Sünden gehen nicht unter

In dem großen amerikanischen Krieg zwischen den Nord- und Südstaaten der Union war es streng verboten, Tabak aus dem Süden einzuführen. Zahlreiche Schiffe betrieben trotzdem einen ausgedehnten Schmuggel, so dass Kriegsschiffe ausgesandt wurden, um alle Schiffe auf dem Meere anzuhalten und zu unter­suchen, ob sie nicht etwa Tabak oder andere verbotene Waren ver­staut hatten. Derartige Schiffe wurden ohne weiteres weggenommen und die Kapitäne sehr hart bestraft.

Eines Tages bemerkte der Kapitän eines solchen Schmuggelschiffes zu seinem Schrecken, dass er von einem Regierungskreuzer verfolgt wurde. An Flucht war nicht zu denken, weil die Schnelligkeit des Kriegsschiffes größer war als die des vom Kapitän geführten Schiffes. Um sich zu retten, beschloss er, die ganze Tabakladung in das Meer werfen zu lassen. Alle Mann wurden in den unteren Schiffsraum kommandiert und warfen nun in größter Hast die Tabakballen ins Wasser durch die großen Luken. Selbst der Steuermann musste mithelfen, sogar der Kapitän griff schweißtriefend und kräftig zu und feuerte die Mannschaft zur An­spannung der äußersten Kräfte an.

Der Schiffsraum leerte sich mehr und mehr, und in dem Herzen des Kapitäns wurde es zur freudigen Gewissheit, dass er das Schiff vor der Ankunft des Kriegsschiffes von der gefährlichen Ladung ganz befreit haben werde. Endlich sandte er einen Schiffsjungen auf Deck, um zu erfahren, wie weit der Feind noch entfernt sei. Kaum war jedoch der Schiffsjunge auf dem Ver­deck, als er in Rufe des Entsetzens ausbrach. Kapitän! Kapitän!", schrie er fortwährend aus Leibeskräften. Der Kapitän stürzte die Schiffstreppe hinauf. "O, sie schwimmen alle, sie schwimmen alle!", rief ihm der Schiffsjunge in höchster Aufregung zu, und der Kapitän sah nun zu seinem nicht geringen Schrecken, dass alle Tabakballen auf dem Wasser schwammen und nicht einer untergegangen war! Von dem Kriegsschiff aus konnte man schon lange die Reihe von Ballen beobachten, die dem Kielwasser des Kapitänschiffes wie ein brauner Streifen folgte. Der Kapitän war verloren und musste das Kriegsgericht über sich ergehen lassen.

Diesem Kapitän gleichen viele Menschen. Sie suchen mit der Kraft eigener, guter Vorsätze ihre Sünden hinauszuwerfen, aber damit sind diese nicht getilgt und ver­geben. Sie umgeben das Herz des Menschen, sie schwimmen alle als lebendige Zeugen seiner Schuld. Unser Heiland allein kann die Sün­den tilgen und in die Tiefe seiner Gnade auf ewig versenken. Wehe denen, die diese Gnade von sich weisen! In der Stunde des Todes werden sie sehen, dass keine Sünde getilgt ist und werden den gleichen Schrecken empfinden, wie der Kapitän, dem der Schiffsjunge entsetzt zurief: "Sie schwimmen alle. Sie schwimmen alle!"

Quelle: Neues und Altes
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