Johannes von Gischala.


Mitten in seiner organisatorischen Thätigkeit für Galiläa erwuchs aber dem Josephus ein hinterlistiger Gegner in der Person eines gewissen Johannes, Sohnes des Levi, von Gischala, eines Mannes, der an Gewandtheit und Schlauheit die berüchtigsten Schurken von damals übertraf. Anfangs arm, hatte ihn lange Zeit seine Dürftigkeit am Unheilstiften gehindert.

Um eine Lüge nie verlegen, besaß er geradezu eine Virtuosität darin, seinen Lügen den Anstrich der Wahrheit zu geben. Andere zu betrügen, galt ihm für eine Tugend, die er selbst gegen seine besten Freunde in Anwendung brachte.

Er konnte Menschenfreundlichkeit heucheln und dabei, wo er Gewinn hoffte, das blutgierigste Scheusal sein. Er hatte immer hochfliegende Pläne, nährte aber diese seine Hoffnungen nur mit den niedrigsten Bubenstreichen. Er war nämlich anfänglich nur ein einschichtiger Buschklepper gewesen, der aber dann, erst zwar nur wenige, je mehr aber sein Geschäft blühte, immermehr Spießgesellen für seine verwegenen Streiche fand, wobei er sorglich darauf sah, dass er ja keinen Schwächling in seinen Kreis bekam, sondern nur solche Leute sich aussuchte, die sich ebenso sehr durch ihre prächtige Körpergestalt wie Entschlossenheit und kriegerische Übung hervortaten. Auf solche Art brachte er eine Bande in der Stärke von 400 Mann zusammen, meist Flüchtlinge aus dem Gebiete von Tyrus und den dortigen Dörfern, mit welchen er nun ganz Galiläa brandschatzte und die allgemeine Angst, in der die Einwohner schon wegen des bevorstehenden Krieges schwebten, benützte, um sie desto gründlicher zu rupfen.


Jetzt hätte er auch schon gerne Landeskommandierender werden mögen und träumte von noch höheren Dingen – leider aber legte ihm der immer leere Beutel in dieser Beziehung eine Beschränkung auf. Kaum hatte er jedoch das große Interesse wahrgenommen, das Josephus an seiner Unternehmungslust fand, als er ihn auch schon zu bestimmen wusste, ihm zunächst die Wiederherstellung der Mauern seiner Vaterstadt anzuvertrauen, ein Geschäft, bei dem er sich auf Kosten der wohlhabenden Bürger einen erklecklichen Profit machte.

Hierauf führte er ein äußerst pfiffiges Stücklein aus. Er ließ nämlich die Meinung verbreiten, als ob alle in Syrien lebenden Juden Bedenken trügen, ein öl zu benützen, das nicht durch die Hände der Stammesgenossen gegangen wäre, und erwirkte sich die Erlaubnis aus, ihnen das öl an die Grenze liefern zu dürfen.

Er kaufte nun um tyrische Münzen, die einen Wert von vier attischen Drachmen haben, je vier Amphoren öl zusammen und brachte seinerseits schon eine halbe Amphore um denselben Preis wieder an Mann. Da Galiläa sehr ergiebig an öl ist und gerade zu dieser Zeit eine ausgezeichnete ölernte gehabt, Johannes aber gerade in solche Gegenden, die daran Mangel hatten, große Quantitäten und noch dazu als einziger Lieferant schicken konnte, so brachte er natürlich einen ungeheuren Haufen Geld zusammen, das er sofort gegen jenen verwendete, der ihm doch die Gelegenheit zu diesem Gewinn verschafft hatte.

Er rechnete nämlich darauf, dass er im Falle, als er den Josephus zu beseitigen vermöchte, selbst an die Spitze Galiläas treten würde, und trug deshalb den unter ihm stehenden Banden auf, sich mit noch größerer Kraft aufs Plündern zu werfen, um so bei der wachsenden Beunruhigung des Landes entweder dem Kommandanten bei irgend einer Gelegenheit, wo er zur Hilfe ausrücken müsste, einen Hinterhalt zu legen und ihn so abzutun, oder, wenn er sich um die Räuber nicht kümmern sollte, ihn bei den Landesbewohnern in Misscredit zu bringen.

Hierauf ließ er von scheinbar ihm ganz fernestehenden Kreisen aus das Gerücht aussprengen, als ob Joseph die jüdische Sache an die Römer verraten wolle. Solche und ähnliche Ränke schmiedete er gar viele zum Untergange dieses Mannes.


