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Predigten zu Matthäus 18,1

"In jener Stunde traten die Jünger zu Jesu und sprachen: Wer ist denn der Größte im Reiche der Himmel?"

Autor: Adolf Schlatter (* 16.08.1852; † 19.05.1938) schweizer evangelischer Theologe und Professor fürs Neues Testament
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Wie hoch stehen die Jünger über uns! Wir fragen nicht, wer der Größte im Himmelreich sei, wohl aber, wer wohl die meisten Millionen habe und wer in unserem Staatsbetrieb die mächtigste Hand habe und wer durch die Kraft seines Blicks und den Fleiß seiner Forschung der größte Denker sei. Davon reden unsere Zeitungen und dafür interessiert sich jedermann. Die Jünger fragten nicht nach solcher Größe, beschäftigten sich dagegen eifrig mit der Frage, wem Gottes alles vollendende Offenbarung die größte Größe gebe, wem er den Reichtum seiner Gnade in der herrlichsten Fülle gewähre, wem er in seinem Reich das weiteste Arbeitsfeld und den größten Machtbereich zuteile. Sie dachten nicht an die Größe, die der Mensch sich selbst erwerbe zu seiner eigenen Verherrlichung, sondern denken an das, was Gottes königliches Wirken aus uns Menschen machen wird. Gerade deshalb zerbrach ihnen Jesus ihre Frage ganz. Sie treibt sie dem Sturz entgegen. Wenn sie nicht von ihr lassen, geht ihnen nicht nur die Größe, sondern jeder Anteil am Himmelreich verloren. Für wen war nach der Meinung der Jünger Gottes Werk und Gnade da? Für wen soll sie da sein, wenn nicht für sie? Darum wurde es ihnen zum wichtigen Anliegen, wer von ihnen der am reichsten Begabte und am höchsten Gestellte sei. Ihr Verlangen streckte sich nach dem, was ihnen zuteil werden soll. Die eigensüchtige Wurzel ihrer Frage kam sofort dadurch ans Licht, dass an ihr zwischen ihnen ein Zank entstand. Weil jeder nach der größten Größe strebt, zersprengt diese Frage ihre Gemeinschaft. Damit zerstören die Jünger das, was Jesus ihnen gab; denn er hat sie zur Gemeinde vereint. Damals vergaßen die Jünger, dass sie bei Jesus beten gelernt hatten: Dein Name werde geheiligt. Das Himmelreich ist nicht deshalb gekommen, damit der Mensch groß werde, sondern damit Gott offenbar und sein Name geheiligt sei. Gottes Herrschaft geschieht freilich an uns und uns zugut und nimmt Sünde und Tod von uns weg uns zum Heil und gibt uns Gerechtigkeit und Leben uns zur Seligkeit, allein nicht dazu, damit Gottes Macht und Güte von uns erkannt und gepriesen sei. Wer von Jesus beten gelernt hat: Dein Name werde geheiligt, in dem ist die Frage nach der Größe tot.

Obwohl Dein Reich, Vater, bei uns ist, gelangen wir nicht zu ihm, weil der Schatten unserer Größe unsere Augen blendet. Gepriesen sei Deine Barmherzigkeit, die uns rettet und heilt. Mache mir Dein Wort, das unsere Größe zerbricht, zum heilenden Balsam, zum stärkenden Trank, zur Quelle der Kraft. Amen.