Buch-Rezension: Ich hatte einen Traum . . . - wenn Gott im Schlaf zu uns spricht, Erfahrungsberichte

Ich hatte einen Traum . . .

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Ahnungslosigkeit scheint kein Hindernis zu sein, ein Buch zu schreiben. So möchte man resümieren. Nein, sie kann sogar zu dieser erfrischenden Unbekümmertheit führen, mit der über Dinge philosophiert wird, über die der Kundige lieber schweigt.

Unter Auslandskorrespondenten heißt es: "Wer 6 Wochen in einem fremden Land war, schreibt ein Buch. Wer 6 Monate dort war, schreibt einen Artikel. Wer 6 Jahre mit den Menschen gelebt hat, schreibt nichts mehr."

Ann Spangler war vom Thema "Träumen" und ihrem "geistlichen Wesen" fasziniert; und "so habe ich mich denn entschlossen, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen und ein Buch über Träume zu schreiben, obwohl ich auf diesem Gebiet keine Expertin bin" (13). Sie beginnt alles zu sammeln, was mit dem Thema zu tun hat: Bibelstellen, Traumgeschichten aus der Vergangenheit und schließlich systematisch über Zeitungsanzeigen aktuelle Traumgeschichten von Menschen, die berichten können, ein Traum habe "eine ungewöhnliche geistliche Bedeutung" (16) für sie gehabt.

Herausgekommen ist ein leicht lesbares Buch in einer sehr ansprechenden Aufmachung, das auf der Nachtkonsole liegen und häppchenweise vor dem Einschlafen und Träumen aufgesogen werden will. Der Körper des Buches besteht aus 32 nach - nicht immer einsichtigen - Kriterien geordneten neueren Traumgeschichten (Die Zukunft träumen; Träume, die uns leiten; Heilende Träume; Träume, die Weisheit vermitteln; Abschiedsträume; Einladende Träume), die mit einer kurzen Einleitung aus Bibelstellen, Anekdoten und Tipps zum Umgang mit eigenen Träumen versehen sind. Im Anhang des Brunnen Verlags Basel teilen uns Geschäftführer und Lektorin noch ein paar von ihren Träumen mit. Schließlich findet sich der präzise und erhellende Artikel "Traum" aus dem wertvollen Lexikon zur Bibel von Fritz Rienecker von 1960.

Würde der vorliegende Titel einfach nur Traumerlebnisse aus Vergangenheit und Gegenwart erzählen, könnte man es hier gut sein lassen. Aber der Anspruch ist - wie sollte es bei einem christlichen Buch anders sein - viel höher gesteckt. Wir sollen in unseren Träumen entdecken, wie Gott zu uns spricht, ja wir sollen "ein Gespür dafür entwickeln, wie Gott in eigenen Träumen am Werk ist" (15). Ann Spangler möchte dabei "die Heilige Schrift ernst nehmen" und von "diesem sicheren Fundament die Geschichten ... berichten und nicht interpretieren" und den Leser mit auf eine "Entdeckungsreise" nehmen. Tut sie es wirklich?

Es stellen sich eine ganze Reihe von Fragen an Vorgehensweise und Endergebnis des Traumbuches. Schnell wird deutlich, dass an den Träumen selbst relativ wenig Interesse besteht. Wir erfahren sie nur aus einer Perspektive lange nach dem Traum. Dann erst wurden sie aufgezeichnet und literarisch aufgearbeitet (der größte Teil der Traumerzähler sind Autoren, Journalisten, Lektoren). Die Träume sind so verwoben mit den Bedeutungen, die ihnen ihre Träumer und Autoren gegeben haben, dass es offenbar gar nicht darum gehen kann, dass Gott eine bestimmte Mitteilung durch einen bestimmten Traum gemacht hat und so Menschen gewarnt, geholfen oder ermutigt hätte. Dann wäre wenigstens erfüllt, was Elihu in Hiob 33,14-22 über Gottes Warnen durch Alpträume und Schmerzen ankündigt. Bei Ann Spangler aber will Gott z.B. jemanden durch jahrelange Alpträume auf einen sexuellen Missbrauch in seiner Kindheit aufmerksam machen und dann darauf: "Was auch geschieht, ich sorge für dich".

Tatsächlich sind diese und andere Geschichten von tiefenpsychologischen und nicht von geistlichen Deutungsmustern durchzogen. Wenn der Leser also feststellt, dass er selbst solche Träume nicht hat, hat das nichts damit zu tun, dass Gott etwa weniger zu ihm reden würde, sondern mehr damit, dass die meisten Menschen keine Buchautoren sind, sondern ihre Träume bald vergessen. Sie legen ihnen keine geistliche Bedeutung bei. Das ist auch in aller Regel das Beste, was man tun kann.