Um eben diese Zeit geschah es, dass einige junge Leute aus dem Dorfe Dabaritta, die zu der auf der großen Ebene aufgestellten Vorpostenkette gehörten, dem Haushofmeister des Agrippa und der Berenice, namens Ptolemäus, auflauerten und ihm sein ganzes Gepäck, das er mit sich führte, darunter nicht wenige wertvolle Kleider und eine große Anzahl silberner Pokale nebst 600 Goldstücken, raubten.

Da sie jedoch heimlich über die Beute nicht verfügen konnten, brachten sie alles zu Josephus nach Tarichää.

Dieser aber tadelte sie wegen ihrer Gewalttat an den Leuten des Königs und hinterlegte die überbrachten Gegenstände bei der ersten Persönlichkeit von Tarichää, einem gewissen Annäus, mit dem Vorsatze, sie bei Gelegenheit den rechtmäßigen Eigentümern zurückzuschicken. Aber gerade diese Handlungsweise hätte ihm selbst bald den Hals gekostet.

Die Beutemacher, die schon darüber recht erbost waren, dass sie von den gebrachten Beutestücken gar nichts erhalten sollten, hatten überdies auch die Absicht des Josephus, ihren eigenen sauren Erwerb an die königlichen Geschwister zu verschenken, bereits gemerkt, und liefen darum noch während der Nacht in ihre Dörfer zurück, um dort den Josephus als Verräter an den Pranger zu stellen. Sie alarmierten auch die benachbarten Städte und brachten es dahin, dass beim Morgengrauen 100.000 Bewaffnete gegen Josephus in Tarichää zusammenströmten, wo sich die Menge in der Rennbahn versammelte und ihrem Zorne zunächst in einer Flut von Verwünschungen Luft machte. Die einen schrieen: „Steiniget ihn!“ die anderen: „Ins Feuer mit dem Verräter!“ Die Erbitterung der Massen ward noch von Johannes und außerdem von einem gewissen Jesus, Sohn des Sapphias, dem damaligen Stadtoberhaupte von Tiberius, geschürt.

Was die Freunde und Leibwächter des Josephus betrifft, so hatten sich diese vor Entsetzen über den Massenansturm, mit Ausnahme von vieren, sämmtlich geflüchtet. Josephus, der noch im Schlafe lag, wurde eben geweckt, als man schon Feuer bei seinem Hause legen wollte, und sprang trotz der dringenden Aufforderung der vier bei ihm gebliebenen Personen, sich zu flüchten, weder durch die um ihn herum gähnende Leere noch von der Menge der anstürmenden Gegner eingeschüchtert, mit zerrissenem Kleide, das Haupt dicht mit Asche bestreut, die Hände auf den Rücken gelegt und sein eigenes Schwert an den Nacken gebunden, unter sie hinaus.

Bei diesem Anblick wurden seine Bekannten und ganz besonders die Bewohner von Tarichää von Mitleid ergriffen, während die Leute vom Lande und jene aus der Nähe, denen er ein Dorn im Auge war, ihn mit Lästerungen empfingen und die unverzügliche Herausgabe des gemeinsamen Schatzes, wie auch das unumwundene Einbekenntnis der verräterischen Abmachungen von ihm forderten.

Man hatte ja schon aus seiner ganzen Erscheinung abnehmen zu können geglaubt, er werde nichts von dem, was man bereits vermutet hatte, ableugnen wollen, sondern habe die ganze Rührszene nur zu dem Zwecke veranstaltet, um wieder Verzeihung zu erlangen.

Josephus aber wollte mit diesem erniedrigenden Aufzug in Wirklichkeit nur Zeit für ein schlaues Manöver gewinnen. Er hatte es nämlich darauf angelegt, gerade das, was die Ursache des allgemeinen Zornes geworden, als Zankapfel unter die jetzt gegen ihn allein erbitterte Menge zu schleudern, und versprach zu diesem Ende, er wolle alles bekennen.

Nun ward ihm das Wort gelassen. „Diese Schätze“, hub er an, „habe ich weder dem Agrippa zurückschicken noch in meinen eigenen Sack stecken wollen! Oder habe ich denn wirklich einmal euren Feind mit meinem Freunde verwechselt, oder das, was dem Gemeinwesen abträglich ist, mit meinem eigenen Profit?

