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Predigten zu Jesaja 6,2

"Seraphim standen über ihm; ein jeder von ihnen hatte sechs Flügel: mit zweien bedeckte er sein Angesicht, und mit zweien bedeckte er seine Füße, und mit zweien flog er."

Autor: Samuel Keller (* 15.03.1856; † 14.11.1924) deutscher protestantischer Theologe und Schriftsteller

".. Und mit zwei Flügeln flogen sie."

Ach, wie oft steckten wir in solchen Nöten und Drangsalen drinnen, dass wir keinen Ausweg mehr sehen und klagten: Hier kann ich nicht heraus und darüber komme ich nicht weg. Ja, wenn man, wie jene Gottes-Engel, zwei Flügel hätte! Da wollte man schon darüber wegfliegen! Und wenn das Gefürchtete eintrat? Ja, was war es denn meistens? Entweder mussten sich die Felsen teilen und uns durchlassen, oder wir wurden wie von Flügeln über alle die Dornenhecken weggetragen. Traurig, wenn wir in Gottes Verheißungen die fertigen Flügel finden, aber wie ein Adlerjunges keinen Mut haben, die Flügel auch zu gebrauchen! Man sagt, der alte Adler werfe schließlich solch ein ängstliches Junges aus dem Nest, damit es in der Not fliegen lerne! Und blitzschnell schiesst er selbst zehn Meter tiefer, um für alle Fälle es mit seinen Flügeln aufzufangen. Gott macht es genau so mit uns. Er will Adler aus uns erziehen. Darum wirft er uns durch schwere Schicksalsschläge aus dem stillen Nest heraus, damit wir lernen, mit unseren zwei Flügeln zu fliegen. Es wird uns schon nichts Schlimmes geschehen: Unter uns sind seine Adlerflügel!

Wir danken dir, Herr, unser Gott, für alles! Für die Not, die uns aus der Stille herausriss, für deine Flügel, die uns schützten, und für die Flügel, die du uns gabst! Lehre uns auffahren mit Flügen wie Adler! Wenn du willst, dass wir fliegen sollen, dann segne uns das Fliegen. Amen.


Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Drei Flügelpaare hielt Jesaja für nötig, damit die Himmlischen im Tempel Gottes stehen und anbeten könnten. Mit dem einen Flügelpaar deckten sie ihr Gesicht. Denn zur Beschauung für die Augen des Geschöpfes stellt sich Gott nicht aus. Die Augen müssen verhüllt werden, wenn er gegenwärtig ist. Das ist die heilige Regel, die ich auch in jeder stillen Stunde unverbrüchlich bewahren muss. Wenn ich meine Gedanken auf Gott richte, wie rasch wird daraus Sünde, eine gottlose Hoffart, die Gottes Werk betastet, seinen Willen prüft und ein Gutachten über seine Richtigkeit abgibt. Wenn wir unser Auge forschend auf die Natur und die Menschen richten, fährt gleich unser Machtwille in unseren Blick hinein. Wir dringen in die „Gegenstände“ ein, weil wir sie uns dadurch unterwerfen und dienstbar machen, dass wir sie begreifen. Gott ist nicht mein „Gegenstand“, an dem ich meine geistige Macht erproben dürfte. Darum bedarf ich wie die Serafim die Hülle vor meinen Augen gerade dann, wenn ich im Tempel Gottes stehe, dann, wenn ich meine Bibel öffne, dann, wenn ich Jesus auf seinen Wegen mit meinen Gedanken begleite, dann, wenn ich ihn am Kreuze sterben sehe. Jener Blick, mit dem ich die Natur und die Menschen mustere, entweiht Gottes Heiligtum. Das zweite Flügelpaar gibt Jesaja den Himmlischen dazu, damit sie ihre Füße bedecken. Sie müssen ihren Leib vor Gott verhüllen; entblößt hat er nicht Raum in Gottes Licht. Auch dieser Spruch des Propheten gilt uns allen. Nicht nur das, was sündlich ist, bedarf der Vergebung und würde uns von Gott scheiden, wäre er nicht der, der uns verzeiht, sondern auch das, was Natur und darum ein uns gegebener Teil unseres Wesens ist, den wir nicht von uns entfernen können, bedarf der Verhüllung, damit wir vor Gott stehen. Wir brauchen alle vor Gott nicht bloß die Reue, die das, was gottlos und ungerecht ist, beklagt, sondern auch die Scham, die nicht vergisst, dass unser natürliches Wesen uns mit dem Tier verbindet und nicht für Gottes Reich brauchbar ist. Das dritte Flügelpaar dient bei Jesaja den Himmlischen zum Flug. Es gibt keine Erkenntnis Gottes ohne die muntere Bereitschaft zu seinem Dienst. Wer im Heiligtum Gottes steht, muss beweglich sein. Wir müssen laufen können, wenn Er uns schickt, gehorchen können, wenn Er gebietet. Denn Gott macht sich mir dadurch gegenwärtig, dass Er mir seinen Willen zeigt.

