Aufruhr der Gesetzeseiferer zu Jerusalem und deren Hinrichtung. Zunahme der Krankheit des Königs. Das Bad in Kallirrhoë. Grausamer Befehl des Sterbenden. Antwort des Kaisers. Akmes Tod. Selbstmordversuch des Königs. Antipaters Tod. Herodes stirbt.


Die Krankheit des Königs machte immer bedenklichere Fortschritte, was umso begreiflicher ist, als ihre Anfälle ihn gerade im Greisenalter und im Zustande der größten seelischen Abspannung getroffen hatten. Er war nämlich schon fast siebzig Jahre alt und geistig so tiefgebeugt durch die Unglücksschläge an seinen Kindern, dass er nicht einmal in seinen gesunden Tagen vom Leben etwas Gutes mehr hatte. Seine Krankheit verschärfte noch der Gedanke an Antipater, der immer noch lebte, weil seine Hinrichtung nach dem Wunsche des Königs nicht so nebenbei, sondern in seinem Beisein, wenn er sich wieder wohler befände, stattfinden sollte.


In diesen Tagen seines Leidens brach endlich auch noch ein Volksaufstand aus, veranlasst durch zwei Schriftgelehrte, die in der Hauptstadt lebten und im Rufe von besonders genauen Erklärern der väterlichen Gesetze standen, weshalb sie auch beim ganzen Volke das höchste Ansehen genossen. Judas, der Sohn des Sepphoräus, war der eine, Matthias, der Sohn des Margalus, der andere.

Zu ihren Gesetzeserklärungen strömten nicht wenige junge Leute herbei, so dass sie Tag für Tag eine ganze Heerschar von kraftvollen Jünglingen zusammenbrachten. Als ihnen nun damals zu Ohren kam, wie der König in seinem geistigen und körperlichen Elende immermehr dahinsieche, da ließen sie in ihrem Bekanntenkreise die Bemerkung fallen, dass eben jetzt der passendste Zeitpunkt gekommen wäre, die Ehre Gottes zu rächen und die gegen das Verbot der väterlichen Vorschriften angebrachten Kunstwerke herabzureißen.

Denn es sei ganz gegen Recht und Gesetz, wenn sich im Tempel Bilder oder Büsten oder sonst welche Monumente fänden, die irgend ein lebendes Wesen zur Anschauung bringen sollten. Die Schriftgelehrten meinten damit den goldenen Adler, welchen Herodes über der großen Tempelpforte hatte anbringen lassen, und wollten nun zu dessen Zerstörung die jungen Leute aneifern, indem sie darauf hinwiesen, dass, wenn auch die Sache nicht ganz ungefährlich verlaufen sollte, es doch andererseits auch so schön wäre, um des väterlichen Gesetzes willen sein Leben hinzugeben. Denn die Seelen derer, die einen solchen Tod nähmen, seien wahrhaft unsterblich, und von ewiger Dauer sei auch ihr seliges Empfinden, während die gemeinen Seelen und alle jene, welche da unbekannt mit der Weisheit der Schriftgelehrten zum unwissenden Haufen gehörten, feige am Leben hiengen und den Tod im Bette dem Tode der Wackeren vorzögen.


Während sie noch so redeten, verbreitete sich das Gerücht, dass der König schon mit dem Tode ringe, was natürlich die jungen Leute noch mehr zur Übernahme des Wagnisses ermutigte. Am hellen Mittag nun, also zu einer Zeit, wo viele Leute im Heiligtum sich aufhielten, ließen sie sich an dicken Seilen vom Dache hinunter und schlugen den erwähnten goldenen Adler mit Aexten herab.

Sofort ward dem Befehlshaber des Königs Meldung erstattet, der denn auch gleich mit einer nicht unbeträchtlichen Schar zum Tempelhause hinaufstürmte, bei vierzig Jünglinge ergreifen und zum König hinabführen ließ.

Auf dessen erste Frage, ob sie es wirklich gewagt hätten, den goldenen Adler herunterzuschlagen, sagten sie ganz offen: „Ja.“ Auf die zweite Frage, wer es ihnen denn befohlen hätte, entgegneten sie: „Das väterliche Gesetz.“ Als der König dann noch weiter fragte, wie sie denn noch so fröhlich sein könnten im Angesichte eines sicheren Todes, erklärten sie: „Weil wir es nach unserem Tode weit besser haben werden!


Auf das hin wurde der König über die Maßen zornig, so dass er sogar die Herrschaft über den siechen Leib wieder gewann und in die Volksversammlung sich begeben konnte, wo er in einer langen Anklagerede die Männer als Tempelräuber und als Leute hinstellte, die unter dem Deckmantel der Gesetzestreue eine noch viel ernstere Bewegung im Schilde geführt hätten, und mit der Forderung schloss, dass man sie als Gottesräuber bestrafen solle.