Wohl aber habe ich, ihr Männer von Tarichää, die Wahrnehmung gemacht, dass gerade eure Stadt am allerdringendsten eine Sicherung benötigt, und zur Herstellung ihrer Mauer notwendig auch Gelder braucht. Auf der anderen Seite habe ich mich indes der Besorgnis nicht entschlagen können, es könnte das Volk von Tiberius und die anderen Städte über die gemachte Beute herfallen, und so habe ich mir vorgenommen, lieber heimlich den Schatz zurückzubehalten, um euch damit eine Ringmauer zu bauen.

Ist euch das nicht recht, so lasse ich sofort die mir überbrachten Wertsachen herbringen, um sie der allgemeinen Plünderung zu überantworten. Habe ich aber das Rechte für euch getroffen, so schlaget jetzt meinetwegen auf euren Wohltäter zu!


Auf das hin begannen die Leute von Tarichää den Josephus auf einmal als ihren Mann zu feiern, während sich die von Tiberias mit den übrigen aufs neue in Beschimpfungen und Drohungen ergingen. Bald war von Josephus keine Rede mehr, und beide Parteien gerieten sich dafür gegenseitig in die Haare. Jetzt wurde auch Josephus, da er die Bürger von Tarichää, die bei 40.000 ausmachten, hinter sich wusste, wieder kecker und sagte der ganzen Versammlung noch derbere Wahrheiten.

Nachdem er in längerer Ausführung ihre Vorschnelligkeit gegeißelt, schloss er mit der Erklärung: „Ich werde also mit dem jetzt verfügbaren Schatze zunächst Tarichää befestigen: doch werden auch alle anderen Städte mit ihrer Befestigung an die Reihe kommen. Denn niemals wird es an Geld mangeln, solange ihr nur fest gegen jene zusammenhaltet, zu deren Abwehr es bestimmt ist, und solange ihr euch nicht gegen jenen aufhetzen lasset, der es euch beschaffen will.“


Jetzt endlich wich, wenn auch noch in großer Erregung, die Hauptmasse der überlisteten Gegner. Nur 2000 Bewaffnete machten Miene, sich auf Josephus zu stürzen. Doch gelang es ihm früher noch, sich in das Innere seines Hauses zu retten, vor welchem nun der Haufe eine sehr drohende Haltung annahm. Ihm gegenüber griff nun Josephus zu einer neuen List.

Er stieg nämlich auf das Dach und suchte durch Winken mit der Hand die lärmende Menge zur Ruhe zu mahnen. Er wisse ja gar nicht, sagte er, was sie denn eigentlich von ihm wollten, da er in dem wirren Geschrei gar nichts ausnehmen könne. Er sei indes bereit, in allem sich ihren Aufträgen zu fügen, wenn sie zu einer ruhigen Besprechung einige Unterhändler zu ihm ins Haus schicken wollten.

Auf diese Worte hin traten die Rädelsführer mit den betreffenden galiläischen Häuptern in das Haus. Sofort ließ sie Josephus tief ins Innere des Gebäudes zerren, die Hofthüre wieder absperren und sie dann solange geißeln, bis bei allen die Eingeweide bloß lagen. Währenddessen wartete der Haufe in der Umgebung des Hauses in der Meinung, dass die hineingegangenen Männer nur in der Hitze ihrer Auseinandersetzung die Zeit überschritten hätten, als sich plötzlich auf den Befehl des Josephus das Tor wieder öffnete, und die Männer, blutüberströmt, herausgejagt wurden. Das rief unter der bisher so bedrohlichen Menge eine derartige Bestürzung hervor, dass alles die Waffen wegwarf und Reißaus nahm.


Dieser Vorfall diente aber nur dazu, die Eifersucht des Johannes noch höher zu spannen. Er legte jetzt dem Josephus eine andere Falle. Er stellte sich krank und bat den Josephus schriftlich um die Erlaubnis, zur Herstellung seiner Gesundheit die warmen Bäder von Tiberias gebrauchen zu dürfen.

Da Josephus damals den gefährlichen Menschen noch nicht durchschaut hatte, so schrieb er der dortigen Stadtobrigkeit und empfahl den Johannes ihrer Gastfreundschaft und sonstigen Obsorge. Erst zwei Tage hatte dieser davon Gebrauch gemacht, als er auch schon den eigentlichen Zweck seiner Anwesenheit zu verwirklichen suchte. Den einen suchte er durch seine Spiegelfechtereien, den anderen durch Bestechung den Kopf zu verrücken und sie zum Abfall von Josephus zu bereden.

