Antipater wird gerichtet und zu Tode verurteilt. Komplott der Akme. Die Hinrichtung Antipaters wird wegen der Krankheit des Königs verschoben. Herodes ändert sein Testament.


Am nächsten Tage versammelte der König seine Verwandten und Freunde zu einer Gerichtssitzung, zu der übrigens auch die Freunde des Antipater von ihm berufen wurden. Herodes nahm dabei mit Varus den Vorsitz ein und ließ zunächst sämmtliche Belastungszeugen hereinführen. Unter diesen wurden auch einige Diener der Mutter des Antipater vorgeführt, die kurz zuvor gerade in dem Momente betreten worden waren, wie sie eben einen Brief von ihr an den Sohn besorgen wollten, der folgenden Inhalt hatte: „Dein Vater hat alles – du weißt wohl, was – heraus. Komm daher ja nicht früher an den Hof, bevor du dich nicht einer militärischen Unterstützung von Seite des Kaisers versichert hast.

Als diese Diener mit den übrigen Zeugen eingeführt worden waren, kam auch Antipater, warf sich vor den Füßen seines Vaters mit dem Angesicht zur Erde und rief: „Ich bitte dich inständigst, Vater, dass du mich in keinem Punkte schon im Vorhinein verurteilen, sondern mir nur ein billiges Gehör für meine Verteidigung gewähren mögest. Denn ich hoffe, meine Unschuld dartun zu können, wenn anders dein Wille das nicht verhindert.


Herodes aber schrie ihm zu, dass er schweigen solle, und begann hierauf, zu Varus gewendet: „Ich bin mir fürwahr ganz sicher, dass du, o Varus, wie auch jeder andere pflichtbewusste Richter in diesem Antipater da einen grundverdorbenen Menschen finden wird: was ich aber fürchte, das ist, es könnte dir mein Unglück nur eine tiefe Verachtung gegen mich einflößen und dich glauben machen, ich müsse wohl selbst schuld an meinem ganzen Elende sein, da ich solche Ungeheuer von Söhnen gezeugt habe. Aber ich dürfte, glaube ich, gerade aus diesem Grunde eher Mitleid verdienen, weil ich gegen solche Schandbuben noch eine so überaus zärtliche Vaterliebe gehegt habe.

Denn schon an meinen früheren Söhnen, die ich trotz ihrer Jugend auf den Thron gehoben und außer der Erziehung, die ich ihnen zu Rom geben ließ, noch zu Freunden des Kaisers und für andere Prinzen beneidenswert gemacht habe, habe ich nur Meuchler gefunden und sie auch als solche sterben lassen, ganz besonders aus Besorgnis für diesen Antipater da, dem ich, da er noch jung und zu meinem Nachfolger bestimmt war, durch ihren Tod die nötige Sicherheit gewähren wollte.

Was hat aber dafür diese greuliche Bestie getan? Über und über gemästet von den Erweisen meiner Geduld, hat sie ihren satten Rachen auch gegen mich aufgesperrt. Ich schien ihm nämlich viel zu lange zu leben, und die paar Tage meines Greisenalters fand er schon unerträglich. So wollte er denn durchaus über die Leiche seines gemordeten Vaters hinweg zum Throne schreiten und damit hätte er mir nicht so unrecht getan! Warum musste ich auch den verjagten Sohn eigens vom Lande hereinbringen und, nachdem ich seinetwegen die Söhne meiner Gemahlin aus königlichem Geblüte beiseite geschoben, auch noch zum Thronfolger ernennen!

Ich muss dir, o Varus, schon aufrichtig gestehen, wie hirnverbrannt ich gewesen bin! Ich selbst habe leider jene Kinder gegen mich erbittert, indem ich um Antipaters willen ihnen ihre nur allzu billigen Hoffnungen abgeschnitten habe. Und wo habe ich ihnen je soviel Gutes getan, wie diesem einen da? Fehlte doch nur wenig, dass ich ihm noch zu meinen Lebzeiten auch die Herrschaft abgetreten hätte! Was ich aber tat, das war, dass ich ihn ganz offen als meinen Thronfolger ins Testament gesetzt, dass ich ihm ein besonderes Einkommen von jährlich fünfzig Talenten zugeteilt, meine eigene Casse für ihn fast geplündert, unter anderem erst jüngst noch auf seine Romfahrt 300 Talente ihm mitgegeben und ihn dem Kaiser als den einzigen Hort seines Vaters aus meiner ganzen Verwandtschaft empfohlen habe.

