Belagerung von Jotapata. Erstürmung Japhas. Züchtigung der Samariter. Fall von Jotapata.


Nun zog Vespasian gegen die Stadt Gabara heran und nahm sie im ersten Anlaufe, weil er sie von aller bewaffneten Mannschaft entblößt getroffen hatte.

In die Stadt eingedrungen, ließ er alle mannbaren Bewohner niederhauen, wobei übrigens die Römer sowohl aus Hass gegen die jüdische Nation, als auch wegen der frischen Erinnerung an deren im Feldzug des Cestius bewiesenen Frevelmut mit keinem Alter Mitleid hatten.

Darauf befahl Vespasian, nicht allein die Stadt selbst, sondern auch alle Dörfer und Flecken in der Runde, deren Einwohner teils vollzählig das Weite gesucht hatten, hie und da aber von ihm noch angetroffen und als Sklaven verkauft wurden, anzuzünden.


Mittlerweile hatte Josephus gerade jene Stadt, die er zu seiner Sicherheit aufgesucht, durch sein fluchtartiges Erscheinen mit Schrecken erfüllt, indem die Leute von Tiberius den Schluss zogen, dass Josephus sicher nie die Flucht ergriffen haben würde, wenn er nicht die Hoffnung auf einen kriegerischen Erfolg ganz und gar aufgegeben hätte.

Sie hatten auch seine wahre Anschauung, in diesem Punkte wenigstens, ganz genau getroffen! Denn Josephus sah gar wohl, welchem Ende die Dinge bei den Juden zusteuerten, und er wusste nur einen einzigen Rettungsweg für sie – Umkehr!

Dennoch wollte er für seine Person, trotzdem er bei den Römern Pardon erwarten durfte, lieber tausendmal sterben, als durch einen Verrat sein Vaterland preisgeben und den ihm anvertrauten Feldherrnposten mit Schmach bedecken, um für diesen Preis bei jenen gute Tage zu haben, zu deren Bekämpfung er abgesandt worden.

Er beschloss demnach, den Behörden in Jerusalem die Sachlage ganz getreu schriftlich darzulegen, um weder selbst auf Grund einer allzu grellen Schilderung der feindlichen Kräfte später der Feigheit geziehen zu werden, noch auch infolge einer schönfärberischen Berichterstattung den Häuptern, welche möglicherweise schon ihren Sinn geändert haben konnten, vielleicht aufs neue zum Kampfe Mut zu machen: die Regierung sollte vielmehr durch die Darstellung veranlasst werden, eine schnelle Antwort zu geben, im Falle sie sich zu einem Friedensschluss bequemen wolle, falls sie aber ernstlich den Kampf wünsche, ihm auch eine Armee zu senden, welche den Römern gewachsen wäre.

In diesem Sinne nun fasste Josephus sein Schreiben ab und schickte es durch eigene Boten schleunigst nach Jerusalem.


Da Vespasian in Erfahrung gebracht hatte, dass die meisten Feinde sich nach Jotapata geflüchtet hätten, und dass dieser Ort auch an sich schon einen starken Stützpunkt für die Juden abgeben würde, so war es sein nächstes Ziel, dieses Nest auszunehmen. Zu diesem Zwecke schickte er eine Abteilung Fußvolk und Reiter ab, um den Weg dorthin, der bergig und steinig und schon für Fußgänger mit Schwierigkeiten verbunden, für die Reiterei aber ganz unpassierbar war, vorher in den rechten Stand zu setzen.

In vier Tagen war das Werk hergestellt, und dem Heere eine breite Straße gebahnt. Am fünften Tage – es war dies der 21. Tag des Monates Artemisius – warf sich Josephus noch rechtzeitig von Tiberius her in die Festung und hob durch seine Gegenwart den bereits gesunkenen Mut der Juden.

Ein Überläufer brachte dem Vespasian die frohe Kunde von dem jetzigen Aufenthalt des Josephus und drang in ihn, dass er ohne Säumen nach der Stadt aufbrechen möchte, da er mit ihr, wenn es ihm gelänge, auch des Josephus habhaft zu werden, schon ganz Judäa gewonnen hätte.

Mit einer Freude, wie man sie nur über den größten Glücksfall haben kann, griff Vespasian diese Meldung auf und sandte in der Überzeugung, dass nur auf eine göttliche Fügung hin gerade der tüchtigste Kopf unter den Juden, für den man Josephus hielt, von selbst ins Garn gelaufen sei, unverweilt den Placidus und den Decurio Aebutius, einen Mann von ebenso hervorragender Tapferkeit wie Klugheit, mit 1.000 Reitern dorthin ab und trug ihnen auf, die Stadt fest zu umschließen, damit Josephus ja nicht mehr entschlüpfen könnte.


Einen Tag später folgte er ihnen auch selbst mit seiner ganzen Heeresmacht und kam nach einem Tagesmarsch abends vor Jotapata an.

Er ließ daselbst seine Truppen gegen die Nordseite der Stadt hin an einem Hügel, der von ihr sieben Stadien entfernt war, ein Lager aufschlagen, weil er von den Feinden so deutlich als möglich gesehen werden wollte, um ihnen Schrecken einzujagen.

Richtig wurden auch die Juden von solchem Entsetzen ergriffen, dass keiner von ihnen sich vor die Mauer hinauswagte.

Die Römer hatten übrigens keine Lust mehr, den Angriff sofort zu beginnen, da sie den ganzen Tag marschiert waren: was sie aber noch taten, war, dass sie die Stadt mit einem doppelten Truppencordon umstellten, über den hinaus sie mit der Reiterei noch eine dritte Einschließungslinie formierten, um so den Juden jeden Ausweg abzuschneiden.

Gerade diese Maßregel aber war es, welche die Juden dadurch, dass sie ihnen jede Hoffnung auf Rettung benahm, zu dem tollsten Mute anstachelte. Denn bekanntlich ist im Kriege die Verzweiflung der grimmigste Kämpfer!


Am anderen Tage unternahm man den Sturm. Zu Anfang desselben leisteten die im Weichbilde der Stadt gebliebenen Juden, welche draußen vor der Mauer sich verschanzt hatten, wirkungsvollen Widerstand, solange sie den Römern Aug’ im Auge gegenüberstanden.

Als aber dann Vespasian die Bogenschützen und Schleuderer und die ganze Masse der Wurfschützen gegen sie aufbot, während er selbst mit dem Fußvolke gerade dort, wo die Mauer noch am leichtesten zu ersteigen war, die Höhe hinanstürmte, wurde dem Josephus um die Stadt bange, und machte er darum mit seiner ganzen Mannschaft einen Ausfall.

Da ihr Anprall die Römer mit seiner vollen Wucht traf, gelang es ihnen, die Stürmenden unter vielen glänzenden Beweisen ihrer Kraft und Kühnheit von der Mauer zurückzuschlagen. Allerdings war der Verlust, den sie dabei selbst erlitten, kaum geringer, als jener, den sie dem Feinde bereiteten, da die Römer sich nicht weniger von der Furcht vor Schande, als die Juden von der Verzweiflung an ihrer Rettung anfeuern ließen. Kriegerische Erfahrung und Kraft führte das Schwert auf der einen, Verwegenheit, von Ingrimm gelenkt, auf der anderen Seite.

So stritten die Juden den ganzen Tag, bis endlich die Nacht dem Kampf ein Ende machte, in welchem sie eine sehr große Anzahl Römer verwundet und ihnen dreizehn Mann getödtet hatten. Von ihnen selbst waren siebzehn geblieben und 600 verletzt worden.


Am folgenden Tage machten die Juden neuerdings auf die stürmenden Römer einen Ausfall, bei dem sie mit noch viel größerem Nachdruck stritten, da sie der von ihnen selbst nicht gehoffte glückliche Widerstand am vorausgehenden Tage beherzter gemacht hatte. Doch fanden auch sie diesmal an den Römern noch ungestümere Gegner, weil die letzteren schon das für eine Niederlage ansehen, wenn der Sieg nicht schnell genug errungen wird, und deshalb aus Scham darüber in den glühendsten Zorn gerieten.