Davon bekam indes Silas, den Josephus zur Beobachtung der Vorgänge in der Stadt aufgestellt hatte, Wind und benachrichtigte ihn unverweilt brieflich von der ganzen gegen ihn eingefädelten Verschwörung. Als Josephus den Brief erhalten, machte er sich auf und kam nach einem starken Nachtmarsch beim Morgengrauen vor Tiberias an.

Obwohl Johannes bereits Verdacht geschöpft hatte, es könnte der Besuch des Josephus mit seiner Person zusammenhängen, schickte er ihm doch unter dem übrigen Volke, das zur Begrüßung des Josephus ausgezogen, auch seinerseits einen seiner Bekannten entgegen, um sich heuchlerisch auf sein fortdauerndes Unwohlsein zu berufen und sich zu entschuldigen, dass er, weil ans Bett gefesselt, ihm nicht persönlich seine Hochachtung bezeigen könne.

Als aber dann Josephus vor den Bürgern von Tiberias, die er in die Rennbahn hatte entbieten lassen, über die Mitteilungen des Silas eben Aufklärungen geben und sich geben lassen wollte, da schickte Johannes ganz unauffällig Bewaffnete zur Versammlung, die den Auftrag hatten, Josephus niederzuhauen. Doch sah das Volk noch zur rechten Zeit das Aufleuchten der gezogenen Schwerter und stieß ein lautes Geschrei aus.

Auf den Schrei wandte sich Josephus um und sah das schon zum Todesstoß erhobene Eisen. Mit einem Satz war er unten – er stand nämlich während seiner Rede an das Volk auf einem sechs Ellen hohen Vorsprung – und stürzte nach dem Seestrande, wo er in einen dort haltenden Nachen sprang und mit zwei seiner Leibwachen eiligst die Mitte des Sees zu gewinnen suchte.


Seine anderen Krieger hatten unterdessen schnell zu den Waffen gegriffen, um sich auf die Meuterer zu werfen. Da bekam aber Josephus Furcht, es möchte etwa ein Bürgerkampf daraus entstehen, der ihm um einiger Neider willen die Stadt ganz nutzlos ruinieren würde. Er schickte darum durch einen Boten an seine Leute die Weisung, sich bloß auf die Verteidigung zu beschränken und weder einen der Schuldigen zu tödten, noch sie aufzuspüren.

Die Krieger gehorchten dem Befehle und verhielten sich ruhig. Anders die umwohnende Landbevölkerung, welche auf die Kunde von dem Anschläge und dessen eigentlichem Anstifter sich gegen Johannes zusammenrottete. Der aber hatte sich noch bei gutem Wind nach seiner Vaterstadt Gischala geflüchtet.

Jetzt sammelten sich die Galiläer aus allen Städten um Josephus und schwollen zu vielen tausend und tausend von Bewaffneten an, die da laut erklärten, dass sie sich gegen den Landesverräter zusammengefunden hätten und entschlossen seien, ihn sammt der Stadt, die ihn unter ihren Schutz genommen, zu verbrennen.

Obschon Josephus von diesem Beweise ihrer Anhänglichkeit, wie er der Menge selbst gestand, sehr befriedigt war, so suchte er doch ihren Zorneseifer zu zügeln, weil er von dem Grundsatz ausging, seine Feinde lieber durch ein kluges Benehmen unschädlich zu machen, als zu tödten.

Was er tat, war, dass er die Namen der einzelnen Personen, die aus jeder Stadt zur Partei des Johannes abgefallen waren, herauszubekommen suchte, was ihm Dank der Bereitwilligkeit der Bürgerschaft, die ohneweiters die betreffenden Mitglieder zur Anzeige brachte, auch gelang. Darauf ließ er diese Personen durch Herolde öffentlich verwarnen, dass er, falls sie nicht innerhalb fünf Tagen Johannes den Rücken kehren sollten, ihre Habe der Plünderung, ihre Häuser aber sammt ihren Familien den Flammen preisgeben werde.

Durch diese Maßregel entriss er dem Johannes mit einem Schlage 3.000 Parteigänger, die sich bei ihm persönlich einfanden und ihre Waffen ihm zu Füßen legten. Mit dem Rest von beiläufig 2.000 Mann, bestehend aus den syrischen Flüchtlingen, zog sich Johannes vom Schauplatz seiner öffentlichen Umtriebe wieder zurück, um dafür seine geheimen Machinationen aufzunehmen.

