10.798 biblische Andachten und Predigten von Spurgeon, MacArthur, MacDonald, Christlieb, Eichhorn, Hofacker, Zinzendorf, Luther ...

Predigten zu Apostelgeschichte 19,30

"Als aber Paulus unter das Volk gehen wollte, ließen die Jünger es ihm nicht zu."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
Zitate von Alfred Christlieb anzeigen

Paulus bleibt auf Anraten der Jünger dem Aufruhr fern.

1. Auch gute Pläne großer Gottesmänner müssen bisweilen unterbleiben.

Unser Text führt uns aus der lärmenden, tobenden Volksversammlung in die stille Friedensluft des Jüngerkreises. Dort zeigt sich uns ein scheinbar unwichtiges aber doch sehr lehrreiches Bild. Paulus will hinaus in die Volksversammlung, fügt sich aber dem gemeinsamen Widerstand der Jünger und gibt sein Vorhaben auf.

Dieses Zurückbleiben des Paulus auf das Anraten der Jünger soll uns beschäftigen. Der Mann, welcher hier einen Entschluss fasst, ist der gesegnetste Zeuge und Apostel Jesu, ein Mann von lauterster Gesinnung. Sein Plan, unter das Volk zu gehen, war durchaus edel. Er entsprang aus Liebe. Seine beiden Gefährten Gajus und Aristarchus waren vom Volkshaufen ergriffen und mitgeschleppt worden (Vers 29). Die gegen ihn selbst gerichtete Wut hatte sich auf diese zwei geworfen. Lag es da nicht für den Apostel nahe, sich zur Verfügung zu stellen, damit diesen zweien Erleichterung und Hilfe zuteil würde? Ihm lag nur das Beste am Herzen. Liebe zu den Brüdern und Sorge um die Sache des Evangeliums trieben ihn zu seinem Entschluss. Er hatte die Absicht, der verführten Volksmenge Klarheit und der in Unruhe geratenen Stadt wieder Ruhe und Frieden zu verschaffen. Und doch zeigte es sich, dass dieser gute Plan besser unterblieb. Er selbst gestand dies durch die Tat ein.

Wenn ein Mann von solcher Nüchternheit und Klarheit, von so tiefer Erkenntnis der Wege und des Willens Gottes, von solcher Aufrichtigkeit und Selbstlosigkeit einen Plan aufgeben musste, wieviel Ursache haben wir dann, gegen unsere eigenen Pläne und Entschlüsse misstrauisch zu sein, die wir doch alle an innerer Erleuchtung und göttlicher Erkenntnis unendlich tief unter Paulus stehen. (Römer 12, 17 a; 1. Samuel 25, 13)

2. Es liegt in der Gemeinschaft der Jünger Jesu eine bewahrende Macht.

Paulus stand den Christen in Ephesus als Hirte und Lehrer gegenüber. Er war ihr Führer. Seine Überlegenheit in geistlichen Dingen schloss aber nicht aus, dass die eingeborenen Gemeindeglieder ihn an praktischem Blick für die Gefahr, an richtiger Einschätzung der Volksleidenschaft übertrafen. Mit dieser ihrer Erkenntnis hielten sie nicht zurück. Sie stimmten nicht etwa in falscher Ehrfurcht dem großen Apostel in jedem Stück ohne weiteres zu. Vielmehr blieben sie in ihrem Urteil ihm gegenüber trotz aller Ehrerbietung durchaus selbständig. Sie wagten es, seinen Plan nicht gut zu heißen, sondern abzulehnen. Sie setzten seiner Meinung ihre berechtigte Überzeugung entgegen.

Auch ein Paulus musste sich dies gefallen lassen. Er musste sich durch Brüder aufmerksam machen, warnen und berichtigen lassen.

Eine rechte Gemeinschaft duldet nie, dass der einzelne ein unnahbarer Papst wird. Einer tritt dem andern, wo es nötig ist, entgegen, warnt ihn und hält ihn von gefährlichen Wegen zurück. So ergänzen, erziehen und bewahren sich die Gläubigen untereinander.

Die Ewigkeit wird einmal all den Segen offenbaren, den Gott uns durch Brüder, besonders durch selbständige, anders urteilende Christen gegeben hat. Lasst uns diesen Segen recht schätzen und ihm nie aus dem Wege gehen. (1. Korinther 12, 21 - 26; 1. Samuel 25, 26; 1. Thessalonicher 5, 11)

3. Das echte Kennzeichen eines Gottesmannes ist die Demut, die sich raten lässt.

Es gibt Menschen, die es nicht vertragen können, wenn Brüder anderer Meinung sind als sie selbst. Zu solchen gehörte Paulus nicht. Die Verschiedenheit der Meinungen hat in jenen Augenblicken auch nicht den leisesten Schatten auf das schöne Verhältnis zwischen beiden Teilen geworfen. Paulus wurde nicht verstimmt, gekränkt und beleidigt. Er wollte nicht recht behalten. Er verlangte nicht, das letzte Wort zu sagen und den Ausschlag geben zu müssen. Vielmehr war Paulus demütig genug, sich dem Rat der Brüder zu fügen.

Diese Demut zeigt uns den echten Gottesmann. Sein apostolisches Ansehen litt durch dieses Nachgeben keinerlei Schaden. Im Gegenteil! Seine Demut lässt ihn im Urteil jedes biblisch denkenden Menschen nur noch höher steigen. Diothrephes würde nicht so gehandelt haben (3. Johannes 9. 10). Paulus war das Gegenteil jenes stolzen und herrschsüchtigen Mannes. Lasst uns der Demut des Paulus, die sich von Brüdern sagen ließ, nachfolgen (Jakobus 3, 17; Sprüche 11, 2 b; Zephanja 2, 3)