Da das Volk die Besorgnis hegte, es möchten wohl noch viele andere als Schuldige betroffen werden, so bat es den König, in erster Linie nur diejenigen zu züchtigen, welche zur Tat geraten hätten, in zweiter Linie dann jene, die auf frischer Tat ergriffen worden wären, allen übrigen jedoch die Strafe nachzusehen. Nur schwer konnte sich der König dazu verstehen. Er befahl darauf, jene, die sich vom Dache hinuntergelassen hatten, sammt den Gesetzeslehrern lebendig zu verbrennen, während er die übrigen an Ort und Stelle festgenommenen Jünglinge einfach seinen Trabanten zur Hinrichtung übergab.


Von da an verbreitete sich die Krankheit über den ganzen Leib und äußerte sich in den verschiedensten qualvollen Erscheinungen. Bei nur mäßigem Fieber stellte sich auf der ganzen Hautoberfläche ein unausstehliches Jucken ein, wie auch ein beständiges kolikartiges Grimmen im Darm. Rings an den Füßen bildeten sich Wülste, wie bei einem Wassersüchtigen. Der Unterleib war entzündlich aufgeschwollen, und ein fauliges Geschwür, in dem schon Würmer wuchsen, durchfraß seine Schamteile. Dazu gesellten sich bei liegender Stellung Erstickungsanfälle und in jeder anderen Lage wenigstens Athembeschwerden und endlich Krämpfe an allen Gliedern. Kein Wunder, wenn prophetische Männer diese furchtbaren Krankheitszustände als eine Strafe Gottes für die Hinrichtung der Gesetzeslehrer bezeichneten.

Obgleich nun Herodes mit so entsetzlichen Schmerzen zu kämpfen hatte, so hielt er dennoch zähe am Leben, hoffte immer noch auf Hilfe und suchte Heilung. So ließ er sich zu diesem Zwecke auch über den Jordan bringen, um die heißen Quellen von Kallirrhoë zu gebrauchen, die in den Asphaltsee abfließen und, weil Süßwasserquellen, auch trinkbar sind. Hier hielten es die Aerzte für geraten, mit einem heißen ölbad seine ganzen Lebensgeister wieder aufzuwärmen: kaum war er aber in die volle Badwanne mit öl hineingelassen worden, als er plötzlich in Ohnmacht fiel und die Augen wie ein Sterbender zu verdrehen begann.

Unter der Dienerschaft entstand eine große Verwirrung, und bei ihrem Geschrei kam er wieder zu sich. Jetzt ließ Herodes selbst alle weitere Hoffnung auf Rettung fahren und gab Befehl, jedem Soldaten fünfzig Drachmen, den Offizieren und Freunden aber noch viel beträchtlichere Spenden an Geld zu verabreichen.


Der König kehrte jetzt wieder nach Jericho zurück. Dort angekommen, verstieg er sich in seiner schwarzgalligen Stimmung, in der er fast dem Tode selber, ich weiß nicht, mit was noch, drohen wollte, zu dem Gedanken an eine ganz entsetzliche Untat. Er ließ nämlich aus ganz Judäa bis zum letzten Dorfe herab die angesehensten Männer nach Jericho bringen und in das sogenannte Hippodrom oder die Rennbahn einsperren.

Er beschied dann seine Schwester Salome und ihren Gatten Alexas zu sich und sprach: „Ich weiß, dass die Juden meinen Todestag wie einen Feiertag begehen werden. Doch steht es noch in meiner Macht, durch den Tod anderer mir eine Leichenklage und eine gar solenne Trauerfeier zu verschaffen, vorausgesetzt, dass ihr meinen Befehlen zu Diensten sein wollt. Ihr sollt nämlich, sobald ich den Geist ausgehaucht habe, diese eingesperrten Männer sofort von den Soldaten umzingeln und auf der Stelle niederhauen lassen, damit in ganz Judäa jedes Haus über mich wenigstens unfreiwillige Tränen vergießen muss.


Nach dieser entsetzlichen Anordnung trafen von seinen Gesandten in Rom Briefe ein, in denen die auf Befehl des Kaisers erfolgte Hinrichtung der Akme und die Bestätigung des Todesurteiles über Antipater berichtet wurde. Sie enthielten aber auch die Bemerkung, dass der Kaiser gar nichts dagegen habe, wenn er, seinem Vaterherzen folgend, den Schuldigen bloß in die Verbannung schicken würde.

Auf die freudige Bewegung hierüber erholte sich der König für kurze Zeit, um dann neuerdings, durch mangelhafte Nahrungsaufnahme und krampfhaftes Husten entkräftet, seinen Schmerzen zu unterliegen. Er wollte jetzt dem Verhängnis zuvorkommen. Er nahm einen Apfel und verlangte dazu auch ein Messer, weil er gewohnt war, beim Essen immer einzelne Stücke mit dem Messer abzuschneiden. Er sah sich dann um, ob ihn Niemand zurückhalten könnte, und holte mit der Rechten zum Stoße aus, um sich zu durchbohren. Rasch war aber Achiabus, sein Better, zur Stelle, fiel ihm in den Arm und vereitelte seine Absicht.

