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Predigten zu Apostelgeschichte 21,5

"Als es aber geschah, dass wir die Tage vollendet hatten, zogen wir fort und reisten weiter; und sie alle geleiteten uns mit Weibern und Kindern bis außerhalb der Stadt; und wir knieten am Ufer nieder und beteten."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Wie sich Christengegner an jenem Geleit und der Gebetsvereinigung hätten ärgern können.

Die betenden Christen sind von jeher der Welt ein Dorn im Auge gewesen. Die Welt hat an ihnen allezeit viel auszusetzen, teils mit Recht, teils mit Unrecht. So war es schon damals, als heidnische und jüdische Gegner auf die Jünger Jesu blickten. Die Begleitung der ganzen Christengemeinde und die Gebetsvereinigung, an der wir uns jetzt erbauen und erfreuen, hätten für einen Christengegner ein Stein des Anstosses werden können.

Wir wollen uns einmal in die Stellung eines Christenfeindes hineinversetzen, der auf irgendeine Weise Gelegenheit bekam, jenes Geleit und die Gebetsvereinigung zu beobachten oder davon zu hören. Dreierlei hätte ihn hier ärgern und dreierlei Vorwürfe hätte er hier gegen die Christen erheben können.

1. Man konnte sich ärgern an dem Außetzen aller täglichen Berufsarbeit.

Dadurch, dass man dem Apostel das Geleit gab, wurde die tägliche Arbeit der einzelnen Christen selbstredend unterbrochen. Sie legten für einige Stunden ihre gewohnten Berufspflichten auf die Seite. Schon daran hätte ein den Christen übelgesinnter Mensch sich ärgern können. Er hätte auf den Unterschied zwischen den eifrig schaffenden Hafenarbeitern, welche die Schiffe aus- und einluden, und diesen Betern, die nur zur Begleitung eines ihrer Gesinnungsgenossen zum Hafen wanderten, hinweisen können. Er hätte sie eine träge Gesellschaft schelten können, die lieber der Arbeit nachgehen sollte, wie andere es auch tun müssten.

Ein solcher Vorwurf wäre aber ungerecht gewesen. Man würde die Christen von Tyrus nur nach einer Stunde beurteilt haben, die offenbar eine besondere Ausnahme in ihrem gewohnten Alltagsleben bildet, denn hier handelt es sich um den Abschied des Paulus. Gewiss werden sie nachher um so eifriger ihre täglichen Pflichten auf sich genommen und erfüllt haben.

So gibt es auch heute noch besondere Anlässe, wo es wahrlich nicht Faulheit und Trägheit ist, wenn Christen ihre Berufsarbeit unterbrechen. Auch der Besuch irgendeiner innerlich fördernden und Ewigkeitssegen einbringenden Veranstaltung oder Versammlung kann mit dazu gehören.

2. Man konnte sich ärgern an der Wahl des Gebetsortes.

Man hört bisweilen das Wort: Das Gebet gehört ins Kämmerlein. Wer an anderen Orten betet, gleicht den Pharisäern, die auf Strassen und öffentlichen Plätzen ihre Gebete verrichteten (Matthäus 6, 5. 6). So hätte man auch jener Beterschar am Meeresufer Pharisäismus vorwerfen können, weil sie dort und nicht im Kämmerlein beteten.

Wie ungerecht wäre das gewesen! Wenn jene Christenschar die Absicht gehabt hätte, mit ihrer Gebetsvereinigung die Augen anderer Leute auf sich zu ziehen und eine Anerkennung ihrer Frömmigkeit zu erreichen, dann wäre dieser Vorwurf berechtigt gewesen; dann hätte man in der Tat jenen Betern Ruhmsucht, Stolz und Pharisäismus vorwerfen können. Aber eine sachliche Betrachtung des Herganges zeigt uns das Gegenteil. Nicht mit der Absicht, vor andern recht fromm zu erscheinen, beugten die Christen in jener Abschiedsstunde ihre Knie, sondern aus einem inneren Bedürfnis. Jetzt, wo sie sich voraussichtlich für immer trennten, wussten sie die Abschiedsstunde nicht besser auszukaufen als mit gemeinsamem Gebet, in dem sie sich der Gnade ihres himmlischen Führers befehlen und für die Abreisenden und Zurückbleibenden Segenskräfte erbitten konnten. Eine solche Gebetsvereinigung ist wahrlich nicht falsche Ruhmsucht, sondern im Gegenteil demütiges Abhängigkeitsbewusstsein von dem Herrn, ohne den wir nichts vermögen. Hüten wir uns, solchen Leuten den Vorwurf pharisäischen Stolzes zu machen! (Matthäus 7, 1; 3. Mose 19, 16 a; Psalm 15, 3).

