Buch-Rezension: Biografie: Calvin

Biografie: Calvin

Autor:

Lautstark verkündet heute kaum noch jemand das seinerzeit von Stefan Zweig gezeichnete Calvinbild. Bekanntlich schilderte er Calvin als einen skrupellosen, tyrannischen, seine Wahlheimat Genf mit eiserner Faust regierenden Diktator. Aber in wie weit dieses Bild noch unterschwellig das Bewusstsein vieler Zeitgenossen prägt, ist eine andere Frage. Wie dem auch sei:

Mit der vorliegenden Biographie über Calvin räumt der französische Profanhistoriker B. Cottret gründlich mit solchen Verzerrungen auf. Cottret ist zwar keineswegs unkritisch gegenüber Calvin - etwas derartiges hätte Calvin selbst wohl am allerwenigsten gewünscht - aber durch sachliches Nachzeichnen des Lebens Calvins und durch kompetentes Schildern des damaligen Genfer Zeitcolorits entlarvt er so manches überkommene Calvinbild als das, was es ist: eine hasserfüllte Karikatur.

Wertvoll sind auch die vom Verfasser angestellten Vergleiche zwischen dem Beginn der Reformation in Frankreich und dem in Deutschland. Dabei stellt er fein sowohl die Parallelen als auch die Unterschiede heraus. Zum Beispiel weist er darauf hin, dass das zentrale biblische Buch für die Reformation in Frankreich nicht der Römerbrief war, sondern der Hebräerbrief. In Frankreich lag der Akzent gegenüber dem römischen Katholizismus auf dessen Messopfer-Lehre und betonte von daher die Einmaligkeit des Opfers Christi auf Golgatha.

Es gelingt dem Verfasser, die schweren, düsteren Zeiten, in denen Calvin lebte, anschaulich nachzuzeichnen und seine Haltung in diesen Situationen durch geschickt ausgewählte Aussagen aus seiner umfangreiche Korrespondenz zu illustrieren. So zum Beispiel, als Calvins einziges Kind kurz nach der Geburt stirbt (1542) und wenige Jahre auch seine geliebte Frau heimgeht (1545).

Dort, wo Cottret die theologischen Auseinandersetzungen referiert, in die Calvin hineingeraten ist, oder auch die, die er gesucht hat, wird der Verfasser in seiner Beurteilung merklich unsicherer. Aber darüber kann man bei diesem Nicht-Theologen hinwegsehen. Allemal wird dies wettgemacht durch eine ausgezeichnete Belegsammlung. Ungefähr ein Viertel des Buches sind Anmerkungen. Insgesamt ist das Buch gut lektoriert.

Kurzum: Diese Biographie über Calvin ist lesenswert.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Jürgen-Burkhard Klautke
 Kategorie: Biografien, Lebensbilder

  Verlag: Gütersloher Verlagshaus
  Jahr: 1998
  ISBN: 3-579-03351-4
  Seiten: 494
 €    Preis: 39,95 Euro