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Predigten zu Apostelgeschichte 22,18

"und ihn sah, der zu mir sprach: Eile und geh schnell aus Jerusalem hinaus, denn sie werden dein Zeugnis über mich nicht annehmen."

Autor: Alfred Christlieb (* 26.02.1866; † 21.01.1934) deutscher Theologe
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Eine aussichtslose Arbeit

Wenn wir der wunderbaren Unterredung zwischen Jesus und Paulus im Tempel zu Jerusalem lauschen, so fällt uns auf, dass - menschlich geredet - eine Meinungsverschiedenheit zwischen Jesus und Paulus entstand. Worin bestand dieselbe? Der Herr erklärte die Tätigkeit des Saulus in Jericho für aussichtslos. Saulus dagegen hielt sie für hoffnungsvoll. Bei diesem Unterschied lasst uns verweilen.

I.

Wenn wir die Einwendung des Saulus hören ("Herr, sie wissen selbst, dass ich gefangen legte ..."), so ist das eine menschliche Berechnung. Saulus denkt, weil seine frühere feindliche Stellung gegen das Christentum stadtbekannt sei, so müsse gerade sein Zeugnis besonderen Eindruck machen und Frucht bringen.

Diese Berechnung schien richtig zu sein. Sollte man nicht annehmen, dass die Sinnesänderung eines solch fanatischen Christusfeindes ihre Wirkung nicht verfehlen könne? Sollte da nicht die Stellung aller übrigen Christusfeinde erschüttert werden, selbst die der Mitglieder des Hohen Rates?! Wie oft ist es späterhin auch wirklich so gewesen, dass die Bekehrung eines Hauptgegners Christi Anlass zur Erweckung wurde! Die Berechnung von Paulus schien also richtig zu sein.

Dennoch verwirft der Herr sie. Er sagt: "Sie mögen noch so viel wissen von deiner früheren und jetzigen Stellung. Trotzdem wird dein Wort bei ihnen nicht angenommen werden." Hier wollen wir die erste Lehre aus dieser Mitteilung ziehen: Im Reich Gottes ist menschliche Berechnung etwas sehr Unsicheres. Wir können mit unserem Verstand noch so feine Pläne entwerfen und noch so sicher auf Erfolg rechnen. Wenn Gott einen anderen Weg geht, so nützt unsere beste und klügste Berechnung gar nichts. Darum: "Verlass dich auf den Herrn und verlass dich nicht auf deinen Verstand" (Sprüche 3, 6).

Berechnen konnte auch ein kluger Ahitophel. Berechnen konnte auch ein raffinierter Judas. Berechnen konnte auch ein gewissenloser Kaiphas. - Menschliche Klugheit aber macht Bankrott.

Wie klug berechnet ein Mose: Wenn ich als Sohn der Tochter Pharaos mich auf die Seite des unterdrückten Sklavenvolkes stelle, so werden sie das hören und mir jauchzend zufallen. (Apostelgeschichte 7, 25). Die Berechnung schien richtig. Aber es kam anders. Sie vernahmen nichts und lehnten ihn als Führer und Retter ab!

Lasst uns doch niemals allzu fest auf unsere Klugheit und unsere menschlichen Berechnungen bauen.

II.

Nicht nur eine kluge Berechnung wird zuschanden. Eine zweite Beobachtung drängt sich uns auf: Auch die richtigste und vollkommenste Arbeit kann fruchtlos bleiben. Der Herr sagt: "Sie werden nicht annehmen dein Zeugnis von mir."

Was ist die beste und richtigste Arbeit im Reich Gottes? Ein wirkliches Zeugnis von Jesus, wie Saulus es gewohnt war. Er hielt nichts von klugen Vorträgen, sondern bezeugte den Heiland, den er aus Erfahrung kennengelernt hatte.

War diese Arbeit nicht mustergültig? Sollte man nicht sagen: Solch ein Zeugnis von Jesus muss Frucht schaffen, weil Jesus selber gesagt hat: "Ihr sollt meine Zeugen sein!" (Apostelgeschichte 1, 8). Und doch! Wohl wird des Saulus Arbeit nicht getadelt und keine Änderung derselben verlangt. Der Herr aber teilt ihm mit: "Man wird dein Wort nicht annehmen."

Das sagt uns: Nicht jede Arbeit, ob sie auch der Vorschrift Jesu entspricht, muss Frucht schaffen. Man kann Arbeit tun, an der keiner etwas auszusetzen vermag, die Jesus zum Inhalt hat, deren Träger ein lauterer Zeuge Jesu ist, und dennoch bleibt eine Erweckung zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten aus.

Es ist sehr heilsam, seine Arbeit zu prüfen, ob sie ein wirkliches Zeugnis für Jesus ist. Es ist aber nicht gut, zu verzweifeln, falls diese Arbeit nicht das ausrichtet, was wir erhofften und wünschten.

Hat nicht auch Jesus in seiner Vaterstadt kaum etwas ausrichten können? Haben nicht Jeremia und andere Propheten das lautere Wort Gottes richtig gebracht? Und doch mussten sie betrübende Erfahrungen machen.

Nicht jede richtige Arbeit hat in jedem Falle die Verheißung des von uns gewünschten Erfolges. Trotzdem bleibt es dabei: "Mein Wort soll nicht leer zurück kommen" (Jesaja 55, 11).

