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Predigten zu Psalm 109,6

"Bestelle einen Gesetzlosen über ihn, und ein Widersacher stehe zu seiner Rechten!"

Autor: Charles Haddon Spurgeon (* 19.06.1834; † 31.01.1892) englischer Baptistenpastor
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Wir sahen den arglosen und unschuldigen Menschen auf seinen Knien liegen, der seine Klagen vor Gott ausschüttete. Jetzt heißt es, ihn zu beobachten, wie er von dem Gnadenthron fortgeht und von prophetischer Kraft erfüllt seinen Feinden die Vorwarnung ihrer Verdammnis entgegenhält. Wir werden ihn wie einen mit hartem Ernst bekleideten Richter sprechen hören – oder wie einen in Rache gekleideten Gerichtsengel – oder wie das blanke Schwert der Gerechtigkeit, wenn diese den Arm zur Exekution erhebt. Er spricht nicht nur um seinetwillen, sondern für alle Verleumdeten und Unterdrückten, als deren Vertreter und Sprecher er sich empfindet. Er bittet um Gerechtigkeit, und weil seine Seele von grausamem Unrecht durchbohrt wurde, bittet er mit ernster Überlegung und spart nicht mit seinen Forderungen. Bosheit zu bemitleiden, hieße, der Menschheit Unrecht zu tun; Leute zu beschirmen, die so viel Blut vergossen, wie sie nur konnten, wäre Grausamkeit gegenüber den Unterdrückten. Nein, Liebe und Wahrheit und Mitleid zeigen dem Himmel die Wunden der Gequälten und verlangen nach Vergeltung an den Feinden der Unschuldigen und Bedrückten. Wer Güte ein Verbrechen nennt und Unschuld zum Motiv für Hass macht, verdient es, bei dem großen Bewahrer der Menschen keine Gnade zu finden. Vergeltung ist das Vorrecht Gottes, und es wäre ein grenzenloses Unglück, wenn das Böse in Ewigkeit ungestraft bliebe. Somit ist es ein unaussprechlicher Segen, dass der Herr den gottlosen und grausamen Menschen Vergeltung zukommen lassen wird, und es gibt Zeiten und Gelegenheiten, in denen ein guter Mensch um diesen Segen bitten sollte. Wenn der Richter aller Menschen droht, tyrannische Grausamkeit und hinterlistige Verräterei zu vergelten, findet die Tugend dies richtig und stimmt Ihm zu. »Amen, so soll es sein!«, sagt jeder gerechte Mensch in seinem tiefsten Inneren.

Die Juden waren es dermaßen gewohnt, diese Verse als das Verdammungsurteil für Verräter und grausam betrügerische Gesinnung zu betrachten, dass Petrus sofort den schnellen Tod des Judas als Vollzug dieses Urteils ansah und als Grund zur Bestimmung eines Nachfolgers, der seinen Platz als Apostel übernehmen sollte. Ein böser Mensch macht ein Amt nicht böse; ein anderer kann mit Gewinn das Amt ausüben, das zuvor zum Bösen missbraucht wurde.

Wiedergutmachung fordert der Psalmist; nicht als private Rache, sondern durch öffentliche Rechtsprechung, entsprechend der Strafe, die das Verbrechen verdient. Denn der boshafte Mensch kann sich nicht beklagen, wenn er nach seinen eigenen Regeln verurteilt wird und wenn man ihm mit seinem eigenen Scheffel die Strafe zumisst. Möge er empfangen, was er gern hat! Er hat es ausgebrütet, und nun kommt es ins eigene Nest zurück. Er hat das Bett bereitet, mag er jetzt selbst drin liegen. Was er gebraut hat, darf er nun austrinken. Das halten alle Menschen für gerecht. Wenn auch das höhere Gesetz der Liebe den persönlichen Zorn überwindet, will nicht einmal die christliche Liebe, dass so üblen Burschen der Urteilsspruch gemildert wird.