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Predigten zu Apostelgeschichte 17,16

"Während aber Paulus sie in Athen erwartete, wurde sein Geist in ihm erregt, da er die Stadt voll von Götzenbildern sah."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Paulus betrachtet die Stadt Athen.

1. Worauf Paulus bei dem Anschauen der Stadt besonders achtete.

Die Stadt Athen war eine herrliche Stadt. Aus Vers 21 erfahren wir, dass viele fremde Personen aus anderen Ländern kamen, diesen Ort zu besuchen. Das war nicht zu verwundern. Sie bot sehr vieles. An "goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht" (V. 29), fehlte es dort nicht. Allerlei schöne Tempel und Altäre (V. 23) zierten die Strassen. Der berühmte Areopag ("Richtplatz", Vers 22) wurde von Tausenden besucht. Das Auge des Paulus hat auf allen diesen Sehenswürdigkeiten geruht. Er ging wie andere Ausländer durch die Stadt hindurch und schaute alles an.

Und doch betrachtete er die Stadt ganz anders als andere Besucher. Ihm war es nicht um Augenweide und Bereicherung an Kunstkenntnissen zu tun. Ihm kam es auf etwas ganz anderes an. Er suchte zu erkunden, wie es in dieser Stadt in der wichtigsten, inneren Beziehung außehe. Wie es mit der Gotteserkenntnis in Athen stünde, darauf war das Augenmerk des Paulus bei dem Durchwandern der Stadt gerichtet.

Dementsprechend war auch das Resultat seines Betrachtens ein ganz anderes als das der meisten Besucher. Mochten tausend Ausländer bei dem Anblick Athens unter dem Eindruck stehen: Welch eine herrliche Stadt!, so stand Paulus in erster Linie unter dem Eindruck: Welch eine abgöttische Stadt! Wie voll ist sie doch von Götzenbildern! Wie blind sind diese Menschen doch in der wichtigsten Frage, die es gibt. Die äußere Pracht dieses Ortes hatte ihn nicht so geblendet und bestochen, dass er seine innere Dürftigkeit nicht durchschaut hätte. "Er sah die Stadt so gar abgöttisch!"

So wie jener Knecht Gottes die Stadt Athen betrachtete, so sieht der Herr auch unsere Städte, Dörfer und Häuser an. Er kennt die Orte mitten in der Christenheit, die zwar keine Götzenaltäre an den Strassen zeigen, aber dennoch unter das Urteil fallen: "Er sah jenen Ort so gar abgöttisch."

2. Welche Gefühle durch den Anblick der Stadt in Paulus erweckt wurden.

Es gibt Menschen, die es ganz kalt lässt, wenn sie um sich her die schrecklichste Abgötterei sehen. Sie glauben, es sei genug, wenn sie selbst nur außerhalb dieser heidnischen Finsternis stehen (1. Mose 4, 9). Dies war nicht die Stellung des Paulus. Ihn ließ der Anblick jener vielen Götzenbilder nicht gleichgültig. Eine heilige Entrüstung erfasste sein Herz dabei. "Er ergrimmte im Geist".

Was sagt uns dieses Ergrimmen des Saulus in Athen? Es beweist uns den Eifer des Apostels für die Ehre seines Gottes und sein Interesse für das Heil der Menschen. Wenn Paulus nicht die Sache des Herrn so voll und ganz zur seinigen gemacht hätte, dann wäre sein Gemüt nicht in solche Wallung geraten beim Anblick der zahlreichen Götzenaltäre. Nun aber konnte er nicht ruhig dabei bleiben, wenn er sah, wie die Ehre, die dem Herrn allein zukam, jenen Götzen gegeben wurde, und wie zahllose Menschen ohne die rechte Gotteserkenntnis dahinlebten.

Die Herzensstellung, welche sich in diesem Ergrimmen zeigt, ist das Geheimnis einer gesegneten und fruchtbaren Arbeit im Reiche Gottes. Sie beschämt unseren Mangel an heiligem Eifer und unsere Lauheit beim Anblick der uns umgebenden Sündenmacht. (Vergleiche Hesekiel 9, 4; Lukas 19, 41).

3. Das heilige Ergrimmen des Paulus darf mit dem sündlichen Grimm unserer Natur nicht verwechselt werden. (Jakobus 1, 19. 20; Epheser 4, 31).

Es gibt allerlei Ingrimm, der uns erfassen kann. Von manchem Grimm gilt das Wort des sterbenden Erzvaters Jakob an seine Söhne Simeon und Levi: "Verflucht sei ihr Zorn, dass er so heftig ist, und ihr Grimm, dass er so störrisch ist" (1. Mose 49, 5 - 7; vergleiche Kap. 34).

Wenn dem David beim Empfang der abweisenden und höhnischen Nabalsantwort die Zornesader derart schwillt, dass er alles, was männlich ist in Nabals Haus, umbringen will, so ist das menschliches Ergrimmen, das niemand, auch er selbst nicht, billigen konnte. (1. Samuel 25, 21; 22, 32 - 34). Wenn Petrus das Malchusohr abschlägt (Johannes 18, 10) und Abisai dem fluchenden Simei gleich den Kopf abreißen will (2. Samuel 16, 9), so beweisen diese Geschichten, dass man nicht jedem gut gemeinten Ergrimmen gleich trauen darf, sondern allen Grund hat, gegen das eigene Herz recht misstrauisch zu sein. Es gibt auch einen Kainsgrimm, der aus der Hölle stammt (1 Mose 4, 5; 1. Johannes 3, 12). Derselbe steckt viel tiefer in uns, als wir denken, und kann sich sogar recht fromme Mäntelchen umhängen und als Eifer für Gott erscheinen.

Derselbe Paulus, der hier in Athen über die Abgötterei ergrimmte, hielt es einstmals für heiligen Grimm, als er gegen die gläubigen Christen wie ein wildes Tier "mit Drohen und Morden schnaubte." Und heute noch glaubt mancher, dass es ein heiliger Zorn sei, der ihn treibe gegen die Jünger Jesu zu kämpfen, weil er weder die Schrift, noch sein eigenes Herz recht erkannt hat.