Und was sind denn dann die Frevel, die jene anderen Söhne begangen haben, im Vergleich mit denen des Antipater? Oder was ist das Beweismaterial, das man gegen sie vorgebracht hat, verglichen mit dem, das diesen da als Meuchler entlarvt hat?

Doch, es hat sich soeben der Vatermörder etwas zu krächzen unterstanden, und er macht sich Hoffnung, mit seinen Kniffen abermals die Wahrheit verschleiern zu können. Nimm dich in Acht, Varus! Ich kenne die Bestie und weiß schon zum Voraus, wie sie alles im schönsten Lichte darstellen und Krokodilszähren weinen wird. Das ist ja der nämliche Antipater, der mich einst, da Alexander noch lebte, so rührend gewarnt hat, mich vor ihm in Acht zu nehmen und Leib und Leben doch nicht allen zu vertrauen. Der ist es ja, welcher wie ein Kämmerer mich zu Bette geleitet und sorglich Umschau gehalten hat, ob kein Mörder sich irgendwo versteckt halte. Das ist derselbe, der mich in den Schlaf gelullt und sorgenfreie Stunden mir verschafft hat, der mir so schön zusprach in meiner Trauer um die Hingerichteten, wie er so trefflich auch die Wohlgesinnung der Brüder, da sie noch lebten, zu sondieren verstand, er, mein schützender Schild und mein Leibwächter!

So oft ich, Varus, an seine Schlauheit in allem und jedem und an seine Heuchelei denke, so greife ich mir an den Kopf, ob ich denn richtig noch lebe, und wundere mich, wie ich einer so unergründlichen Verräterseele habe entgehen können. Aber da schon einmal ein böser Geist daran ist, mein Haus vollständig wüste zu machen, und gerade jene, die mir am teuersten sind, stets gegen mich aufreizt, so kann ich dagegen nichts anderes tun, als weinen über mein unverdientes Verhängnis und in der Stille meines Herzens seufzen über meine Vereinsamung. Nie werde ich indes zugeben, dass mir auch nur ein einziger entrinne, den es je nach meinem Blute gelüstet hat, und sollte ich selbst alle meine Kinder auf die Anklagebank bringen müssen.


Bei diesen Worten versagte ihm vor innerer Bewegung die Sprache, und er wollte jetzt einen seiner Freunde, namens Nikolaus, die Beweise einzeln vornehmen lassen. Unterdessen aber erhob Antipater, der sich, wie gesagt, vor die Füße des Vaters hingeworfen hatte und in dieser Haltung verblieben war, wieder sein Haupt und rief:

Du selbst, o Vater, hast jetzt an meiner statt meine Verteidigungsrede gehalten. Denn wie sollte ich ein Vatermörder sein, da du mich nach deinem eigenen Geständnisse die ganze Zeit über als Wächter an deiner Seite gehabt hast? Bloße Gaukelei und Heuchelei nennst du ferner meine Liebe zum Vater. Wie also? sollte ich, der ich in allen anderen Stücken als ein so geriebener Kopf gelte, auf einmal so dumm geworden sein, um nicht zu merken, dass die Vorbereitung eines so grauenhaften Verbrechens selbst vor den Augen der Menschen nicht leicht geheim gehalten werden kann, am allerwenigsten aber vor dem himmlischen Richter, der alles sieht und überall zugegen ist?

Oder wusste ich vielleicht nichts von dem traurigen Ende meiner Brüder, die Gott gerade wegen ihrer schlimmen Absichten auf dich so furchtbar gestraft hat? Was hätte mich dann auch gegen dich aufreizen können? Etwa die Hoffnung auf den Thron? Aber ich war doch schon so gut wie König! Oder der Verdacht, bei dir nicht wohl gelitten zu sein? Aber ward ich denn nicht geradezu zärtlich geliebt? Vielleicht irgend ein fremder Einfluss, den ich bei dir zu fürchten hatte? Aber es war doch umgekehrt mein Einfluss, wenn ich nur dich respektierte, von den anderen zu fürchten! Oder hatte ich zu wenig Geld? Ja, wer konnte denn einen freieren Gebrauch davon machen?

