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Predigten zu Apostelgeschichte 14,11

"Als die Volksmengen aber sahen, was Paulus tat, erhoben sie ihre Stimme und sagten auf lykaonisch: Die Götter sind den Menschen gleich geworden und sind zu uns herabgekommen."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Die Vergötterung der Apostel in Lystra

Wir leben in einer Zeit mannigfacher Menschenvergötterung. Man vergöttert die in Kunst, Technik, Politik und vor allem im Sport erfolgreichen Menschen. Auch in die Arbeit des Reiches Gottes hat sich dieses Übel geschlichen. Schon Paulus und Barnabas erlebten solches. Unser Text zeigt uns, wie sie in Lystra vergöttert wurden. Lasst uns bei dieser Vergötterung der Apostel stehen bleiben und ansehen, wie sie entstand, wie sie sich zeigte und wie sie bekämpft wurde.

1. Wie die Vergötterung der Apostel entstand.

Sie entstand durch den Anblick der wunderbaren Heilung des Lahmen. Beim Erleben dieses Wunders begingen die Leute einen Fehler, der oft vorkommt. Sie sahen in der Heilung nur die Tat eines Menschen ("das Volk sah, was Paulus getan hatte"). Das Wunder stammte von Gott. Paulus war nur sein Werkzeug (Kap. 13, 11; 14, 3; 19, 11). Die Lystraner aber schrieben das Heilungswunder dem Apostel zu. Hier lag ihr Irrtum. Auch heute noch geraten viele dadurch in den Fehler der Menschenvergötterung hinein, dass sie bei den menschlichen Werkzeugen stehenbleiben, die der Herr zu irgendeiner besonderen Tat gebraucht. Lasst uns lernen, in solchen Fällen die göttliche Hand zu erkennen, und lasst uns nie den Menschen das zuschreiben, was Gott allein zu tun vermag (Jakobus 1, 17). Dann wird ein solch schlimmer Irrtum in unserem Herzen nicht entstehen können.

2. Wie die Vergötterung der Apostel in Erscheinung trat.


Die Einwohner von Lystra zogen aus den in der Heilung offenbar gewordenen übernatürlichen Kräften den Schluss, die Apostel seien übernatürliche Wesen. Sie glaubten das Wunder nur dadurch erklären zu können, dass Götter sie in Menschengestalt besucht und diese Tat vollbracht hätten. Diesem Glauben entsprechend schritten sie dazu, den Aposteln durch Darbringung eines Opfers die damals übliche göttliche Verehrung zu erzeigen.

Wir können uns vorstellen, wie bei dem Anblick eines solchen, noch nie geschauten Wunders eine überschwängliche Begeisterung das Volk ergriff. In diesem Zustand, wo sie wie berauscht waren, ließen sie sich zu solcher Menschenvergötterung hinreißen. Lasst uns nicht mitleidig und spöttisch auf solche Torheit herabsehen! Wenn auch die Menschenvergötterung jetzt nicht mehr in der damaligen Weise durch Darbringung von Opfertieren und Kränzen erfolgt, so werden doch auch heute noch große Volksmengen von derselben unnüchternen Begeisterung ergriffen, wenn sie irgendein Tagesheld mit seinen hervorragenden Leistungen mit sich fortreißt. Lasst uns achthaben, dass wir nüchtern bleiben und nie mitgerissen werden (Apostelgeschichte 8, 9 - 11)!

Beim Anblick der unnüchternen Begeisterung jener heidnischen Lystraner taucht die Frage in uns auf: Liegt in ihrem falschen Glauben und in ihrem törichten Eifer nicht doch noch irgendein Körnlein Wahrheit? Können wir aus ihrem unsinnigen Denken und Handeln nicht doch noch etwas Richtiges lernen? Wir antworten: Ja! Dreierlei dürfen wir bei ihrem verkehrten Tun dennoch gelten lassen, ja sogar teilweise zum Vorbild nehmen:

1. Sie meinten, Gott habe ihren Ort besucht. So, wie sie es sich dachten, war das eine Torheit; und doch war es wahr. Gott hatte ihren Ort besucht, indem er ihnen sein lauteres Evangelium sandte. Ist es nicht für jeden Ort, jedes Haus und Herz ein Besuch des Herrn, wenn er sein Wort dahin kommen lässt?

2. Sie hielten Paulus für den Götterboten Merkurius. Das war närrischer Wahn. Aber doch war er in ganz anderem Sinn ein Bote des wahren lebendigen Gottes; denn der Herr hatte ihn gesandt, das Evangelium zu verkünden.

Sind nicht alle wahren, treuen Verkündiger des Wortes Gottes, auch die allerschwächsten und ungelehrtesten, seine Friedensboten? (Jesaja 52, 7).

3. Die Lystraner wollten in ihrer Weise die Gelegenheit der Gegenwart einer Gottheit auskaufen und sich dankbar erzeigen. So töricht und unsinnig ihr Tun auch war, so können wir hier dennoch von ihnen lernen. Auch bei uns gilt es (natürlich ganz anders als dort), Gelegenheiten, wo Gott uns nahetritt, auszunutzen und ihm in Dankbarkeit das rechte Opfer unseres Herzens und Lebens zu bringen. Insofern sind wir bereit, sogar von den irrenden Lystranern etwas zu lernen.

3. Die Bekämpfung der Menschenvergötterung.

Wenn man irgendwo die Apostel als echte Diener Christi erkennen kann, so ist es hier bei ihrer Vergötterung in Lystra der Fall. Nicht oft gerieten diese Boten Jesu in solche Erregung, dass sie ihre Kleider vor Schmerz zerrissen und in schnellstem Lauf hineilten, um einzugreifen.

Welch ein Schmerz, welch eine Angst und Sorge ergriff sie beim Anblick dessen, was hier geschehen sollte! Die Erregung und Sorge beweisen ihre Demut. Sie zitterten bei dem Gedanken, dass Gott die Ehre geraubt und ihnen gegeben werden könne. Als später in Athen einige Gelehrte Paulus' Ehre in den Staub zogen, indem sie ihn einen "Lotterbuben" nannten (Kap. 17, 18), regte er sich nicht auf. Als man aber ihn und seine Mitarbeiter vergötterte, wurden beide empört.

Wie oft ist es bei uns umgekehrt! Wir geraten leicht in Erregung, wenn unsere eigene Ehre angetastet wird, bleiben aber ruhig und still, wenn Gottes Ehre durch falsches Rühmen unseres Tuns beeinträchtigt wird.

Lasst uns der Apostel Demut suchen (Zephanja 2, 3) und alle übertriebene Erhebung unserer Person mit Ernst bekämpfen (Römer 12, 16).