Er schickte nämlich Emissäre nach Jerusalem, um gegen die steigende Macht des Josephus Argwohn zu erregen, und ließ dort sagen, Josephus werde in nicht allzulanger Zeit als Herrscher in die Hauptstadt einziehen, wenn man ihn nicht früher dingfest mache.

Die eigentliche Bürgerschaft hatte solche Anklagen schon vorausgesehen und gab ihnen gar kein Gehör. Nicht so die Männer von Einfluss, darunter auch einige von der Regierung, welche aus Eifersucht an Johannes heimlich Gelder zur Anwerbung von Söldnern sandten, damit er es mit Josephus wieder aufnehmen könnte. Gleichzeitig ward in ihrem Kreise der Beschluss gefasst, Josephus auch vom Kommando abzuberufen.

Da sie indes annehmen konnten, dass das bloße Decret schwerlich seinen vollen Zweck erreichen werde, so ließen sie vier der erlauchtesten Persönlichkeiten, Joaesdros, Sohn des Nomikus, Ananias Sadduki, Simon und Judas, die Söhne des Jonathas, lauter äußerst redegewandte Männer an der Spitze von 2.500 Bewaffneten nach Galiläa abgehen, um die Anhänglichkeit des Volkes an Josephus zu erschüttern. Würde Josephus freiwillig vor ihnen erscheinen, so sollten sie seine Rechenschaft nur entgegennehmen, sollte er aber mit Gewalt sein Bleiben ertrotzen wollen, dürften sie ihn ohneweiteres als Feind behandeln.

Josephus war nun allerdings durch seine Freunde vom Herannahen eines Heeres schriftlich in Kenntnis gesetzt worden, hatte sich aber dennoch nicht vorgesehen, da ihm die Briefe wegen des tiefen Geheimnisses, mit dem die Gegner ihre Beschlüsse umgeben hatten, über den eigentlichen Grund der Expedition noch nichts hatten mitteilen können. So kam es, dass den Gegnern gleich bei ihrem ersten Erscheinen die vier Städte: Sepphoris, Gamala, Gischala und Tiberias zufielen.

Doch schnell gelang es ihm, nicht bloß diese Städte ohne Anwendung von Waffengewalt wieder für sich zu gewinnen, sondern sogar der vier Häupter, wie auch der hervorragendsten Personen im Heere mittels eines schlauen Handstreiches sich zu versichern, worauf er sie nach Jerusalem zurückbringen ließ.

Das Volk ward bei ihrem Anblick von einer so außerordentlichen Erbitterung ergriffen, dass es im wilden Auflauf die Männer sammt der Geleitsmannschaft zerrissen haben würde, wenn sie sich nicht zur rechten Zeit seiner Wut durch eilige Flucht entzogen hätten.


Von da an hielt die Furcht vor Josephus den Johannes hinter die Mauern von Gischala gebannt. Wenige Tage später fiel Tiberius aufs neue ab, indem die Einwohner den König Agrippa zur Hilfe herbeiriefen.

Dieser stellte sich zwar zur verabredeten Frist nicht ein, dafür erschienen aber einige wenige römische Reiter, was genügte, um dem Josephus sofort eine feierliche Absage zu geben.

Ihr Abfall wurde sogleich dem Josephus in Tarichää bekannt. Da er aber gerade alle seine Krieger zur Herbeischaffung von Proviant ausgesendet hatte, und er allein gegen die Abtrünnigen natürlich nicht ausziehen konnte, andererseits es jedoch auch nicht übers Herz brachte, ruhig an Ort und Stelle zu bleiben, aus Besorgnis, es könnten im Falle einer Zögerung die Königlichen doch noch früher in die Stadt einrücken, zumal er auch den folgenden Tag wegen des Sabbatsgebotes zu einer Unternehmung nicht frei hatte, so verfiel er auf den Gedanken, die Abgefallenen mit List daranzubekommen. Er ließ zunächst die Tore von Tarichää absperren, damit Niemand vorher den Betroffenen etwas von dem Plane verraten könnte. Dann zog er alle Boote auf dem See, deren sich 240 vorfanden, mit nicht mehr als vier Schiffern in jedem, zusammen und ruderte rasch gegen Tiberias.

