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Predigten zu Jesaja 29,10

"Denn der HERR hat einen Geist tiefen Schlafes über euch ausgegossen und hat eure Augen verschlossen; die Propheten und eure Häupter, die Seher, hat er verhüllt."

Autor: Carl Olof Rosenius (* 03.02.1816; † 24.02.1868) schwedischer Laienprediger und Initiator einer neuevangelischen schwedischen Erweckungsbewegung

"Der Herr hat euch einen Geist des harten Schlafs eingeschenkt und eure Augen zugetan."

Hier ist etwas überaus Bedenkenswertes und zugleich Erschreckliches: Der große, liebreiche Gott straft schließlich Seine Verächter so, dass Er sie zu ihrem ewigen Verderben verblendet. Es ist derselbe gnadenreiche Gott, der eine so brennende Liebe zu den Menschen hat, dass Er Seinen eigenen Sohn für uns dahingegeben hat und den unwürdigsten Sündern alle ihre Vergehen gegen Sich vergibt, sobald sie dem Sohn huldigen und Seine Jünger werden. Es ist der Gott, der beständig den armen Kindern alle ihre Sünden vergibt und ihnen schließlich die ewige Herrlichkeit geben will, obwohl sie lauter Zorn verdient haben. - Dieser liebreiche Gott schenkt einigen Menschen einen "Geist des harten Schlafs ein" zur unabdingbaren Verblendung und Verstockung nämlich derjenigen, die Seiner gnädigen Einladung widerstehen und nur mit äußeren Werken vor Ihm heucheln. Und dieses erschreckliche Strafgericht hat Er über das Eigentumsvolk, über die Kinder Seines Freundes Abraham ergehen lassen, als sie vor Ihm zu heucheln anfingen. Hier müssen wir die furchtbare Gerechtigkeit Gottes sehen: "Gott lässt sich nicht spotten!" Während Er überaus gnädig gegen die armen Sünder ist, die Seine Stimme hören und sich zur Buße und zum Glauben führen lassen, ist Er aber auch ein schrecklicher Rächer an den Verächtern, die Seinem Gnadenrufe widerstehen.

Möge niemand denken, dass diese furchtbare Regierung Gottes nur der alttestamentlichen Zeit angehört. Auch der milde Heiland spricht mitten in Seinem liebevollen Eifer um die Menschen dasselbe Urteil über diejenigen aus, die Ihn damals hörten, Seiner Stimme aber nicht gehorsam waren und dieselbe nicht zur Buße und zum Glauben annehmen wollten. Bedenke, dass Er ausdrücklich (Mt. 13) sagt, Er rede "deshalb" in Gleichnissen, damit einige aus dem Volke es nicht fassen sollten. Er sprach: "Diesen ist es nicht gegeben." - "Wer nicht hat, von dem wird genommen, was er hat." Und was ein solcher "nicht hat", ist die Empfänglichkeit für die Stimme Gottes, wenn dieselbe ihn anredet. Und was ihm dann "genommen" werden soll, das ist das eigentliche Licht. So sagt der Apostel auch 2. Thess. 2,10 u. 11: "Dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, auf dass sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie der Lüge glauben." Sieh, so weit geht der gerechte Zorn Gottes in dem Verblendungsgericht über Seine Verächter, dass Er ihnen nicht nur das Licht vorenthält, sondern ihnen auch kräftige Irrtümer sendet, auf dass sie der Lüge glauben und verdammt werden.

Dieses letztere erklärt auch einen Fall, der oft wohlmeinende Christen beunruhigt, dass nämlich zu gewissen Zeiten, vor allem, wenn das Evangelium in einem Lande mit Kraft und Segen gepredigt wurde, daselbst auch die schlimmsten Irrtümer entstehen und durch Reden und Schriften verbreitet werden, ja, offenbare Angriffe gegen den Glauben an Gott und Christus gemacht werden. Dann erschrecken die Kinder Gottes bei dem Gedanken an die vielen, die von den Hauptwahrheiten weggeführt und zu vollständigen Verleugnern verwandelt werden. Aber dann sollen wir wissen, dass solche Fälle Strafgerichte Gottes über die Unbussfertigen sind, die trotz der ihnen angebotenen freien Gnade Gottes sich nie sagen lassen, sondern immer dem Geist Gottes widerstehen. Doch wir dürfen Gottes Gerichte nicht tadeln, auch wenn sie sich in einem so erschrecklichen Zorn zeigen, dass Er denjenigen kräftige Irrtümer sendet, die der Wahrheit nicht glauben wollen. Es ist gewiss sehr schmerzlich, ja, eine entsetzliche Sache, zu schauen, wie unsterbliche Seelen so irregeleitet und verhärtet werden sollen, dass sie "der Lüge glauben, auf dass sie gerichtet werden sollen." Wir müssen dabei aber bedenken, dass es auch nichts Geringes ist, was sie gegen den großen Herrn begangen haben, als sie Seiner freien Gnade widerstanden und sie verachteten. Sie hörten z. B. nicht nur Sein Wort in der deutlichsten Weise verkündigen, sondern sahen auch das Werk Seines Geistes im Lande an der Bekehrung vieler Menschen, widerstanden aber der darin liegenden kräftigen Warnung. Während sie vielleicht auch Sein zärtliches Klopfen an ihren eigenen Herzen fühlten, haben sie aber doch alles verachtet und sind zur Welt und ihrer Eitelkeit gegangen.

Einer solchen erschrecklichen Gottesverachtung muss auch ein so erschreckliches Gottesgericht folgen. Gott ist grösser als der Mensch. Es ist gewiss entsetzlich, dass Menschen verlorengehen werden; es ist aber nicht weniger entsetzlich, dass der große Gott verachtet und verspottet wird. Es wird gewiss ein erschrecklicher Anblick sein, wenn der Richter am Jüngsten Tag die Unseligen in die ewige Pein hinwegweisen wird. Aber dann wird Gott den Gerechten so groß und so herrlich sein, dass sie die Bosheit der Unbussfertigen nicht für geringer als ihre Strafe halten werden, so dass sie unter unaussprechlicher Verwunderung über die große Gnade und Langmut Gottes, die sie trotz aller ihrer Sünde und Unwürdigkeit errettet hat, hinsichtlich der Unseligen die Gerechtigkeit Gottes bekennen und sprechen werden: "Herr, allmächtiger Gott, Deine Gerichte sind wahrhaftig und gerecht!" Das müssen wir bedenken, wenn kräftige Irrtümer diejenigen irreführen, die die Wahrheit zwar gehört, aber verachtet haben. Das Strafgericht ist entsetzlich, aber nicht grösser als ihre Versündigung. Wenn uns Gottes Strafgericht zu hart zu sein scheint, rührt dies nur daher, dass wir Gott nicht für so groß halten, wie Er ist.

Lassen wir Ihn aus den Augen, Finden wir was andres gut, So erfahren wir gewiss, Unser Licht sei Finsternis, Unser Helfen sei Verderben, Unser Leben lauter Sterben.