Der falsche Alexander. Verbannung des Archelaus. Tod der Glaphyra.


Um diese Zeit verfiel ein junger Mann, ein gebürtiger Jude, der aber in Sidon bei einem römischen Freigelassenen auferzogen worden, verleitet von seiner Leibesgestalt, die dem von Herodes hingerichteten Alexander ganz ähnlich war, auf den Gedanken, sich für denselben auszugeben, und kam in der Hoffnung, dass niemand seine wahre Persönlichkeit erkennen würde, sogar nach Rom.

Bei diesem Schwindel wurde er von einem anderen Juden unterstützt, der, von allen Vorgängen im Königreiche wohl unterrichtet, ihn anleitete zu sagen, dass die Leute, die ihn und Aristobulus hätten hinrichten sollen, sie aus Erbarmen hätten entschlüpfen lassen und für sie Leichen von Menschen unterschoben hätten, welche ihnen ganz ähnlich waren.

Damit gelang es ihm denn auch, zunächst die auf Kreta wohnenden Juden völlig zu berücken, und er fuhr dann, von ihnen mit Reisemitteln reichlich versehen, nach Melus hinüber, wo der überwältigende Schein seiner Glaubhaftigkeit ihm noch weit mehr einbrachte, und er sogar seine Gastfreunde dazu vermochte, mit ihm nach Rom zu fahren.

Er landete in Dikäarchia, wo er von den dortigen Juden Geschenke in schwerer Menge bekam und sogar von den ehemaligen Freunden des Herodes ein geradezu königliches Geleite nach Rom erhielt. Die Ähnlichkeit seiner Gestalt mit Alexander war aber auch so vollständig, dass Leute, die den wahren Alexander mit eigenen Augen gesehen hatten und ihn sehr gut kannten, Stein und Bein schwuren, dass der es sei.

Und gar erst die jüdische Bevölkerung Roms! Alles lief hinaus, um ihn zu sehen, und eine ungeheure Menschenmenge drängte sich in den Gassen, wo er auf seiner Sänfte vorbeikam. Den Meliern war nämlich ihr Fanatismus so zu Kopfe gestiegen, dass sie ihn sogar in einer Sänfte trugen und auf ihre Unkosten ihm einen königlichen Hofstaat beistellten.


Augustus, der die Persönlichkeit des Alexander genau kannte, da dieser schon einmal von Herodes vor seinen Richterstuhl gebracht worden war, merkte wohl, schon bevor er noch den Menschen gesehen, den mit der Ähnlichkeit getriebenen Schwindel; da er aber gleichwohl auch den Ahnungen freudigerer Natur sein Ohr nicht ganz verschließen wollte, so schickte er einen gewissen Celadus, der mit Alexander gut bekannt gewesen, mit dem Auftrage ab, das Bürschchen zu ihm zu bringen.

Sobald Celadus seiner ansichtig geworden, fiel ihm sofort schon der Unterschied in den Gesichtszügen auf, und die weitere Wahrnehmung, dass seine ganze Constitution zu vierschrötig war und eher an einen Sklaven erinnerte, bestärkte ihn vollends in der Überzeugung, dass das Ganze nur ein Gaunerstückchen sei.

Er konnte aber kaum seine Entrüstung bemeistern, als er erst die kecken Worte vernahm, mit denen der Schwindler um sich warf. So sagte er z. B., als man ihn nach dem Verbleib des Aristobulus fragte, dass auch er gerettet, aber aus guten Gründen in Cypern geblieben sei, um sich keinen Nachstellungen auszusetzen: getrennt könnte man ihnen ja weniger anhaben.

Nun führte ihn Celadus beiseite und eröffnete ihm, dass der Kaiser ihm das Leben schenken wolle, wenn er denjenigen nennen würde, der ihn zu einer solchen Erzgaunerei beredet habe. Der Junge erklärte sich bereit, diesen Mann dem Kaiser zu verraten, und folgte ihm zu Augustus, wo er in der Tat den Namen des Juden, der die Ähnlichkeit des Jünglings für den eigenen Säckel ausgebeutet hatte, angab und ganz naiv bemerkte, er, der falsche Alexander, habe in jeder Stadt allein schon eine solche Unmasse von Geschenken bekommen, wie sie wohl der wahre Alexander sein Lebtag nie erhalten habe.