3. Man konnte sich ärgern an der Beteiligung von Kindern an einer Gebetsvereinigung. Auch darüber hätte sich mancher Christengegner beschweren können, dass hier Kinder in jugendlichem Alter eine Gebetsversammlung mitmachten, deren Inhalt und Tragweite sie zum Teil noch gar nicht verstehen konnten. Sie hätten deshalb den Christen Unnüchternheit (oder gar Schwärmerei) vorwerfen können. Wir wollen die Möglichkeit gar nicht abstreiten dass der Inhalt der Gebete in jener Stunde über das Verständnis mancher anwesenden Kinder hinausging. Darf man deshalb das Mitnehmen der Kinder und ihre Beteiligung am gemeinsamen Gebet unnüchtern und schwärmerisch nennen? Niemals! Unnüchternheit wäre es gewesen, wenn die Eltern in Tyrus ihre Kinder künstlich gedrängt hätten, etwas mitzumachen, was sie gar nicht verstehen konnten, oder wenn sie gar die Anwesenheit von Paulus benützt hätten, um aus ihren Kindern ein Bekenntnis hervorzulocken, das ihrem inneren Stand gar nicht entsprach. Aber so gewiss alles künstliche Drängen und Treiben bei der geistlichen Einwirkung auf die Jugend zu verurteilen ist, ebenso gewiss hat niemand ein Recht, das Mitnehmen junger Kinder an Ort, wo auch gemeinsam gebetet wird, zu tadeln oder unnüchtern zu nennen.

In einer Zeit, wo die Welt sucht, unsere Jugend zu allerlei innerlich vergiftenden Veranstaltungen zu locken, dürfen wir es uns nie nehmen lassen, sie dorthin einzuladen und mitzunehmen, wo himmlische Segenskräfte ausgehen (Matthäus 18, 20; Apostelgeschichte 12, 12).


Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Wie der Anblick der Gebetsvereinigung in Tyrus drei brennende Zeitfragen beleuchtet.

Der Anblick jener Gebetsversammlung gibt uns einen Beitrag zur Beantwortung von drei brennenden Zeitfragen:

1. Wie kann das Familienleben gestärkt und vor Zerrüttung bewahrt werden ? Wir leben in einer Zeit, in der die "Zelle" des Familienlebens vielfach bedroht wird. Was kann zu seinem Schutz geschehen? Unser Text zeigt uns christliche Familien, die vor dem Gnadenthron vereint sind. Solches gemeinsames Gebet stärkt das Familienleben besonders. Nicht in allen Christenhäusern betet man gemeinsam. Die äußere, mannigfaltige Arbeit der einzelnen Familienglieder, allerlei Berufspflichten derselben erschweren das außerordentlich. Dennoch sollte in jeder Christenfamilie darauf gesehen werden, dass die Segensmacht des gemeinsamen Gebetes nicht fehle (Esra 8, 21 - 23)!

2. Eine andere Frage, die viele Christen bewegt, ist diese: Was kann von unserer Seite geschehen, dass in lebendigen christlichen Kreisen der Nachwuchs nicht ausbleibt? Gewiss ist dies nur Sache der Barmherzigkeit Gottes. Aber doch dürfen wir die Tatsache nicht übersehen, dass gerade in solchen Häusern, wo neben dem einsamen auch das gemeinsame Gebet in rechter Weise seine Stätte hat, Gott jugendliche Herzen für seine Gnade öffnet.

