Buch-Rezension: Gesetz und Geist - Eine kritische Würdigung des Erbes protestantischer Ethik

Gesetz und Geist

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Dem evangelischen Theologen Klaus Bockmühl wurde für diese umfangreiche und tiefgründige Ausarbeitung 1988 der Johann-Tobias-Beck-Preis verliehen. Bockmühl setzt sich in seinem Buch intensiv mit den protestantischen Sichtweisen anhand verschiedener Personen und Werke auseinander.

Im ersten Kapitel steht die Ethik des Katechismus von Martin Luther im Zentrum. Es fällt Bockmühl auf, dass in Luthers Auslegung der Zehn Gebote (Dekalog) der Reich-Gottes-Begriff fehlt. Des Weiteren stellt er fest, dass die Mission „im ganzen doch außerhalb von Luthers Gesichtskreis“ (S.86) lag. Die große Schwäche seiner Ethik sieht Bockmühl darin, dass für Luther „der Dekalog die ganze christliche Ethik ausmachen soll“ (S.111).

Die folgenden zwei Kapitel setzen sich mit dem Augsburger Bekenntnis und der Apologie auseinander. Dabei tritt die reformatorische Ethik wieder klar als „Dekalogethik“ (S.148) hervor. Der irdische Beruf stellt dabei den eigentlichen Erfüllungsort des Dekalogs dar. Somit kehrt der christliche Mensch in den Bereich zurück, den der Mönch „verurteilt und verlassen hat“ (S.211). Kritisch merkt Bockmühl an, dass die verwendete positive Auslegung der einzelnen Gebote des Dekalogs zu verschiedenen Extremen geführt hat. So wurde der Kirchenschlaf gerügt, weil er gegen die positive Deutung des zweiten Gebotes, auf die Predigt zu hören, verstoßen hat (S.231). Im Besonderen fehlt der reformatorischen Ethik der „eschatologische Rahmenhorizont“ und der „durch den Missionsbefehl geöffnete Welthorizont“ (S.245). Insgesamt wird auf diese Weise die Ethik auf eine Pflichtethik reduziert (S.328).

Im vierten Kapitel geht es um die reformierte Ethik, dabei zeigt Bockmühl viele Gemeinsamkeiten zur Ethik der Lutheraner auf. Insgesamt interpretierten die Reformierten den Dekalog aber noch stärker positiv (S.335). Calvin verbindet den Beruf, den Stand und die Lebensweise des Christen ganz eng mit der göttlichen Vorsehung. Ein großer Kritikpunkt an Calvins Verständnis liegt in der „Beschränkung der Belehrung des Geistes auf die autorisierten Ausleger der Heiligen Schrift“ (S.429). Calvins Reduktion der Lehre vom Heiligen Geist ebnet den Weg zu einer „Entpersönlichung des Geistes“ (S.460).

Die weitere Entwicklung der reformatorischen Ethik in der Konkordienformel und dem älteren protestantischen Kirchenlied betrachtet er im fünften Kapitel. Dabei arbeitet er wiederum das „Fehlen eines Missionsbewusstseins“ (S.514) sowie den Sieg der Vernunft über den Geist (S.528) heraus.

Der Schluss seines Werkes ist ein Plädoyer für das Doppelprinzip von Gesetz und Geist in der christlichen Ethik. „Das Problem ist die - letztlich rationalistische - eindimensionale Lösung; es entsteht, wo man auf die Fahne eines bestimmten Bataillons schwört, anstatt auf die des Königs der Armee“ (S.567). Es schließen sich fast 30 Seiten mit verschiedenen Registern an. Die Bibliografie muss man sich jedoch leider in den entsprechenden Fußnoten zusammen suchen.

Dieses Buch ist für alle, die sich mit dieser Thematik beschäftigen wollen, sehr zu empfehlen. Klaus Bockmühl führt nicht nur eine tiefgründige Quellenstudie durch, sondern führt diese auch zu einem Gesamtbild der protestantischen Ethik zusammen. Außerdem würdigt er die Entdeckungen auch kritisch, wodurch heutige Gegebenheiten in der protestantischen Ethik von ihrer Entstehung verständlich werden.

Insgesamt ist es ein sehr lesenswertes Buch. Der Leser wird mit vielen neuen Sichtweisen belohnt, wenn er bereit ist, die vielen hundert Seiten durchzuhalten.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Matthias Mack
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Brunnen Verlag GmbH
  Jahr: 2010
  ISBN: 978-3-7655-9448-9
  Seiten: 624
 €    Preis: 49,95 Euro