Besitzveränderungen unter Nero. Das Räuberunwesen unter Felix. Die Sicarier. Betrüger in der Wüste. Der Prophet aus Ägypten. Freiheitsschwärmer. Streit zwischen den Juden und Griechen in Cäserea.


Mit welchen tollen Streichen nun der Kaiser Nero, dem sein übergroßes Glück und sein Reichtum den Kopf verdreht hatte, die ihm zugefallene Würde geschändet, in welcher Weise er Bruder und Frau und selbst die eigene Mutter nacheinander hingeschlachtet und nach ihnen dann seine grausame Gier im Blute der edelsten Männer gestillt hat, wie er endlich von seinem Wahnwitz soweit getrieben ward, dass er sogar auf der Bühne und im Theater auftrat, das alles will ich jetzt, da es noch in aller Mund ist, beiseite lassen, um gleich zu jenen Ereignissen zu kommen, die unter seiner Herrschaft sich im Judenlande abgespielt haben.


Aristobulus, der Sohn des Herodes, wurde von Nero mit dem Königreich Kleinarmenien bedacht, das Reich des Agrippa aber von ihm um vier Städte mit ihrem Umkreise, nämlich um Abila und das ostjordanische Julias, Tarichää und Tiberias in Galiläa vergrößert. Für das übrige Gebiet, die Provinz Judäa, bestätigte er Felix in seiner Eigenschaft als Landpfleger.

Letzterem gelang es, den Räuberhauptmann Eleazar, der schon zwanzig Jahre hindurch das Land ausgeplündert hatte, nebst vielen aus seiner Bande dingfest zu machen und nach Rom einzuliefern. Auch die Zahl der sonstigen Räuber, die er ans Kreuz schlagen ließ, und die Menge der Helfershelfer, die er selbst unter den Bürgern ertappte und abstrafte, stieg ins Ungeheure.


Kaum war das Land von diesen Horden reingefegt, als auch schon eine andere Gattung von Räubern, die sogenannten Sicarier, in Jerusalem auftauchte, die am hellen Tage und mitten in der Stadt die Leute erdolchten.

Sie pflegten sich besonders gern bei Gelegenheit einer Festfeier unter das Volk zu mischen, um dann mit kleinen Stileten, die sie unter den Kleidern verborgen trugen, ihre Gegner zu durchbohren. Waren diese gefallen, so geberdeten sich die Mörder, wie andere Zuschauer, ganz entrüstet über die Tat und konnten eben darum wegen Mangel jeglichen Verdachtes auf keine Weise herausgefunden werden.

Der erste, den ihr Mordstahl traf, war der Hohepriester Jonathas, dem dann Tag für Tag noch viele Schlachtopfer folgen sollten, und was das peinlichste daran war, das war nicht so sehr der Todesstoß selbst, als vielmehr die Angst vor ihm, da ein jeder, wie mitten im Kriege, stündlich des Todes gewärtig sein musste.

Man nahm sich daher vor den Tücken des Feindes schon von weitem inacht und traute selbst nicht einmal mehr seinen eigenen Freunden in der Nähe! Dessenungeachtet wurden die betreffenden Personen auch bei der ängstlichsten Vorsicht und mitten in ihren Sicherheitsvorkehrungen niedergestoßen: so groß war die Schnelligkeit der Meuchler und die Gewandteit, mit der sie sich zu verstecken wussten!


Außer diesen bildete sich noch eine andere Bande von nichtswürdigen Menschen, welche zwar ihre Hände nicht in so gräßlicher Weise befleckten, wie diese, aber im Innern noch verruchter waren, Leute, die das Glück der Hauptstadt nicht weniger untergruben, als die Mörderbande.

Es waren dies Irrgeister und Verführer, welche unter der Maske prophetischer Begnadigung es nur auf Neuerungen und Umwälzungen anlegten und durch ihre Reden dass Volk in eine rasende Begeisterung hineinhetzten. Sie führten es in die Wüste hinaus mit dem Versprechen, dass Gott ihnen daselbst verschiedene Wunderzeichen zum Unterpfand ihrer Befreiung kundtun werde.

Da diese Bewegung dem Felix als eine Vorbereitung auf den vollständigen Abfall erschien, so ließ er gegen sie eine Abteilung Reiterei und schwerbewaffnetes Fußvolk ausrücken und eine große Masse aus ihnen zusammenhauen.


Ein noch empfindlicherer Unglücksschlag traf die Juden mit dem Auftreten des falschen Propheten aus Ägypten. Es kam nämlich ein Zauberer in das Land, der sich das Ansehen eines Propheten gab und bei 30.000 betörter Anhänger um sich scharte.

