Buch-Rezension: Der 1. Korintherbrief - Eine Auslegung für die Gemeinde

Der 1. Korintherbrief

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Der 1. Korintherbrief gibt häufig Anlass zu Diskussionen, auch unter evangelikalen Christen. Man hat unterschiedliche Ansichten, sowohl über das Verständnis als auch über die Relevanz mancher Textstellen. Wie soll man die Aussagen des Apostels Paulus über das „Essen von Götzenopferfleisch“, die „Kopfbedeckung der Frau“, das „Zungenreden“ und die Ordnung im Gottesdienst auf die heutige Gemeindesituation anwenden? Jacob Thiessen versucht auf verschiedenen Wegen das Verständnis zu erleichtern. Er gibt Exkurse zum kulturellen Hintergrund (z.B. zur Kopfbedeckung der Frau). Sehr großen Wert legt er auf den Kontext (z.B. die Zusammenhänge zwischen 1Kor 12; 13 und 14).

Der Verfasser arbeitet heraus, dass der Apostel Paulus auf Missstände in Korinth (Kap. 1-6) und auf Fragestellungen der Korinther (ab Kap. 7) eingeht. Da dem Leser des 1. Korintherbriefes die konkreten Fragen nicht bekannt sind, ist er auf indirekte Rückschlüsse angewiesen. Auch hierbei ist die vorliegende Auslegung eine gute Hilfe. So ist z.B. in 1Kor 7 zu beachten, dass sich der Apostel mit der offensichtlich in Korinth vertretenen Meinung beschäftigt, dass sexueller Verkehr auch innerhalb der Ehe für Christen nicht gut sei.

Die Auslegung enthält sehr viele Worterklärungen aus dem Griechischen, häufig in der Bibel gebrauchte Bedeutungen bestimmter Wörter und die Bedeutung von (griechischen) Zeitformen und des Satzbaues, wenn es für das Verständnis nötig ist. Dabei bleibt sie aber immer gut verständlich. Sehr detailliert ist die Angabe von Parallelstellen, besonders aus dem Alten Testament. Dem Leser wird so geholfen, den biblischen Ursprung und Zusammenhang bestimmter Formulierungen zu erfassen (z.B. die Forderung nach Verständlichkeit der Sprachenrede 1Kor 14,21 ff mit ihrem alttestamentlichen Hintergrund).

Der selbst gestellte Anspruch des Buches, eine „Auslegung für die Gemeinde“ zu sein, wird m.E. sowohl hinsichtlich der Verständlichkeit, als auch besonders durch die Hinweise zur Anwendung in der heutigen Gemeindepraxis, erfüllt. Thiessen hält sich dabei streng an den Bibeltext. Er nimmt den 1. Korintherbrief als Gottes Wort, das auch heute für uns relevant ist, ernst (z.B. die Geisteshaltung von Christen angesichts von Spaltungen in der Gemeinde, Kap. 4 oder gegenüber Unmoral und Rechtsstreitigkeiten, Kap. 5 und 6).

Die „ Kopfbedeckung der Frau “ (1Kor 11) wird von Thiessen so erklärt, dass es im Kern um das sichtbare Bekenntnis zur Unterschiedlichkeit von Mann und Frau geht. Die Kopfbedeckung beim Beten wird von ihm als eine kulturell bedingte Ausdrucksform verstanden. Offen bleibt die Frage, warum eine Christin nicht einfach 1Kor 11, 5 befolgen soll.

Bei der Erklärung von 1Kor 14 weist Thiessen darauf hin, dass nicht die Problematik „Zungenreden – ja oder nein“ behandelt wird, sondern die Art und Weise, in der eine Gemeindeversammlung ablaufen soll. Der Apostel Paulus schätzt die Verständlichkeit von Wortbeiträgen in der Gemeinde sehr hoch ein. Die nur im 14. Kapitel des 1. Korintherbriefes gebrauchte Singularform des Wortes „glossa“ bezieht sich nach Thiessen auf den zumindest zweifelhaften Gebrauch der Sprachenrede bei den Korinthern.

Dagegen meint die häufiger gebrauchte Pluralform die Verkündigung des Evangeliums in fremden, „lebenden“ Sprachen. Dies war besonders in der Anfangszeit des Christentums auch ein Zeichen für die ungläubigen Juden (Kap. 14,21.22), denen gezeigt wurde, dass die Heilsbotschaft nun auch die Heiden erreicht. Das „Schweigen der Frauen“ (Kap. 14,34) wird von Thiessen nicht absolut verstanden, sondern im Zusammenhang mit dem im Kapitel 14 behandelten prophetischen Reden und dessen Beurteilung.

Das im Vorwort geäußerte Anliegen des Autors, dass der 1. Korintherbrief und damit Gottes Wille in einigen Fragen von Christen besser verstanden werden soll, wird. m.E. mit diesem Buch gefördert. Ein weiteres Anliegen Thiessens ist, dass seine Erklärungen dazu dienen, dass dieser Wille Gottes im praktischen Leben und beim Bau der Gemeinde umgesetzt werden kann. Als Hilfe dazu kann jedem Christen die Lektüre des Buches empfohlen werden.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Freudewald
 Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika

  Verlag: Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (VTR)
  Jahr: 2004
  ISBN: 3-937965-03-3
  Seiten: 280
 €    Preis: 21,95 Euro

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