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Predigten zu Jesaja 9,15

"Der Älteste und Angesehene, er ist das Haupt; und der Prophet, der Lüge lehrt, er ist der Schwanz."

Autor: Jakob Kroeker (* 1872; † 12.12.1948) wichtigster Vertreter des freikirchlichen russländischen Protestantismus
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"Die Führer dieses Volkes sind seine Verführer geworden, und die von ihnen Geführten sind verloren."

Dies Prophetenwort war je und je das gewaltige Mene Tekel über alle Verantwortlichen innerhalb der Geschichte, die da glaubten, das Schicksal ihres Volkes ohne Verantwortung Gott gegenüber gestalten zu können. Ob es Älteste des Volkes oder Hochangesehene in der herrschenden Gesellschaft, oder Propheten innerhalb des Kultuslebens sind, lassen sie sich in ihrer Führung nicht mehr durch das Licht der Offenbarung dienen und verleugnen sie die ethischen Grundlagen im Aufbau der Kultur und in der Sicherung der Zukunft, dann sieht sich ein Volk und Land gerade durch sie wie im gegenwärtigen russischen Kulturbolschewismus zugrunde gerichtet. Das Ergebnis ist jener chaotische Gesamtzustand, wo sich zwar hoch und niedrig zur Wahrung gemeinsamer Interessen zusammenschließen, ihren Leidenschaften edle Motive zugrunde legen, ihrem Handeln den Schein des Erhabenen und Majestätischen zu geben suchen, wo aber über allem dennoch der Fluch des Verderbens liegt. "Er schneidet zur Rechten und hungert, er isst zur Linken, aber gesättigt werden sie nicht, jeder verzehrt seines Armes Fleisch, Manasse gegen Ephraim und Ephraim gegen Manasse, einig sind sie nur gegen Juda." Im russischen Kulturbolschewismus war man sich so lange einig, als es galt, revolutionär die alten Ordnungen zu untergraben und im gegebenen Augenblick zu stürzen. Als dies errungen war, "feierte der schroffste Egoismus seine Orgien, - jeder suchte so viel wie möglich zu erhaschen und bedachte nicht, dass, indem er des Bruders Ruin herbeiführte, er den Arm lähmte, der ihn selbst vielleicht noch stützen könnte. Der Bruderkrieg entbrennt, Ephraim und Manasse, diese Kinder eines Stammes, zerfleischen sich gegenseitig und vereinigen sich nur, wenn es gilt, gegen jene vorzugehen, die noch, wie damals Juda, wagen, auf Grund göttlicher Rechtsordnung ihr Leben aufzubauen.

Gottes Gerichte in der Geschichte können mithin furchtbar ernst sein. Ja, Gott kann sie mit unerbittlicher Konsequenz innerhalb jenes Volkes durchführen, das in seiner Verstockung für das Gericht ausgereift ist. Katastrophen und Gerichte von weltgeschichtlicher Bedeutung hatten immer eine entsprechende allmähliche Vorbereitung. So plötzlich die Katastrophe auch eines Tages kam, die Zeiten, bis ein Volk für sie heranreifte, umfassten nicht nur Jahrzehnte, sondern oft Jahrhunderte. Auch in der Geschichte und in der Entwicklung der Völker muss erst zur Reife gelangen, was Geschlechter vorher gesät haben, bevor die Ernte beginnt, die offenbar macht, was als Frucht fürs Leben, und was als Spreu fürs Gericht ausgereift ist.