So erneuerten sich die Stürme der Römer ununterbrochen bis zum fünften Tage, immer heftiger wurden die Ausfälle der Jotapatener, und tobte der Kampf um die Mauer. Es scheuten weder die Juden die Macht der Feinde, noch erlahmten die Römer angesichts einer so hartnäckigen Verteidigung der Veste.


Jotapata ist, eine einzige Stelle ausgenommen, ganz abschüssig gelegen und beinahe auf allen Seiten ringsum von so unermesslichen Schluchten abgesperrt, dass der Beschauer seinen Blick nicht in die Tiefe schweifen lassen kann, ohne von Schwindel erfasst zu werden. Nur von Norden her ist die Stadt zugänglich, nämlich an der Stelle, wo sie am Ende des Bergabhanges hingebaut liegt.

Gerade diese Seite hatte aber Josephus bei der Befestigung der Stadt mit einer Mauer ringsum eingefasst, so dass der Gipfel über der Stadt den Feinden unerreichbar blieb.

In der Runde war die Festung noch von anderen Bergen eng umschlossen, und sah man demzufolge von ihr gar nichts, bis man nicht vor ihr stand. So sah die Befestigung von Jotapata aus.


Vespasian wollte ebensosehr dieser natürlichen Festigkeit des Platzes, sowie seinen kühnen Verteidigern trotzen und beschloss, mit aller Macht die Belagerung fortzusetzen. In dieser Absicht ließ er die ihm unterstehenden Anführer zu sich bescheiden, um sich mit ihnen über die weitere Bestürmung zu beraten.

Man hielt es für das beste, an dem einzigen Zugang, der zur Mauer führte, Dämme aufschütten zu lassen, weshalb Vespasian zunächst das ganze Heer zur Herbeischaffung des Materiales ausschickte. Nachdem man die Berge rings um die Stadt abgestockt und zu dem Holze noch eine ungeheure Masse von Feldsteinen zusammengebracht hatte,

wurden zum Schutze gegen die von oben herabfliegenden Geschosse auf Pallisaden Decken aus Flechtwerk ausgespannt, unter welchen dann ein Teil der Soldaten die Aufschüttung des Walles begann. Sie erlitten dabei durch die von der Mauer geschleuderten Geschosse gar keine oder nur ganz unbedeutende Verletzungen.

Eine andere Abteilung grub die benachbarten Hügel ab und führte ihnen unausgesetzt Erdreich zu. Da die Arbeit auf drei Partien verteilt war, so blieb Niemand unbeschäftigt.

Die Juden schleuderten unterdessen gewaltige Felsbrocken und alle möglichen Projektile von der Mauer auf die Schutzdecken der Römer herab, die, wenn sie auch nicht durchzudringen vermochten, wenigstens durch ihr wiederholtes entsetzliches Gepolter den Arbeitern hinderlich waren.


Jetzt ließ Vespasian ringsum seine Geschütze, alles in allem an 160 Stück, vor der Stadt auffahren und gegen die Kämpfer auf der Mauer entladen.

Mit einemmal schnellten die Katapulten ihre Lanzen in die Höhe, und sausten zentnerschwere Steine von den Ballisten, Feuerbrände und eine so dichte Wolke von Pfeilen durch die Luft, dass dadurch nicht bloß die Mauer, sondern sogar jedes freie Plätzchen im Innern der Stadt, soweit sie überhaupt reichten, den Juden unnahbar gemacht wurde.

Denn mit den großen Geschützen vereinigte sich auch das Kleingewehr aus dem Schwarm der arabischen Bogenschützen, von den Wurfspießwerfern und Schleuderern.

Waren nun auch die Juden an der Verteidigung der Mauerzinnen gehindert, so blieben sie darum nicht müßig. Sie unternahmen jetzt zu kleinen Banden Ausfälle, die eher räuberischen Überfällen glichen, zogen den Dammarbeitern die Schirmvorrichtungen über ihren Köpfen weg und hieben auf die nunmehr ungedeckten Römer los, warfen dort, wo dieselben zurückwichen, die aufgeschüttete Erde wieder auseinander und zündeten das Holzgerüste sammt den Schutzdecken an, bis endlich Vespasian in der richtigen Erkenntnis, dass die Zersplitterung der einzelnen Dammarbeiten die eigentliche Ursache des Schadens wäre, indem die Juden in dem allzugroßen Abstand der Werke voneinander den besten Spielraum für ihre Überfälle hatten, nunmehr die Schutzvorrichtungen näher zusammenzog. Da mit dieser Maßregel ganz natürlich auch eine Concentrierung der Streitkräfte verbunden war, so war es jetzt mit dem Heranschleichen der Juden vorbei.


Nun konnte der Damm in die Höhe streben und musste bald den Brustwehren nahekommen. Josephus glaubte das Aergste fürchten zu müssen, wenn er nicht auch seinerseits besondere Schutzmaßregeln für die Stadt vorkehren würde. Er versammelte darum die Werkleute und gab ihnen den Befehl, die Mauer höher zu bauen.

Diese erklärten es aber für rein unmöglich, den Bau bei einem solchen Hagel von Geschossen auszuführen, weshalb Josephus folgende Schutzvorrichtung erfand: Er ließ nämlich eine Umzäunung aus Balken oben in der Mauer einschlagen und darüber frisch abgezogene Ochsenhäute breiten, welche die von den Ballisten geschleuderten Steine durch die sofort gebildeten Bauschen auffangen sollten, während die übrigen Geschosse an ihnen einfach abgleiten, und auch die Feuerbrände durch deren Feuchtigkeit gedämpft werden mussten.

Hinter diese Schutzwehr postierte er dann die Werkleute, welche nunmehr mit aller Sicherheit Tag und Nacht arbeiten konnten und die Mauer bis zu einer Höhe von zwanzig Ellen förderten, auch eine Anzahl Türme darauf errichteten und eine starke Brustwehr anfügten.

Diese Wahrnehmung stürzte die Römer, die schon fast im Innern der Stadt zu sein glaubten, in große Mutlosigkeit, und sie waren nicht minder betroffen über die List des Josephus, wie über die entschlossene Ausführung von Seite der Besatzung.


Auch Vespasian war über das schlaue Stücklein, wie über den verwegenen Widerstand der Jotapatener sehr erbittert, zumal die letzteren, keck gemacht durch das Gelingen des Befestigungswerkes, aufs neue ihre Ausfälle auf die Römer begannen und ihnen Tag ein, Tag aus kleine Scharmützel lieferten. Dabei ließen sie alle Listen eines Bandenkrieges spielen und raubten, was ihnen unter die Hände kam, während sie anderes, wie z. B. die Werke, in Brand steckten, bis endlich Vespasian den offenen Angriff einzustellen befahl und sich entschloss, mit seinem Heere die Stadt ruhig zu beobachten, um sie durch die bald eintretende Hungersnot in seine Gewalt zu bekommen.

Denn entweder würden die Juden, so sagte er sich, vom äußersten Mangel gezwungen ihn um Gnade anflehen oder, wenn sie bis zuletzt in ihrer Starrköpfigkeit verharren sollten, sicher vom Hunger aufgerieben werden.

In letzterem Falle glaubte er selbst bei Wiederaufnahme des Kampfes mit den Juden viel leichteres Spiel zu haben, weil ein Sturm nach längerer Unterbrechung eine ganz ausgemergelte Besatzung finden musste. Auf seinen Befehl wurden in der Folge alle Verbindungen mit der Stadt scharf bewacht.


An Brot und allen anderen Lebensmitteln, mit Ausnahme des Salzes, hatten nun allerdings die Leute in der Stadt Überfluss, aber es herrschte Mangel an Wasser, da eine Quelle in der Stadt nicht vorhanden war, und die Einwohner sich mit Regenwasser begnügen mussten. Es gehört indes leider zu den Seltenheiten, wenn es in diesem Himmelstriche zur Sommerszeit einmal regnet.

