Cajus will seine Statue in Tempel aufstellen lassen.


Der Kaiser Cajus pochte indes so übermütig auf seinen Glücksstern, dass er für einen Gott gehalten und auch mit dem Namen eines solchen bezeichnet werden wollte. Nachdem er in diesem seinem Übermut, sozusagen, den Wipfel des römischen Staates zerhackt und von seinen edelsten Männern entblößt hatte, kam er mit seinen gottlosen Forderungen endlich auch an die Juden.

Er sandte nämlich den Petronius mit einem Heere nach Jerusalem, um dort seine Bildsäulen im Tempel aufzustellen, und gab ihm den stricten Befehl, falls die Juden sie nicht zulassen sollten, jene, die einen Widerstand versuchen würden, einfach zusammenzuhauen, das ganze übrige Volk aber zu Sklaven zu machen.

Doch der Mensch denkt und Gott lenkt. Petronius marschierte bereits an der Spitze von drei Legionen und vielen syrischen Bundestruppen von Antiochia gegen Judäa heran, während die Juden zum Teile noch immer den Kriegsgerüchten nicht glauben wollten, jene aber, die sie ernst nahmen, noch ganz ratlos vor der Organisierung der Verteidigung standen. Als aber das Heer schon in Ptolemais war, fuhr der Schrecken bald auch in die übrigen und ward allgemein!


Die letztgenannte Stadt befindet sich an der Meeresküste, die Galiläa begrenzt, und gehört ihrer Lage nach zu der „großen Ebene“, obschon sie im weiteren Umkreise auch von Bergen umschlossen wird, so auf der östlichen Seite in einem Abstand von 60 Stadien vom galiläischen Gebirge, in der Richtung nach Süden vom Karmel, der 120 Stadien entfernt liegt, vom höchsten Gebirge aber auf der Nordseite, das die Einheimischen „Treppe der Tyrier“ nennen, und das 100 Stadien weit von Ptolemais abliegt.

Zwei Stadien weit von der Stadt fließt der ganz kleine Beläusfluss vorüber, an welchem das Denkmal des Memnon liegt, dessen nächste Umgebung wieder einen hundert Ellen großen Raum von bewunderungswürdiger Eigenschaft aufweist.

Der runde und hohle Raum gibt nämlich den bekannten Glassand, der die Stätte immer wieder anfüllt, wenn ihn die zahlreichen Fahrzeuge, die dort halten, ausgebeutet haben, indem dann die Winde, wie auf Bestellung, den außerhalb des Raumes liegenden rohen Sand in denselben hineinwehen, wo er sofort unter dem Einfluss der Grube sich vollständig in Glas verwandelt.

Was aber nach meiner Meinung noch seltsamer ist, das ist der Umstand, dass das aus dem gefüllten Raume ablaufende Glas wieder eitel Sand wird. Durch diese Naturerscheinung hat der Ort seine Berühmtheit erlangt.


Die Juden strömten nun mit ihren Frauen und Kindern nach der Ebene von Ptolemais und baten den Petronius inständigst vor allem um Schonung für ihre väterlichen Gesetze und in zweiter Linie um Schonung für sie selbst. Der Anblick der großen Menge und deren flehentliches Bitten stimmte den Statthalter zur Nachgiebigkeit.

Er ließ vorderhand Heer und Bildsäulen in Ptolemais zurück und ging nach Galiläa hinauf, wo er das Volk und alle seine Vornehmen nach Tiberias beschied. Hier gab er nun den Juden im Einzelnen die Macht Roms und die Drohungen des Kaisers zu erwägen und verfehlte nicht, das Verlangen der Juden als etwas unvernünftiges zu erklären, da, wie er bemerkte, bereits eine jede unterworfene Völkerschaft und sogar jede einzelne Stadt die Bildnisse des Kaisers an der Seite ihrer übrigen Gottheiten habe aufstellen lassen, und demgemäß das in der Welt einzig dastehende Widerstreben der Juden gegen diese Verfügung fast schon wie eine Rebellion und zwar eine für Rom tief verletzende Rebellion sich ausnehme.