Gesetzt aber, ich wäre wirklich der allerverkommenste Mensch geworden und würde eher die Seele einer wilden Bestie besitzen, hätte ich denn nicht wenigstens durch deine Wohltaten, o Vater, notwendig kirre gemacht werden müssen, ich, den du nach deiner eigenen Aussage eigens zu dir zurück geholt hast, um mich dann vor sovielen Kindern zu bevorzugen, mich zu deinen Lebzeiten noch zum König zu ernennen und durch die unerschöpfliche Fülle aller anderen Guttaten mich zu einem vielbeneideten Glückskind zu machen?

O, ich Unglücklicher, dass ich denn diese bittere Reise unternehmen musste! Wieviel Zeit habe ich doch dem Neide und welch’ einen weiten Vorsprung meinen hinterlistigen Feinden gelassen! Und doch weilte ich nur in deinem Interesse, o Vater, und zur glücklichen Beendigung deines alten Kampfes mit Sylläus in der Ferne, damit dieser Mensch nicht etwa dein graues Haupt noch mit Schmach bedecke. Ganz Rom ist Zeuge meiner Pietät und der Lenker des Erdkreises, der Kaiser, der mich oftmals Philopator, d. h. einen braven Sohn, geheißen hat. Nimm da, Vater, den Brief von ihm, der verdient mehr Glauben, als die Hofcabale da: das soll meine einzige Verteidigungsschrift sein, das sind die besten Zeugnisse für meine kindliche Liebe gegen dich, auf die ich mich stützen kann.

Denke zurück, wie hart ich von hier fortgefahren bin, weil ich nur zu gut um die Feindseligkeit wusste, die gegen mich im ganzen Königreiche herrschte, wenn sie sich auch bis dahin noch nicht aus ihren Schlupfwinkeln gewagt hatte. Gerade du also, o Vater, hast mir, ohne es zu beabsichtigen, die Grube gegraben, da du mich zwangst, dem Neide zu seinen Verleumdungen Zeit zu lassen. Jetzt endlich bin ich wieder da, bin da, um den gegnerischen Zeugen kühn ins Auge zu schauen, ja ich, der Vatermörder, dem nirgends, weder zu Land noch zur See, auch nur ein Haar gekrümmt worden ist.

Doch ich sehe, dass meine bisherige Beweisführung noch gar keinen Eindruck erzielt hat: ich bin ja vor Gott und vor dir, Vater, schon im vorhinein dem Tode geweiht. Aber als ein dem Tode verfallener Mensch habe ich nur die eine Bitte: glaube nicht den peinlichen Aussagen anderer, sondern gegen mich sollst du die Flammen zucken lassen, durch meine Eingeweide deine Marterwerkzeuge bohren, und schonungslos möge der elende Leib zerrissen werden. Denn bin ich ein Vatermörder, dann soll und will ich auch nicht ungemartert sterben.

Diese unter Stöhnen und Schluchzen herausgepressten Worte bewegten alle, selbst den Varus, zum Mitleid: nur dem Herodes ließ der Zorn keine Träne entquellen, weil er nur zu sehr von der Wahrheit der Beweise überzeugt war.


In diesem Augenblick trat, wie es der König schon früher befohlen, Nikolaus hervor, um zunächst eine lange Schilderung von der Verschmitztheit des Antipater vorauszuschicken und so die mitleidige Stimmung, die dessen Rede hervorgerufen, wieder zu verscheuchen. Hierauf ließ er eine sehr bittere Anklagerede wider ihn los, in welcher er ihm alle großen Verbrechen im Reiche aufbürdete, so namentlich die Hinrichtung der Brüder, die, wie er nachwies, nur seinen Verleumdungen zum Opfer gefallen wären. Er kam dann auch auf die Nachstellungen zu sprechen, die Antipater selbst den überlebenden Brüdern noch fortwährend bereitet hatte, weil sie es nach seiner Meinung auf die Thronfolge abgesehen hätten. „Und wie sollte wohl auch,“ folgerte der Redner, „ein Mensch, der seinem eigenen Vater den Giftbecher gemischt, vor seinen Brüdern Halt machen?