So bemächtigte sich denn der Bewohner, die ja gerade um diese Jahreszeit von der Belagerung betroffen wurden, eine fürchterliche Mutlosigkeit beim Gedanken, vor Durst verschmachten zu müssen; ja sie gaben sich in einem Maße der Traurigkeit hin, als ob schon überhaupt alles Wasser ausgegangen wäre, und zwar aus dem Grunde, weil Josephus, der die Stadt mit allen sonstigen Lebenserfordernissen reich versehen und die Mannschaft von edler Begeisterung erfüllt sah, in der Absicht, den Römern einen Strich durch die Rechnung zu machen und die Belagerung recht lange hinauszuziehen, die Veranstaltung getroffen hatte, dass man das Trinkwasser nur nach Rationen verabfolgen dürfe.

Aber gerade diese haushälterische Verteilung empfanden die Einwohner schmerzlicher, als den Mangel selbst, indem der Umstand, dass sie nicht mehr frei über das Wasser verfügen konnten, die Begierde darnach erst recht steigerte und eine Abgespanntheit erzeugte, als ob es mit ihrem Durst schon bis zum äußersten gekommen wäre. Diese Wassernot blieb übrigens von Seite der Römer nicht unbemerkt: letztere sahen nämlich vom Bergabhang aus über die Mauer hinüber und machten die Wahrnehmung, wie die Leute auf einen Punkt zusammenliefen und sich das Wasser zumessen ließen. Sofort schlugen auch schon die römischen Katapulten dort ein und tödteten viele Juden.


Vespasian war nun der Hoffnung, dass in nicht allzulanger Zeit die Wasserbehälter ausgeschöpft, und die Stadt durch die Wassernot zur Übergabe gezwungen werden würde.

Diese Hoffnung wollte ihm aber Josephus gründlich zerstören und gab zu diesem Zwecke den Auftrag, dass recht viele Bewohner ihre Kleider in Wasser einweichen und dann um die Brustwehren herum aufhängen sollten, was zur Folge hatte, dass die ganze Mauer rundum urplötzlich eine kleine Überschwemmung erfuhr.

Die Entmutigung und Bestürzung war jetzt auf Seiten der Römer, die da sehen mussten, wie eben jene, die nach ihrer Voraussetzung nicht einmal mehr Wasser zum Trinken hatten, auf einen spöttischen Scherz noch soviel Wasser verschwenden konnten. Selbst der Feldherr verzweifelte daran, die Stadt durch die Not zu bezwingen, und versuchte es wieder mit dem Schwert in der Faust.

Gerade das war es aber, was die Juden sehnlichst wünschten, weil ihnen, wenn sie auch sich und die Stadt bereits aufgaben, immerhin der Tod im Kampfe viel lieber war, als Verhungern und Verdursten.


Indes verfiel Josephus außer der eben genannten Finte noch auf eine andere, und zwar diesmal in der Absicht, um für seine eigene Person mit allem versorgt zu sein.

Es glückte ihm nämlich, durch einen schwer gangbaren und darum von den römischen Posten nicht sonderlich bewachten Erdriss an der Abendseite der Hauptschlucht einige Leute hinauszubringen und durch sie nach Belieben an die Juden außerhalb der Festung Briefe durchzuschmuggeln, wie auch von ihnen zu empfangen, so dass er infolge dessen an allen jenen Lebensmitteln, die in der Stadt bereits ausgegangen waren, noch Überfluss hatte.

Er hatte dabei den Trägern, die hereinschlichen, die Weisung gegeben, die Strecke an den Wachposten vorbei zum größten Teil auf allen Vieren zurückzulegen und den Rücken mit einem struppigen Felle zu verdecken, damit sie, wenn schon ein Römer sie erspähen sollte, im Dunkel der Nacht ihnen wie Hunde vorkämen. Zuletzt durchschauten aber doch die Wachen diese Schliche und besetzten die Schlucht.


Da Josephus wohl einsah, dass die Widerstandskraft der Stadt in nicht langer Zeit erschöpft sein dürfte, und dass dann im Falle seines Verbleibens auch für ihn selbst jeder Rettungsweg ausgeschlossen wäre, so dachte er im Vereine mit den Häuptern der Stadt an ein heimliches Entweichen. Doch das Volk ward es inne, und alsbald umgab ihn eine wogende Menge, die ihn auf den Knien anflehte, sie nicht ihrem Schicksale zu überlassen, da sie auf ihn allein ihr Vertrauen gesetzt hätten: seine Person, sagten sie, sei ja noch der einzige Hoffnungsanker für die bedrohte Stadt, da schon dem Josephus zu Liebe, wenn er bliebe, Jedermann mit Begeisterung im Kampfe alle seine Kraft einsetzen würde: sollten sie aber mit der Stadt auch fallen, so werde seine Gegenwart ihnen wenigstens das Unglück versüßen.

Weiter verlange es von ihm auch die Ehre, dass er weder seinen Feinden den Rücken kehre, noch seine Freunde im Stiche lasse und das Steuerruder durch seine Flucht der Wut des Sturmes preisgebe, dessen Leitung er bei glatter See, sozusagen, in die Hand genommen habe.

Ja, ihn würde die Schuld treffen, die Stadt in den völligen Untergang hineingetrieben zu haben, da nach dem Weggang des Mannes, der alles aufrecht erhalten, Niemand mehr es wagen würde, den Feinden Widerstand zu leisten.


Josephus erklärte ihnen nun, indem er wohlweislich die Rücksicht auf die eigene Sicherung verschwieg, dass er nur in ihrem Interesse seine Flucht bewerkstelligen wolle: denn bliebe er in der Stadt, so könnte er, auch wenn sie glücklich daraus kämen, zu diesem guten Ausgang nicht gar viel beitragen; im Falle der Eroberung aber würde er sich ganz unnützerweise mit ihnen hinopfern. Würde er sich dagegen aus der belagerten Stadt hinausstehlen, so könnte er ihnen von außen her auf die wirksamste Weise zu Hilfe kommen, indem er die Landbevölkerung Galiläas in aller Eile zum Sturme aufbieten und die Römer, um sie von Jotapata abzulenken, auf ein anderes Schlachtfeld locken würde.

Er sehe in der Tat nicht ein, was er ihnen jetzt mit seinem Sitzenbleiben in der Stadt für einen Dienst erweisen könnte, höchstens den, dass seine Anwesenheit die Römer noch mehr zur Belagerung ansporne, weil sie um jeden Preis seiner Person habhaft werden möchten. Würden sie hingegen erfahren, dass der Vogel ausgeflogen sei, so dürften sie wohl in ihrem Eifer für die Belagerung stark nachlassen.

Statt die Volksmenge zu überzeugen, hatten diese Worte nur die Wirkung, dass sie sich noch heißer um ihn drängte: Knaben, Greise und Frauen mit ihren kleinsten Kindern fielen weheklagend vor ihm nieder, umschlangen insgesammt seine Füße und wollten ihn nicht loslassen, indem sie ihn unter lautem Schluchzen bestürmten, sich doch von ihrem Schicksale nicht zu trennen – nicht als ob sie ihn um seine Rettung beneidet hätten, wie ich glaube, sondern weil sie von ihm allein noch die eigene erwarteten. Denn sie waren der Meinung, dass, solange Josephus bei ihnen wäre, ihnen überhaupt nichts geschehen könnte.


Josephus verhehlte sich nicht, dass dieselben Leute, wenn er ihnen nachgäbe, seine Schützlinge bleiben, wenn er sich ihnen aber widersetzen wollte, eine beständige Gefangenwache für ihn bedeuten würden. Da überdies das Mitleid mit ihrem Jammer seinen festen Entschluss zu fliehen schon stark erschüttert hatte, so beschloss er nunmehr zu bleiben, und wappnete sich mit dem Mute der Verzweiflung, der die ganze Stadt ergriffen hatte. Mit den Worten: „Jetzt, wo keine Hoffnung auf Rettung mehr winkt, ist es an der Zeit, einen Kampf zu beginnen, in welchem man das Leben mit einem herrlichen Ruhmeskranz vertauschen und durch eine glorreiche Tat sich das Andenken der spätesten Geschlechter sichern kann!“ mit diesen Worten stürzte er sich in den Kampf und brach mit seinen besten Kriegern aus den Toren hervor. Die römischen Wachen warf er über den Haufen und stürmte dann bis zum Lager hinab, wobei er die Lederdecken über den Wallarbeitern, unter denen sich die Römer schützten, auseinanderriss und Feuer in die Werke schleuderte.