Dem hielten die Juden ihr Gesetz und die altererbte Sitte entgegen und sagten, dass es ihnen nicht einmal freistehe, eine Abbildung Gottes, geschweige denn die eines Menschen, selbst am erstbesten Orte des Landes, vom Tempel gar nicht zu reden, anbringen zu lassen, worauf Petronius erwiderte: „Aber muss denn nicht auch ich das Gesetz meines Gebieters beobachten? Setze ich mich aus Schonung für euch darüber hinweg, so werde ich das, und zwar mit Fug und Recht, mit meinem Kopfe bezahlen müssen. Nicht meine Persönlichkeit, wohlgemerkt, sondern derjenige, der mich gesandt hat, steht euch kampfgerüstet gegenüber: denn ich bin ebensogut ein bloßer Unterthan, wie ihr selbst!

Auf das hin begann die Menge zu schreien: „Wir sind bereit, für das Gesetz alles zu leiden!“ Als Petronius sich mit Mühe wieder vernehmlich machen konnte, rief er: „Ihr wollt es also wirklich selbst mit dem Kaiser aufnehmen?

Darauf die Juden: „Für den Kaiser und das römische Volk bringen wir alle Tage zweimal das Opfer dar. Will er aber seine Bilder zu uns hereinbringen, so wird er wohl zuerst selbst die ganze jüdische Nation hinopfern müssen: wir stehen als Schlachtopfer bereit sammt unseren Frauen und Kindern!

Ein Gefühl der Bewunderung, mit Mitleid gemischt, überkam bei dieser Szene den Petronius, als er die über alles erhabene Religiösität dieser Leute und ihre todesmuthige Haltung sah. Die Versammlung ward für diesmal ohne Ergebnis aufgehoben.


Während der nächsten Tage berief der Statthalter wiederholt die jüdischen Großen zu besonderen, das Volk aber zu den öffentlichen Versammlungen und suchte hier bald mit Bitten, bald mit gutgemeinten Ratschlägen, zumeist jedoch mit sehr ernsten Drohungen auf die Juden einzuwirken, indem er ein furchtbares Bild von der Kriegsmacht der Römer und der Wut des Kaisers vor ihren Augen entrollte und auch auf seine eigene Zwangslage, in die er durch die Juden gerathe, hinwies.

Als aber jeder Versuch an der Unbeugsamkeit der Juden scheiterte, und der Statthalter fürchten musste, dass auch das Land unbestellt bleiben würde, da es eben Zeit zur Einsaat war, und die Volksmenge bei ihm schon fünfzig Tage hatte untätig verstreichen lassen, so versammelte er die Juden ein letztesmal und erklärte vor ihnen:

So muss ich denn schon meinen eigenen Kopf für euch aufs Spiel setzen. Entweder gelingt es mir, mit Gottes Hilfe den Kaiser zu überreden, dann soll es mich freuen, dass meine Rettung auch die eurige ist, oder ich fordere erst recht seinen Zorn heraus, dann werde ich eben für soviele Menschen bereitwillig mein eigenes Leben hingeben.“ Mit diesen Worten entließ er die Menge in ihre Heimat, überhäuft von ihren Segenswünschen, und kehrte mit dem Heere von Ptolemais nach Antiochia zurück.

Hier schrieb er sofort an den Kaiser einen Brief, in welchem er ihm von seinem Anmarsch gegen Judäa und von den stürmischen Bitten der ganzen Nation Meldung erstattete und insbesondere hervorhob, dass, wenn der Kaiser außer den Einwohnern nicht auch noch das Erträgnis des Landes riskieren wolle, derselbe jedenfalls das jüdische Gesetz respektieren und von dem erflossenen Befehle Umgang nehmen müsse.

Auf dieses Schreiben antwortete Cajus ziemlich leidenschaftlich und drohte sogar dem Petronius mit dem Tode, weil er gegenüber seinen Befehlen einen so säumigen Diener gespielt habe. Doch wollte es der Zufall, dass die Boten mit diesem Schreiben drei Monate lang am Meere infolge von Winterstürmen zurückgehalten wurden, während andere Boten, die den inzwischen eingetretenen Tod des Cajus melden sollten, eine ausgezeichnete Seefahrt hatten. So bekam denn Petronius den Brief, welcher den Tod des Kaisers berichtete, 27 Tage früher, als jenen, worin ihm der Kaiser noch den Tod angedroht hatte.