Buch-Rezension: 73 Ouvertüren - Die Buchanfänge der Bibel und ihre Botschaft

73 Ouvertüren

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Die Idee für ein solches Buch klingt interessant. Tatsächlich kann man schon in den Buchanfängen wesentliche und typische Aussagen über das entsprechende biblische Buch entdecken. Aber warum 73 Ouvertüren? Die Bibel hat ja nur 66 Bücher. Die Herausgeber haben entschieden, die sieben apokryphen Bücher aus den katholischen Bibelausgaben mit einzufügen.

Nach einer freundlichen Lese-Einleitung beginnen die Ouvertüren. Eingefügt sind sieben Zwischentexte, die auf literarische Eigenarten ganzer Buchgruppen der Bibel eingehen: Die fünf Bücher Mose, die Geschichtsbücher, die Weisheitsliteratur, die Propheten, die Evangelien, die Briefe und die Offenbarung. Letztere wird als Katastrophen- und Enthüllungsliteratur verstanden. Empfohlen wird bei diesen Zwischentexten, immer die ganze Bibel ruhig in dieser oder jener entsprechenden Literaturgattung zu lesen. Nirgends wird allerdings empfohlen, die Bibel als Gottes Wort zu lesen.

Auch in den sogenannten Ouvertüren erwähnt kein einziger der 55 Autoren, dass die biblischen Verfasser durch den Geist Gottes geführt und getragen wurden und dass sie sich bewusst waren, niederzuschreiben, was Gott ihnen in ganz verschiedener Weise gegeben hatte. Die Autoren der Ouvertüren sehen in den meisten biblischen Personen nur literarische Figuren. Man muss dann so etwas lesen, dass durch die Sintflut „Gott dazugelernt hat“, weil er verspricht, dass es nie wieder eine Sintflut geben wird (S. 31). Nie hat Gott sich wirklich offenbart, sondern er wird einfach „für die eigene Volksgeschichte in Anspruch genommen“ (S. 38). „Die Tora ist historisch ein schriftgewordener Diskussionsprozess“ (S. 85). Das Buch Rut wird verstanden als ein „Plädoyer für die Offenheit, andere Lebensformen als nur die klassische Ehe zuzulassen“ (S. 111). Das zweite Buch Chronik wird überschrieben: „Der Märchenkönig und seine Nachfolger“ (S. 163).

Man gibt zwar zu, dass die Bibel alles als geschichtliche Ereignisse verstanden haben will, über das sie ‚berichtet‘. „Die Bibel berichtet aber nicht, sie erzählt Geschichten.“ (Kursivtexte im Original.) Die Bibel nimmt es also mit dem wirklich Geschehenen nicht so genau (S. 233). Trotzdem haben die Autoren die Stirn, zu behaupten: „Die Bibel bleibt wahr.“ (S. 235) „Der erfundene fiktive Text berichtet nicht über Ereignisse, er erzählt von Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind seine geschichtliche Wahrheit.“ (S. 236) Und so geht es weiter auch durch das ganze Neue Testament hindurch. Die Leser können sich angeblich „in den Erzählungen wiederfinden und an die Erfahrungen der Erzählfiguren anknüpfen.“ (S. 667). Selbst ein Autor, der überzeugt ist, dass Paulus „aus einer tiefen Beziehung zu Jesus Christus“ (S. 566) lebt, beschreibt dessen Briefe an die Epheser und Kolosser als nachgeahmt. Später versucht ein anderer Autor zu erklären, warum jemand überhaupt einen Brief in fremden Namen schreibt (S. 571). Sein Fazit: der Kolosserbrief ist „eine Fälschung – aber eine mit Eigen- und Mehrwert“ (S. 576). Beim ersten Timotheusbrief sei sowohl der Verfasser als auch der Empfänger fiktiv (S. 592).

Am Schluss fragt der Leser dieses 700-seitigen Wälzers sich, was dessen Autoren, die ja die Bibel empfehlen wollen, überhaupt noch glauben. Schade um die schöne Idee mit den Ouvertüren. Aber die Sirenenklänge, die man hier vernimmt, führen jeden, der ihnen folgt, in den geistlichen Tod.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Karl-Heinz Vanheiden
 Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika

  Verlag: Gütersloher Verlagshaus
  Jahr: 2018
  ISBN: 978-3-579-08237-0
  Seiten: 704
 €    Preis: 39,00 Euro