So machte er es auch am zweiten und dritten Tage und setzte diese Ausfälle noch eine ganze Reihe von Tagen und Nächten ohne Ermatten fort.


Die Römer kamen bei diesen Ausfällen sehr zu Schaden, da auch in schlimmer Lage der Ehrgeiz ihnen verbot, vor den Juden zurückzuweichen, im Falle aber die Juden geworfen wurden, die Sieger wegen ihrer schwerfälligen Rüstung denselben nur langsam zu folgen vermochten, während umgekehrt die Juden den Belagerern, ohne selbst ernstlich mitgenommen zu werden, jedesmal einen empfindlichen Streich spielen und schnell genug wieder die Stadt gewinnen konnten.

Aus diesem Grunde ließ nun Vespasian an die Schwerbewaffneten die Weisung ergehen, vor den anstürmenden Juden sich zurückzuziehen und mit Leuten, die nur den Tod suchten, sich in kein Handgemenge einzulassen, da es nichts Unbändigeres gebe, als die Verzweiflung.

Ihr feuriger Ungestüm würde jedoch gewaltig gedämpft werden, wenn sie keinen bestimmten Angriffspunkt mehr hätten, wie das Feuer ohne Holz erlöschen müsse.

Übrigens verlange es schon die römische Waffenehre, dass ein Sieg auch möglichst leicht und sicher errungen werde, da sie den Krieg ja nicht als eine Verlegenheitssache, sondern nur als ein Mittel für ihre Machterweiterung betrachten.

Von jetzt an suchte Vespasian die Juden für gewöhnlich nur durch die arabischen Bogenschützen, die syrischen Schleuderer und Steinwerfer zurückzutreiben, in welchen Kampf regelmäßig auch die großen Geschütze eingriffen.

Durch die Geschosse wurden nun freilich die Reihen der Juden stark gelichtet und selbst ins Wanken gebracht, aber sobald sie einmal den Schussbereich hinter sich hatten, stürzten sie sich umso wütender auf die Römer und kämpften unbekümmert um Tod und Wunden, stets unterstützt von neuen Streitern, die, wie auch bei den Römern, die erschöpften Abteilungen ablösten.


Nach einer langen Zeit und nach zahlreichen Ausfällen von Seite der Juden, die in Vespasian beinahe den Glauben erwecken mochten, dass eigentlich er der Belagerte sei, näherten sich endlich die Dämme soweit den Mauern, dass er zur Ansetzung des Widders schreiten konnte.

Es ist dies ein ungemein großer, fast dem Mastbaum eines Schiffes gleichender Balken, der an der Spitze mit einem dicken, in die Form eines Widderkopfes auslaufenden Eisenstück, von dem auch seine Bezeichnung kommt, versehen ist.

Dieser Balken hängt an starken, in seiner Mitte befestigten Seilen von einem anderen Bohlen, der selbst wieder beiderseits von mächtigen Pfosten getragen wird, wie von einem Wagebalken herab.

Eine größere Anzahl von Männern holt nun mit diesem Mast nach rückwärts aus und schwingt ihn dann mit vereinter Gewalt nach vorne, wo er mit seinem vorstehenden Eisen die Mauer trifft.

Kein Turm so stark, keine Stadtmauer so dick, dass sie dem Widder, mögen sie auch dessen erste Stöße aushalten, auf die Dauer widerstehen könnten!

Mit diesem Belagerungsstück wollte es nunmehr der römische Feldherr versuchen, weil er sich angesichts der wachsenden Verluste, mit denen selbst die bloße Einschließung schon bei der rastlosen Gegenwehr der Juden für ihn verbunden war, beeilen musste, die Stadt mit einem entscheidenden Schlage zu nehmen.

Man brachte nun zunächst die Katapulten und die übrigen Geschütze, um den Verteidigern auf der Mauer besser beikommen zu können, näher an die Stadt heran und erneuerte die Beschießung. Ebenso rückten zu gleicher Zeit die Bogenschützen und Schleuderer weiter vor.

Da infolge dessen keiner von den Feinden die Festungsmauer zu betreten wagte, konnten andere Krieger den Widder, der durchgehends mit Flechtwerk und darüber noch von einer Decke aus Häuten zur Sicherung der Mannschaft, wie der Maschine, geschützt war, an die Mauer ansetzen.

Schon beim ersten Stoß zitterte die ganze Mauer, und gleichzeitig drang aus dem Innern der Stadt ein gar jämmerliches Geschrei, als ob sie auch schon in Feindes Hand wäre.


Da Josephus wohl erkannte, dass die vielen, immer auf denselben Punkt gerichteten Stöße in kurzer Zeit die Mauer in Trümmer legen müssten, so suchte er durch ein schlaues Mittel die Wirkung der Maschine, wenn auch nur mit kurzem Erfolge, zu vereiteln.

Er ließ Säcke mit Spreu anfüllen und dann an die Stelle, wohin man gerade den Widder stoßen sah, hinablassen, damit auf diese Weise der Stoß von seiner geraden Richtung abgelenkt, und auch seine Gewalt durch die weichen Säcke, die ihn auffingen, abgeschwächt würde.

Wirklich brachte das den Römern einen ganz bedeutenden Zeitverlust, da, wo immer sie ihre Maschine ansetzen wollten, sich sofort auch stets die Juden mit ihren Säcken von oben zum Schutze einstellten und dieselben als Puffer gegen die Stöße benützten, so dass die Mauer dank dem Abprall, den so der Widder erlitt, gar keinen Schaden nahm.

Da kamen aber die Römer ihrerseits auf den Einfall, lange Stangen zu nehmen und an ihrem Ende Sicheln festzubinden, mit denen sie nun die Säcke der Juden abzwicken konnten.

Jetzt konnte auch die Sturmmaschine wieder mit voller Kraft arbeiten, und bald begann die Mauer, die ja noch ganz frisch war, nachzugeben. Nun konnte Josephus mit den Seinen nur mehr zum Feuer seine Zuflucht nehmen, um sich des Widders zu erwehren.

Sie packten also, was sich nur immer an brennbaren Stoffen vorfand, stürmten in drei Scharen gegen die Römer hinaus und zündeten ihnen die Maschinen sammt dem Flechtwerk, sowie das Holzgerüste an den Dämmen an.

Die Gegenwehr von Seite der Römer war eine ziemlich lahme, weil sie starr vor Entsetzen über eine solche Kühnheit waren, und weil auch das Feuer rasch ihre Rettungsversuche überholt hatte, indem die Flamme von dem dürren Holze, vom Asphalt, Pech und Schwefel mit Gedankenschnelligkeit auseinanderfuhr und die mit sovieler Mühe hergestellten Werke der Römer binnen einer Stunde verzehrte.


An diesem Tage glänzte besonders ein Mann unter den Juden, der wahrlich hier der Erwähnung und eines ruhmvollen Andenkens würdig ist, ein Sohn des Samäus, Eleazar mit Namen, von der Stadt Saab in Galiläa.

Dieser Held hob nämlich ein gewaltiges Felsstück auf und warf es mit solcher Kraft von der Mauer auf den Sturmbock, dass er den Widderkopf der Maschine absprengte! Ja, er sprang noch hinab, nahm das Stück den Feinden vor der Nase weg und trug es mit erstaunlicher Keckheit auf die Mauer zurück, wobei er jedoch, das Ziel aller feindlichen Geschosse und unbewehrten Leibes jeder Verwundung ausgesetzt, von fünf Pfeilen durchbohrt wird.

Dennoch setzte er, ohne darum sich auch nur ein einzigesmal umzuschau’n, seinen Weg fort, bis er die Höhe der Mauer wieder erklommen hatte und nun mit seiner ruhmvollen Beute von allen in der Runde gesehen werden konnte. In diesem Augenblick aber begann er sich unter den Schmerzen seiner Wunden wie ein Wurm zu krümmen und stürzte mit dem Widderkopf über die Mauer herab.