Sofort erscholl durch den ganzen Palast ein ungeheures Jammergeschrei, als wenn der König schon verschieden wäre. Alsbald war es auch zu des Antipaters Ohren gedrungen. Er atmete wieder auf und bat in freudiger Erregung die Wachen, ihm gegen reichliche Entlohnung die Ketten abzunehmen und ihn herauszulassen. Der Wachkommandant aber verbot es nicht bloß, sondern eilte zum König und meldete ihm, was Antipater vorhätte.

Da schrie der König mit einer bei dieser Schwäche ganz unglaublichen Kraft: „Auf der Stelle soll meine Leibwache hinuntergehen und ihn kalt machen!“ Diese ging hin und hieb Antipater nieder. Seine Leiche gebot Herodes in Hyrkanium zu begraben. Dann schrieb er noch einmal sein Testament um und machte darin seinen ältesten Sohn Archelaus, den Bruder des Antipas, zum Thronfolger, den Antipas aber zum bloßen Tetrarchen.


Herodes überlebte die Hinrichtung seines Sohnes nur um fünf Tage und starb nach einer Regierung von 34 Jahren, von da an gerechnet, wo er mit dem gewaltsamen Tode des Antigonus in den factischen Besitz der Staatsgewalt gelangt war, während es von seiner Ernennung zum König durch die Römer an schon 37 Jahre waren. In ihm starb ein Mann, der sonst in jeder Beziehung Glück hatte, wie nur einer, da er sich ja aus dem Privatstande auf einen Thron geschwungen und diesen solange Zeit behauptet hatte, um ihn endlich auch noch den Leibeserben hinterlassen zu können, der aber andererseits in seinen Familienverhältnissen der unglücklichste Mensch gewesen ist.

Bevor das Militär noch von seinem Tode Kunde erhalten, begab sich Salome mit ihrem Gatten in die Stadt hinab und ließ die Gefangenen, deren Niedermetzlung der König anbefohlen hatte, auseinandergehen, mit der Erklärung, Herodes hätte sich eines Besseren besonnen und lasse jeden wieder nach Hause gehen. Erst als diese sich zerstreut hatten, teilte sie den Soldaten das Ereignis mit und beschied sie mit dem übrigen Volke zu einer Versammlung in das Amphitheater von Jericho.

Hier hielt zunächst Ptolemäus, der vom König mit der Bewahrung des Siegelringes betraut worden war, eine Rede, in welcher er den Verstorbenen höchst glücklich pries und das Volk zu beruhigen suchte. Dann las er den letzten Aufruf vor, den Herodes an seine Krieger gerichtet hatte, und in welchem er sie in nachdrücklichster Weise zur Hingebung an seinen Nachfolger aufforderte.

Nach der Verlesung dieser Schrift löste er die Siegel vom eigentlichen Testamente und las es gleichfalls der Versammlung vor. Es war darin Philippus zum Erben und Herrn von Trachonitis und den angrenzenden Gebieten, Antipas, wie schon oben gesagt, zum Tetrarchen, Archelaus aber zum König bestimmt.

Der letztere sollte nach der Anweisung des Königs dessen Siegelring und den mit dem königlichen Siegel versehenen Rechenschaftsbericht über die finanzielle Verwaltung des Königreiches dem Kaiser überbringen, weil diesem allein, wie Herodes anmerkte, die oberste Verfügung über alle seine Anordnungen, wie auch die Bestätigung des letzten Testamentes zustehe. In allen anderen Punkten möge sich Archelaus genau an die alten testamentarischen Bestimmungen halten.


Sofort entstand ein Sturm des Beifalles, und man brachte dem Archelaus die Glückwünsche dar. Soldaten und Volk defilierten in einzelnen Abteilungen an ihm vorüber und versicherten ihn ihrer Anhänglichkeit, wie sie ihm auch den Segen Gottes wünschten. Hierauf nahmen die Vorbereitungen für das Begräbnis des Königs die Aufmerksamkeit in Anspruch,

wobei Archelaus keinen, auch noch so großen, Aufwand scheute und allen möglichen Zierrat aufbot, um damit den Leichenzug aufs prächtigste zu gestalten. Die Bahre war von massivem Golde und mit Edelsteinen besäet, darüber war eine golddurchwirkte Decke aus echtem Meerpurpur gebreitet, auf ihr war dann die Leiche selbst gebettet, gleichfalls in Purpur gehüllt, das königliche Stirnband auf dem Haupte, darüber noch eine goldene Krone, in der Rechten das Szepter.

Die Bahre umgaben zunächst seine Söhne und die zahlreiche Verwandtschaft. Diesen schloss sich die eigentliche königliche Leibgarde und das Corps der Thrazier, der Germanen und Galater an, sämmtlich in voller Kriegsparade.

Das übrige Heer marschierte an der Spitze des Zuges hinter seinen Generälen und Obersten, gleichfalls in voller Rüstung. Den Schluss bildeten 500 königliche Sklaven und Freigelassene, welche verschiedene Specereien für die Bestattung trugen. So wurde die Leiche einen Weg von 70 Stadien bis nach Herodium geleitet, wo sie nach des Königs eigener Anordnung beigesetzt wurde. Damit schließt das Leben und die Regierung des Herodes.