete, und so fragte er den Prediger: "Sind sie wirklich zu dem grausamen, alten Jones gegangen?" "Gewiss, ich war ja dazu verpflichtet." "Und sie haben ihm Apfelsinen mitgenommen?" "Nun ja, ich nahm ihm einige mit, das tat ich ja gern." "Und sie haben sich gar zu ihm ans Bett gesetzt und haben ihm die Apfelsinen fertig gemacht und gegeben?" "Nun ja, das habe ich getan, und es freute mich, das sie ihm so gut schmeckten, denn ich hatte gehört, das wenn ein Mensch so leidet, ihn eine Apfelsine sehr erfrischen soll, und da tut man gut, eine zu geben."
Die Lektion ist: Wenn du einen Bruder von seiner Unfreundlichkeit heilen willst, so sei freundlich gegen ihn. Betrachte unfreundliche und herausfordernde Worte als Krankheitssymptome, und lerne, dass gegen solche nicht eine Dosis Bitterkeit, sondern eine Apfelsine die beste Arznei ist.
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