Spangler meint zwar: "Ich weiß nicht, warum Gott uns manchmal nachts Dinge klarmacht, die uns tagsüber völlig verworren erscheinen. Ich weiß nur, dass er unsere Träume benutzen kann, um uns durch Situationen hindurchzuführen, mit denen wir nicht fertig werden und die uns Angst einflößen" (46). Bei genauer Betrachtung sind aber die meisten nächtlichen Traumgeschichten völlig verworren. Hätte Gott ihren Autoren nicht am Tag ein bisschen Verstand und Bibelwissen gegeben, dann hätten sie daraus keine einigermaßen plausiblen Geschichten machen können.

Die Traumgeschichten enthalten Elemente, die so und ähnlich in jedem Buch über experimentelle Traumforschung nachzulesen sind. Nichts Besonderes eigentlich und schon gar nicht wert, auf eine Stufe gestellt zu werden mit den konkreten Traumberichten der Bibel. Geistliche Erkenntnisse lassen sich daraus auch nicht ableiten, es sei denn man hat sie vorher hineingelegt.

Gott macht uns Dinge allein durch sein konkretes Reden klar. Er hat das auch immer mal wieder im Traum getan. Aber wenn der Traum nur Bilder und keine Wörter enthielt, dann konnte nur die Deutung Gottes den Bildern den wahren Sinn geben (1Mo 40,8). Auf einen solchen wahren Sinn scheint es Spangler gar nicht anzukommen, sondern nur auf den Sinn, den der Träumende selbst seinem Traum beilegt (15). Selbst der scheinbar so klare Traum Josefs von den Garben, die sich vor seiner Garbe verneigen, wurde weder von Josef, noch von seinem Vater oder seinen Brüdern richtig gedeutet. Erst als Josef in Ägypten seine Brüder empfing, erhielt der Traum seine Deutung. Wenn Gott nicht redet, dann stehen wir im Dunkeln.

Nun hat er überaus klar geredet, und das ist in der Heiligen Schrift aufgezeichnet. Warum will man nun wieder geistliche Leitung aus seinen Träumen erlangen? Ann Spangler meint "natürlich nicht, dass wir das Zeugnis unserer Träume gleichberechtigt neben das Zeugnis der Heiligen Schrift stellen dürfen". Sie tut es aber faktisch, wenn sie behauptet, dass "unsere Träume uns Einsichten vermitteln können ... uns vor Gefahren warnen; von falschen Wegen zurückrufen; zum Beten anleiten; uns einen Spiegel vorhalten ... heilende Kräfte haben" (12-13) oder "uns in die tiefere Gemeinschaft mit dem rufen, der uns als Träumende erschaffen hat" (21). Das aber ist keine Spielerei, sondern richtet sich gegen Gott. Obwohl man mit der Beachtung der eigenen Träume aufmerksamer auf Gott hören wollte, hört man weniger auf ihn.

Wir träumen aber alle und manchmal können wir uns an unsere Träume erinnern. Manche wiederholen sich und sind sehr eindrücklich. Wie soll der Christ damit umgehen? Unter den zahlreichen Hinweisen in Spanglers Buch finden sich leider nur ein paar brauchbare. Das meiste ist irreführend und verunsichernd. Wer sich für das Thema interessiert, sollte lieber ein Buch aus der experimentellen Traumforschung lesen (z.B. Barbara Maier und Inge Strauch, Den Träumen auf der Spur: Ergebnisse der experimentellen Traumforschung , Bern: Huber, 1992). Dann sollte er seine Träume genauso behandeln wie jedes andere Erleben: Er sollte es mit dem Maßstab des Wortes Gottes messen. Man kann seine eigenen Träume nämlich sehr gut von dort aus beurteilen und erkennen, wo einem im Traum gute Gedanken gekommen sind und wo man in die Irre geführt wird. Geistlich mit Träumen umgehen heißt, auf Gottes Wort zu vertrauen, "das lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert ist, und durchdringt, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens" (Heb 4,12).

 Die Rezension/Kritik stammt von: Thomas Jeising
 Kategorie: Sonstiges

  Verlag: Brunnen Verlag GmbH
  Jahr: 1999
  ISBN: 3-7655-1660-0
  Seiten: 180
 €    Preis: 12,90 Euro