Schleifung der Stadt. Ansprache des Titus an sein Heer und Austeilung der Siegespreise. Verabschiedung des Heeres. Titus zieht nach Cäsarea am Meere.


Da jetzt der Grimm der Soldaten gar keine Nahrung mehr fand, und das Heer nichts mehr zu morden und zu rauben hatte – denn sicher war es nicht das Gefühl der Schonung, das die Römer zurückgehalten haben würde, falls es für sie noch etwas zu tun gegeben hätte – so befahl ihnen der Cäsar, die ganze Stadt und den Tempel abzugraben: stehen lassen sollten sie nur die Türme, welche alle anderen überragten, den Turm Phasael, Hippikus und Mariamne, wie auch das Stück der Festungsmauer, das die Stadt von der Abendseite her schützte. Die Mauer sollte der zurückzulassenden Besatzung zum Lager dienen, die drei Türme aber den künftigen Geschlechtern ein Wahrzeichen sein sowohl für die Macht der Stadt, der die römische Tapferkeit Meister geworden, als auch für die merkwürdige Art und Weise, wie ein so festes Bollwerk ihnen in die Hände fallen konnte.

Die ganze übrige Ringmauer wurde von den Arbeitern so gründlich geschleift, dass kein Fremder mehr sich hätte an Ort und Stelle überzeugen können, ob irgend je hier Menschen gewohnt haben. Das war also das entsetzliche Ende, das Jerusalem, die Prächtige und bei allen Völkern Gefeierte, dank der Verblendung ihrer aufrührerischen Kinder, gefunden hat!


Als Besatzung sollte nach dem Beschlusse des Cäsars die zehnte Legion nebst einigen Reitergeschwadern und Cohorten Fußvolk in Jerusalem zurückbleiben. Da jetzt die militärische Aufgabe für Titus soviel wie gelöst war, so drängte es ihn nunmehr, dem gesammten Heere für seine glänzenden Leistungen die öffentliche Anerkennung auszusprechen und denen, die sich besonders ausgezeichnet hatten, die verdienten Ehrenpreise zu übergeben.

Zu diesem Zwecke betrat er in Begleitung seiner Unterfeldherrn eine große Estrade, die man ihm in der Mitte des früheren Lagers errichtet hatte, und hielt von da folgende, auch dem letzten Mann noch vernehmliche Ansprache: „Zunächst muss ich euch, Soldaten, meinen innigsten Dank für die Anhänglichkeit aussprechen, die ihr meiner Person bis zur Stunde unentwegt bewahrt habt.

Ich kann aber auch nicht umhin, euch meine volle Anerkennung für den pünktlichen Gehorsam auszusprechen, den ihr mir während des ganzen Feldzuges unter sovielen und schweren Gefahren mit der heldenmütigsten Selbstaufopferung geleistet habt. Ihr habt dadurch ebensowohl dem Vaterlande seine innere Kraft gemehrt, als auch der ganzen übrigen Welt den klaren Beweis geliefert, dass auch der zahlreichste Feind mit seinen stärksten Vesten und größten Städten, dass die unsinnigste Verwegenheit und eine geradezu bestialische Wildheit seiner Heerscharen niemals dem römischen Schwerte zu entrinnen vermögen, und sollten auch manche Völker, wie die Juden, selbst das Glück nicht selten unter ihren Fahnen finden.

Somit habt ihr nun auch dem langwierigen Kriege ein Ende und zwar ein glorreiches Ende gemacht. Denn unsere kühnsten Erwartungen, mit denen wir in den Kampf gezogen, sind eingetroffen.

Was aber für euch noch schöner und glanzvoller ist, das ist die Tatsache, dass ihr durch Männer eurer Wahl für die Leitung und Verwaltung des römischen Reiches gesorgt und sie glücklich nach Italien geleitet habt, wie auch, dass dieses Haus sich der allgemeinsten Sympathie erfreut, und nicht minder die von ihm erflossenen Erkenntnisse treuen Gehorsam, als die Wähler selbst überall dankbare Herzen finden.

Obgleich sich demnach alle insgesammt einen Anspruch auf meine Bewunderung und Liebe erworben haben, da das Wollen bei jedem mit seinem Können gleichen Schritt gehalten hat, so muss ich doch jenen, die, dank ihrer größeren Körperstärke, sich im Kampfe besonders rühmlich gehalten und so nicht bloß ihre eigene Laufbahn mit Lorbeeren bestreut, sondern auch dem Ruhm meines Heeres durch ihre Waffentaten neuen Glanz verliehen haben, schon jetzt gleich die verdienten Ehrenpreise und Auszeichnungen zuteil werden lassen, damit keinem einzigen von denen, welche da mehr, als andere, tun wollten, die gebürende Entlohnung vorenthalten werde.

Es soll mir dies eine wahre Herzenssache sein, weil es mir viel mehr Freude macht, wenn ich die Tapferkeit meiner Kriegsgefährten ehren kann, als wenn ich ihre Nachlässigkeit strafen muss“.


Auf einen Wink von Titus begannen sofort die dazu bestellten Soldaten die Liste jener Krieger abzulesen, welche im Feldzug Hervorragendes geleistet hatten.

Nach dem Namensaufruf, den Titus persönlich vornahm, ließ er zunächst den Betreffenden vortreten und belobte ihn mit Ausdrücken der herzlichsten Freude, die nicht größer hätte sein können, wenn ihm selbst alle diese Taten angehört hätten. Hierauf setzte er ihnen goldene Kränze aufs Haupt, schlang um ihren Nacken goldene Ketten, gab ihnen lange, goldene Speere und aus Silber gearbeitete Fähnchen und ließ bei jedem zugleich eine Rangserhöhung eintreten. Doch auch von der Kriegsbeute bekamen sie noch Silber und Gold und Kleider und sonstigen reichlichen Anteil.

Nachdem so Titus einen jeden nach seiner besten Überzeugung ausgezeichnet hatte, sprach er dem gesammten Heere seine Glückwünsche aus und stieg dann unter begeisterten Ovationen von der Estrade, um die Dankopfer für den Sieg darzubringen. Es stand zu diesem Zwecke schon eine stattliche Anzahl von Opferstieren an den einzelnen Altären bereit, deren Fleisch er nach dem Opfer den Soldaten zum Festschmause überließ.

Er selbst feierte mit seinen Generälen ein dreitägiges Siegesfest. Hierauf verabschiedete er das Heer, soweit es nicht zu den Legionen gehörte, und ließ jeden ziehen, wohin es ihm beliebte. Die zehnte Legion, die früher am Euphrat stationiert gewesen, schickte er nicht mehr an ihren alten Standort zurück, sondern betraute sie mit der Besetzung Jerusalems, während die zwölfte Legion zur Strafe für ihr schmähliches Zurückweichen unter Cestius die syrische Provinz, wo sie seit Alters in Raphaneä gelegen hatte, vollständig räumen musste und nach dem Bezirk von Melitene am Euphrat an der Grenze von Armenien und Kappadozien verlegt wurde.

Zwei Legionen, die fünfte und die fünfzehnte, durften den Cäsar noch auf seiner Rückkehr nach Ägypten begleiten.

Vorderhand begab er sich mit seinem Heere nach Cäsarea am Meere hinab, um dort die ungeheure Kriegsbeute zu bergen und die Gefangenen sicherer bewachen zu können. Denn an eine Überfahrt nach Italien konnte er jetzt wegen des nahen Winters nicht mehr denken.