III.

Eine noch schmerzlichere Erfahrung macht Saulus. Seine Einwendung enthielt eine stille Bitte, ob ihm nicht doch ein Fruchtbringen im eigenen Volk geschenkt werden könne. Glühende Liebe zu seinem Volk legt ihm die Worte auf die Lippen. Wird er wohl erhört?

Nein! Die in seinen Worten liegende Bitte wird abgeschlagen.

Auch daraus wollen wir lernen. Nicht jede Berechnung, ob sie noch so richtig erscheint, nicht jede Arbeit, ob sie noch so gut sein mag, auch nicht jede Bitte, ob sie noch so dringend ist, erreicht das von uns gewünschte Ziel. Gewiss ist Gebet das wirksamste Mittel im Reich Gottes und hilft mehr als alle Klugheit, Begabung und Anstrengung. Wir wollen auch allzeit das Gebet als Hauptwaffe führen und uns durch nichts davon abbringen lassen.

Aber wir wollen nie meinen, dass wir durch unser Gebet gerade den von uns gewünschten Erfolg in jedem Fall erzielen müssten.

Einem Mose wird die Bitte abgeschlagen, in das Land der Verheißung zu kommen. Einem Elias wird versagt, unter dem Wacholder zu sterben. Einem Paulus wird die erbetene Wegnahme des Pfahles im Fleisch nicht zuteil. Aber der Herr hat auch einen herrlichen Trost für Paulus. Er erteilt ihm den kostbaren Auftrag, Apostel der Heiden zu werden!

Nun ist es dem Paulus nicht mehr so bitter und schmerzlich, dass Jesus ihm seine eigenen Pläne zerschlägt! Nun ist er mehr als getröstet!

Auch wir wollen uns nicht entmutigen lassen, wenn der Herr Jesus unsere Berechnungen durchkreuzt und unsere Pläne verwirft. Nimmt er uns etwas, so gibt er uns Besseres dafür wieder. Wir werden ihn treu erfinden nicht nur darin, dass er unsere Gebete, Berechnungen und Arbeiten gelingen lässt, sondern auch darin, dass er uns zuweilen auch zuschanden werden lässt. Das mag treue Jünger und Zeugen Jesu in bestimmten Lagen trösten, damit sie nicht mutlos werden.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Im Tempel ging der Gottesdienst seinen gewohnten Gang. Die Rauchsäule stieg vom Altar und die Priester besorgten in feierlicher Stille ihre Geschäfte und die Beter berührten mit ihrer Stirn den Boden des Tempelhofs. Unter den Betern war auch Paulus und nun trat Christus so nah und so wirksam an ihn heran, dass Paulus sein Wort vernahm. Die anderen rings um ihn ahnten nichts von dem, was geschah. Sie hielten Jesus für gerichtet und tot. Er war aber auch im Tempel bei dem, den er zu seinem Werkzeug gemacht hatte, und hier schickte er ihn aus Jerusalem fort, hinaus zu den Völkern. Sein Gebot schmerzte Paulus tief. Es waren mehr als zwei Jahre, seit er zur Vernichtung der Christenheit nach Damaskus gezogen war. Nun stand er wieder im Tempel nicht mehr als Gottes Widersacher, der sich an Christus ärgerte, sondern mit der großen Dankbarkeit in der Seele, die Gottes Gnade pries, die ihm den Christus geoffenbart hatte. Wenn er hier reden könnte, wie gerne täte er es, hier, wo Gottes Name seit alters her wohnte, wo die ihm geheiligte Gemeinde sich zu Gott nahte, wo alle wussten, wie er sich einst dem Christus widersetzt hatte. Wenn er hier reden dürfte nach seiner Regel: „Ich glaube, darum rede ich“, und die, die mit ihm gesündigt hatten, bitten dürfte: „Seid versöhnt mit Gott,“ wie gern täte er es! Aber der Wunsch seiner Seele muss schweigen; denn Jesus sagt ihm: „Geh!“ Wie Jesus einst seine Gemeinde gegen Paulus schützte, so schützt er nun auch ihn gegen seine Verfolger. Weil er aber weiß, wie fest das Herz des Paulus an Jerusalem hängt, macht er ihn selbst durch sein eigenes Gebot von der heiligen Stadt los, die bereit war, ihn zu töten. Somit verließ Paulus den Tempel in der Gewissheit, sein Weg führe ihn in die Weite, und er begann ihn im Gehorsam gegen Jesu Gebot. Was ist schöner als ein solcher Anblick, schöner als der Gehorsam, der den eigenen Wunsch verleugnet, nicht einem sündlichen, sondern einen wohlbegründeten, aber eigenen, und dem Herrn gehorcht? Wenn ich mich besinne, was Paulus seine Stärke gab, so gibt mir dazu Lukas die Antwort: Paulus hat Jesus gehorcht.

Ich will den Gehorsam nicht nur an Dir, o Jesus, schauen und verehren und an denen, die Du zu Deinen Boten machtest, sondern möchte ihn auch selber haben. Dass sie Dir gehorchen, das ist nicht nur die Ehre und Kraft Deiner ersten Boten, sondern Deiner ganzen Schar. Um dieses Geschenk Deiner Gnade bitte ich Dich. Amen.