Buch-Rezension: Jeremia 26-52 - Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament

Jeremia 26-52

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Der katholische Theologe und Professor für Altes Testament hat mit über 1500 Seiten den derzeit ausführlichsten deutschen Kommentar zu Jeremia vorgelegt. Der Kommentar will sich bewusst auf die Darstellung des literarischen Aufbaus, den Gedankenfluss und die Aussageabsicht des Buches konzentrieren, dagegen die historische Einordnung des Propheten oder Fragen der Entstehung des Textes nur am Rande behandeln. Dementsprechend lehnt der Autor auch literarkritische Erklärungsversuche zur Entstehung des Buches ab, sondern sieht im Buch Jeremia vielmehr ein kunstvoll gestaltetes, einheitliches Werk (S. 91+93).

Im Vorwort (S. 9-11) drückt der Autor eine hohe Wertschätzung für das Prophetenbuch aus, die beim Lesen echte Freude bereitet. So schreibt er: „Ein Buch wie Jeremia ist ein Geschenk an die Menschheit; es auslegen zu dürfen ist ebenfalls Gnade.“ (S. 10) Auch weiß sich der Autor in der Auslegung abhängig von der Hilfe des Heiligen Geistes, über den er sagt: „Nur mit seiner Hilfe ließ sich der Sinn jener Texte erahnen, die vor Jahrtausenden durch seine Eingebung zustandekamen.“ (S. 9)

Auf das Vorwort folgt eine ausführliche Bibliographie (S. 15-35; insgesamt über 600 Einträge) und eine Einleitung zum Propheten Jeremia (S. 37-122). Die Einleitung gibt hilfreiche Informationen zur Gliederung des Buches, den verwendeten Stilmitteln, häufig behandelten Themen und den zahlreichen Querverbindungen zu anderen Büchern des Alten Testaments. Entsprechend der Zielsetzung des Kommentars beschäftigt sich der Autor in der Einleitung jedoch auffallend wenig mit der historischen Einordnung von Prophet und Buch – diese wird auf kaum mehr als einer Seite abgehandelt. Dabei votiert Fischer vorsichtig dafür, hinter dem Verfasser des Buches nicht den Propheten Jeremia, sondern eine nicht näher bekannte Person des 4. Jhs. v.Chr. zu sehen (S. 120.122). Dies verwundert umso mehr, als diese Datierung nur beiläufig behandelt und ausschließlich auf Basis vermuteter Anspielungen auf spätere Propheten (u.a. Hesekiel, Nahum und Haggai) gefolgert wird (S. 68f). Die Datierung steht damit nicht nur auf einer äußerst subjektiven, sondern auch schwachen Grundlage und überzeugt den Rezensenten nicht (demgegenüber bleibt die Datierung im 6. Jh. wesentlich plausibler, vgl. etwa jüngst Hans-Joachim Kuhley: Der Prophet Jeremia. Sein Leben und sein Werk. Lychen: Daniel-Verlag 2015).

Auf die Einleitung folgt schließlich die eigentliche Kommentierung (Bd. 1, S. 125-764; Bd. 2, S. 19-691), die jeweils mit einer Übersicht über relevante Literatur beginnt (als Ergänzung zur Bibliographie) und anschließend eine Übersetzung des Textes mit dazugehörigen übersetzungstechnischen Anmerkungen bietet. Dem schließt sich eine ausführliche Verse-für-Vers-Auslegung an, die sich durch ein feines Gespür für den Gedankenfluss des Buches sowie durch häufige Hinweise auf die verwendeten Stilmittel auszeichnet. Sie besticht zudem durch eine gelungene Darstellung der vielen und subtilen Querverbindungen im Prophetenbuch, die dessen Einheitlichkeit erweisen. Der Autor verwendet gelegentlich theologisches Fachvokabular und arbeitet nahe am Grundtext, gibt hebräische Ausdrücke jedoch stets mit deutscher Übersetzung an.

Am Ende der Vers-für-Vers-Auslegung schließt sich jeweils eine zusammenfassende Darstellung der Bedeutung eines Abschnitts an. Zwei Karten und ein Bibelstellenverzeichnis schließen die Bände ab und machen das Werk zusammen mit der übersichtlichen Seitengestaltung (Versangaben und Stichwörter am linken und rechten Rand) zu einem guten Nachschlagewerk.

Fazit: Die tiefgründige Kommentierung kann theologisch interessierte Lesern sicher zu neuen Einsichten verhelfen und ein brauchbares Hilfsmittel zu einem vertieften Studium des Buches Jeremia sein. Negativ fällt allerdings neben dem (nach Meinung des Rezensenten: zu hohen) Preis der Bände die vom Autor vorgenommene Spätdatierung ins Gewicht.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Benjamin Lange
 Kategorie: Kommentare, Auslegung, Lexika

  Verlag: Verlag Herder
  Jahr: 2005
  ISBN: 978-3-451-26839-7
  Seiten: 744
 €    Preis: 110,00 Euro

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