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Predigten zu Apostelgeschichte 17,18

"Aber auch etliche der epikuräischen und stoischen Philosophen griffen ihn an; und etliche sagten: Was will doch dieser Schwätzer sagen? andere aber: Er scheint ein Verkündiger fremder Götter zu sein, weil er [ihnen] das Evangelium von Jesu und der Auferstehung verkündigte."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Drei Bildungsstufen in Athen

Die Stadt Athen war zur Zeit des Paulus eine Stätte hoher Bildung. Man würde sie heute Universitätsstadt nennen. Die vornehmen Römer schickten ihre Söhne zur feineren Ausbildung in Kunst und Wissenschaft dorthin.

Auch in unserem Text merken wir etwas von dieser höheren Bildung. Paulus kommt in Berührung mit Anhängern verschiedener philosophischer Schulen, die sich mit ihm ins Gespräch einlassen. Dies Zusammentreffen interessiert uns. Wir beobachten es näher und lauschen den Worten, die wir dabei vernehmen.

I. Die niedrigste Bildungsstufe der hochmütigen Spötter.

Indem wir dies tun, treten uns drei Bildungsstufen entgegen. Die niedrigste Bildungsstufe sehen wir in den Philosophen, welche in ihrem Hochmut Paulus als einen "Lotterbuben" verspotten. Diese sich sehr ungebildet benehmenden Gelehrten glaubten auf Grund ihrer Bildung gleichsam vom hohen Ross auf Paulus heruntersehen und ihn ihre Verachtung fühlen lassen zu dürfen. Dabei haben sie ihn überhaupt nicht verstanden. Paulus war durchaus kein Mann, der Brocken fremder Weisheit unverstanden nachschwätzte und zum besten gab, wie das Schimpfwort ("Saatkrähe" wörtlich) bedeutete. Er brachte originale (ursprüngliche), eigene Gedanken, die sein innerster Besitz waren. Nicht bei ihm, sondern bei seinen Spöttern war die Unklarheit und das leere Geschwätz. Sie verurteilten das, was sie nicht kannten, als ob es außer ihrer Philosophie nichts Vernünftiges auf der Welt gäbe. Ihr Urteil über Paulus zeichnet sich durch Oberflächlichkeit und Hochmut aus. Ihr Bildungsstolz hat sie verblendet. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden (Römer 1, 22).

Vom Hochmut pflegt niemals etwas Gutes zu kommen, auch nicht an wahrer Bildung. Welch ein trauriges Denkmal setzten sich diese stolzen Spötter bei ihrer Begegnung mit Paulus! Wie sie ihn verachteten, werden sie nun wieder verachtet. Ihren Namen kennt niemand, ihre Philosophie ist veraltet. Aber der Name des vermeintlichen Lotterbuben und seine Weisheit glänzt jetzt noch und wird bis in die Ewigkeit leuchten.

Wohl denen, die sich durch die Scheinbildung des Hochmuts niemals verblenden lassen. Wehe aber den Nachfolgern jener athenischen Spötter, die das wahre Christentum verurteilen, ohne es in Wahrheit verstanden zu haben (Psalm 119, 51).

II. Die höhere Bildungsstufe der vorsichtiger Urteilenden.

Eine etwas höhere Bildungsstufe dürfen wir wohl in der zweiten Gruppe von Philosophen erkennen, welche sagten: "Es sieht aus, als wollte er neue Götter verkündigen". Schauen wir diese Gruppe etwas näher an.

Sie merkten offenbar aus dem Gehörten, dass Paulus eine andere Anschauung über Gott und göttliche Dinge habe als die Athener. In diesem Empfinden lag etwas Richtiges. Wie stellten sie sich nun zu dem, was Paulus lehrte? Sie stimmten ihm zwar durchaus nicht zu. (Es ist sogar möglich, dass eine Beimischung von Spott in ihren Worten lag.) Aber dennoch ist ihr Urteil über Paulus wenigstens vorsichtiger, zurückhaltender und massvoller als das der ersten. Jene Spötter bekundeten mit ihrem höhnischen Sich-abwenden von Paulus, dass sie mit ihrem Urteil über ihn fertig waren. Sie erklärten mit Bestimmtheit: Das ist ein Schwätzer ("Lotterbube"). Diese aber waren behutsamer. Sie sprachen ihre Ansicht nur als Vermutung aus. ("Es sieht so aus", oder es scheint so, "als wollte er"). Sie gaben sich also nicht den Anschein, als ob sie die Gedanken des Paulus schon so genau durchschaut und so gründlich verstanden hätten, dass sie über Richtigkeit oder Unrichtigkeit derselben endgültig urteilen könnten. Sie zeigen etwas mehr Bescheidenheit als die ersten. Sie waren der Wahrheit wesentlich näher gekommen als jene.

Auch heute noch pflegt man richtigeres Urteil, tieferes Verständnis und echte Bildung bei ihnen zu finden, die behutsamer, vorsichtiger und bescheidener im Urteil sind, als bei solchen, welche schnell und leichtfertig den Stab über andere brechen und wegwerfend urteilen (Sprüche 15, 14).

III. Die höchste Bildungsstufe des Paulus. (Psalm 119, 98 - 100).

Die höchste Bildungsstufe sehen wir bei Paulus. Er war äußerlich und innerlich wahrhaft gebildet. Zuerst in äußeren Kenntnissen. Man hätte erwarten können. dass er der griechischen Weltweisheit ganz fremd gegenübergestanden hätte.

Aber das war nicht der Fall. Sein Eingehen auf die wichtigsten Fragen ihrer Philosophie (Ursprung und Ziel des Menschen), seine Erwähnung hervorragender griechischer Dichter in seinem Vortrag (V. 28) beweisen, dass er auch auf diesem Gebiet wohl bewandert war. Aber seine wichtigste Bildung bestand nicht in der Kenntnis griechischer Gelehrsamkeit. Sie ruhte in der Kenntnis dessen, der allein Herz, Gemüt und Geist recht bilden kann. Äußerlich gebildet war Paulus schon als Christenverfolger (Apostelgeschichte 22, 3). Seine beste Bildung aber fing in Damaskus an. Als all seine eigene Weisheit zusammenbrach, als er dort sein eigenes Herz recht kennen lernte und mit Jesus bekannt wurde; als er in sein Bild umgestaltet wurde und seine Demut und Sanftmut bekam, da wurde er in höchstem Sinn gebildet.

Wahre Jünger Jesu können in äußeren Dingen nicht immer die höchste Bildung empfangen. Aber die höchste Bildung in göttlicher Schule darf jeder geniessen. Durch sie findet dann auch etwaige äußere Bildung ihre richtige Stellung und Bewertung.