Endlich schritt Nikolaus zum Beweise für den geplanten Giftmord selbst, indem er die Zeugenaussagen der Reihe nach vorführte, nicht ohne bei Erwähnung des Pheroras seinem tiefsten Unwillen Ausdruck zu geben, dass selbst aus einem solchen Manne Antipater einen Brudermörder gemacht und durch die Verführung gerade von solchen Persönlichkeiten, die dem König am meisten ans Herz gewachsen waren, das ganze Haus mit Greueln angefüllt habe. Außerdem brachte der Redner noch viele andere Beschuldigungen vor, die er sämmtlich mit Beweisen erhärtete, und schloss dann seine Anklage.


Als nun Varus den Antipater zu seiner Verteidigung aufforderte, konnte dieser nichts anderes sagen, als: „Gott ist mein Zeuge, dass ich an allem schuldlos bin“, und blieb dann stumm am Boden liegen. Jetzt verlangt Varus das Gift und lässt es einem der zum Tode verurteilten Gefangenen zum Trinken reichen.

Er brach auf der Stelle sterbend zusammen. Nachdem dann Varus noch eine längere geheime Unterredung mit Herodes gehabt und den Verlauf der Gerichtssitzung in einem Schreiben an den Kaiser aufgesetzt hatte, reiste er am nächsten Tage wieder ab. Den Antipater ließ der König in Ketten legen und schickte auch seinerseits an den Kaiser Gesandte ab, die ihm von dem traurigen Falle Meldung erstatten sollten.


Nach diesen Vorgängen kam auch noch ein Anschlag des Antipater auf Salome zur Enthüllung. Es traf nämlich ein Diener des Antiphilus mit Briefen aus Rom ein, welche von einer Zofe der Kaiserin Julia, namens Akme, gesendet wurden. Von dieser wurde dem König die schriftliche Eröffnung gemacht, dass sie die Briefe, welche Salome an die Kaiserin Julia geschrieben, unter der Correspondenz ihrer Herrin aufgefunden habe und hiemit dem König aus Verehrung heimlich übermitteln wolle.

Diese Briefe aber, die die verletzendsten Schmähungen und schwerwiegendsten Anklagen gegen den König enthielten, hatte Antipater zusammengestoppelt und durch die Akme, die er dafür mit Geld gewonnen hatte, dem Herodes zuschicken lassen.

Indes wurde ein anderes Schreiben, das die saubere Person an Antipater selbst bei dieser Gelegenheit gerichtet hatte, an ihr zum Verräter. Es hatte folgenden Wortlaut: „Ich habe in deinem Sinne an deinen Vater geschrieben und die bewussten Briefe dem Schreiben beigelegt, in der bestimmten Erwartung, dass der König nach Durchlesung derselben gegen seine Schwester keine Schonung mehr kennen werde. Du aber wirst, wenn alles geglückt ist, die Güte haben, dich auch an deine Versprechungen mir gegenüber zu erinnern.


Als man hinter dieses Schreiben, wie auch hinter die Fälschung der gegen Salome fabrizierten Briefe gekommen, drängte sich dem König sofort der Argwohn auf, es möchten am Ende auch gegen Alexander solche Briefe hergestellt worden sein. Der Gedanke, dass er um ein Haar wegen des Antipater auch noch seine eigene Schwester getödtet hätte, erfüllte seine Seele mit dem tiefsten Gram, so dass er ohne jeden weiteren Verzug der Rache gegen Antipater vollen Lauf zu lassen beschloss.

Er war eben im Begriffe, seine Hinrichtung zu verfügen, als sein Entschluss durch eine schwere Krankheit eine Unterbrechung erlitt. Doch unterließ er es nicht, wegen der Akme und des ganzen Komplotes gegen Salome dem Kaiser zu schreiben.

Er forderte auch sein Testament, um es abzuändern, und ernannte mit Beiseitesetzung der ältesten Söhne Archelaus und Philippus, die von Antipater ebenfalls eingetunkt worden waren, den Antipas zum König. Dem Kaiser vermachte er außer anderen Geschenken an Realien noch die Barsumme von 1.000 Talenten; der Kaiserin und den Kindern, wie auch den Freunden und Freigelassenen des Kaisers bei 500 Talente. Ebenso verteilte er an alle anderen Bekannten nicht unbeträchtliche Besitzungen und Gelder und ehrte vor allen seine Schwester Salome mit den prachtvollsten Spenden. Das waren die Verbesserungen, die er nunmehr an seinem Testamente vornahm.