Diese führte er nun aus der Wüste auf den sogenannten ölberg, willens, von da sich den Eingang in die Hauptstadt mit Gewalt zu erzwingen, nach Überwältigung der römischen Besatzung seine Herrschaft dem Volke darin aufzunötigen und mit Hilfe seiner bewaffneten Begleitung, die ihn hineingebracht, auch zu behaupten.

Felix wartete aber seinen Angriff nicht erst ab, sondern warf sich ihm mit seinen römischen Schwerbewaffneten entgegen und ward auch bei dieser Abwehr von dem ganzen Volke so wirkungsvoll unterstützt, dass aus dem sich nunmehr entspinnenden Treffen der Ägyptier sich nur mit wenigen Anhängern retten konnte, während die meisten davon in Stücke gehauen oder gefangen genommen wurden. Die übrigen Scharen flohen auseinander, und jeder suchte sein schützendes Heim zu gewinnen.


Kaum war die Ruhe von dieser Seite hergestellt, als auch schon wieder ein anderer Teil, wie es eben bei einem kranken Körper schon geht, von der Entzündung ergriffen wurde. Es rotteten sich nämlich die Zauberer und das Raubgesindel aufs neue zusammen, stachelten viele Einwohner zur Empörung an und forderten sie in feurigen Reden zur Gewinnung der Freiheit auf, indem sie zugleich diejenigen, welche sich der römischen Herrschaft gefügig zeigten, mit dem Tode bedrohten, und frech erklärten, dass man jene, die nun einmal die liebgewordene Knechtschaft der Freiheit vorzögen, eben nur mit Gewaltmitteln aus derselben herausreißen könne.

Sie verteilten sich in der Tat auch bandenweise auf das Land, raubten die Häuser der Großen aus, erschlugen ihre Eigentümer und steckten die Dörfer in Brand, so dass ganz Judäa von den Greueln ihrer Raserei erfüllt ward, und die so entfachte Kriegesfackel mit jedem Tage stärker aufloderte.


Wieder andere Wirrnisse brachen in Cäsarea aus, wo sich die Juden mit den daselbst ansässigen Syrern, unter denen sie zerstreut wohnten, überwarfen. Sie stellten sich nämlich auf den Standpunkt, dass die Stadt eigentlich eine jüdische wäre, weil ja ein Jude, der König Herodes, ihr Gründer gewesen sei. Die Gegenpartei gab die Besiedlung durch einen Juden ohneweiters zu, nahm aber trotzdem die Stadt für die Griechen in Anspruch, da Herodes gewiss keine Bildsäulen und Göttertempel in dieser Stadt hätte aufrichten lassen, wenn er sie hätte den Juden widmen wollen.

Darüber nun stritt man sich zuerst auf beiden Seiten eine Weile hin und her, bis der Wortstreit in einen tätlichen Kampf ausartete, und es Tag für Tag zwischen den Heißspornen beider Parteien zu blutigen Zusammenstößen kam, da es weder den Aeltesten der Juden gelang, die Kampfhähne auf ihrer Seite in Schranken zu halten, noch auch die Griechen, schon der Schande halber nicht, vor den Juden zurückweichen wollten.

Geldmacht und Leibesstärke gaben zwar den Juden einen gewissen Vorteil, aber das griechische Element hatte dafür in dem Rückhalt, den es an dem Militär fand, ein Gegengewicht, da der größte Teil der in Cäsarea stationierten römischen Streitmacht aus Syrien sich recrutierte, und die Soldaten daher schon als Landsleute den syrischen Einwohnern der Stadt beizuspringen geneigt waren.

Übrigens waren die Behörden angelegentlich bemüht, die Gährung zu unterdrücken, indem sie die hitzigsten Kämpfer von beiden Seiten regelmäßig herausgreifen und mit Geißlung und Kerkerhaft abstrafen ließen. Aber sowenig vermochte die Züchtigung der also Betroffenen die Streitlust der anderen zu dämpfen oder sie auch nur in etwa einzuschüchtern, dass im Gegenteil durch die gesteigerte Erbitterung noch öl ins Feuer gegossen wurde.

Als nun eines Tages die Juden im Kampfe das Feld behauptet hatten, begab sich Felix persönlich auf das Forum und befahl den Juden im drohenden Tone, den Platz zu räumen. Da sich die Juden dazu nicht verstehen wollten, so ließ er das Militär gegen sie vorgehen und eine beträchtliche Menge aus ihnen niederstrecken, über deren Eigentum man auch sofort herfiel. Weil aber trotz dieses Zwischenfalles der blutige Zwist noch fortbestand, so entschloss sich endlich Felix, eine Auswahl der angesehensten Personen von beiden Parteien zu treffen und sie als Gesandte an Nero abzuordnen, damit sie vor ihm ihre gegenseitigen Forderungen geltend machen könnten.