3. Wie können unsere Häuser vor den Gefahren des Zeit Geistes bewahrt werden? Welch ein Mammons- und Vergnügungsgeist wird wohl in jener großen Handelsstadt Tyrus geherrscht haben! Die Gefahr, dass dieser auch in die Christenhäuser eindringe, war ohne Zweifel vorhanden. Wie sollte man sich dagegen schützen? Gemeinsames Gebet kann eine schützende Macht gegen den verderblichen Zeitgeist bilden. Gott lasse alle Christenhäuser den Segen solcher Gebetsvereinigungen reichlich erfahren!


Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Die restlose Beteiligung aller Christen am Geleit von Paulus.

Die restlose Beteiligung aller Christen bei Paulus' Abreise von Tyrus zeigt uns die liebliche Einigkeit des Volkes Gottes in jener Zeit und Stadt. Kein Unterschied in Lehrfragen und Verfassungen trennte die Gläubigen hier. Kein Unterschied von hohem und niedrigem Stand machte ein gemeinsames Geleit unmöglich. Keine persönlichen Zwistigkeiten hielten irgendwelche Gemeindeglieder von diesem vereinten Wege ab. Wie leicht kann es an diesem oder jenem Ort vorkommen, dass ein gemeinsames Zusammengehen fast unmöglich ist, weil die Jünger Jesu in verschiedene Lager gespalten sind! Die einen erklären: Wenn jene mitgehen, so werden wir nicht mitkommen und umgekehrt. Wie hat Satan unter Gottes Volk allerlei Trennungen hervorgebracht!

Der Anblick dieser vereinigten Jünger von Tyrus sollte eine beschämende Wirkung auf unsere Herzen ausüben und uns den Seufzer auspressen, dass Gott auch an unserem Ort sein Volk so verbinde, wie es in Tyrus der Fall war (Johannes 17, 20 - 23; Philipper 2, 1 - 4; Psalm 133).


Autor: Frederick Brotherton Meyer (* 08.04.1847; † 28.03.1929) englischer Baptistenpastor

Wir knieten nieder am Ufer, beteten, und nahmen Abschied

So nehmen Christen Abschied von einander. Beim Rauschen der Meereswellen sammelten sich diese Männer, Frauen und Kinder weinend, auf ihren Knien, um den Knecht Gottes, der so vielen unter ihnen, der Bote eines neuen Lebens geworden war. Keine Stellung eignet sich besser in solchen Zeiten, wo des Herzens Saiten beinahe zum Zerspringen angespannt sind, und das Opfer fast zu groß scheint, das unsere zitternden Hände auf den Altar Gottes legen.

Aber so nehmen Christen auch niemals Abschied. Die in der Liebe Gottes gegründete Verwandtschaft kann nicht abgebrochen werden. Bei solcher Freundschaft gibt es weder Vergangenheit noch Zukunft, nur eine selige Gegenwart. Was da war, das ist und wird bleiben. Und wenn die Herzen sich im Gebet begegnen, so kann von Trennung keine Rede sein, ob auch hunderte von Meilen, Länder und Meere zwischen ihnen liegen. Sie sind vereint vor dem Angesichte des Vaters – ewig, unauflöslich, selig vereint. Wenn wir von denen scheiden müssen, die uns die Liebsten sind, dann lasset uns niederknien und beten, lasset uns in dieser Stellung unaufhörlicher Fürbitte bleiben; Raum und Zeit sind nicht wesentliche Hindernisse der Gemeinschaft; wer dem König nahe steht, ist damit auch allen denen nahe, die Ihm, sei es im Himmel oder auf Erden, am nächsten sind. Für solche gibt es schon jetzt kein Meer der Trennung mehr.

Es ist in den meisten Fällen leichter, sich einzuschiffen, als vom Ufer wieder heimzukehren. Die Anregung, der Fahrt und das Interesse an neuen Gegenden und Leuten zerstreuen den Reisenden. Aber wie eintönig erscheint die bekannte Landschaft, aus der das Licht eines geliebten Wesens geschwunden ist! Nur Gott kann die trösten, die solche Verluste beklagen.