Buch-Rezension: Näher am Original? - Der Streit um den richtigen Urtext der Bibel

Näher am Original?

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Vor 300 Jahren begann ein bis heute still oder schrill tobender Glaubenskrieg um den allein richtigen griechischen Grundtext des Neuen Testaments. Der Streit entbrannte 1707 an einer Neuausgabe des griechischen Neuen Testaments durch John Mill. Er hatte es gewagt, dem bis dahin unantastbaren Textus Receptus Textvarianten von 78 neu entdeckten Handschriften hinzuzufügen und wurde sofort scharf angegriffen, weil man das als einen Mangel an Ehrfurcht vor dem Grundtext der Reformationszeit ansah. Die Argumentation der heutigen Streiter, die Textkritik mit Bibelkritik gleichsetzen, ist prinzipiell die gleiche wie vor 300 Jahren.

Das neue Buch von Karl-Heinz Vanheiden erörtert alle wesentlichen Argumente zur Beurteilung der Auseinandersetzung sachlich, verständlich und übersichtlich. Der interessierte und vielleicht verwirrte Laie erfährt, dass es bei allem Streit zwischen den Kontrahenten erstaunlicherweise in den wesentlichen Punkten Übereinstimmung gibt. 95% und mehr der vorliegenden griechischen Manuskripte stimmen überein bzw. enthalten vernachlässigbare Abweichungen voneinander. Doch gerade das wird in der Hitze des Gefechts meist vergessen.

Das Buch beantwortet sieben Fragen, die jeder mit der Thematik Beschäftigte für sich beantworten muss:

  1. Um was es geht (Vorwort)
    Es geht nicht darum, ein weiteres Buch zu schreiben über die einzig richtige Bibelausgabe. Es werden die oben genannten Streitpunkte angerissen.
  2. Worin sich alle einig sind
    Nämlich über den Wert von Gottes Wort, seine Entstehung und Zusammenstellung zu unserer heute vorliegenden Bibel, die verschiedenen Handschriften und deren fast 100-prozentige Übereinstimmung.
  3. Worin die Unterschiede bestehen
    Die Bewertung der zwei Methoden zur Ermittlung des bestmöglichen Grundtextes. Überprüfung der Argumente zur Verteidigung des textus receptus.
  4. Woher der Streit kommt
    Die Auseinandersetzung heute kommt von Verteidigern der Textgundlage der ersten englischen Bibel, die auf den textus receptus zurückgeht.
  5. Worüber man diskutieren kann
    Die Methoden und Glaubensgrundlagen der Herausgeber von griechischen Texten sollten unvoreingenommen geprüft werden.
  6. Welche Textgrundlage galt für welche Bibel?
    Eine kurze Übersicht der Textgrundlage der drei wichtigsten Bibelversionen im deutschsprachigen Raum; Luther, Elberfelder, Schlachter.
  7. Womit man leben kann (Nachwort)
    Die Unterschiede zwischen verschiedenen Textversionen sind so gering, dass daraus kein Kriterium für den bibelgemäßen Glauben konstruiert werden sollte.

Jeder, der weiter in die Thematik einsteigen will, findet im sehr umfangreichen Literaturverzeichnis wertvolle Artikel und Bücher zur Vertiefung. Vieles ist auch im Internet abrufbar, die Adressen sind angegeben.

Diesem Buch möchte man eine weite Verbreitung in allen christlich Kreisen wünschen, weil es völlig unpolemisch die Fakten liebevoll erörtert. Gegner und Freunde können ihre eigenen Argumente überprüfen und sich gegebenenfalls korrigieren lassen. Für alle Bibelleser gehört das Dargestellte zum Grundwissen, das am Anfang eines Glaubensweges bereits vorhanden sein sollte, um Irrwege zu vermeiden.

 Die Rezension/Kritik stammt von: Wulf Bingel
 Kategorie: Bibeln, Studienbibel, Bibelstudium

  Verlag: SCM R. Brockhaus
  Jahr: 2014
  ISBN: 978-3417266139
  Seiten: 152
 €    Preis: 14,95 Euro