Wenn dein Feind hungrig ist

Wenn dein Feind hungrig ist, gib ihm zu essen; wenn er durstig ist, gib ihm zu trinken; denn wenn du dieses tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.

Römer 12,20

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebte in Hülben auf der Schwäbischen Alb der Schulmeister Kullen. Eines Nachts hörte der gottesfürchtige Lehrer ein Poltern auf dem Speicher über sich. Er stieg hinauf, um zu sehen, was da vorging. Und was war? Ein Mann aus dem Dorf füllte sich gerade einen Sack mit Korn. Als er den Schulmeister sah, wollte er fliehen. Kullen aber wusste das zu verhindern; er forderte ihn auf, den vollen Sack mitzunehmen, und half dem Mann sogar dabei. Dann aber redete er ihm ernst ins Gewissen und schloss mit den Worten: "Wenn du wieder Korn brauchst, dann sag es mir ganz offen. Du wirst keine Fehlbitte tun! Aber stiehl mir nicht mehr!"

Das waren wirklich „feurige Kohlen“, die Kullen auf das Haupt des Diebes sammelte. Sicherlich aber wirkten die Tat und die Worte des Lehrers mehr als alles andere, was der bestohlene Schulmeister sonst hätte tun können. Gottes Wort sagt: "Lass dich nicht von dem Bösen überwinden, sondern übeminde das Böse mit dem Guten" (Röm. 12,21)

Unsere Lebensverhältnisse heute sind anders. Sicher hat damals auch die Versuchung durch Not eine gewisse Rolle gespielt. Doch in diesem Bibelwort geht es nicht um
das Ausmaß des Bösen bei einer Tat, sondern um unsere Bereitschaft zum Vergeben. Wie leicht lassen wir uns vom Bösen, das uns zugefügt wird, überwinden und vergessen, dass "auch Gott in Christus uns vergeben hat“ (Epheser 4,32). Nur eine Haltung der Gnade und Vergebung besitzt den Schlüssel zum Herzen des Sünders - nicht Strafe oder Rache.

Quelle: Der Herr ist Nahe 2015, CSV-Verlag, 23.06.
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