Am meisten nach ihm zeichneten sich zwei Brüder, namens Netiras und Philippus, von dem Dorfe Ruma, ebenfalls in Galiläa, aus, indem sie sich auf die Leute von der zehnten Legion warfen und mit so heftiger Gewalt auf die Römer stießen, dass sie ihre Schlachtreihen zerrissen und, wohin sie stürmten, alles vor sich her scheuchten.


Aus solche Art war es nun auch dem Josephus und der übrigen Kriegerschar, die mit zahlreichen Feuerbränden bewaffnet diesen Männern gefolgt war, gelungen, der fünften und zehnten Legion, die eben geworfen worden waren, ihre Maschinen nebst den Schutzlauben, sowie die eigentlichen Wallbauten anzuzünden, während die übrigen Römer noch bei Zeiten ihr Belagerungszeug und ihr gesammtes Holzwerk mit Erdreich zudecken konnten.

Doch waren die Römer schon gegen Abend wieder in der Lage, den Widder aufzustellen und an derselben Stelle gegen die Mauer zu rücken, wo sie schon früher unter seinen Schlägen gelitten hatte.

Da geschah es, dass einer von den Verteidigern von der Mauer aus den Vespasian mit einem Wurfgeschoss an der Fußsohle traf und ihm eine Wunde beibrachte. Die Verwundung war allerdings nur eine leichte, da die Entfernung die Gewalt des Projektiles schon erheblich verringert hatte, aber sie rief immerhin bei den Römern die größte Aufregung hervor.

Kaum hatte man nämlich die Bestürzung gewahrt, die sich der Begleitung Vespasians beim Anblick des Blutes bemächtigt hatte, als auch schon das Gerücht von der Verletzung des Feldherrn durch das ganze Belagerungsherr flog. Von Furcht und Entsetzen ergriffen, ließen die Meisten die Belagerungsarbeiten stehen und liefen um den Führer zusammen.

Am ersten war, von der Sorge um seinen Vater gejagt, Titus zur Stelle, und man kann nicht sagen, ob dem Heere der Unfall des geliebten Oberfeldherrn oder die Angst des Sohnes mehr zu Herzen ging. Indes gelang es dem Vater schnell wieder die Besorgnis des Kindes, wie auch die Befürchtungen des Heeres zu zerstreuen, indem er sich, nachdem er den ersten Schmerz verbissen hatte, alsbald im ganzen Lager, wo seinetwegen schon die größte Bangigkeit herrschte, persönlich zeigte: ja, er fachte damit die Kampfesglut der Seinen gegen die Juden erst recht an, weil ein jeder sich von jetzt an auch als Rächer seines Feldherrn fühlte und schon darum in das dichteste Kampfgewühl stürzen wollte. So stürmten sie denn unter lauten Zurufen gegenseitiger Ermunterung neuerdings auf die Stadtmauer los.


Obwohl nun jetzt die Leute des Josephus einer auf den anderen unter dem Hagel aus den Katapulten und Ballisten hinsanken, so ließen sie sich doch nicht von der Mauer verjagen, sondern schleuderten Feuerbrände, Eisenstücke und Felstrümmer auf die Römer, welche den Widder unter dem Weidengeflecht schwangen, herab.

Diesmal aber hatten die Juden keinen oder nur geringen Erfolg, während sich bei ihnen Leichen auf Leichen häuften, weil sie den Feind ihrerseits gar nicht recht ausnehmen konnten, wohl aber umgekehrt selbst von ihm gut gesehen wurden.

Denn im Scheine des eigenen Feuers boten sie den Römern ein sehr scharfes Ziel, nicht anders, wie bei Tage, indes sie sich selbst vor einem feindlichen Geschosse, weil man die Wurfmaschinen von weitem nicht wahrnahm, nur schwer inacht nehmen konnten.

Dabei war die Gewalt der kleinen und großen Katapulten so groß, dass sie gleich viele auf einmal durchbohrten, und der Anprall der von den Ballisten abgeschossenen Steine so heftig, dass er ganze Brustwehren wegriss und die Ecken von den Türmen platt drückte.

Es gab keinen noch so kompakten Schlachthaufen, der nicht bis zur letzten Reihe unter der Wucht und Größe eines solchen Steines niedergestreckt worden wäre.

Gerade aus einigen Vorgängen während dieser furchtbaren Nacht mag man die Kraft der Maschinen abnehmen. So wurde von der Balliste ein Mann aus der Umgebung des Josephus, als er auf der Mauer stand, getroffen und ihm dabei von dem Steine der Kopf weggerissen und die Hirnschale noch drei Stadien weit geschleudert!

Am nächsten Morgen traf die Maschine eine schwangere Frau in dem Augenblicke, als sie gerade aus dem Hause treten wollte, mit solcher Vehemenz auf den Bauch, dass das Kind aus dem Mutterschoß heraus noch ein halbes Stadium weit flog. Eine so entsetzliche Wirkung hatte die Steinschleuder!

Fast noch grauenvoller aber, als die eigentliche Wirkung der Geschütze nach dem Gesagten, war das Dröhnen, das sie begleitete, und noch unheimlicher, als die Kraft der Geschosse, ihr Zischen und Sausen.

Nacheinander hörte man den dumpfen Fall der zu Tode Getroffenen, die von der Mauer sanken, und in das furchtbare Jammergeschrei, das jedesmal die Frauen im Innern der Stadt erhoben, klang von draußen das Aechzen der Sterbenden.

Der ganze Mauerkreis, vor dem der Kampf wütete, schwamm in Blut, und der Wall von Leichen bildete fast einen Weg zur Mauerhöhe!

Das Echo von den umliegenden Bergen gab das Geschrei noch schauerlicher zurück: kurz, es gibt keinen Schrecken, der, sei es dem Ohr, oder sei es dem Auge, in jener Nacht erspart worden wäre.

Eine große Anzahl Jotapatener fiel nach tapferer Gegenwehr, sehr viele wurden verwundet. Nach langem Widerstände sank endlich um die Morgenwacht unter den unausgesetzten Stößen der Sturmböcke die Mauer ein.

Bevor aber von den Römern noch die Sturmbrücken angelegt werden konnten, hatten sich schon die Juden in voller Rüstung an die Arbeit gemacht und sich am anderen Ende der Bresche verschanzt.


Nachdem Vespasian dem Heere eine kurze Rast nach der nächtlichen Anstrengung gewährt hatte, zog er es bei Tagesanbruch zum Hauptsturm auf die Stadt zusammen.

Um die Verteidiger der Breschen zurückzuwerfen, ließ er seine besten Reiter absitzen und stellte sie, bis an die Zähne gewappnet, mit vorgehaltenen Lanzen in drei Abteilungen an den Mauertrümmern auf, mit dem Befehle, sobald die Sturmbrücken bereit lägen, den ersten Anlauf zu machen. Hinter sie postierte er die tüchtigste Mannschaft zu Fuß, während er die übrigen Reitergeschwader der Mauer gegenüber über die ganze Berglehne verteilte, damit keiner von denen, die sich noch etwa vor den Stürmenden flüchten könnten, hier durchkäme.

Weiter nach rückwärts wies er ringsherum den Bogenschützen, wie auch den Schleuderern und den Geschützmeistern ihre Stellungen an, mit dem Bedeuten, zum Schusse bereit zu sein.

Noch andere hatten den Auftrag, sich mit Sturmleitern zu versehen und dieselben an den noch unversehrten Teilen der Mauer aufzupflanzen, damit durch diese feindliche Bewegung ein Teil der Verteidiger gezwungen würde, ihren Posten an der Bresche zu verlassen, um den Sturm auf den anderen Seiten abzuschlagen, während die übrigen Verteidiger der Bresche durch einen förmlichen Geschosshagel aus der Maueröffnung verdrängt werden sollten.


Josephus, der die Absicht des Vespasian erriet, stellte nun auch seinerseits auf den unbeschädigt gebliebenen Mauerstrecken lauter alte und schwache Leute aus der Besatzung auf, weil sie nach seiner Meinung hier gar nichts zu fürchten hatten, an dem Mauerriss dagegen sollten nur die kräftigsten Streiter stehen, zu deren Führung er je sechs Mann – darunter war er selbst – durch das Los bestimmte und an die gefährlichste Stelle der Bresche dirigierte.