Noch eben weit genug von der Stadt entfernt, dass man in diesem Abstand nicht leicht etwas von dem wirklichen Vorgange merken konnte, ließ er die unbewehrten Boote mitten im See vor Anker schaukeln, während er selbst mit nur sieben bewaffneten Leibwächtern näher in Sicht kam.

Eben hatten seine Feinde noch über ihn geschmäht, als sie ihn plötzlich in Person von der Stadtmauer herab gewahrten. In ihrer Bestürzung glaubten sie nichts anderes, als dass alle Boote mit Bewaffneten vollgepfropft seien, warfen die Waffen weg, winkten zum Zeichen der Ergebung mit ölzweigen von der Mauer und baten um Schonung für die Stadt.


Josephus machte ihnen zunächst gewaltig bange und setzte sie tüchtig herunter, indem er sie fragte, wie sie denn fürs erste nach Aufnahme des Kampfes mit den Römern ihre Kräfte im vorhinein durch innere Fehden aufreiben und so gerade das tun könnten, was den Feinden am meisten erwünscht sein müsste; wie sie dann weiters selbst dem Hüter ihrer eigenen Sicherheit nach dem Leben trachten könnten, und sich nicht entblödeten, gerade dem die Stadt vor der Nase zuzusperren, dem sie doch ihre Mauer zu verdanken hätte. Darauf erklärte er aber, dass er ihre Verteidiger anhören und Bürgen für die zuverlässige Haltung der Stadt entgegennehmen wolle.

Alsbald kamen zehn der mächtigsten Persönlichkeiten herunter, die Josephus gleich in eines der Boote aufnehmen und dann sehr weit in den See hinausfahren ließ. Dann forderte er fünfzig andere aus dem Rate, die zu den vornehmsten Vertretern desselben zählten, vor sich, unter dem Vorgehen, auch von diesen sich eine Bürgschaft geben zu lassen.

Unter stets neuen Vorwänden lockte er in weiterer Folge nacheinander immer neue Persönlichkeiten, angeblich zum Zwecke von Abmachungen, zu sich heraus.

War ein Boot voll, so befahl er dem betreffenden Steuermann schleunigst nach Tarichää zurückzufahren und die Männer in das öffentliche Gefängnis einsperren zu lassen, bis er so den ganzen Stadtrat in der Stärke von 600 Mitgliedern und gegen 2.000 aus der Bürgerschaft abgefasst und auf den Booten nach Tarichää geschafft hatte.


Bei derselben Gelegenheit war aus der Mitte der übrigen Einwohnerschaft der laute Ruf erschollen, dass ein gewisser Klitus der eigentliche Rädelsführer des Abfalles sei, und man hatte Josephus aufgefordert, gerade diesem Menschen die Wucht seines Zornes recht fühlen zu lassen. Josephus, der Niemandem ans Leben wollte, gebot einem seiner Leibwächter, einem gewissen Levi, ans Ufer zu steigen und dem Klitus die zwei Hände abzuhauen.

Levi aber fürchtete sich, ganz allein vom Schiffe weg sich unter den Haufen der bisher feindlichen Städter zu begeben, und weigerte sich, zu gehen. Wie nun Klitus den Josephus im Boote infolge dessen heftig gesticulieren und sich anschicken sah, aus demselben herauszuspringen, um selbst Hand anzulegen, bat er flehentlich vom Gestade aus, ihm doch die andere Hand zu lassen.

Damit war Josephus unter der Bedingung einverstanden, dass Klitus sich selbst die eine Hand abhaue. Sofort zog Klitus sein Schwert und trennte sich mit einem Schlage die linke Hand ab. So gewaltig war der Schrecken, den ihm Josephus eingejagt hatte!

Also mit leeren Kähnen und sieben Leibwächtern hatte damals Josephus ein ganzes Volk gefangen genommen und Tiberias wieder gewonnen! Einige Tage später bekam er auch Gischala, das zugleich mit Sepphoris sich von ihm abgewendet hatte, in seine Gewalt und gab es der Plünderung seiner Krieger preis.

Doch ließ er dann wieder alles auf einen Haufen zusammenbringen und schenkte es den Bürgern. Ebenso machte er es bei Sepphoris und Tiberias, indem er auch diesen Leuten nach der Bewältigung durch die Plünderung eine Lektion erteilen, durch die Rückgabe des Vermögens aber dieselben neuerdings an sich fesseln wollte.