Darüber musste selbst der Kaiser lachen und er ließ dann den falschen Alexander in Anbetracht seines kräftigen Körperbaues zum Ruderdienst auf die Galeeren bringen, während er den eigentlichen Anstifter zur Hinrichtung verurteilte. Die Melier brauchten ihre Dummheit nur mit dem Verluste ihres Geldes zu büßen, das sie für den Schwindel ausgegeben hatten.


Als Archelaus die Ethnarchie übernahm, nahm er leider auch die Erinnerung an die ehemaligen Zerwürfnisse mit und benahm sich infolge dessen nicht bloß den Juden, sondern auch den Samaritern gegenüber so grausam, dass zuletzt beide Völkerschaften Gesandte an den Kaiser abschickten, um ihre Klagen gegen ihn anzubringen. Archelaus ward denn auch im neunten Jahre seiner Herrschaft nach Vienna, einer Stadt in Gallien, verwiesen, und sein Vermögen zu Gunsten des kaiserlichen Schatzes eingezogen.

Bevor aber Archelaus vom Kaiser vorgeladen wurde, soll er folgendes Traumgesicht geschaut haben: Es war ihm nämlich, als wenn er neun volle, große Aehren sähe, die von Ochsen gefressen wurden. Er schickte darauf um die Wahrsager, worunter auch einige Chaldäer waren, und fragte sie, was das wohl bedeuten möchte.

Während nun der eine darüber diese, der andere eine andere Auslegung gab, erklärte ein gewisser Simon von der Sekte der Essäer, dass nach seiner Meinung die Aehren Jahre, die Ochsen aber Umwälzungen bedeuten, weil sie nämlich beim Pflügen die Erdschollen aufwerfen. Demgemäß würde seine Regierung ebensoviele Jahre zählen, als es Aehren gewesen seien, und sein Tod nach einem sehr bewegten Leben erfolgen. Fünf Tage nach dieser Auslegung erhielt er auch schon seine Abberufung vor das kaiserliche Gericht.


Ich halte auch das Traumgesicht, das seine Frau Glaphyra gehabt hat, für merkwürdig genug, um es hieher zu setzen. Glaphyra war bekanntlich eine Tochter des Königs Archelaus von Kappadozien und in erster Ehe mit Alexander, einem Bruder des soeben ausführlicher bedachten Archelaus, einem Sohne des Königs Herodes, verheiratet, dessen Ermordung durch den eigenen Vater wir im Vorausgehenden erzählt haben.

Nach seinem Tode wurde sie die Gattin des Königs Juba von Libyen, den sie ebenfalls überlebte, um dann zu ihrem Vater heimzukehren und bei ihm ihre Witwenjahre zuzubringen. Hier sah sie der Ethnarch Archelaus und fasste eine so leidenschaftliche Neigung zu ihr, dass er alsbald seine bisherige Gemahlin Mariamne entließ und die Glaphyra heimführte. Nicht gar lange nach ihrer Ankunft in Judäa war es ihr nun, als stünde Alexander vor ihr und redete sie an: „Du hättest es dir an der Heirat mit dem Libyer genüge sein lassen sollen. Du aber bist, weit entfernt, dich damit zufrieden zu geben, an meinen eigenen Herd zurückgekommen, um dir einen dritten Mann, und was von dir noch verwegener ist, meinen leiblichen Bruder zum Gatten zu nehmen. Wisse jedoch, dass ich über diese Unbild nicht mehr hinwegsehen will. Ich werde dich auch gegen deinen Willen zu holen wissen.“ Glaphyra machte von diesem Traumgesichte sofort Mitteilung und nicht ganz zwei Tage darauf weilte sie bereits nicht mehr unter den Lebenden.