Heilig bist du, unser Gott, und weil Du heilig bist, wohnst Du bei dem Loblied Deines Volks. Deine Heiligkeit gibt uns unseren Platz in der Tiefe und führt Deine Gnade aus Deiner Höhe in unsere Tiefe hinab. So richtest Du uns, die wir irdisch sind, auf zu Deiner Erkenntnis und Anbetung. Darum darf auch ich meine Tage beginnen und schließen mit Deinem Lob. Amen.


Autor: Frederick Brotherton Meyer (* 08.04.1847; † 28.03.1929) englischer Baptistenpastor

Ein jeglicher hatte sechs Flügel

Der Name „Seraphim“ bedeutet: die Brennenden; dadurch wird ihr Wesen, ihre glänzende Erscheinung, ihre inbrünstige Andacht bezeichnet. Zu ihrem Dienste bedurften sie der sechs Flügel.

  • Mit zweien deckte jeder Seraph sein Angesicht, – damit drückte er seine Ehrfurcht aus vor Gott, den er nicht anzuschauen wagte;
  • mit zweien deckte er seine Füße, – au s Demu t , weil er sich als unwürdig erkannte;
  • mit zweien flog er, – im Dienste Gottes.

Wir sollen vielleicht daraus lernen, dass nur ein Drittel unserer Zeit und Kraft in äußerer Tätigkeit umgesetzt werden soll, zwei Drittel dagegen in stillem Verkehr, in der Gemeinschaft mit Gott. Wahrscheinlich ist bei den meisten unter uns das Umgekehrte der Fall: wir widmen zwei Drittel unserer Zeit dem Fluge für Gott und nur einen Drittel unserem Umgang mit Ihm. Der in der Gemeinschaft mit Gott stehende Diener wird durch sein tiefes Einverständnis mit den Gedanken Gottes geleitet. Der Seraph wartete nicht auf einen Befehl Gottes, ehe er mit der glühenden Kohle Jesajas Lippen berührte; nein, sofort eilte der Sohn der Flamme, diesen Liebesdienst auszurichten, als ob er bereits wüsste, dass nichts anderes geschehen könne für einen Menschen, der sich als unrein erkannt hat. Die Seraphim haben dies Bekenntnis schon so oft gehört, und haben verzagenden Herzen dieselbe Stärkung schon so oft mitgeteilt, dass sie keines Winkes mehr bedürfen in dieser Beziehung. Sie kennen Gottes Gedanken, ehe Er nur ein Wort spricht. Welch ein herrliches Vorbild für unsere Arbeit im Dienste des HErrn! „Einer rief zum anderen!“ Diese heiligen Wesen munterten sich gerne auf zu höherem Lobe, zu noch würdigerer Anbetung. Also kann ein Vogel ein weites Waldrevier zum Gesang erwecken; ein Luther ein ganzes Zeitalter beleben. Ist dein Herz voll brennender Liebe? – dann suche andere auch anzufachen.