Auf sein Geheiß mussten sich alle die Ohren verstopfen, um nicht etwa vom Feldgeschrei der Legionen in Schrecken versetzt zu werden; vor der Wolke von Geschossen aber sollten sie sich auf den Knien zusammenkauern und mit den Schilden nach oben decken, wobei sie auch auf kurze Zeit zurückzugehen hätten, bis die Bogenschützen ihre Köcher geleert haben würden: in dem Augenblick aber, wo die Sturmbrücken auf die Bresche fielen, sollten sie hinausstürzen und den Feinden über deren eigene Leitern entgegenstürmen. „Heute“, rief Josephus, „soll jedem Manne nicht mehr die Hoffnung für die bedrohte Vaterstadt, sondern nur die Rache für ihren bereits besiegelten Untergang den Arm im Kampfe führen!

Seht im Geiste jetzt nur mehr das Blut der Greise und Kinder, das alsbald fließen, den Tod euer Frauen, die von den feindlichen Kriegern gar bald hingemordet werden, und schleudert zuvor noch einmal die ganze Schale eures Ingrimms, die das Andenken an dieses kommende entsetzliche Leid bis zum Rande gefüllt hat, ihren Urhebern ins Gesicht!


In dieser Weise hatte Josephus seine Mannschaft nach beiden Seiten hin verteilt. Als nun die wehrlose Menge der Frauen und Kinder in der Stadt dieselbe von einem dreifachen Ring von Wachen, die nämlichen, die schon gleich anfangs aufgestellt und seitdem in keiner Weise zum Kampfe verwendet worden waren, umschlossen sah, und wie die Feinde mit blanken Schwertern vor der eingestürzten Mauer standen, als sie endlich den von Waffen blitzenden Bergabhang über ihnen und die Pfeile bemerkte, welche die arabischen Schützen schon vor sich auf der Bogensehne hielten, da brach sie, als wäre es wirklich das letztemal, in ein allgemeines Wehegeschrei über den Fall der Stadt aus, nicht anders, als wenn das Unheil, das noch bevorstand, schon hereingebrochen wäre.

Um nun zu verhüten, dass die Frauen durch ihren ergreifenden Jammer den Arm ihrer Angehörigen lähmten, schloss sie Josephus in die Häuser ein, mit dem strengen Befehle, sich ruhig zu verhalten. Dann begab er sich an den ihm durch das Los zugefallenen Platz vor der Bresche, wo er sich durch die Manöver der Römer, die zunächst ihre Sturmleitern an anderen Mauerstellen anlehnten, nicht im geringsten stören ließ, dafür aber mit desto größerer Aufmerksamkeit den Ansturm der Geschosse gegen die Bresche abwartete.


Jetzt bliesen auf einmal die Trompeter sämmtlicher Legionen, und zu gleicher Zeit fiel das ganze Heer mit einem entsetzlichen Schlachtgeschrei in die Signale ein, und schwirrten auf das gegebene Zeichen in solcher Menge von allen Seiten die Geschosse heran, dass die Sonne förmlich verfinstert wurde.

Aber die Krieger an der Seite des Josephus hatten, eingedenk seiner Befehle, ihre Ohren gegen das Geheul und ihre Leiber gegen die Wurfgeschosse gewappnet, und kaum dass die Römer die Sturmbrücken auf die Trümmer geworfen hatten, so stürmten auch schon die Juden über dieselben dem Feinde entgegen, ehe noch ein einziger von den römischen Soldaten, die sie hinübergelegt, Zeit gefunden hatte, einen Tritt darauf zu machen.

In dem fürchterlichen Ringen, das nun mit den heraufstürmenden Römern entstand, legten die Jotapatener die herrlichsten Proben ab, die Kraft und Mut nur immer entfalten können, und wollten trotz ihrer äußersten Hilflosigkeit sich selbst von jenen nicht übertreffen lassen, deren tapferen Arm keine Angst um Heimat und Familie unsicher machte.

Entweder erlagen sie selbst oder sie erlegten den Feind: früher ließen sie nicht von ihm los!

Da aber die Juden bei dem unausgesetzten Widerstande endlich doch ermüdeten und für die Kämpfer an der Bresche keine Ablösung hatten, während bei den Römern die erschöpften Abteilungen stets durch frische ersetzt wurden, und an die Stelle der Hinabgedrängten rasch andere hinaufklommen, so konnten zuletzt die Feinde, die sich gegenseitig anfeuerten und, Schulter an Schulter gedrängt, nach oben mit den Schilden ein Schutzdach herzustellen suchten, eine unzerreißbare Sturmsäule formieren, mit der sie dann in ihrer ganzen Tiefe, wie ein Mann, gegen die Juden einen entscheidenden Vorstoß machten und fast schon die Höhe der Mauer gewonnen hatten.


Da, in den Augenblicken höchster Gefahr, gab dem Josephus die Not, welche ja so überaus erfinderisch macht, wenn sie von der Verzweiflung entflammt wird, einen rettenden Gedanken ein: er befahl, siedendes öl auf das feindliche Schilddach hinabzugießen.

Da man dasselbe schon bereit gehalten hatte, so konnte es in aller Schnelligkeit und in großen Quantitäten von vielen Verteidigern zugleich und von allen Seiten auf die Römer hinabgeschüttet werden, wobei man auch die glühend heißen Gefäße dem öle noch nachschleuderte.

Das öl löste nun endlich, indem es die Römer verbrühte, ihre Reihen gründlich, und sie wälzten sich unter grässlichen Schmerzen von der Mauer hinab.

Das öl war nämlich im Nu unter der Rüstung vom Kopf bis zu den Füßen über den ganzen Körper hinuntergeronnen und hatte, da es sich seiner Natur nach rasch erhitzt, aber wegen seiner Fettigkeit nur langsam abkühlt, das Fleisch nicht anders, wie eine Feuersflamme, verzehrt.

Da zudem Panzer und Helm fest angeschnallt waren, konnten sie auch nicht schnell genug die feuerflüssige Masse entfernen: so sprangen sie denn vor lauter Qual in die Höhe und krümmten sich wieder zusammen, bis sie von der Überbrückung hinabstürzten, während die anderen, die sich noch schnell zu den ihrigen zurückgewendet hatten, von den eigenen Leuten im Sturme vorwärtsgestoßen und von den Juden im Rücken gefasst, schnell den Streichen der Feinde erlagen.


Aber sowenig die Juden ihre Findigkeit, sowenig verloren die Römer trotz des Unfalles ihre Ausdauer: im Gegenteil, obschon sie sehen mussten, wie erbärmlich die Verbrühten zu leiden hatten, gingen sie dennoch selbst dem Feuerregen entgegen, und jeder schalt seinen Vordermann, dass er ihn nicht schnell genug dreinschlagen lasse.

Nun suchten die Juden durch eine zweite List die Römer beim Vorstürmen zum Falle zu bringen, indem sie gekochtes Bockshornkraut auf die Bretter hinschütteten, aus denen dann die Römer notwendig ausrutschen und hinuntergleiten mussten.

Niemand konnte sich jetzt mehr aufrecht halten, ob er nun fliehen oder vorwärtsdringen wollte: die einen glitten noch an den Sturmbrücken selbst rücklings hinunter und wurden von den ihrigen zusammengetreten, viele andere stürzten gar auf den Damm hinab und wurden dort von den Juden getroffen, da letztere durch das Niederfallen der Römer die Hände vom Nahkampf frei bekamen und dafür jetzt rastlos Geschoss auf Geschoss versendeten.

Nachdem der Sturm den Römern schon viele Opfer gekostet hatte, gab endlich der Feldherr am Abend seinen Soldaten das Zeichen zum Rückzug.

Eine gar nicht unbedeutende Zahl von ihnen war geblieben, und noch größer war die Menge ihrer Verwundeten, während bei den Jotapatenern zwar nur sechs Mann getödtet wurden, aber über 300 Verwundete zurückbefördert werden mussten.

Der Sturm hatte am 20. des Monates Däsius stattgehabt.


