Lebensbericht von Christine Wicht (44)

Geheilt von Magersucht und Bulimie
Von einem Leben zum Kotzen zu einem Leben in Fülle
Eine große Dose Ravioli vom Aldi. Kalt herunter geschlungen, um sie kurz darauf ins Klo zu würgen. Eine Packung Chips, viel Cola dazu, sonst lässt sich der Brei nicht so gut brechen. Wieder den Kopf über die Schüssel. Danach Nudeln, ein Pfund gekocht, Maggi und Butter drauf – flutscht besser. Und ab in die Kanalisation. Und das alles innerhalb einer Stunde.
Ekelig. Aber so sieht er aus, der Alltag einer Bulimikerin. 24 Stunden am Tag: "Wo krieg ich Essen her?" Ständig dieser Hunger. Hunger nach Leben. Aber viel schlimmer: "Wie krieg ich das Essen unauffällig wieder los?" Niemand darf es mitbekommen. Ich bin ja so perfekt, die Power-Frau schlechthin. Gutaussehend, gertenschlank, erfolgreich im Job, immer für alle da, immer hilfsbereit, immer gut drauf, immer positiv – immer perfekt. Ich lasse mich nicht unterkriegen. Dabei ist alles nur Show. Wie im Fernsehen. Wie in Romanen. Wie auf den großen Werbe-Plakaten. Zu perfekt um wahr zu sein.
Die Magersucht davor konnte ich auch gut verbergen. Aber irgendwann machte sich die Familie Sorgen. 45 Kilo kann ja nicht mehr normal sein. Deshalb der Trick: Essen, damit die anderen Ruhe geben, und dann alles in´s Klo. Auch eine Art, den eigenen Willen durchzusetzen. Essen was man mag ohne zuzunehmen – ist doch super, oder?
Am Anfang. Bis die Sucht ihre Krallen ausfährt und zudrückt. Depressionen. Migräne, zwei Tage jeden Monat. Die Zähne von der Magensäure zerfressen, überall Schmerzen, die Haare fallen in Büscheln aus. Körper und Seele sind irgendwann am Ende. 15 Jahre sind eine lange Zeit. Das Versteckspiel der Umwelt gegenüber wird unerträglich, die Mauer, die man selbst errichtet hat, immer dicker und höher. Zu viel Alkohol. Zu viel Rauchen. Zu viel Sex – auf der Suche nach Liebe. Jetzt möchte ich aufhören mit dem Essen, mit dem Brechen – aber ich kann nicht mehr.
Endlich einen Therapieplatz ergattert. Aha – alle anderen sind schuld. Die Erfahrungen der Kindheit, die Umstände, die Familie.... Das hilft schon. Aber nur kurz. Danach ist alles schlimmer als davor.
Ein Leben zum Kotzen. Sinnlos. Gefangen in einem grauen Verließ, das man nicht mehr verlassen kann. Ich bin selbst hinunter gestiegen, aber die Treppe zurück ist weggefressen.
Ich bin nur noch ein einziger Schrei: "Wenn es Dich gibt, hilf mir!" In der Kommode die Schlaftabletten. Nur ein Griff...
Und wo war Gott? Ich wusste, dass es IHN gibt. Aber er war so unendlich weit weg. So gerecht. So heilig. Strafend und drohend. Ehrfurchtgebietend wie die großen Kirchenbauten. Kann ein kaputter Mensch wie ich von diesem Gott etwas erwarten? Gibt es ihn wirklich? Warum greift er nicht ein. Wo ist er? Warum hat keiner eine Antwort auf diese Fragen?
Doch dann kam ER. Ganz sanft nahm er mich in den Arm. "Ich liebe Dich. Genau so, wie Du bist. Du hast Fehler gemacht. Aber ich werde Dir helfen. Ich habe mich für Dich auspeitschen, anspucken und schlagen lassen. Deine Fehler, Deine Sünden, wurden mit mir ans Kreuz genagelt. Ich habe Dir schon vergeben. Geh mit mir, ich habe eine wunderschöne Zukunft für Dich vorbereitet, ein reiches Leben! Du hast Talente und Fähigkeiten, die ich brauche. Ich habe einen guten Plan für Dein Leben!"
Es war die einzige Stimme, die durch diese Mauer dringen konnte. Es war ein Licht und eine Wärme, vor der die eiserne Mauer zu schmelzen begann. Es war Jesus selbst – die Liebe in Person. Ich warf mich in seine Arme.
Endlich zu Hause. Endlich angenommen. Endlich ehrlich sein. Endlich den meterdicken Schmutz und Dreck der Jahre abkratzen. SEINE Liebe verdrängte die grauen Schatten, die Dunkelheit in meiner Seele, die mich erdrückte. Er nahm sie einfach weg. Sofort. Die Depressionen hatten keine Chance gegen diese Macht.
"Durch seine Striemen sind wir geheilt" steht im Buch von Jesaja. Das Gesundwerden fing in meinem Herzen an. Langsam, zuerst unmerklich. Keine Migräne mehr. Und dann endlich wieder Hunger. Das Essen genießen können, voller Dankbarkeit. Wieder lachen, aus vollem Herzen! Endlich den Mut, das Leben in die Hand zu nehmen. Verantwortung für sich selbst tragen. Den Nächsten lieben wie SICH SELBST.
Am Ende des Tunnels stand ER. Als Licht bezeichnet ihn die Bibel – sie hat recht. Er lebt! Er hat sich nicht verändert! Er geht noch immer "umher und heilt alle, die vom Teufel überwältigt sind", wie es in der Apostelgeschichte heißt.
Das alles ist jetzt etwa sechs Jahre her. Sechs Jahre, die ich mit Jesus unterwegs bin. Ich stolpere manchmal, ich mache Fehler, ich habe noch so viel zu lernen. Aber ich bin glücklich. Keine Bulemie mehr. Keine Migräne mehr. Ich bin völlig gesund und bin noch immer dabei zu entdecken, was es heißt, ein "Leben in Fülle" zu führen, wie er es uns versprochen hat. Ich weiß jetzt, was dieser "Frieden, der über alles Verstehen geht" ist, von dem Paulus schreibt.
Mein Leben gehört jetzt IHM. Und das war die beste Entscheidung meines Lebens. Ein Leben, das jetzt nicht mehr sinnlos ist. Das Leben ist nicht zum Kotzen! Es ist aufregend, es ist schön, es ist reich geworden. Weil ER mich liebt!
Wenn Du Dich IHM anvertraust, wird er auch DIR helfen. Er wird Dich bei der Hand nehmen, und Dich aus dem Verließ heraus holen. Aber hast Du den Mut, ihn um Hilfe zu bitten?
Christine Wicht
im Januar 2005