Vespasian dachte zunächst daran, den durch das Misslingen des Sturmes gebeugten Mut des Heeres wieder aufzurichten, aber er sah im Gegenteil, dass die Soldaten nur von Ingrimm glühten und, statt einer Aufmunterung zu bedürfen, nur nach Taten dürsteten.

Er befahl daher, die Belagerungsdämme noch höher zu machen und drei Türme, jeden in einer Höhe von fünfzig Fuß, herzustellen, die auf allen Seiten mit Eisenplatten gepanzert werden sollten, damit sie infolge ihrer Schwere nicht zu erschüttern und auch für das Feuer unangreifbar wären. Nachdem diese Türme und zwar gleich auf den Dämmen aufgestellt worden waren wurden sie nach seiner Anordnung mit Wurfspießschleuderern und Bogenschützen bemannt und sogar mit leichterem Belagerungsgeschütz versehen. Dazu wählte er noch die stärksten Steinschleuderer aus, welche nun im Verein mit den anderen Schützen, gedeckt durch die Höhe und die Brustwehren der Türme, gegen die vollständig ungedeckten Juden auf der Stadtmauer die Beschießung eröffneten.

Da jetzt die Jotapatener den feindlichen Geschossen, die nun gerade auf ihre Köpfe herabfuhren, nicht leicht mehr auszuweichen und sich auch eines Feindes, den man nicht einmal bemerken konnte, nicht mehr zu erwehren vermochten, und überdies noch sehen mussten, dass sie mit ihren Handgeschossen nur schwer auf die Höhe der Türme kommen und ebensowenig ihre eiserne Umhüllung durch Feuerbrände beschädigen könnten, so zogen sie sich von der Mauer zurück und begegneten den Angriffen der Belagerer nur mehr mit Ausfällen.

Auf diese Art konnte sich Jotapata noch immer halten, obschon jetzt die Besatzung Tag für Tag zahlreiche Verluste hatte und dem Feinde nicht mehr ernstlich beikommen konnte. Das einzige, was sie tun konnten, war, dass sie seine Stürme mit harter Not abschlugen.


Gerade in unseren Tagen schickte Vespasian den Legaten der zehnten Legion Trajan mit einer Truppenmacht von 1.000 Reitern und 2.000 Fußgängern gegen eine Stadt in der Nachbarschaft von Jotapata, namens Japha, ab, die sich schon früher zu den Aufständischen geschlagen hatte, jetzt aber infolge des ganz unverhofft zähen Widerstandes der Jotapatener sich geradezu herausfordernd benahm.

Trajan fand nun freilich eine fast uneinnehmbare Stadt, da Japha nicht bloß eine von der Natur befestigte Lage, sondern auch eine doppelte Ringmauer besaß, aber zu seinem Glücke waren ihm ihre Einwohner schon entgegengezogen und boten ihm von selbst eine Schlacht an. Wie Trajan das sah, nahm er natürlich an, jagte sie nach kurzer Gegenwehr vor sich her und brach sogar, als sie sich hinter die erste Ringmauer flüchten wollten, mit seinen Soldaten, die dem Feinde immer hart auf der Ferse geblieben waren, gleichzeitig mit ihnen in die Stadt ein.

Als nun die Flüchtigen noch weiter, gegen die zweite Mauer, eilen wollten, da sperrten ihnen die eigenen Mitbürger drinnen aus Angst, dass auch die Römer mit hineinstürmen könnten, vor den Augen die Stadt ab.

Im Grunde genommen war es wohl derselbe Gott, der überhaupt das unglückliche Galiläa den Römern ausliefern wollte, welcher auch damals gleich eine ganze Stadt auf einmal durch die Hände der eigenen Bekannten und Freunde hinaussperren und mordlustigen Widersachern zur Niedermetzlung vorwerfen ließ.

Denn, noch während sie in dichten Scharen die Tore umdrängten und gar beweglich die Obenstehenden, selbst unter Anrufung einzelner Namen, beschworen, wurden sie mitten in ihrem Flehen hingeschlachtet.

Die erste Mauer hatten ihnen die Feinde, die zweite ihre Freunde versperrt, und so zwischen beiden Ringmauern unbeweglich eingekeilt, sanken viele vom Schwert ihrer Brüder, viele von dem eigenen durchbohrt und noch unzählige andere unter den Streichen der Römer zusammen, ohne auch nur den Mut zum geringsten Widerstande zu finden: so sehr hatte, abgesehen von dem Entsetzen vor dem Feinde, die Treulosigkeit der Landsleute ihre Tatkraft gebrochen! Mit einem Fluch auf den Lippen, nicht über die Römer, sondern über die Ihrigen gaben sie endlich den Geist auf. Von den 12.000 Menschen entrann schließlich auch nicht einer dem Verderben!

Da nach der Meinung Trajans die Stadt jetzt aller wehrhaften Leute beraubt sein musste, und auch im Falle, dass noch ein Rest davon drinnen war, von den eingeschüchterten Verteidigern nach seiner Ansicht ein hartnäckiger Widerstand nicht mehr zu besorgen war, so wollte er die eigentliche Eroberung für den Feldherrn aufsparen und sandte Boten an Vespasian mit der Einladung, ihm seinen Sohn Titus zu schicken, auf dass er der Siegestat die Krone aufsetze.

Vespasian schickte jedoch nicht bloß seinen Sohn, sondern, weil er in Japha noch ein tüchtiges Stück Arbeit vermutete, in seiner Begleitung eine Abteilung von 500 Reitern und 1.000 Mann zu Fuß.

In Kürze stand Titus vor der Stadt und traf gleich die Anordnungen zum Sturme. An die Spitze des linken Flügels stellte er Trajan, vom rechten aus leitete er selbst den ganzen Angriff auf die Stadt.

Eine kurze Zeit leisteten die Galiläer von den Brustwehren aus den Römern Widerstand, sobald aber die Soldaten auf allen Punkten die Sturmleitern anzusetzen begannen, ließen sie die Ringmauer im Stiche.

Rasch waren die Leute des Titus oben und sahen sich auf solche Weise schnell im Besitz der eigentlichen Festungswerke: aber es gab noch einen äußerst blutigen Zusammenstoß mit den im Innern der Stadt zusammengedrängten Bewohnern, von denen die kräftigeren in den Straßen sich den Römern entgegenwarfen, während die Frauen von den Häusern herab alles, was ihnen in den Wurf kam, auf die Feinde schleuderten.

An die sechs Stunden dauerte der Straßenkampf. Als endlich die wehrhafte Mannschaft vollständig aufgerieben war, wurde auch das übrige Volk teils im Freien, teils in den Häusern, Jung und Alt miteinander, hingemordet; denn vom männlichen Geschlecht ward keiner geschont, mit Ausnahme der unmündigen Knäblein, die mit den Frauen in die Sklaverei verkauft wurden.

Die Zahl der in der Stadt selbst und der im vorausgegangenen Gefechte Umgekommenen belief sich auf 15.000, jene der Gefangenen auf 2.130.

Das Unglück der Galiläer hatte sich am 25. des Monates Däsius ereignet.


Auch die Samariter blieben vom Unheil nicht unberührt. Sie hatten sich nämlich auf dem Berg Garizin, der ihnen bekanntlich heilig ist, zusammengerottet und bildeten, obwohl sie sich von hier zunächst nicht entfernten, doch schon durch die ganze Art dieser Versammlung, wie auch durch den Geist, der in ihr herrschte, eine beständige Kriegsgefahr.

Selbst das Unglück ihres Nachbarlandes konnte sie nicht witzigen, und die Waffentaten der Römer hatten bei ihnen nur die Wirkung, dass sie ohne jede Rücksichtnahme auf die Schwäche der eigenen Kräfte erst recht sich aufblähten. So warteten sie nur auf das Zeichen zum Losbrechen.

Vespasian aber beschloss, der Bewegung keine Zeit zu lassen und die revolutionären Pläne der Samariter zu durchkreuzen, da selbst von den im gesammten Samaritergebiet verteilten römischen Besatzungen ein so zahlreicher und wohl vorbereiteter Feind, auch nur an einem einzigen Punkte des Landes concentriert, mit Recht zu fürchten war.

Er schickte also den Legaten der fünften Legion Cerealis mit 600 Reitern und 3.000 Fußsoldaten dorthin ab.

In Anbetracht der feindlichen Übermacht, die den Berggipfel besetzt hielt, schien es dem Cerealis zu gefährlich, dort hinaufzurücken und oben mit den Samaritern anzubinden: dafür umschloss er mit seiner Truppenmacht die ganze untere Seite und behielt so seine Gegner den ganzen Tag wohl im Auge. Zum Unglück für die Samariter, denen es ohnehin an Wasser fehlte, herrschte gerade damals, da es Sommer war, auch noch eine ungeheure Hitze, und war die Menge nicht einmal mit dem Allernötigsten versorgt.

Die Folge war, dass noch am nämlichen Tage einige vor Durst verschmachteten, viele andere aber, weil ihnen doch die Knechtschaft lieber war, als ein so elendes Ende, zu den Römern überliefen.

Als nun Cerealis von diesen Überläufern erfahren hatte, dass auch die noch zurückgebliebenen Samariter durch die Not ganz gebrochen wären, zog er den Berg hinauf, umzingelte mit seinen Truppen den Feind und richtete an die Samariter zunächst die Aufforderung, sich auf Gnade zu ergeben, und bot ihnen die Hand zur Rettung, mit der bestimmten Zusicherung freien Abzuges, falls sie die Waffen niederlegen würden.

Sein Zureden half nichts, und so ließ er denn stürmen, wobei er alle, im Ganzen bei 11.600, niedermetzelte. So geschehen am 27. des Monates Däsius. Das war das große Unglück der Samariter.


Unterdessen hatte die Besatzung auf Jotapata immer noch Stand gehalten und wider Erwarten selbst der furchtbarsten Not getrotzt, als am 47. Tage der Belagerung die Dämme der Römer selbst die Höhe der Mauer schon überschritten.

Da stellte sich nun am nämlichen Tage ein Überläufer bei Vespasian ein und brachte ihm die Kunde, dass die Zahl der Verteidiger schon sehr zusammengeschmolzen und ungemein entkräftet wäre: durch fortwährendes Nachtwachen und unausgesetzte Kämpfe erschöpft, würden sie, meinte der Verräter, wohl schon den nächsten Sturm nimmer aushalten können: aber ebenso sicher könnten sie durch einen listigen Handstreich überrumpelt werden, wenn einer die Keckheit dazu besäße.

Denn um die letzte Nachtwache, berichtete er weiter, pflegten selbst die Wachen einzuschlafen, weil sie um diese Zeit doch noch am wenigsten fürchten zu müssen glaubten, und weil sich bei den müden Leuten zu allermeist gerade gegen Morgen hin der Schlaf einstelle. So empfahl denn der Jude diese Zeit zum Angriff.

Dem Vespasian kam die Meldung des Überläufers verdächtig vor: kannte er ja doch zu gut das treue Zusammenstehen der Juden untereinander, wie auch ihre Todesverachtung.

So war schon früher einer aus Jotapata aufgegriffen worden, welcher allen möglichen Folterpeinen trotzte und selbst dann, als man ihn mit brennenden Fackeln quälte, um ihn zum Reden zu bringen, dennoch den Feinden nicht das mindeste über die Lage im Innern der Veste mitteilte, ja noch am Kreuze der Todesqual lachen konnte!

Doch sprach diesmal die ganze Natur der Umstände für die Glaubwürdigkeit des Verräters, und so befahl denn Vespasian in der Erwartung, dass der Mann am Ende doch die Wahrheit sagen könnte, und dass auch von einer etwa gelegten Falle die Römer keinen allzugroßen Schaden haben würden, dem Heere, sich zur Eroberung der Stadt bereit zu halten, den Überläufer aber unterdessen in Gewahrsam zu bringen.


Um die angegebene Zeit schlichen sich die Römer an die Mauer heran.

Der erste, der hinaufstieg, war Titus mit dem Tribunen Domitius Sabinus, gefolgt von einigen wenigen Legionären der fünften und zehnten Legion.

Nachdem man die Wachen niedergestochen, drang man in aller Stille in die Stadt, ihnen nach ein Tribun, namens Sextus Calvarius, und Placidus an der Spitze der Soldaten ihres Kommandos.

Schon war die Höhe der Stadt in der Gewalt der Römer, und streiften die Feinde bereits mitten durch die Stadt, ja, es war schon der Morgen angebrochen, als die Opfer des Überfalles noch immer nichts von der Einnahme der Stadt merkten.

Die meisten lagen noch, von Müdigkeit und Schlaf hingestreckt, und auch jene, die schon aufgestanden waren, konnten wegen des dichten Nebels, der sich gerade an diesem verhängnisvollen Morgen um die Stadt gelegt hatte, nicht weiter ausblicken.

Endlich, als schon das ganze Römerheer in die Stadt hineingeströmt war, erhoben sich ihre Verteidiger, aber einzig nur dazu, um ihr ganzes Unglück zu überschauen und erst im Todesstreich, den sie von den Feinden empfingen, an ihren Fall zu glauben.

Die Erinnerung an die während der Belagerung ausgestandenen Drangsale ließ in den Römern kein Gefühl der Schonung und keine Regung des Mitleides aufkommen. Von der Höhe der Stadt aus drängten sie das Volk in dichten Haufen die Abhänge hinunter und mordeten nach Herzenslust.

Auch jene, die noch hätten kämpfen können, beraubte die schwierige Stellung jeder Möglichkeit einer Verteidigung. In den engen Gassen eingezwängt und den abschüssigen Boden hinunterrutschend, wurden sie von dem aus der Höhe niederbrausenden Kriegerstrom einfach verschlungen!

Diese Ohnmacht erbitterte viele, namentlich aus den Elitetruppen des Josephus, dermaßen, dass sie selbst Hand an sich legten. Wie sie nämlich sehen mussten, dass sie gar keinem Römer beikommen könnten, so wollten auch sie nicht unter der Hand derselben fallen, sondern tödteten sich selbst am unteren Ende der Stadt, wohin sie sich zurückgezogen hatten.


Einige Wachen hatten sich übrigens bei der ersten Wahrnehmung vom Falle der Stadt noch rechtzeitig flüchten können und waren auf einen der Nordtürme gestiegen, von wo aus sie noch einige Zeit den Feind abzuwehren vermochten. Erst als sie von der feindlichen Masse schon fast erdrückt wurden, boten sie – freilich zu spät – ihre Ergebung an und ließen sich nun widerstandslos von den heraufstürmenden Feinden hinschlachten.

Bald hätten die Römer auch noch den Ruhm gehabt, dass der Ausgang der Belagerung für sie ganz unblutig abgelaufen, wenn nicht der Centurio Antonius bei der Erstürmung als deren einziges Opfer sein Leben eingebüßt hätte.

Er fiel in einem Hinterhalt. Einer von denen, die sich in die Höhlen geflüchtet hatten – und das hatten viele getan – bat nämlich den Antonius flehentlich, ihm doch zum Zeichen der Gnade und zur Nachhilfe beim Heraufsteigen aus der Höhle seine Hand zu reichen.

Antonius war so unvorsichtig, es zu tun und, ehe er sich’s versah, hatte ihm der Jude von unten herauf den Spieß in die Weichteile gerannt, so dass er auf der Stelle genug hatte.


An jenem Tage nun räumten die Römer zunächst mit der Masse von Menschen auf, die sie ober der Erde antrafen; an den folgenden aber durchstöberten sie die unterirdischen Verstecke und gingen jenen zu Leibe, die in den geheimen Gängen und Höhlen sich befanden. Sie nahmen dabei auf kein Alter Rücksicht und schonten nur unmündige Kinder und Frauen.

An solchen Gefangenen machte man insgesammt 1.200, während die ganze Zahl der bei der Erstürmung und in den früheren Kämpfen Umgekommenen sich auf 40.000 belief.

Vespasian ließ darauf die Stadt dem Erdboden gleichmachen und alle Festungswerke in Brand stecken.

Das ist der Verlauf der Einnahme von Jotapata. Sie war im dreizehnten Jahre der Regierung Neros am Neumond des Panemus erfolgt.